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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.08.2021, RV/2100395/2021

Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. Anregung auf Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen nach Ergehen eines VwGH-Erkenntnisses

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom

  • gegen die Bescheide des Finanzamtes ***1*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung der Anträge vom auf Wiederaufnahme der Verfahren der mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom und mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom abgeschlossenen Verfahrens sowie

  • gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens des mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom abgeschlossenen Verfahrens,

Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom beantragte der als Polizist für die Europäische Grenzschutzagentur Frontex in das Ausland entsandte Bf unter Hinweis auf das Erkenntnis des , und dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis des , wonach zusammengefasst die Besteuerung der im Rahmen von Frontex-Einsätzen ausbezahlten Taggelder zu Unrecht erfolgte, die Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagungsverfahren für die Jahre 2015, 2016 und 2017 gemäß § 303 BAO bzw. regte eine Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen an.

In den abweisenden Beschwerdevorentscheidungen führte das Finanzamt begründend aus, dass gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel voraussetzen würde. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme von Einkommensteuerverfahren auf Grund der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Ro 2018/13/0008, würden nicht vorliegen. Nach einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung würden neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig woraus sie gewonnen worden seien, somit insbesondere auch nachträglich ergehende höchstgerichtliche Entscheidungen, keine Wiederaufnahmsgründe iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO darstellen und daher mangels Tatbestandserfüllung nicht zur Wiederaufnahme von rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gemäß § 303 BAO (vgl. Ritz, BA06, § 303 Tz 23 mit zahlreichen Judikaturhinweisen; siehe dazu auch G 5/09 ua, zur Aufhebung einer Bestimmung in der früheren Tiroler LAO) berechtigen, weil Judikaturänderungen ganz allgemein nicht zur Wiederaufnahme von Verfahren führen würden.

In den dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden wurde der Ansicht des Finanzamtes entgegengesetzt, dass seit Novellierung der Tatbestände für die Wiederaufnahme auf Antrag durch das Verwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 Unklarheit darüber geherrscht habe, aus wessen Sicht zu beurteilen sei, ob eine Tatsache als "neu" gelten würde. In einer Senatsentscheidung habe das BFG aber entschieden, dass auf den Kenntnisstand der Abgabenbehörde abzustellen sei. Der Umstand, dass der Abgabenpflichtige selbst von einer in seinem Wiederaufnahmeantrag "neu" hervorgebrachten Tatsache bereits zuvor Kenntnis hatte, ist hingegen für eine Wiederaufnahme unschädlich, solange sie für die Finanzverwaltung eine Neuheit darstellt. Eine Wiederaufnahme nach § 303 BAO dürfe daher nicht grundsätzlich verwehrt werden.

Es komme für eine Wiederaufnahme des Verfahrens also darauf an, ob eine neu vorgebrachte Tatsache aus Sicht bzw. nach der Aktenlage der Finanzverwaltung eine Neuheit darstellen würde. Die allfällige Kenntnis seitens des Steuerpflichtigen sei für eine Verfahrenswiederaufnahme hingegen grundsätzlich unschädlich und dürfe selbige aus diesem Grund daher nicht verwehrt werden.

Wären die Tatsachen hinsichtlich der unrechtmäßigen Besteuerung von Frontex Taggeldern, siehe , sowie , der Abgabenbehörde im abgeschlossenen Verfahren (Arbeitnehmerinnenveranlagungen für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018) bekannt gewesen, werde davon ausgegangen, dass die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Entsendung zu den Einsätzen sei gemäß § 39a Abs. 5 BDG erfolgt und seien von ihm, wie gefordert, vor Antritt der Dienstreisen bzw. vor Antritt der Auslandseinsätze beim Dienstgeber gemäß § 1 Abs. 4 RGV Verzichtserklärungen in Bezug auf die (österreichischen) Reisegebühren abgegeben worden.

Aus Sicht des Beschwerdeführers seien somit alle objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Wiederaufnahmetatbestands gegeben.

Das Finanzamt legte die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und verwies im Vorlagebericht unter anderem darauf, dass für die Frage des Hervorkommens neuer Tatsachen oder Beweismitteln bei einer Wiederaufnahme auf Antrag auf den Kenntnisstand des Antragstellers abzustellen sei (). Da der Bf stets Kenntnis über die von ihm verwirklichten Sachverhaltsumstände gehabt habe, sei auch aus diesem Grund eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag ausgeschlossen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf ist Polizist und seit dem Jahr 2008 als Mitglied der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex im Ausland tätig. Im Rahmen der Entsendungen wurden von der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex Taggelder geleistet, welche der Dienstgeber ausbezahlt und anschließend insoweit versteuert hat, als diese die Höhe der Taggelder gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 überstiegen haben. Die Entsendungen zu den Einsätzen erfolgten gem. § 39a Abs. 5 BDG und es wurden vor Antritt der Dienstreisen bzw. vor Antritt der Auslandseinsätze beim Dienstgeber gemäß § 1 Abs. 4 RGV Verzichtserklärungen in Bezug auf die (österreichischen) Reisegebühren abgegeben.

