Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlung (EVZ) - Stattgabe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache Bf, Adresse Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer St. Nr., betreffend Abweisung des Herabsetzungsantrages der Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2021 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2021 und Folgejahre werden festgesetzt mit € 321,-.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuervorauszahlung (EVZ) für 2020 und Folgejahre auf der Basis der Einkommensteuerveranlagung 2019 mit € 1.957,- festgesetzt. Mit Schreiben vom (eingelangt am ) hat die Beschwerdeführerin (Bf) das Finanzamt ua ersucht, die Vorauszahlungsbeträge herabzusetzen. Dies wurde von der Bf damit begründet, dass sie mit Gültigkeit vom einen Behindertenpass habe, in welchem ein Grad der Behinderung von 70%, die Unzumutbarkeit der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, Fahrtpreisermäßigung und der Bedarf einer Begleitperson eingetragen seien. Die Bf begehrte daher die Herabsetzung der EVZ unter Berücksichtigung des monatlichen Freibetrages von € 190,- gem §§ 34 und 35 EStG 1988 iVm § 3 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430). Mit Bescheid vom wurde durch das Finanzamt der Antrag auf Herabsetzung der EVZ mit der Begründung abgewiesen, dass die Bf auch im Kalenderjahr 2021 Einkünfte aus zwei bezugauszahlenden Stellen und sich an der Basis der Festsetzung der EVZ (Basis 2019) nichts geändert habe. Mit Schreiben vom (eingelangt am ) erhob die Bf gegen den abweisenden Bescheid vom Beschwerde und begründete diese damit, dass bei der Festsetzung der EVZ im Jahr 2020 der Freibetrag von € 190,- auf Grund der Zusatzeintragungen im Behindertenpass nicht berücksichtigt hätte werden können. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt dazu aus, das lt den übermittelten Daten des Sozialministeriumsservice eine Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht vorläge und dass dieser Freibetrag in der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 von der Bf nicht geltend gemacht worden sei. Mit Schreiben vom beantragte die Bf die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend aus, dass eine Unzumutbarkeit der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel erst mit Wirkung ab dem bestünde und diese naturgemäß bei der Veranlagung 2019 noch nicht vorgelegen haben könne. Im Vorlagebericht vom ergänzte das Finanzamt seinen Standpunkt noch dahingehend, dass die bloße Erhöhung der prozentuellen Behinderung und des damit einhergehenden Freibetrages zu keiner steuerlichen Änderung führen würde, weil zeitgleich Pflegegeld bezogen würde. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei zwar gegeben, führe aber zu keiner steuerlichen Änderung, weil nach Aktenlage kein Kraftfahrzeug auf die Bf zugelassen sei. Mit Schreiben vom replizierte die Bf auf den Vorlagebericht des Finanzamtes und führte aus, dass ein Kfz auf die Bf zugelassen sei und legte zum Beweis die Kopie eines Zulassungsscheines bei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf bezog im Jahr 2019 und im Jahr 2020 Einkünfte von zwei lohnsteuerpflichtigen bezugauszahlenden Stellen. Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuervorauszahlung (EVZ) für 2020 und Folgejahre auf der Basis der Einkommensteuerveranlagung 2019 mit € 1.957,- festgesetzt. Unstrittig ist, dass mit Gültigkeit ab ein Behindertenpass für die Bf ausgestellt wurde. In diesem Behindertenpass wurde ein Grad der Behinderung von 70% festgestellt und die Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel", "Fahrpreisermäßigung" und "Begleitperson" vermerkt. Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes hat das Finanzamt eine Abfrage in der BMI-Anfragedatenbank (Kfz-Abfrage) durchgeführt, die ergeben hat, dass auf die Bf zwei PKW zugelassen sind. Diese Zulassungen sind aber lt Auskunft des Finanzamtes in den finanzinternen Datenbanken nicht ersichtlich gewesen. Auf Basis der Angaben der Bf in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 wurde mittlerweile durch das Finanzamt die Veranlagung 2020 durchgeführt. Dabei wurde durch das Finanzamt auch der Freibetrag in der Höhe von € 190,- gem §§ 34 und 35 EStG 1988 iVm § 3 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) berücksichtigt. Die Einkommensteuer 2020 wurde mit € 309,- festgesetzt.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellung des Sachverhalts erfolgte maßgeblich aufgrund der vorgelegten Aktenteile sowie aufgrund der durch das Bundesfinanzgericht veranlassten Erhebungen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. und II.
Gem § 45 Abs 1 EStG 1988 sind für Lohnsteuerpflichtige Vorauszahlungen nur in den Fällen des § 41 Abs 1 Z 1 und 2 EStG 1988 festzusetzen.
§ 41 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"§ 41. (1) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn
er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,
im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.
(…)"
Die Bf hat im Kalenderjahr 2019 wie auch 2020 gleichzeitig zwei lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen. Damit war basierend auf der Veranlagung 2019 eine Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2020 und die Folgejahre festzusetzen.
Gem § 45 Abs 4 EStG 1988 kann das Finanzamt die Vorauszahlung der Steuer anpassen, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird. Vorauszahlungen können auf Antrag geändert bzw von Amts wegen an geänderte Umstände angepasst werden (vgl Peyerl in Jakom EStG 2021, § 45 Rz 11).
Mit Antrag auf Abänderung der Einkommensteuervorauszahlung vom legte die Bf als Beilage eine Kopie ihres Behindertenausweises vor. Aus diesem Behindertenausweis geht hervor, dass dieser eine Gültigkeit ab besitzt und unter anderem Zusatzeintragungen betreffend die Unzumutbarkeit der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, Fahrtpreisermäßigung und Bedarf einer Begleitperson aufweist.
Auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988 hat der Bundesminister für Finanzen eine Verordnung über außergewöhnliche Belastungen erlassen (BGBl 1966/303 idF BGBl II 2010/430). § 3 der Verordnung des Bundesministers über außergewöhnliche Belastungen lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 3 (1) Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, daß ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 190 Euro monatlich zu berücksichtigen. (…)."
Die Bf hat durch die Vorlage einer Kopie ihres Behindertenausweises die Unzumutbarkeit der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels nachgewiesen. Weiters sind auf die Bf zwei Kraftfahrzeuge zugelassen. Da aus dem ermittelten Sachverhalt und auch aus den Darstellungen des Finanzamtes nicht ableitbar ist, dass die Bf die auf sie zugelassenen Kfz nicht für ihre Fortbewegung nutzen würde, steht der Bf der Freibetrag von € 190,- monatlich gem § 3 der Verordnung des Bundesministers über außergewöhnliche Belastungen zu. Auch das Finanzamt hat in seiner Veranlagung für das Jahr 2020, den Freibetrag von € 190,- anerkannt.
Gem § 45 Abs 1 zweiter TS EStG 1988 ist der Vorauszahlungsbetrag für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr um 4% zu erhöhen. Die Veranlagung für das Jahr 2020 ergab eine Einkommensteuer für das Jahr 2020 von € 309,-. Die EVZ ist daher um 4% erhöht mit € 321,- festzusetzen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die normative Wirkung des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides durch den Jahresbescheid nicht beseitigt wird (vgl. , und ). Der später ergehende Jahresbescheid tritt somit nicht an die Stelle des Vorauszahlungsbescheides und kommt daher auch eine Gegenstandsloserklärung nicht in Betracht.
3.2. Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Anpassung der Einkommensteuervorauszahlung ergibt sich bereits aus dem Gesetzestext, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 45 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 3 Abs. 1 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101132.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at