Hälftesteuersatz - Erwerbstätigkeit - kapitalistische Beteiligung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/4100619/2018-RS1 | Eine Kommanditbeteiligung an der Apotheke 1, bei der es sich um eine rein kapitalistische Beteiligung handelte, wurde 2015 aufgegeben. Zeitnah wurde eine geringfügige Beschäftigung in der Apotheke 2, an der noch eine Beteiligung besteht, ebenfalls beendet. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Einstellung einer geringfügigen Erwerbstätigkeit und Aufgabe einer (anderen) Kommanditbeteiligung ist nicht ausreichend für den Hälftesteuersatz gem. § 37 Abs 5 Z 3 EStG 1988. Vielmehr muss die Einstellung der Erwerbstätigkeit ein Grund für das Anfallen des Veräußerungs-oder Übergangsgewinnes sein. |
RV/4100619/2018-RS2 | Bei Einkünften aus einer kapitalistischen Beteiligung an einer KG liegt keine Erwerbstätigkeit vor. Damit kommt auch ein Hälftesteuersatz nach § 37 Abs 5 Z 3 EStG 1988 nicht in Betracht. |
RV/4100619/2018-RS3 | Erfahrungsaustausch von Produktqualitäten und gemeinsame Weihnachtsfeiern begründen keine Erwerbstätigkeit. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinI. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Eduard Edlinger Steuerberatung GmbH, Getreidegasse 13/1/4, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom betreffend Einkommensteuer 2015 sowie Festsetzung von Anspruchszinsen für 2015 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) nach Durchführung der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.), ein pensionierter Apotheker, geboren 1945, beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2015 für den Abschichtungserlös (xxx) aus der Veräußerung seines 20%-igen Kommanditanteiles an der Apotheke 1 (Apotheke 1) im Jahr 2015 den Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs. 5 EStG 1988; diesen verwehrte das Finanzamt den Feststellungen des Prüfers im Zuge einer Außenprüfung folgend im Einkommensteuerbescheid 2015.
Nach Ansicht der Betriebsprüfung handle es sich bei dieser Beteiligung um eine reine Kapitalbeteiligung; sie stelle keine Erwerbstätigkeit dar. Der Hälftesteuersatz käme nur dann zur Anwendung, wenn die Veräußerung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufgabe einer Erwerbstätigkeit stehe. Ein zeitlicher Zusammenhang reiche jedoch nicht aus, es müsse ein Kausalzusammenhang bestehen, d. h., die Einstellung der Erwerbstätigkeit müsse der Grund für das Anfallen des Veräußerungsgewinnes gewesen sein.
Nach der für das Jahr 2014 geltenden Fassung der Rz. 7321 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) hätte das Finanzamt den Hälftesteuersatz gewähren können, nicht mehr aber nach der Änderung per . Die Fassungen lauteten wie folgt:
"Fassung bis zur Veranlagung 2014:
Die Abschichtung einer mitunternehmerischen Beteiligung, die keine Erwerbstätigkeit vermittelt, ist iSd § 37 Abs. 5 EStG 1988 dann begünstigt, wenn die Beteiligung im Zuge der (dh. innerhalb eines Sechsmonatszeitraumes) Beendigung der Erwerbstätigkeiten - einschließlich nichtselbständiger Arbeit - veräußert bzw. abgeschichtet wird. Eine spätere "isolierte" Veräußerung bzw. Abschichtung ist nicht mehr begünstigt ().
Der Komplementär einer Mitunternehmerschaft ist auch dann erwerbstätig, wenn er tatsächlich keine Tätigkeit ausübt."
Fassung ab der Veranlagung 2015:
Eine kapitalistische Beteiligung an einer KG vermittelt keine Erwerbstätigkeit (; ). Wird eine solche mitunternehmerische Beteiligung abgeschichtet, ist die Abschichtung mangels Einstellung der Erwerbstätigkeit nicht nach § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 begünstigt (unabhängig davon, ob ein zeitlicher Zusammenhang mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit besteht oder nicht, ).
Der Komplementär einer Mitunternehmerschaft ist dagegen auch dann erwerbstätig, wenn er tatsächlich keine Tätigkeit ausübt."
Folgende Vorgänge und Geschehnisse sind für das gegenständliche Verfahren relevant:
1982 bis Ende Jänner 2010: führte der Bf. als Komplementär und Apothekenleiter die Apotheke 2 ("Apotheke 2") in Ort X ("Ort X").
Seit 2003: hatte Frau Verwandte 1, eine Verwandte des Bf. ("Verwandte 1"), die Konzession zum Betrieb einer Apotheke.
2004: Tod des Verwandten 1 des Bf.("Verwandter 1").
: Abschluss des Gesellschaftsvertrages betreffend die Beteiligung des Bf. als Kommanditist an der Apotheke 1 ("Gesellschaftsvertrag 1") auf unbestimmte Dauer, abgeschlossen zwischen dem Bf. und der Verwandten 1. Komplementärin und Betriebsführerin war die Verwandte 1. Zu dieser Beteiligung sei es nach dem Tod des Verwandten 1 gekommen, der bis 2004 mit dem gemeinsamen Verwandten 2 ("Verwandter 2") die Apotheke 3 (Apotheke 3) in Ort Y ("Ort Y") betrieben hatte. Nach dem Tod des Verwandten 1 verpachtete die Verwandte 1 die Apotheke 3.
Wesentliche Punkte in diesem Gesellschaftsvertrag waren:
Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb einer Apotheke (Pkt. 2.1.).
An der Gesellschaft waren beteiligt:
a. Die Verwandte 1 als persönlich haftende Gesellschafterin und
b. der Bf. als Kommanditist mit einer vor Vertragsunterfertigung eingezahlten Kommanditeinlage von € 2.000,00, die gleichzeitig die Hafteinlage darstellte (Pkt. 3.1 und 3.2).
Am Vermögen war die Verwandte 1 zu 80% und der Bf. zu 20% beteiligt (Pkt. 3.3.).
