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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2021, RV/1100458/2013

Geschäftsführer, Haftung, GmbH

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Christoph Ganahl, Rechtsanwalt, Schwefel 93/7, 6850 Dornbirn, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 Bundesabgabenordnung (BAO), zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Haftung auf folgende Abgaben im Gesamtausmaß von 992,27 Euro eingeschränkt:

  • Lohnsteuer 08/2011: 615,01 Euro

  • Lohnsteuer 09/2011: 377,26 Euro

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) war Geschäftsführer der A. GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom tt.11.2011 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Das Insolvenzverfahren wurde mit einer Verteilungsquote von 1,75 % beendet und das Konkursverfahren nach Schlussverteilung am tt.09.2012 aufgehoben.

2. Seitens des Finanzamtes erging ein mit datierter Schriftsatz an den Bf. betreffend "Vorhalt im Haftungsverfahren" bzw. "Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 Bundesabgabenordung" für Abgabenschuldigkeiten der A. GmbH, mit welchem dem Bf. nach Anführung der auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten (Umsatzsteuer 07/2011 und 08/2011, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2011 und 09/2011, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/2011 sowie Körperschaftsteuervorauszahlung 10-12/2011; insgesamt 74.169,39 Euro) mitgeteilt wurde, dass eine Einbringlichkeit bei der primärschuldnerischen GmbH nicht mehr gegeben sei, da diese bekanntlich nicht mehr existent sei. Seitens des Finanzamtes wurde ausgeführt, dass der Bf. in der Zeit ab Geschäftsführer der A. GmbH und somit deren gesetzlicher Vertreter gewesen sei. Diese Vertreter juristischer Personen hätten alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, vorschriftsmäßig entrichtet würden. Vertreter hafteten mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden treffe, wobei leichte Fahrlässigkeit bereits als Verschulden gelte. Die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten fielen in die inkriminierte Periode, woraus gefolgert werde, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. kausal für die Nichtentrichtung und der Bf. daher für diesen Abgabenausfall haftungsrechtlich verantwortlich sei. Seitens des Finanzamtes sei beabsichtigt, aus den vorgenannten Gründen einen entsprechenden Haftungsbescheid zu erlassen. Dem Bf. werde aber "im Rahmen des Parteiengehörs eine Frist zur entlastenden Stellungnahme bis zum eingeräumt."

3. In der zum Vorhalt des Finanzamtes vom eingebrachten Stellungnahme (nach gewährter Fristverlängerung) vom wurde seitens des anwaltlichen Vertreters eingewendet, dass die Eröffnung des gegenständlichen Insolvenzverfahrens über Eigenantrag des Geschäftsführers erfolgt sei, nachdem Sanierungsbemühungen gescheitert seien. Die Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nach den Berichten des Insolvenzverwalters fristgerecht erfolgt. Nach den Erhebungen des Insolvenzverwalters seien per sämtliche Lieferantenverbindlichkeiten sowie die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rückstände bei Finanzamt und Gebietskrankenkasse zur Gänze bezahlt worden. Aus dem Bericht des Insolvenzverwalters ergäbe sich, dass mit Ausnahme der, im Wege von Bürgschaften besicherten, Bankverbindlichkeiten die Gemeinschuldnerin zum keine offenen Verbindlichkeiten aufgewiesen habe. Die Bezahlung der offenen Posten sei aufgrund einer Zahlung der Firma F. vom über einen Gesamtbetrag von 68.821,65 Euro möglich gewesen. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für die auf dem Abgabenkonto bestehenden Verbindlichkeiten bestehe nicht. Per seien die gesamten Verbindlichkeiten bezahlt worden. Die Umsatzsteuer 08/2011 über einen Betrag von 69.388,38 Euro falle nicht unter den Verantwortungsbereich des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin, "da zum damaligen Zeitpunkt bereits Sanierungsbemühungen im Laufen waren und unmittelbar darauf folgend -- nach Scheitern derselben -- der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebracht wurde." Eine schuldhafte Pflichtverletzung liege daher nicht vor.