In dem vom Bf zitierten Erkenntnis des , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass zusammengefasst die Besteuerung der von Frontex ausbezahlten Taggelder zu Unrecht erfolgt ist.

Der Bf hat in den gegenständlich strittigen Jahren 2015, 2016 und 2017 bezüglich der an ihn ausbezahlten versteuerten Taggelder keine Werbungskosten geltend gemacht.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus den eingereichten Einkommensteuererklärungen, den ergangenen Bescheiden und dem Vorbringen des Bf und sind nicht weiter strittig.

Rechtliche Grundlagen:

§ 303 BAO (Wiederaufnahme des Verfahrens) lautet:

"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

  • a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

  • b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen."

Rechtliche Beurteilung

Wie § 303 Abs. 1 BAO zu entnehmen ist, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen verfügt werden.

Die in der Beschwerde angesprochene Neuregelung der Wiederaufnahme durch das FVwGG 2012 BGBl I 2013/14 diente der Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amts wegen mit jener auf Antrag. Die Erläuterungen zur RV (ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 22) umschreiben dies folgendermaßen (siehe in Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 TZ 3 zu § 303 (Stand ):

"Die Änderung der Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens dient nicht nur der Vereinfachung des Verfahrensrechts. Sie trägt auch rechtspolitischen (bzw. sogar verfassungsrechtlichen) Bedenken gegen die Unterschiede bei der Wiederaufnahme auf Antrag und jener von Amts wegen Rechnung. Ebenso wie auch bei den anderen Verfahrenstiteln der BAO (insbesondere bei den §§ 293, 293b, 295, 295a und 299 BAO) ist eine Harmonisierung der Rechtslage für amtswegige wie für antragsgebundene Wiederaufnahmen des Verfahrens sachgerecht.

Diese Harmonisierung betrifft auch die sich aus Verjährungsbestimmungen ergebende Befristung der Verfügung bzw. Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens."

Der Bf stützte seine Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren auf das Hervorkommen neuer Tatsachen gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO und verwies begründend auf das Erkenntnis des , wonach zusammengefasst die Besteuerung der Frontex-Taggelder zu Unrecht erfolgt ist. Weiters vertritt er die Ansicht, dass das Hervorkommen dieser neuen Tatsache nicht nur aus seiner, sondern auch aus der Sicht des Finanzamtes zu beurteilen sei.

Tatsachen sind nach Ritz, BAO Kommentar Tz 21 zu § 303, ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (zB ; , 95/14/0094); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (zB ; , 95/14/0094; , 2006/13/0107; , 2010/15/0064).

Nach Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 TZ 14 zu § 303 (Stand ) kommen nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - als tauglicher Wiederaufnahmsgrund iS des Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs. 1 lit b) in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe.

Zu der im Vorlageantrag aufgeworfenen Frage wonach seit Novellierung der Tatbestände für die Wiederaufnahme auf Antrag durch das FVwGG 2012 Unklarheit darüber bestanden habe, aus wessen Sicht zu beurteilen sei, ob eine Tatsache als "neu" gelten würde, wird auf das Erkenntnis des , verwiesen, in dem der VwGH der Ansicht vom allein maßgeblichen Kenntnisstand der Behörde nicht gefolgt ist. Im Erkenntnis wird darauf verwiesen, dass ein Wiederaufnahmsantrag auch nach dem FVwGG unverändert ua die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten hat (§ 303a lit b idF vor FVwGG; § 303 Abs 2 lit b BAO idF FVwGG). Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insb die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit b iVm Abs. 2 lit b ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind.

Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 TZ 14 zu § 303 (Stand ) führen hierzu weiters aus, dass der Wiederaufnahme somit konzeptiv eine Antragsteller-Perspektive inne wohnt, zumal auch der Antragsteller bestimmt, welche gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe durch welchen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen werden und daher Sache des Wiederaufnahmsverfahrens sind. Nur wenn die neue Tatsache für den Antragsteller neu hervorgekommen ist und ihm somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht bekannt war, kann sie von ihm zum Gegenstand eines Wiederaufnahmsverfahrens gemacht werden. Andernfalls wäre sie von ihm im Abgabenverfahren bereits geltend zu machen gewesen. Ein "Zurückhalten" von Informationen ermöglicht somit bspw keine spätere Wiederaufnahme. Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Antrag dient nämlich nicht der Verlängerung von Abgabenverfahren und der Aushöhlung der Rechtskraft, sondern soll ausschließlich die Berücksichtigung von Tatsachen ermöglichen, deren Geltendmachung im Abgabenverfahren mangels Kenntnis nicht möglich war. Ob diese mangelnde Kenntnis verschuldet war, ist hingegen seit dem FVwGG für eine Wiederaufnahme auf Antrag nicht mehr relevant.

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag somit die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde.