Die Geschäftsführung und die Vertretung oblag der selbstständig vertretungsbefugten Komplementärin (Pkt. 4. 1. des Gesellschaftsvertrages). Ihr oblag auch "die Leitung des Unternehmens und die Entscheidung und Verfügung in allen gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten, die nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss nicht der Gesellschafterversammlung vorbehalten sind." Sie war "an die Beschlüsse der Gesellschafter gebunden und der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, alle Beschränkungen einzuhalten, die sie nach dem Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss für ihre Geschäftsführung und Vertretung geben." (Pkt. 4.2. des Gesellschaftsvertrages).Zur "6. Gewinn- und Verlustverteilung" hieß es wie folgt:
"6.1. Der Jahresgewinn der Gesellschaft ist aufgrund der nach steuerrechtlichen Vorschriften zu führenden Aufzeichnungen zu ermitteln. Der Jahresgewinn ist den der mit der Geschäftsführung der Gesellschaft betrauten Gesellschafterin in den ersten fünf Monaten des jeweiligen Folgejahres zu ermitteln und gemeinsam mit den Kommanditisten in einer Gesellschafterversammlung oder mit Zustimmung aller Gesellschafter im Schriftweg festzustellen.
6.2. Die geschäftsführende Gesellschafterin hat unabhängig von der Gewinnverteilung gegenüber der Gesellschaft Anspruch auf Ersatz aller Aufwendungen, die ihr durch die Geschäftsführung und Vertretung erwachsen.
6.3. Der jeweilige Jahresgewinn wird im Verhältnis der Kapitalanteile verteilt und den Gesellschaftern gutgebucht. Von dieser Vereinbarung kann einvernehmlich abgegangen werden.
6.4. Entnahmen zu Lasten des Kapitalkontos sind unzulässig. Für jeden Gesellschafter sind Verrechnungskonten einzurichten, über die Gewinn- und Verlustzuweisung Entnahmen zu führen sind."Die Gesellschaftsanteile waren teilbar, übertragbar, verpfändbar und vererblich (Pkt. 7.1. des Gesellschaftsvertrages). Für den Fall der beabsichtigten Veräußerung hatten die übrigen Gesellschafter ein Vorkaufsrecht und war ein bestimmter Modus festgelegt (Pkt. 7. 2. des Gesellschaftsvertrages).
Den Kommanditisten stand über die gesetzlichen Kontrolle und Informationsrechte hinaus das Recht zu, sich über den laufenden Geschäftsgang zu informieren und in alle Bücher und Schriften der Gesellschaft jederzeit Einsicht zu nehmen.
Für über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Handlungen stand dem Kommanditisten - also dem Bf. - gemäß § 144 HGB das Widerspruchsrecht zu (Pkt. 8.2. des Gesellschaftsvertrages).
: Gründung derBeteiligungs GmbH ("Beteiligungs GmbH"). An ihrem Stammkapital waren ab Gründung der Bf. zu 90%. und eine andere Verwandte des Bf. (in weiterer Folge "Verwandte 2") zu 10% beteiligt, mit war der Bf. Alleingesellschafter. Gegenstand war die Beteiligung an anderen Unternehmen. Geschäftsführer war der Bf. Mit Eintragung vom ist im Firmenbuch festgehalten, dass mit Generalversammlungsbeschluss vom die Umwandlung gemäß §§ 2 ff UmwG durch Übertragung des Unternehmens auf den Bf. erfolgte, die Gesellschaft aufgelöst und gelöscht ist und die Fortführung als nicht protokolliertes Unternehmen erfolgt (Firmenbuchauszug der Beteiligungs GmbH).
: Gesellschaftsänderungsvertrag betreffend die Apotheke 2:
Mit diesem Vertrag schenkte der Bf. 45% seiner Anteile der Verwandten 2. Bis darin waren der Bf. Komplementär, die Verwandte 2 und die Beteiligungs GmbH Kommanditisten. Der Bf. war zu 51%, die Verwandte 2 zu 5,67% und die Beteiligungs GmbH zu 43,33% beteiligt. Nach der Schenkung waren der Bf. zu 6%, die Verwandte 2 zu 50,67% und die Beteiligungs GmbH - bzw. nach der Umwandlung der Bf. - zu 43,33% beteiligt. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass mit Ablauf des die Verwandte 2 Komplementärin und der Bf. Kommanditist wird (Pkt. 1. und 2. des Gesellschaftsänderungsvertrages).
xx.xx.2010: der Bf. vollendete das 65. Lebensjahr.
Seit bezieht der Bf. seine Alterspension. Die Apothekenführung der Apotheke 2 obliegt seither der Verwandten 2.
Vom bis : war der Bf. in der Apotheke 2 geringfügig beschäftigt.
2013/2014: Aufgabe der Umsatzbeteiligung des Bf. bei der Apotheke 1 (Vorbringen des Bf. in der mündlichen Verhandlung).
August 2015: ging die Verwandte 1 in Pension.
, Abtretungsvertrag betreffend die Apotheke 1: Der Bf. trat seine gesamten Anteile und die Verwandte 1 90% ihrer Anteile an eine "fremde" Erwerberin der Apotheke 1 ab und erzielte den gegenständlichen Abschichtungserlös.
Beschwerde:
In der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 brachte der Bf. vor, dass das den Kausalzusammenhang zwischen Einstellung der Erwerbstätigkeit und dem Veräußerungsgewinn fordernde Erkenntnis des BFG, GZ. RV/7100236/2013 (Anm.: richtig "/2014"), bei Anwendung auf die Situation des Bf. differenzierter zu lesen sei. Über die Beteiligung mit einer Hafteinlage von € 2.000,00 hinaus habe einiges Bemerkenswertes an wirtschaftlicher Betätigung stattgefunden:
-Der Bf. habe als Verwandter des in der Anfangsphase in Aussicht genommenen Betriebsführers der Apotheke 1 - des Verwandten 1- durch Sicherstellung der Finanzierung eine gute Ausgangsposition geschaffen und zum laufenden Erfolg der Apotheke 1 durch Einbringung seiner Erfahrung aus der jahrelangen Führung der Apotheke 2 beigetragen.
