Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.08.2021, RV/2100243/2021

Wiederaufnahme - keine neue Tatsachen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2019 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Anbringen vom beantragte der Beschwerdeführer ***Bf1*** (im Folgenden Bf.) die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2019 (Bescheid vom ) mit folgender Begründung:

"Begründend führe ich aus, dass ich bisher davon ausgegangen bin, dass die Behörde in Ihrem Einkommensteuerbescheid 2019 die von mir geltend gemachten Aufwendungen für Versicherungen richtig bemessen hat.

Aufgrund des neuerlichen Auskunftsersuchens der Behörde vom habe ich allerdings selbst nochmals den Sachverhalt geprüft. Daraus hat sich ergeben, dass ich der Behörde im Rahmen meines Beschwerdeverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 bereits mitgeteilt habe, dass von mir in gutem Glauben auf die diesbezügliche Richtigkeit, eine von mir Ende 2016 bei dem Unternehmen Wiener Versicherungsverein abgeschlossene Begräbniskostenversicherung, für die ich eine monatliche Prämie von EUR 20. - entrichte in meine Einkommensteuererklärung 2019 erstmals miteinbezogen wurde.

Dies erfolgte deswegen, da ich glaubte einer juristischen Fachzeitschrift im Jahr 2019, die mir leider nicht mehr vorliegt (ich mutmaße Manz oder ecolex), entnommen zu haben, dass derartige Versicherungen, aus denen der Begünstige lediglich die Leistung erzielen kann, dass nach seinem Ableben seine Begräbniskosten abgedeckt sind, steuerlich auch dann geltend gemacht werden können, wenn sie nach dem abgeschlossen wurden.

Verwunderlicher weise hat die Behörde jedoch trotzdem sie diese Tatsache kannte, keine Prüfung der Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2019 in Erwägung gezogen, obwohl offenkundig war, dass ich in meine Einkommensteuererklärung für2019 tatsächlich Aufwendungen für eine nach dem abgeschlossene Versicherung miteinbezogen habe.

Daher ist demnach das Einkommensteuerverfahren für das Jahr 2019 jedenfalls wieder aufzunehmen, sofern die Behörde nicht die Rechtsansicht teilt, dass auch nach dem abgeschlossene Begräbniskostenversicherungen steuerlich relevant sind."

Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem hier angefochtenen Bescheid vom mit der Begründung ab, dass aus Sicht des Bf. keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, sondern nur eine neue rechtliche Beurteilung getroffen worden sei.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom führte der Bf. aus, dass sich weitere neue Tatsachen und Beweismittel ergeben hätten. Unter Verweis auf ein Vorhalteverfahren des Finanzamtes betreffend der Jahre 2017 und 2018 hätten Ausbildungskosten anerkannt werden müssen:

"Ich behaupte daher, dass mir die von mir in den Jahren 2018 und 2019 geltend gemachten Ausbildungskosten, welche zu ein und demselben von mir an der Universität Linz betriebenen Studium im Jahr 2017 mittels Ergänzungsersuchen von der Behörde nachgeprüft und anerkannt wurden, von der Behörde berücksichtigt werden hätten müssen.

Falls die Behörde aufgrund des dargelegten Sachverhalts zu dem Schluss kommt, das Einkommensteuerverfahren 2019 wieder aufzunehmen, behaupte ich des Weiteren, dass entgegen der Ansicht der Behörde meine im Jahr 2019 begonnene und im Jahr 2020 fortgesetzte Vermietung einer Eigentumswohnung eine Einkommensquelle darstellt und die von mir im Rahmen meiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 geltend gemachten Kosten für einen Grabstein als außergewöhnliche Belastung steuerlich zu berücksichtigen sind."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde unter Verweis auf den angefochtenen Bescheid vom ab. Ergänzend begründete das Finanzamt die Abweisung damit, dass dem Bf. im Zuge der Akteneinsicht am sämtliche angesprochene Unterlagen per Mail übermittelt wurden, weshalb sie nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2019 am nicht neu hervorgekommen sein können.

Im Vorlageantrag vom verwies der Bf. auf das bisher Vorgebrachte und ergänzte, dass die Einnahmen-Ausgabenrechnung des Jahres 2020 eine neue Tatsache darstelle, die beweise, dass die Vermietung nicht als Liebhaberei zu beurteilen sei.

"Wenn die Behörde in ihrem bisher noch nicht ergangen Einkommensteuerbescheid 2020 nämlich zu dem Schluss kommen sollte, dass nunmehr eine Einkunftsquelle vorliegt, hätte sie die Vermietung auch für das Jahr 2019 als Einkunftsquelle steuerlich anzuerkennen gehabt, da im Rahmen der Liebhabereiverordnung nicht bereits im ersten Jahr einer privaten Vermietung zwingend ein Gewinn erzielt werden muss, sondern ein Gewinn zumindest einmalig innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren erzielt werden muss."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt stellt sich wie im Verfahrensgang dargestellt dar und wurde von keiner Verfahrenspartei bestritten. Er kann daher als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Rechtslage

§ 303 (1) BAO: Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(…)

Wiederaufnahme

Nach Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt beispielsweise ist Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (vgl. ). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ). Das Neuhervorkommen von Tatsachen ist bei der beantragten Wiederaufnahme aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen (vgl. ).

Im Beschwerdefall beantragte der Bf. die Wiederaufnahme des Verfahrens betr. des Einkommensteuerbescheides 2019 vom aus folgenden Gründen:

- weil sich für den Bf. anlässlich eines Vorhaltes der Finanzverwaltung am ergeben habe, dass das Finanzamt eine Begräbniskostenversicherung im Jahr 2019 erstmals fälschlich miteinbezogen habe (ursprünglicher Antrag)

- weil sich aus der Veranlagung 2017 ergeben hätte, dass das Finanzamt die im Jahr 2017 als Werbungskosten anerkannte Ausbildungskosten auch 2019 anerkennen hätte müssen (Beschwerde)

- weil sich aus der Einnahmen-Ausgabenrechnung 2020 ein Gewinn ergäbe, der das Vorliegen von Liebhaberei ausschließe (Vorlageantrag).

Keiner der ins Treffen geführten Gründe stellt eine neue Tatsache bzw. ein neues Beweismittel iSd § 303 Abs 1 lit b BAO dar:

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften ( unter Verweis auf , mwN).

Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen ( unter Hinweis auf ).

Die fälschliche Berücksichtigung einer Begräbniskostenversicherung ist keine Tatsache, sondern eine unbeachtliche rechtliche Beurteilung.

Auch die Anerkennung von Ausbildungskosten in anderen Jahren ist keine Tatsache, sondern eine rechtliche Beurteilung. Das Vorliegen von Ausbildungskosten selbst war dem Bf. hingegen bekannt, weil er sie selbst getragen hat.

Schließlich stellt die Einnahmen-Ausgabenrechnung 2020, die erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens hergestellt worden ist, nach Ansicht des aus Sicht des Antragstellers weder eine neu hervorgekommene Tatsache, noch ein neu hervorgekommenes Beweismittel iSd § 303 BAO dar, weil sie erst nach dem Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstanden ist; als neu hervorgekommen könnten nur Belege beurteilt werden, deren Existenz dem Bf. nicht bekannt gewesen ist ().

Damit konnte der Bf. keine Gründe für eine Wiederaufnahme dartun. Die Beschwerde war daher - wie im Spruch ersichtlich - abzuweisen.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall waren die vorgebrachten Gründe anhand der einheitlichen Rechtsprechung des VwGH zu prüfen. Damit liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100243.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at