4. Mit dem Haftungsbescheid vom wurde der Bf. hinsichtlich der im Haftungsbescheid angeführten Abgabenschuldigkeiten der Gemeinschuldnerin (Umsatzsteuer 07/2011 in Höhe von 2.083,26 Euro, Umsatzsteuer 08/2011 in Höhe von 69.388,38 Euro, Lohnsteuer 08/2011 in Höhe von 626,00 Euro, Dienstgeberbeitrag 08/2011 in Höhe von 765,00, Zuschlag zum DB 08/2011 in Höhe von 66,00 Euro, Lohnsteuer 09/2011 in Höhe von 384,00 Euro, Dienstgeberbeitrag 09/2011 in Höhe von 272,00 Euro, Zuschlag zum DB 09/2011 in Höhe von 24,00 Euro) abzüglich der Insolvenzquote von 1,756 % (= 1.292,57 Euro) in Höhe von 72.316,57 Euro in Anspruch genommen. Als Begründung hat das Finanzamt ausgeführt: "Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabebehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Nicht die Abgabebehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind. Hatte der Vertreter Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, liegt es an ihm, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat (Gleichbehandlungsgrundsalz). Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus und wird der Nachweis hinsichtlich des teilweisen Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht erbracht, erfolgt die Haftung für die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze (Ritz, BAO-Komrnentar3, § 9 Tz 27).

In der Vorhaltsbeantwortung durch den Rechtsvertreter vom hat dieser nicht dargetan, ob und welche Gesellschaftsmittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der vorstehend angeführten Abgabenschuldigkeiten vorhanden waren und wie diese ggf. auf die zu diesen Zeitpunkten aushaftenden Gesellschaftsverbindlichkeiten aufgeteilt wurden. Da der für das Haftungsverfahren essentielle Nachweis der (anteiligen) Geldmittelverwendung nicht erbracht wurde, ist die Haftung in Entsprechung der Gesetzgebung in vollem Ausmaß auszusprechen. Die Haftungsabgaben wurden allerdings um die im Insolvenzverfahren ausgeschüttete Insolvenzquote von 1,756% gekürzt.

Der Umstand, dass die offenen Posten der Gesellschaft durch die Zahlung der Firma F. im August 2011 getilgt wurden, gibt den Fakt wieder, dass ausreichende Geldmittel zur Begleichung der Umsatzsteuer 8/2011 vorhanden waren. Insofern nun der verantwortliche Geschäftsführer in Kenntnis dieser anfallenden Abgabe diesen treuhändig zu vereinnahmenden und abzuführenden Betrag zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten verwendet, muss er gegen sich eine haftungsrelevante Pflichtverletzung gelten lassen. Die Unterlassung der Ausschöpfung der Verfügungsoption über das Treuhandgeld ist der Unterlassung der Abfuhr der betreffenden Umsatzsteuer aus vorhandenen Mitteln gleichzuhalten.

Hinsichtlich der Lohnsteuer ergibt sich aus § 78 Abs. 3 EStG 1988, dass der Arbeitgeber für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet ist, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten einer GmbH nach ständiger Rechtsprechung des VwGH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen, was zu dessen Inanspruchnahme als Haftender führt.

Die Tatsache, dass erst im Rahmen einer nachfolgenden abgabenbehördlichen Prüfung das Ausmaß der Lohnsteuer, die zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen nicht richtig berechnet, damit nicht einbehalten und auch nicht fristgerecht entrichtet wurde, festgestellt wird, schließt eine Haftung im Sinne des §78 Abs. 3 EStG 1988 nicht aus.

Nach einem Erkenntnis des verstärkten Senates des , fällt es einem Vertreter im Sinne der §§ 80 ff BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne ausbezahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet. Demzufolge gilt für die Lohnsteuer die Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz.

Klarstellend sei bemerkt, dass durch insolvenzrechtliche Vorschriften (bspw. fristgerechte Insolvenzantragstellung) keinesfalls eine abgabenrechtliche Zahlungsverpflichtung vor Insolvenzeröffnung aufgehoben wird. Auch bietet eine eventuell gegebene spätere Anfechtungsmöglichkeit solcher Abgabenzahlungen durch den Masseverwalter kein Argument gegen das Aufrechtbleiben sämtlicher abgabenrechtlicher Zahlungsverpflichtungen bis zur Insolvenzeröffnung.