-Dieses starke Engagement des Bf. habe - weil ausschließlich der Apothekenleiter als unbeschränkt haftender Gesellschafter auftreten könne - nur im Wege einer Kommanditbeteiligung abgebildet werden können.
-Es sei nachvollziehbar, dass der Bf. im Jahr 2015 nach Vollendung seines 70. Lebensjahres den Entschluss gefasst habe, seine Erwerbstätigkeit einzustellen. Er habe seine Beschäftigung bei der Apotheke 2 beendet und bei der Apothekerkammer gemeldet.
-Im Zuge dieser Einstellung habe er sich auch zur Trennung von seiner Kommanditbeteiligung entschlossen. Er hätte - weil vorkaufsberechtigt - überlegen können, die Apotheke 1 selbst zu führen, oder aber seine Beteiligung aufrechterhalten können. Er habe aber das Angebot eines Interessenten zeitnah zur Einstellung der Erwerbstätigkeit angenommen.
Diesen Sachverhalt spreche das Erkenntnis des BFG an, wenn es davon rede, dass die Einstellung der Erwerbstätigkeit ein Grund für das Anfallen des Veräußerungsgewinnes sein muss. Im Erkenntnis sei zudem die Revision zugelassen worden.
Die Finanzverwaltung habe sich in ihren Richtlinien zur Auslegung des Willens des Gesetzgebers zum § 37 EStG ungebührlich weit weg vom Gesetzestext wegbewegt. Der Gesetzgeber gestehe in einer bestimmten Konstellation eine Begünstigung zu. Der begünstigte Bereich werde in den EStR ohne Gesetzesänderung mit Wirkung ab auf ein zu enges Feld begrenzt. Berücksichtige man das Erkenntnis in voller Breite, wäre hier der Veräußerungsgewinn von der Begünstigung des Hälftesteuersatzes weiterhin erfasst.
Stellungnahme der Prüferin:
Sie blieb bei ihrer bisherigen Ansicht und verwies auf die Bindung des Finanzamtes an die EStR, die den Hälftesteuersatz ab 2015 hier nicht mehr erlauben.
Gegenäußerung des Bf.:
Nach Meinung des Bf. sei der Wille des Gesetzgebers, dem Steuerpflichtigen in außerordentlichen Fällen für die Betriebsaufgabe für betriebliche Einkünfte nach einer Mindestdauer der Betätigung von 7 Jahren und Erreichung eines Mindestalters von 60 Jahren einen begünstigten Steuersatz für zusammengeballte Einkünfte zuzugestehen. Richtlinien würden der Erläuterung, Klarstellung und Präzisierung des Gesetzeswillens dienen, sie hätten nicht den Zweck, den Kreis der Anspruchsberechtigten nennenswert einzuschränken. Hier ergebe sich:
a. Der Bf. habe das 60. Lebensjahr 2005 vollendet. Er habe seinen Erfahrungsschatz dankenswerter Weise bis über die Vollendung des 70. Lebensjahres hinaus zur Verfügung gestellt und dann die Erwerbstätigkeit innerhalb einer Frist von zwei Monaten beendet.
b. Die Apotheke 1 sei 2006 eröffnet worden. Die Dauer der Erwerbstätigkeit überschreite daher seit 2013 die gesetzliche Frist von sieben Jahren.
c. Die Erwerbstätigkeit werde beendet, die Erzielung dieser Einkünfte aus Gewerbebetrieb und von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit - also aus Tätigkeiten, die sich als Betätigung im Erwerbsleben darstellen - habe er mit Ende 2015 eingestellt. Die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie der Bezug einer Alterspension seien nicht schädlich, ebenso wenig die bloße Beteiligung an einer Publikumspersonengesellschaft.
d. Für eine unternehmerische Beteiligung spreche:
Bereits die Gründung der Apotheke 1, die ursprünglich der Verwandte 1 betreiben sollte, habe der Bf. als Apothekenführer der Apotheke 2 aktiv unterstützt und seine apothekenrechtlich erforderliche Zustimmung gegeben, ohne die die Apotheke 1 gar nicht gegründet hätte werden dürfen.
Er habe die Finanzierung durch Abschluss einer Leasingvereinbarung mit der Leasinggesellschaft gesichert. Nach dem Tod des Verwandten 1 während der Bauzeit habe der Bf. die Zusammenarbeit mit der Verwandten 1 gepflogen.
Man habe nach dem Vorbild bei der Apotheke 2 die KG gegründet. Das Kommanditkapital von € 2.000,00 hätte zweifellos die Verwandte 1 aus eigenen Mitteln aufbringen können. Die Vereinbarung zeige die Verbundenheit, das Bemühen und die Sorge um das Wohlergehen der zweiten Apotheke im Ort X.
Ein weiterer Hinweis sei die gemeinsame Planung des Gebäudes. Die Befassung und Beauftragung des Architekten, den der Bf. "gefunden" und somit "gestellt" habe und insbesondere die Absicht des gemeinsamen Betriebes dieser Apotheke durch die Familie seien Hinweise für eine unternehmerische Beteiligung des Bf. Die Gestaltung des Gebäudes, die Betriebseinrichtung und die zu verwendende Software seien im Einvernehmen und in Mitsprache des Bf. erfolgt.
Entscheidungen über das zu verwendende Personal habe man oftmals gemeinsam getroffen. In der Anfangsphase sei Personal in der Apotheke 2 angestellt worden, um es für den Standort Ort X zu sichern und nach Fertigstellung der Apotheke 1 an diese Apotheke "abzugeben". Im Laufe der Jahre sei oftmals Personal an die Apotheke 1 abgegeben worden. Über Personalentscheidungen seien Absprachen getroffen worden.
Es sei Erfahrungsaustausch über Produktqualitäten gepflogen worden.
Die Verbundenheit der Betriebe sei durch gemeinsam abgehaltene Weihnachtsfeiern dokumentiert.