Aus den gegenständlichen Anträgen auf Wiederaufnahme der Verfahren lässt sich ableiten, dass der konkrete bereits verwirklichte Sachverhalt (nova reperta) darin besteht, dass die von der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex stammenden und vom Dienstgeber ausbezahlten Taggelder insoweit versteuert wurden, als sie die Höhe der Taggelder gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 überstiegen haben. Dieser Sachverhalt war dem Bf bekannt. Den Tatbestand des Hervorkommens neuer Tatsachen sieht der Bf darin, dass der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ro 2018/13/0008, ausgesprochen hat, dass zusammengefasst die Besteuerung der Taggelder zu Unrecht erfolgt ist.

Wie bereits das Finanzamt zutreffend ausgeführt hat, liegen laut Ritz, BAO Kommentar Tz 23 zu § 303, in den folgenden Fällen keine Wiederaufnahmsgründe (keine Tatsachen) vor:

"-neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden ( 91/13/0224; , 96/15/0148; , 2008/15/0215),

-Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden ( 92/13/0076; , 96/17/0373; , 2002/16/0286-0289),

-Hervorkommen von Rechtsirrtümern ( 90/15/0118), unterschiedliche Beweiswürdigung durch eine Verwaltungsbehörde einerseits und durch eine Verwaltungsstrafbehörde oder ein Gericht andererseits ( 89/16/0037; , 97/13/0269, 0270; , 96/15/0108),

-höchstgerichtliche Erkenntnisse (vgl. 88/16/0157-0161; , 97/17/0257-0279; , 98/14/0015; , 2008/13/0175), wie etwa EuGH-Entscheidungen ( 2008/16/0148; , 2009/16/0005; , 2012/16/0210) oder Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ( 2012/16/0210),

-die Änderung von Erlässen, wie zB der EStR 2000 ( 2012/15/0147)."

Damit steht jedoch fest, dass das Hervorkommen der vom Bf zitierten Entscheidung des , keine Berechtigung zur Wiederaufnahme der bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über die Jahre 2015, 2016 und 2017 vermittelt. Angemerkt wird, dass es im Fall des zitierten Erkenntnisses nicht um die Wiederaufnahme des Verfahrens gegangen ist, sondern allein darum, ob die beim Revisionswerber versteuerten Taggelder von der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex als steuerpflichtig zu behandeln waren oder nicht.

Zur Anregung der Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen durch den Bf ist auf Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 Tz 31 zu § 303 (Stand ) zu verweisen:

"Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung kann im Einzelfall auch gegen die Verfügung einer Wiederaufnahme sprechen - etwa wenn ein Abgabepflichtiger durch die Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme wegen einer (ihm von Anfang an bekannten und nur) für die Abgabenbehörde neu hervorgekommenen Tatsache die Vorteile von Rechtsentwicklungen nach dem Abschluss seines Abgabenverfahrens in Anspruch nehmen möchte, die er in seinem eigenen Verfahren im Rechtsweg nicht durchgesetzt hat (Änderung der Rsp oder der Rechtsansicht der Finanzverwaltung). Da die Wiederaufnahme nicht der Korrektur der unrichtigen rechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes dient, würde eine Wiederaufnahme in diesem Fall eine Bevorzugung gegenüber anderen abgeschlossenen Abgabenverfahren anderer Abgabepflichtiger bewirken. Rechtsauseinandersetzungen sollen im jeweiligen Abgabenverfahren selbst konzentriert geführt werden und nicht stattdessen über die Wiederaufnahme zu späteren Zeitpunkten neu aufgerollt werden, zumal mit § 299 ohnedies bereits ein im Übrigen voraussetzungsloser beantragbarer "Rechtskraftdurchbrecher" zur nachträglichen Herstellung von Rechtsrichtigkeit binnen Jahresfrist ab Bekanntgabe des Bescheids zur Verfügung steht. Gegen eine flächendeckende Wiederaufnahme von Abgabenverfahren sprechen in solchen Fällen zudem die Erwägungen des Rechtsfriedens und der Verwaltungsökonomie. Die Verwaltung soll sich nicht - zu Lasten der Bearbeitung anderer offener Verfahren - mit der permanenten Hinterfragung und Neuaufrollung abgeschlossener Verfahren beschäftigen."

Nachdem diese Ausführungen voll und ganz auf den gegenständlichen Fall zutreffen, war auch die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen zu versagen, da der Bf zusammengefasst die Vorteile von Rechtsentwicklungen nach dem rechtskräftigen Abschluss seiner Abgabenverfahren in Anspruch nehmen möchte, die er in seinem eigenen Verfahren im Rechtsweg nicht durchzusetzen bereit war. In den Erklärungen zu den Arbeitnehmerveranlagungen der Jahre 2015 bis 2017 hat der Bf keine Anträge gestellt, die von seinem Arbeitgeber versteuerten Frontex-Taggelder steuerfrei zu stellen.

Das Finanzamt hat daher aus den dargestellten Gründen zu Recht sowohl die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren als auch die Anregung auf Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen verweigert, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige Rechtsprechung und Literaturmeinung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100395.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at