Ein Verbot an die Gemeinschuldnerin oder deren organschaftlichen Vertreter, mit Stellen des Insolvenzantrages jegliche Zahlungen einzustellen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr hat die Gemeinschuldnerin unter Beachtung der Gläubigergleichbehandlung den Betrieb bis zur Insolvenzeröffnung fortzuführen (vgl etwa Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze19, Rz 22 ff, insb Rz 29).

Dass der Haftungspflichtige als Geschäftsführer im Zeitpunkt der Fälligkeit der in Rede stehenden Abgaben keinerlei Mittel mehr zur Verfügung gehabt hätte, wird nicht behauptet. Die Höhe der tatsächlich verfügbaren Mittel wurde nicht angeführt. Soweit der Rechtsvertreter mit dem vermeintlichen Verbot von Zahlungen vor und nach Stellen des Insolvenzantrages behaupten möchte, es seien keinerlei Zahlungen mehr erfolgt bzw. hätten nicht erfolgen dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass es nicht auf die geleisteten Zahlungen, sondern auf die zur Zahlung der Abgabenschuldigkeiten zum Fälligkeitstag zur Verfügung gestandenen Mittel ankommt (vgl E , 2006/13/0110). Daraus folgt, dass nach § 9 BAO der Grundsatz der Verpflichtung zur zumindest anteiligen Zahlung von Abgabenschulden (Gleichbehandlungsgebot) auch durch "Nichtzahlung an alle Gläubiger" verletzt wird (). Da nicht dargelegt wurde, welche Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zur Disposition gestanden haben, darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass der haftungspflichtige Geschäftsführer den Nachweis der Gleichbehandlung nicht erbracht hat.

..."

5. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) vom wurde unter Wiederholung der Ausführungen in der Vorhaltsbeantwortung vom vorgebracht, dass nach den Feststellungen im lnsolvenzakt per sämtliche Lieferantenverbindlichkeiten zur Gänze getilgt worden seien. "Auch die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rückstände bei FA und VGKK" seien zur Gänze bezahlt worden. Daraus folge, dass der Geschäftsführer -- in Entsprechung der ihn treffenden Gleichbehandlungsverpflichtung - sämtliche offenen Verbindlichkeiten bezahlt und die Gläubiger gleich behandelt habe. "Eine Pflichtenverletzung ist daraus nicht gegeben." Eine persönliche Haftung des Berufungswerbers für die auf denn Abgabenkonto bestehenden Verbindlichkeiten bestehe nicht. Die Umsatzsteuer 08/2011 über einen Betrag von 69.388,38 Euro falle nicht in den Verantwortungsbereich des Bf., "da zum damaligen Zeitpunkt bereits Sanierungsbemühungen im Laufen waren und auch anderweitige Zahlungen nicht mehr geleistet wurden."

6. Das Finanzamt hat die Berufung des Bf. vom mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Nach den Begründungsausführungen des Finanzamtes wäre es Aufgabe des Geschäftsführers gewesen, darzutun, weshalb er nicht Sorge tragen konnte, dass die von ihm vertretene Gesellschaft die angefallenen Abgaben (für welche die Haftung ausgesprochen worden sei) entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Es möge nach Ansicht des Finanzamtes zwar zutreffen, "dass die Gesellschaft per sämtliche Lieferantenverbindlichkeiten und Rückstände bei Finanzamt und VGKK zur Gänze bezahlt hat. Dass aber über den Mittel vorhanden waren und auch verwendet wurden, ergibt sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen und dem Umstand, dass noch Löhne ausgezahlt wurden. Eine aliquote Bedienung der Finanzamtsverbindlichkeiten erfolgte dabei nicht bzw wurde nicht dargetan." Dazu komme, dass die Bezahlung der offenen Verbindlichkeiten per aufgrund einer Zahlung der Firma F. vom über einen Gesamtbetrag von 368.821,65 Euro erfolgt sei. Der größte Posten des angefochtenen Haftungsbescheides bestehe aber aus der Umsatzsteuervorauszahlung 8/2011 mit einer Zahllast von 69.388,38 Euro, welche wesentlich eben auf der Ausgangsrechnung an die Firma F. gründe. Der Bf. habe also den Bruttoerlös für die Tilgung von anderweitigen Verbindlichkeiten verwendet, ohne wenigstens aliquot dafür Sorge zu tragen, dass die Umsatzsteuer für den Monat 08/2011 bedient werden könne. Auch darin liege ein haftungsrelevantes Verschulden. Hinsichtlich der Lohnsteuer ergebe sich aus § 78 Abs. 3 EStG, dass für den Fall, dass zu wenig Mittel für die Entrichtung des vollen Lohnes vorhanden seien, die Verpflichtung bestehe, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. Werde die Lohnsteuer nicht einbehalten und abgeführt, liege nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor.