Die Verdienste von der Verwandten 1 als Apothekenführerin seien unbestritten und sollen in keiner Weise geschmälert werden. Der Bf. habe sich um das Entstehen, den Aufbau und den Erfolg der Apotheke 1 intensiv und über einen Einsatz von € 2.000,00 hinaus bemüht. Da sich also die Mitwirkungsrechte des Bf.über die üblichen Kontrollrechtehinaus erstreckt hätten, und er auch im gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens mitgewirkt, beraten und Erfahrungsaustausch gepflogen habe, sehe er das Erfordernis der Erwerbstätigkeit als erfüllt an.
Die Einstellung der Erwerbstätigkeit der Verwandten 1 nach Erreichen der Altersgrenze sei auch für den Bf. ein Beweggrund gewesen, ebenfalls seine Erwerbstätigkeit einzustellen. Daher sei eine indirekteZwangsläufigkeit der Einstellung der Erwerbstätigkeit gegeben gewesen; er habe die Beteiligung auch deshalb veräußert, um die Betriebsaufgabe der Verwandten 1 durch Veräußerung an eine Nachfolgerin zu ermöglichen.
Abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE):
Laut Finanzamt in der abweisenden BVE habeder Bf. die über die bloße Beteiligung hinausgehende unterstützende beratende Tätigkeit nicht (näher) beschrieben. Es verwies auf das Erkenntnis des , und .
Der Bf. habe seine selbständige Tätigkeit mit Vollendung des gesetzlichen Pensionsalters 2010 eingestellt und ab jenem Zeitpunkt lediglich Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung (Apotheke 2) und den KG-Beteiligungen bei der Apotheke 2 (49 %) sowie der Apotheke 1 (20 %) erzielt.
Die Erklärung, weshalb die Veräußerung des 20%-igen Kommanditanteiles bei der Apotheke 1 isoliert vom Beibehalten einer 49-%-igen Kommanditbeteiligung bei der Apotheke 2 jedenfalls als Einstellung der Erwerbstätigkeit zu beurteilen sei, sei der Bf. bis dato schuldig geblieben; abgesehen davon spreche die Argumentationslinie in Bezug auf die Mitarbeit bei der Apotheke 1 dafür, dass dies umso mehr für die Beteiligung beim Betrieb der Apotheke 2 gelten müsste; insoweit könne wiederum nicht vom Einstellen der Erwerbstätigkeit gesprochen werden.
Eine eingeschränkte Freiwilligkeit jenes Vorganges, der zum Veräußerungsgewinn geführt habe, treffe auf den Verkauf einer keine Erwerbstätigkeit bedeutenden Beteiligung auch dann nicht zu, wenn er sich in zeitlicher Nähe zur Beendigung einer anderen Tätigkeit abspiele (); insoweit stelle auch die Aufgabe der geringfügigen Beschäftigung keinen die Anwendung des Hälftesteuersatzes rechtfertigenden Sachverhalt dar.
Vorlageantrag
Im Vorlageantrag bemängelte der Bf., dass das Finanzamt nicht auf die Kritik zur Änderung der EStR eingegangen sei. Bei unverändertem Gesetzestext werde die Richtlinien in einer Art geändert, dass eine im Gesetz vorgesehene Begünstigung nur unter erheblichen Einschränkungen und Erfüllung von im Gesetz nicht erwähnten Voraussetzungen zugelassen sei.
Nach Angaben der Apothekerkammer bilanziere ein relevanter Anteil der Apotheken negativ. Zunächst sei eine Umsatzbeteiligung vorgelegen. Erst im Zuge der Vorbereitungen auf die Pensionierung der Verwandten 1 sei der Bf. im Vorfeld der Verkaufsbemühungen gebeten worden, auf diese Umsatzbeteiligung zu verzichten, um der Verwandten 1 den Verkaufsprozess zu erleichtern und einen besseren Kaufpreis zu ermöglichen. Die Beteiligung an der Apotheke 1 habe er nach anfänglichem Widerstand nach Überlegung veräußert, nachdem die Käuferin den Wunsch nach einer Bereinigung der Beteiligungsstruktur zu erkennen gegeben habe.
Entgegen der Darstellung in der BVE sei der Bf. vielmehr ein Spiritus rector für die Errichtung der Apotheke 1 gewesen. Der in der BVE angesprochene Verwandte 2 sei damals ca. >80 Jahre alt und nicht in diese Überlegungen eingebunden gewesen.
Der Bf. habe eine Leistung von fundamentaler Bedeutung durch den Beitrag zur Sicherstellung der Finanzierung und durch Einbringung seiner Erfahrungen in der Führung einer Apotheke erbracht.
Der weitere Vorwurf, dass gleichzeitig auch die Veräußerung des 49-%igen Kommanditanteiles an der Apotheke 2 hätte erfolgen müssen, gehe insoweit ins Leere, als doch die nichtselbständige Beschäftigung bei der Apotheke 2 zeitgleich mit der Veräußerung des Kommanditanteiles an der Apotheke 1 beendet worden sei. Die Mitarbeit des Bf. sowie die Einschulung/beratende Begleitung der Verwandten 2 sei somit beendet und sinke die Beteiligung an der Apotheke 2 zu einer kapitalistischen Beteiligung herab. Diesen Sachverhalt spreche das vom BFG zitierte Erkenntnis an.
Vorlagebericht
Für das Finanzamt sei der Bf. auch im Vorlageantrag die Erklärung schuldig geblieben, inwieweit die Pensionierung im Jahr 2010 und die Einstellung der darauf folgenden geringfügigen Beschäftigung in der Apotheke 2 im Jahr 2015 der Grund für das Anfallen des Veräußerungsgewinns betreffend die Beteiligungsveräußerung an der Apotheke 1 gewesen sei und daher mit dem unfreiwilligen altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in untrennbarer Verbindung stehe.
Verfahren vor dem BFG:
Im Zuge des Vorhalteverfahrens sowie der mündlichen Verhandlung konnte u. a. Folgendes ergänzend festgestellt werden:
Konkret auf die Funktion in der Apotheke 1 angesprochen, gab der Bf. an, Kommanditist gewesen zu sein und die Verwandte 1 in vielfältiger Weise beraten zu haben. Mit der Kommanditeinlage sollte vielmehr ein Gewinn- und Umsatzanteilanspruch verbunden sein, welcher nicht in einer Relation zu einem Kapitalanteil von € 2.000,00 stand, sondern ausdrücken, dass der Bf. bei der Gründung der Apotheke wesentliche Weichenstellungen gesetzt habe:
Er sei über Jahrzehnte Apothekenleiter, die Verwandte 1 zuvor "nur" Mitarbeiterin einer Apotheke gewesen. Er habe also seine jahrzehntelange diesbezügliche Erfahrung an die Verwandte 1 weitergegeben. Ein Erfolg habe immer gerne viele Väter bzw. positiv ausgedrückt, es sei Teamwork erforderlich, wenn ein Betrieb erfolgreich geführt werden will. Der Bf. habe über seine rechtliche Stellung hinaus wertvolle Beiträge geleistet, um zu diesem Erfolg beizutragen.
Da das Sozialversicherungsrecht eine Höchstbeitragsgrundlage vorsehe, die durch die Ergebnisse aus seiner Beteiligung an der Apotheke 2 deutlich überschritten gewesen sei, habe sich die Frage eines Pflichtversicherungsbeitrages aus der Kommanditbeteiligung bei der Apotheke 1 niemals gestellt.
In der Apotheke 2 habe er die Verwandte 2 in allen Bereichen (insbesondere Einkauf und Rechnungswesen, aber auch Kundenberatung) beraten und so maßgeblich zum fortgesetzten Erfolg der Apotheke 2 beigetragen. Die Kommanditbeteiligung war im Zeitpunkt der Vorhaltsbeantwortung an das aufrecht.
In der mündlichen Verhandlung ergab sich Folgendes:
Im Ort X sei vorerst keine zweite Apotheke möglich gewesen. Nachdem eine zweite Konzession zur Verfügung gestanden sei, habe er - weil er an diesem Ort schon eine Konzession hatte - keine zweite haben können. Es sei geplant gewesen, dass diese zweite Konzession im Ort X der Verwandte 1 übernehmen und dieser seine Konzession am Ort Y an die Verwandte 1 übergeben werde. 2004 sei der Verwandte 1 verstorben. Es habe dann die Verwandte 1 die Apotheke 1 übernommen und die Apotheke am Ort Y verpachtet. Der Bf. sei als Leasingnehmer aufgetreten und hätten sie - weil er keine Schulden habe hinterlassen wollen - zur Abdeckung der Leasingraten eine sehr hohe Miete vereinbart. Die in den Mietvertrag eingetretene Erwerberin der Apotheke 1 leide unter diesem sehr hohen Mietzins. Die Apotheke 1 sei also eigentlich "seine Apotheke und sein Haus".
Über die Anmietung des Gebäudes sei ein eigener Mietvertrag abgeschlossen worden. Der Bf. habe € 3,5 Mio. in das Bauprojekt investiert, dafür auch Zinsen gezahlt und daher sehr wohl ein Risiko getragen. Über Vorhalt, worin der Zusammenhang zur Kommanditbeteiligung zu sehen sei, wurde mitgeteilt, angewiesen gewesen zu sein, dass die Apotheke erfolgreich sei, um die hohe Miete bezahlen zu können.
Die Umsatzbeteiligung habe er 2013 oder 2014 aufgegeben und sei danach der Gewinnanteil von 20% ausbezahlt worden. Mit der bestehenden Umsatzbeteiligung wäre es schwierig gewesen, Interessenten zu bekommen.
Unter der "Einstellung der Erwerbstätigkeit" im Jahr 2015 sei laut steuerlichem Vertreter der Verkauf der Beteiligung und die Beendigung der inhaltlichen Beiträge bei der Apotheke 2 zu verstehen. Über Vorhalt, warum die Beteiligung an der Apotheke 2 auf eine kapitalistische Beteiligung abgefallen sein soll, verwies er auf den Verkauf und die Aufgabe der inhaltlichen Beiträge. Die Kommanditbeteiligung an der Apotheke 2 bestehe eben weiterhin. Über Vorhalt, dass die inhaltliche Beteiligung in der Apotheke 2 anscheinend nur in der geringfügigen Beschäftigung bei der Apotheke 2 zum Ausdruck kommen sollte, gab er an, dass die geringfügige Beschäftigung eine Dokumentation für das Leisten inhaltlicher Beiträge gewesen sei.
Diesen Vorbringen hielt das Finanzamt entgegen, dass die hohe Leasingrate das unternehmerische Risiko möglichst gering halten sollte, habe doch der Bf. keine Schulden hinterlassen wollen. Mit der Beteiligung sei natürlich eben der im Geschäftsleben durchaus übliche Wunsch verbunden gewesen, einen Ertrag zu lukrieren und am wirtschaftlichen Erfolg der Apotheke teilzuhaben.
Aus dem Gesellschaftsvertrag gehe die Umsatzbeteiligung nicht hervor. Es sei laut vorliegenden Tangenten von der Aufteilung des Gewinns im Verhältnis von 80:20 ausgegangen worden. 2015 habe aber - weil keine Umsatzbeteiligung mehr vorgelegen sei - jedenfalls eine rein kapitalistische Beteiligung bestanden.
Das Finanzamt verwehrte sich gegen eine willkürliche oder sprunghafte Interpretation des Gesetzes. Die Änderung der EStR fuße auf der Rechtsprechung des VwGH und des BFG, z. B. GZ. RV/7100236/2014, sowie der herrschenden Lehre, vgl. Zorn in RdW 2016/631. Die EStR seien nur an die Rechtsprechung angepasst worden.
Für den Bf. sei die Frage, ob die neue Fassung der Richtlinien im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers zum § 37 stehe.
Bezüglich der Anspruchszinsen verwies der Bf. auf die Vorbringen zum Einkommensteuerverfahren.
Abschließend begehrte das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde. Der Bf. beantragte die Stattgabe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Das BFG legt die (zeitlichen) Abläufe und Vereinbarungen laut Darstellung im Sachverhalt zugrunde.
Strittig ist die Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 EStG 1988 auf den Abschichtungserlös von xxx.