7. Dagegen wurde mit Schreiben vom fristgerecht der Vorlageantrag eingebracht (nach rechtswirksamer Zustellung der Berufungsvorentscheidung an den anwaltlichen Vertreter bzw. Stattgabe des Finanzamtes vom zur beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Vorlageantrag; Vorlage bzw. Vorlagebericht des Finanzamtes vom ).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. war Geschäftsführer der A. GmbH, über deren Vermögen über Antrag des Bf. mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom tt.11.2011 der Konkurs eröffnet wurde. Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom tt.11.2011 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet. Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom tt.09.2012 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung (Verteilungsquote 1,75 %) aufgehoben. In weiterer Folge wurde die Firma der Gemeinschuldnerin gemäß § 40 FBG gelöscht (Amtswegige Löschung im Firmenbuch eingetragen am tt.11.2012). Diese Feststellungen sind unstrittig und ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Firmenbuch und in den vom Bundesfinanzgericht angeforderten Insolvenzakt des Landesgerichtes Feldkirch. Unstrittig sind die Höhe der auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin aushaftenden Abgaben, für die der Bf. vom Finanzamt mit dem Haftungsbescheid vom in Anspruch genommen wurde.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass der Großteil der vom Finanzamt ausgesprochenen Haftung in Höhe von gesamt 72.316,07 Euro aus der Umsatzsteuervorauszahlung 08/2011 in Höhe von 69.388,38 Euro resultiert. Unstrittig zwischen dem Finanzamt und dem Bf. bzw. dem anwaltlichen Vertreter ist, dass die Gemeinschuldnerin "per sämtliche Lieferantenverbindlichkeiten und Rückstände bei Finanzamt und VGKK zur Gänze bezahlt hat" (vgl. Berufungsvorentscheidung vom ). Nach Auffassung des Finanzamtes wäre es Aufgabe des Geschäftsführers gewesen, darzutun, weshalb er nicht Sorge tragen konnte, dass die von ihm vertretene Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Haftungsrelevant sei nach den Ausführungen des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung, dass über den Mittel vorhanden und auch verwendet worden seien, was sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen und dem Umstand ergäbe, dass noch Löhne ausgezahlt worden seien. Eine aliquote Bedienung der Finanzamtsverbindlichkeiten sei dabei nicht erfolgt bzw. nicht dargetan worden. Dazu komme, dass die Bezahlung der offenen Verbindlichkeiten per aufgrund einer Zahlung der Firma F. vom über einen Gesamtbetrag von 368.821,65 Euro erfolgt sei. Der größte Posten des angefochtenen Haftungsbescheides bestehe aber aus der Umsatzsteuervorauszahlung 8/2011 mit einer Zahllast von 69.388,38 Euro, welche wesentlich eben auf der Ausgangsrechnung an die Firma F. gründe. Der Bf. habe also den Bruttoerlös für die Tilgung von anderweitigen Verbindlichkeiten verwendet, ohne wenigstens aliquot dafür Sorge zu tragen, dass die Umsatzsteuer für den Monat 08/2011 bedient werden könne. Seitens des anwaltlichen Vertreters wird diesbezüglich eingewendet, dass die Umsatzsteuer 08/2011 über einen Betrag von 69.388,38 Euro nicht in den Verantwortungsbereich des Bf. falle, "da zum damaligen Zeitpunkt bereits Sanierungsbemühungen im Laufen waren und auch anderweitige Zahlungen nicht mehr geleistet wurden." Dazu wird seitens des Bundesfinanzgerichts die Rechtsansicht vertreten, dass es - unabhängig von Sanierungsbemühungen des Geschäftsführers - grundsätzlich darauf ankommt, ob der Geschäftsführer im/ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung 08/2011 über die finanziellen Mittel verfügte, um diese Abgabe als Geschäftsführer für die Gemeinschuldnerin innerhalb des Zeitraumes ab Fälligkeit () bis zur Konkurseröffnung (tt.11.2011) zu bezahlen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 9 Rz 10, unter Hinweis auf Judikatur).