Der Bf. bezog nach Aufgabe seiner Funktion als Apothekenleiter der Apotheke 2 ab seine Alterspension. Ab da war er in der Apotheke 2 bis geringfügig beschäftigt, die Kommanditbeteiligung an der Apotheke 2 (49,33%) bestand auch nach dem Jahr 2015.
Die am eingegangene Kommanditbeteiligung (20%) betreffend die Apotheke 1 trat er am an die Erwerberin der Apotheke 1 ab. Im Jahr 2015 stand dem Bf. nur eine Gewinnbeteiligung (20%) zu.
Das Gebäude, in dem sich die Apotheke 1 befindet, vermietet der Bf. weiterhin um eine sehr hohe Miete an die Erwerberin der Apotheke 1.
Die vom Bf. im Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung betreffend die Apotheke 1 ins Treffen geführten Aktivitäten stellt das Finanzamt nicht in Abrede.
Der Bf. hatte aus der Kommanditbeteiligung der Apotheke 1 keine Geschäftsführungsbefugnisse. Er behauptete auch nicht die Übernahme einer über die Kommanditeinlage hinausgehenden unbeschränkten Haftung. Es lag auch keine faktische Geschäftsführung vor.
Ein zeitlicher und kausaler Zusammenhang zwischen der Beendigung der Tätigkeit im Jahr 2010 und der Aufgabe der Kommanditbeteiligung und der geringfügigen Beschäftigung im Jahr 2015 fehlen.
Der Bf. bekämpft den Anspruchszinsenbescheid 2015 und begründet ihn mit der materiellen Unrichtigkeit des zugrundeliegenden Abgabenbescheides.
Beweiswürdigung
Die Entscheidung gründet sich auf den Inhalt der vorgelegten Akten, den Vorbringen der Parteien und den Ergebnisse des (vor dem BFG) durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Einkommensteuer 2015
Der Steuersatz ermäßigt sich gemäß § 37 Abs. 1 Teilstrich 1 EStG 1988für außerordentliche Einkünfte (Abs. 5) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes.
Außerordentliche Einkünfte sind gemäß § 37 Abs. 5 EStG 1988 Veräußerungs- und Übergangsgewinne, wenn die Betriebsveräußerung oder -aufgabe aus folgenden Gründen erfolgt:
…
3.Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein. Eine Erwerbstätigkeit liegt nicht vor, wenn …
Für Veräußerungs- und Übergangsgewinne steht der ermäßigte Steuersatz nur über Antrag und nur dann zu, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen sind.
Die zentrale Frage ist im gegenständlichen Fall, ob der Bf. mit seiner Kommanditbeteiligung an der Apotheke 1 eine Erwerbstätigkeit ausübte oder es sich um eine rein kapitalistische Beteiligung handelte.
Der Bf. bejaht die Erwerbstätigkeit und möchte aufgrund
- der Übertragung seiner Kommanditanteile an der Apotheke 1 an die neue Betriebsführerin sowie
- der Beendigung der geringfügigen Beschäftigung in der Apotheke 2
den Hälftesteuersatz auf den Abschichtungserlös angewendet haben.
Das Finanzamt verneint eine Erwerbstätigkeit.
Unter "Erwerbstätigkeit" fallen alle Tätigkeiten, die sich als aktive Betätigung im Erwerbsleben darstellen (vgl. die Erkenntnisse vom , 2006/15/0358, und vom , 2008/15/0242). Im Revisionsfall war keiner der beiden Kommanditisten im Zeitpunkt der Veräußerung ihrer jeweiligen Mitunternehmeranteile Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Dass die beiden Kommanditisten die Geschäftsführung faktisch ausgeübt hätten, wurde im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht behauptet und legt auch das Revisionsvorbringen nicht nahe (vgl. das Erkenntnis des Ro 2014/15/0037).
Im Erkenntnis des Ra 2015/08/0032, ist u. a. festgehalten:
"Erwerbstätigkeit setzt generell eine "Tätigkeit", also eine aktive Betätigung voraus, die auf einen Erwerb, d. h. auf Einkünfte gerichtet ist (...) Wer hingegen nur ,sein Kapital arbeiten lässt', soll daraus keinen Sozialversicherungsschutz erlangen und daher auch nicht versicherungspflichtig sein (...) Im Unterschied zu den Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften sind die persönlich haftenden Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und von eingetragenen Erwerbsgesellschaften (OEG, KEG) typischerweise persönlich unternehmerisch tätig, um den Gesellschaftszweck zu erreichen. Es ist daher folgerichtig, dass diese Personen, die auf Grund ihrer Haftung auch das wesentliche Unternehmerrisiko tragen, in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden (...)
Etwas anders ist die Situation bei den Kommanditisten einer KG oder KEG, deren persönliche Haftung nach § 161 HGB auf den im Firmenbuch eingetragenen Haftungsbetrag beschränkt ist. Sie sind nur bei außerordentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen in die Geschäftsführung eingebunden (...) Bei den Kommanditisten stehen daher in der Regel die vermögensmäßige Beteiligung und die Kapitalverzinsung im Vordergrund (...) Für das Regelmodell der KG (KEG) soll eine Sozialversicherungspflicht nicht bestehen, weil auch nicht mehr von einer Erwerbstätigkeit gesprochen werden kann (...) Bringt der Kommanditist jedoch Dienstleistungen in die Gesellschaft ein, übernimmt er typische unternehmerische Aufgaben (z. B. Geschäftsführungsbefugnisse) oder (und) trägt er ein Unternehmerrisiko, das über seine Haftungseinlage hinausgeht (z. B. Pflicht zur Verlustabdeckung im Innenverhältnis), liegt eine Erwerbstätigkeit vor, die nach den Kriterien des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (...) die Sozialversicherungspflicht nach sich zieht".
Wie im Erkenntnis des RV/7100236/2014, unter Zugrundelegung von maßgeblichen Ausführungen aus dem Erkenntnis des 7, festgehalten, reicht ein zeitlicher Zusammenhang nicht aus, sondern muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Veräußerungsgewinn aus der Abschichtung einer Kommanditbeteiligung und der Einstellung der Erwerbstätigkeit gegeben sein.
"Bei näherer Betrachtung der Argumentation des VwGH wird jedoch deutlich, dass dieser für die Anwendung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 einen Kausalzusammenhang zwischen Veräußerungsgewinn und Einstellung der Erwerbstätigkeit erkennt. Im Erkenntnis vom , 2003/13/0077, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 der Gesetzgeber die Anwendung des Hälftesteuersatzes auf Veräußerungsgewinne an restriktive Voraussetzungen geknüpft hat: Danach müsse nun die Einstellung der Erwerbstätigkeit ein Grund für das Anfallen des Veräußerungsgewinnes sein. Die insofern eingeschränkte Freiwilligkeit des Vorganges, der zu dem Veräußerungsgewinn geführt hat, sei der Wertungsgesichtspunkt, der nach dem Willen des Gesetzgebers die ausnahmsweise Begünstigung durch Anwendung des Hälftesteuersatzes rechtfertige. Die sprachlich eindeutige kausale Verknüpfung ("deswegen...weil") bringe zum Ausdruck, dass die Einstellung der Erwerbstätigkeit ein Grund (der Grund) für das Anfallen des Veräußerungs- oder Übergangsgewinnes sein muss. Entsteht der Veräußerungsgewinn nur durch die Aufgabe einer Beteiligung, die keine Erwerbstätigkeit bedeutete und sich daher mit dem (unfreiwilligen) altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht in der im Gesetz normierten Weise typisierend in Beziehung setzen lässt, dann ist diesem Wertungsgesichtspunkt nicht Rechnung getragen (siehe auch RdW 2008/442, 477; Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Band III D Kommentar, Anm. 23 zu § 37)."
Betrachtet man im vorliegenden Fall die vom Bf. für seine unternehmerische Tätigkeit bzw. Erwerbstätigkeit ins Treffen geführten Gründe, so zeigt sich im Lichte der zuvor festgehaltenen Ausführungen folgendes Bild:
Faktum ist, dass der Bf. - bedingt durch das Apothekenrecht - am Ort X keine zweite Apotheke als Apothekenleiter führen durfte. Die fehlendenGeschäftsführungsbefugnisse sowie keine über die Hafteinlage hinausgehende unbeschränkte Haftung hinsichtlich der Kommanditbeteiligung des Bf. an der Apotheke 1 sprechen für eine kapitalistische Beteiligung.
Auch folgende Faktoren vermögen nach Ansicht des BFG keine Erwerbstätigkeit zu begründen:
Die Zustimmungserklärung für eine zweite Apotheke im Ort X hatte der Bf. schon vor dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages gegeben. Im Gesellschaftsvertrag wird sie nicht als Grund für die dem Bf. zustehenden Ansprüche angeführt. Unstrittig ist bei den Vorbringen des Bf. seine Zustimmungserklärung (auch) in seinem Interesse gewesen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung ist für das BFG nicht zu ersehen und daher nicht gegeben.
Die Stellung als Leasingnehmer hat der Bf. bereits VOR Abschluss des Gesellschaftsvertrages eingenommen. Die Vermietung an die Apotheke 1 basiert auf einem eigens geschlossenen Mietvertrag. Das vom Bf. ins Treffen geführte Risiko im Zusammenhang mit der Investitionssumme von € 3,5 Mio. steht im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und nicht mit den Einkünften aus seiner Kommanditbeteiligung. Sein Risiko ließ er sich zudem in einer "sehr hohen" Miete abgelten.
Auch die gemeinsame Planung des Gebäudes, die Entscheidungen über die Einrichtung sowie die Software in Absprache mit dem Bf. werden im Wesentlichen schon vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages stattgefunden haben. Sie haben im Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag gefunden. Dass der Bf. und nicht die Verwandte 1 diesbezüglich die endgültige Entscheidung getroffen hätte, hat der Bf. nicht behauptet.
Zumal über das (Abgeben von) Personal von der Apotheke 2 an die Apotheke 1 (nach vorheriger Anstellung in der Apotheke 2) eigene Absprachen getroffen wurden, liegt kein Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung an der Apotheke 1 vor. Aus diesem Vorbringen ist daher für das gegenständliche Verfahren nichts zu gewinnen.
Ebenso wenig vermögen der Erfahrungsaustausch von Produktqualitäten und gemeinsame Weihnachtsfeiern eine "Erwerbstätigkeit" zu begründen.
Was die Umsatzbeteiligung des Bf. anlangt, so findet sie im Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag. Wann und wie auch immer abgeschlossen, hat sie der Bf. spätestens im Jahr 2014 dem Wunsch der Verwandten 1 folgend, aufgegeben, um für die Apotheke 1 ohne die Umsatzbeteiligung "einen besseren Preis erzielen" zu können. Im Zeitpunkt der Aufgabe der Kommanditbeteiligung, auf den abzustellen ist, und zudem schon im gesamten Jahr 2015 lag jedenfalls keine Umsatzbeteiligung, sondern eine reine Gewinnbeteiligung vor.
Auch wenn sich der Bf. über den laufenden Geschäftsgang der Apotheke 1 informieren und in die Bücher Einsicht nehmen durfte, standen dem Bf. bei den gewöhnlichen Geschäften keine über die ihm als Kommanditisten zustehenden Kontrollrechte bzw. das ihm gesetzlich zustehende Widerspruchsrecht hinausgehenden Mitwirkungsrechte zu.