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter (zB Geschäftsführer) darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters entbindet die Behörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht. Eine solche Pflicht besteht etwa, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 9 Rz 22, unter Hinweis auf Judikatur).

Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt dem Bf. gegenüber die beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme mit Schreiben (Vorhalt) vom mitgeteilt und nach der dazu eingebrachten Stellungnahme (Vorhaltsbeantwortung) des anwaltlichen Vertreters vom den Haftungsbescheid mit Ausfertigungsdatum erlassen. Die Mitteilung (Vorhalt) über die beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme und der Haftungsbescheid ergingen also jeweils zu Zeitpunkten, in denen bereits feststand, dass das Insolvenzverfahren mit einer Verteilungsquote von 1,75 % beendet und das Konkursverfahren nach Schlussverteilung am tt.09.2012 aufgehoben worden war. Ungeachtet dessen und auch ungeachtet des kurzen Zeitraumes zwischen der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung 08/2011 () und Konkurseröffnung (tt.11.2011) wurde der Bf. im Rahmen des Vorhalteverfahrens bzw. vor Erlassung des Haftungsbescheides nicht konkret aufgefordert, dem Finanzamt mitzuteilen bzw. nachzuweisen, welche finanziellen Mittel dem Bf. konkret am Fälligkeitstag der Umsatzsteuer 08/2011 und der weiteren in Haftung gezogenen Abgaben zur Verfügung standen. Dabei geht das Finanzamt in der Begründung der Berufungsvorentscheidung vom auch davon aus, dass die Bezahlung der offenen Verbindlichkeiten per aufgrund einer Zahlung der Firma F. vom über einen Gesamtbetrag von 368.821,65 Euro erfolgte und der Bf. dafür den Bruttoerlös verwendet hatte und es somit vor diesem Hintergrund durchaus naheliegt, dass dem Bf. für die Bezahlung der Umsatzsteuervorauszahlung 08/2011 in Höhe von 69.388,38 Euro am Fälligkeitstag keine (ausreichenden) Mittel mehr zur Verfügung standen. Seitens des Finanzamtes wurde auch dem Vorbringen des anwaltlichen Vertreters betreffend Umsatzsteuer 08/2011, wonach "zum damaligen Zeitpunkt bereits Sanierungsbemühungen im Laufen waren und auch anderweitige Zahlungen nicht mehr geleistet wurden", nicht entgegengetreten. Soweit das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung vom ausführt, aus den Umsatzsteuervoranmeldungen und dem Umstand, dass noch Löhne ausgezahlt wurden, ergäbe sich, dass über den Mittel vorhanden waren und auch verwendet wurden, ist anzumerken, dass das Finanzamt dabei nicht anspricht, auf welche konkreten Umsatzsteuervoranmeldungen dabei Bezug genommen wird und dass auch aus Umsatzsteuervoranmeldungen allein nicht auf das Vorhandensein liquider Mittel geschlossen werden kann. Was die ausgezahlten Löhne betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Mitarbeiterstand im Vorfeld der Konkurseröffnung massiv (bis auf einen einzigen Dienstnehmer) abgebaut wurde, was sich aus der Niederschrift vom über die Lohnsteuerprüfung für den Prüfungszeitraum bis tt.11.2011 sowie aus dem Insolvenzakt entnehmen lässt, und dass im Haftungsbescheid vom die Lohnsteuer für 08/2011 mit 626,00 Euro und für 09/2011 mit 384,00 Euro ausgewiesen ist, somit auch aus diesem Hinweis nicht auf das Vorliegen ausreichender bzw. nennenswerter liquider Mittel geschlossen werden kann.

Die Haftung des § 9 BAO setzt u.a. die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit voraus. Besteht aber nur die Pflicht zur anteiligen Entrichtung, so ist die Verletzung dieser Pflicht nur kausal für den anteiligen Abgabenausfall (nicht jedoch für die Abgabe zur Gänze). Nicht zuletzt deshalb besteht bei Verletzung der Gleichbehandlungspflicht die Haftung des § 9 BAO nur anteilig, nämlich mit jenem Teilbetrag, der bei Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entrichten gewesen wäre. Dem Vertreter obliegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 9 Rz 27, unter Hinweis auf Judikatur). Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters entbindet die Behörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht. Eine solche Pflicht besteht etwa, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben (vgl. zB ).

Für den vorliegenden Fall ist seitens des Bundesfinanzgerichts unter Berücksichtigung der vorliegenden Aktenlage sachverhaltsmäßig festzustellen, dass dem Bf. bzw. der von ihm vertretenen Gemeinschuldnerin keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung standen, um die Umsatzsteuervorauszahlung 08/2011 am Fälligkeitstag zur Gänze zu bezahlen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Zahlungseingang der Firma F. vom über einen Gesamtbetrag von 368.821,65 Euro im Umfang des Bruttoerlöses für die Bezahlung der offenen Verbindlichkeiten per verwendet wurde, was zwischen dem Finanzamt und dem Bf. auch unstrittig ist. Innerhalb des diesbezüglich kurzen Haftungszeitraumes zwischen dem Fälligkeitstag () und Konkurseröffnung (tt.11.2011) wurden nach den vom Finanzamt unbestrittenen Angaben des anwaltlichen Vertreters auch "anderweitige Zahlungen nicht mehr geleistet", wobei auch anzumerken ist, dass nach dem vorliegenden Insolvenzakt seitens des Insolvenzverwalters keinerlei Anfechtungen betrieben wurden. Nach der vom Insolvenzgericht genehmigten Schlussrechnung des Masseverwalters wurden die anerkannten Forderungen mit einem Gesamtbetrag von 2.051.140,88 Euro festgestellt, denen ein zur Verteilung verbleibender Betrag von 36.028,83 Euro gegenüberstand (Schlussverteilung mit einer Quote von 1,75 % und Aufhebung des Konkursverfahrens am tt.09.2012). Insgesamt ergibt sich aus dieser Aktenlage, dass dem Bf. als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin hinsichtlich Umsatzsteuer 8/2011 mit einer Zahllast von 69.388,38 Euro, die im Rahmen des Konkursverfahren nach Schlussverteilung mit einer Quote von 1,75 % bezahlt wurde, kein pflichtwidriges Verhalten bzw. keine Benachteiligung des Finanzamtes vorzuwerfen ist. Auch bei Vorliegen allfälliger finanzieller Mittel am Fälligkeitstag wäre seitens des Bf. diese Abgabe (Umsatzsteuer 8/2011) unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit einem Teilbetrag in der Bandbreite der Schlussverteilungsquote zu entrichten gewesen. Gleiches gilt auch für die Umsatzsteuer 07/2011 in Höhe von 2.083,26 Euro, für welche das Finanzamt den Bf. im Haftungsbescheid in Anspruch genommen hat. Aus diesen Gründen erfolgte die Haftungsinanspruchnahme des Bf. hinsichtlich Umsatzsteuervorauszahlungen 07/2011 und 08/2011 zu Unrecht und war der Berufung (Beschwerde) hinsichtlich dieser haftungsgegenständlichen Abgaben stattzugeben.

Was die Lohnabgaben betrifft, hat sich das Finanzamt darauf berufen, dass nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gelte. Dem Finanzamt ist insoweit zuzustimmen, als nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer, gelten. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat nämlich der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Für den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag besteht diese Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz nicht (vgl. zB ; vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 9 Rz 11d, unter Hinweis auf Judikatur). Auf dieser Grundlage war die Beschwerde hinsichtlich der in Haftung gezogenen Lohnsteuer 08/2011 und 09/2011 als unbegründet abzuweisen. Betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2011 und 09/2011 wird begründend auf die Ausführungen zur Umsatzsteuer 07/2011 und 08/2011 verwiesen. Aus diesen Begründungserwägungen war der Beschwerde hinsichtlich Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2011 und 09/2011 stattzugeben.

Aus diesen Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100458.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at