Zusammenfassend kommt das BFG zu folgender Ansicht:
Zweifellos brachte der Bf. einen großen Erfahrungsschatz aus der jahrzehntelangen Führung der Apotheke 2 in die gegenständlich zu beurteilende Kommanditbeteiligung ein. Das BFG stellt auch in keiner Weise in Abrede, dass der Bf. durch die Sicherstellung der Finanzierung und die Einbringung seiner Erfahrungen einen wesentlichen Beitrag zum geschäftlichen Erfolg der Apotheke 1 geleistet hat. Mag er Spiritus rector der Apotheke 1 gewesen und sein Tun vom Bemühen und der Sorge um das Wohlergehen der ("weiteren") Familie getragen gewesen sein, so vermag dies nichts daran zu ändern, dass die ins Treffen geführten und vom BFG zu beurteilenden Tätigkeiten des Bf. im Lichte der Judikatur keine Erwerbstätigkeit zu begründen vermochten; bei der Kommanditbeteiligung an der Apotheke 1 fehlte es an einer Geschäftsführung bzw. einer über die Hafteinlage hinausgehenden unbeschränkten Haftung des Bf. Die aufgezeigten Tätigkeiten des Bf. sind auch nicht als "faktische Geschäftsführung" anzusehen, weil keine Anhaltspunkte zu ersehen sind, dass die Geschäftsführerin der Apotheke 1 die ihr in dieser Funktion zu erfüllenden Aufgaben nicht erfüllt, sondern der Bf. sie wahrgenommen hätte.
Nach all dem Gesagten geht das BFG davon aus, dass in der gegenständlichen Kommanditbeteiligung keine "Erwerbstätigkeit" zu erblicken war.
Zum Vorwurf, die EStR hätten sich mit der Änderung der Rz. 7321 "ungebührlich weit weg vom Gesetzestext wegbewegt", ist grundsätzlich anzumerken, dass für das BFG keine Bindung an die EStR besteht. In Anbetracht der Schilderung des Amtsvertreters zur Änderung der maßgeblichen Rz. aufgrund der diesbezüglich strengen Rechtsansicht des VwGH und des BFG erweist sich der Vorwurf des Bf. einer "willkürlichen" Änderung als unberechtigt. Zumal in typisierender Betrachtung der Bf. die Erwerbstätigkeit bereits 2010 aufgegeben hat, mag dahingestellt bleiben, ob in diesem Fall tatsächlich nach der bis 2014 geltenden Fassung der Rz. 7321 die hier vorliegende kapitalistische Beteiligung dem Hälftesteuersatz zugänglich gewesen wäre.
Im gegenständlichen Fall ist unter Zugrundelegung der relevanten Ausführungen in der Rechtsprechung bereits die im Gesetz geforderte und vom Wortlaut völlig klare "Erwerbstätigkeit" für das BFG nicht zu bejahen; daher ist auch der Vorwurf eines "Einengens" des Gesetzes durch die Richtlinien unzutreffend.
Ergänzend darf noch festgehalten werden, dass der Bf. seine "Erwerbstätigkeit" - als Komplementär und Apothekenleiter - bereits Ende Jänner 2010 aufgegeben hat. Bei der Aufgabe der gegenständlichen Kommanditbeteiligung im Jahr 2015 fehlt es somit nicht nur an einem zeitlichen Zusammenhang, sondern insbesondere auch an einem von der Rechtsprechung geforderten Kausalzusammenhang.
Dies gilt auch für die Aufgabe der geringfügigen Beschäftigung mit Ende November 2015. Mag nach der Pensionierung und dem Antritt der Alterspension eine Anmeldung bei der Apothekenkammer (im Wege der geringfügigen Beschäftigung) erforderlich gewesen sein, um allenfalls das Vorkaufsrecht bei der Apotheke 1 ausüben zu können, so erfüllt - gemessen an den nach der Rechtsprechung gesteckten Kriterien - auch die geringfügige Beschäftigung nicht die Erfordernisse einer "Erwerbstätigkeit". Dass mit dieser Beschäftigung ("faktische") Geschäftsführungsagenden verbunden gewesen wären, hat der Bf. nicht behauptet.
Der Bf. erblickt in der Einstellung der Erwerbstätigkeit der Verwandten 1 eine indirekte Zwangsläufigkeit zur Einstellung der Erwerbstätigkeit. Den vorigen Ausführungen folgend ist dem Bf. zu entgegnen, dass er 2015 nicht seine Erwerbstätigkeit, sondern nur seine kapitalistische Beteiligung aufgegeben hat. Abgesehen davon räumte er u. a. ein, dass er die Beteiligung auch hätte behalten können.
Für das BFG ist das Vorbringen, durch die Aufgabe der geringfügigen Beschäftigung wäre die Kommanditbeteiligung bei der Apotheke 2 zu einer kapitalistischen abgesunken, weil der inhaltliche Beitrag für die Apotheke 2 beendet gewesen wäre, nicht nachvollziehbar. Dass der Bf. bei der Apotheke 2 den "inhaltlichen Beitrag" nur über die geringfügige Beschäftigung leistete und nicht im Rahmen seiner 49,33%-igen Kommanditbeteiligung, ist weder durch entsprechende Unterlagen dokumentiert, noch - insbesondere im Hinblick auf den inhaltlichen Beitrag des Bf. im Rahmen der Kommanditbeteiligung bei der Apotheke 1 - glaubhaft, weil mit den Erfahrungen des wirtschaftlichen Lebens nicht im Einklang stehend.
Da die Kommanditbeteiligung an der Apotheke 1 keine Erwerbstätigkeit, sondern eine kapitalistische Beteiligung darstellte, kommt der Hälftesteuersatz nicht zur Anwendung.
Nach all dem Gesagten ist die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 daher als unbegründet abzuweisen.
Festsetzung von Anspruchszinsen 2015:
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann gemäß § 252 Abs. 1 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-, Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt gemäß § 252 Abs. 2 BAO Abs. 1 sinngemäß.
Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid festzusetzen. Sie sind somit nach ständiger Rechtsprechung an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen- (Körperschaft-) Steuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (vgl. z. B. ).
Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen (vgl. ; ; ; Ritz, BAO6, Rz. 35 zu § 205 BAO).
Die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2015 wird daher als unbegründet abgewiesen.
Un/zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Qualifikation der Beteiligung als kapitalistische Beteiligung basiert auf den Ergebnissen des Beweisverfahrens unter Zugrundelegung der Erkenntnisse des , vom , Ro 2014/15/0037, und vom , Ra 2015/08/0032), in denen der vorliegende Sachverhalt gedeckt ist.
Die Entscheidung bezüglich der Anspruchszinsen 2015 ergibt sich aus dem Gesetz.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision an den VwGH ist daher nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 37 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 37 Abs. 1 Teilstrich 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100619.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at