Regelmäßige monatliche Dienstfahrten nach Deutschland: Unterbrechung der Monatsfrist gem. § 82/8 KFG, keine Zulassungs- und NoVA-Pflicht (03/2012)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Kapferer Frei und Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Eduard-Wallnöfer-Platz 1, 6460 Imst, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Landeck Reutte (nunmehr FA Österreich) vom , StrNr, betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum März 2012 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Schreiben vom hat die Fa. ***Bf1*** in A-Ort1 (= Beschwerdeführerin, Bf) zum Betreff "Normverbrauchsabgabe-Pkw mit ausländischem (deutschem) Kennzeichen" dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht, dass sie iSd § 4 Abs. 3 NoVAG Verwenderin des Fahrzeuges MarkeX, deutsches Kz Nr123, Wert € 49.989,97, sei. Die Bf ziehe den Nutzen aus dem Fahrzeug, habe dieses auf eigene Rechnung in Gebrauch und darüber die Verfügungsgewalt. Eigentümer und Zulassungsbesitzer sei die Fa. Y-GmbH mit Sitz in Deutschland in D-Ort2, welche das Fahrzeug der Bf als Dienstfahrzeug zur Nutzung bzw an deren Geschäftsführer AA zur Verfügung überlassen habe.
Beiliegend wurde eine Erklärung der Normverbrauchsabgabe zum betreffenden Fahrzeug für den Monat März 2012 mit Euro Null eingereicht, da nach Rechtsauffassung der Bf kein NoVA-pflichtiger Tatbestand verwirklicht werde:
Geschäftsführer AA habe seinen Hauptwohnsitz in Österreich; er verwende das Dienstfahrzeug mehrmals monatlich auch für Fahrten nach Deutschland, insofern mehrmals Grenzübertritte stattfänden und die Monatsfrist gemäß § 82 Abs. 8 KFG nie überschritten werde. Verwiesen wurde eingehend auf die UFS-Entscheidungen v. , RV/0245-K/09, und v. , RV/0377-I/06, und darauf bezugnehmend festgehalten, dass aufgrund der mehrmaligen monatlichen Grenzübertritte die Monatsfrist nach § 82 Abs. 8 KFG jeweils unterbrochen werde und neu zu laufen beginne. Die Verwendung des Fahrzeuges ohne inländische Zulassung sei daher nicht unzulässig; ein dem NoVAG unterliegender Steuertatbestand werde damit nicht verwirklicht.
2. Das Finanzamt hat mit Bescheid vom , StrNr, für betreffendes Fahrzeug die Normverbrauchsabgabe (NoVA) für den Zeitraum März 2012 in Höhe von € 5.548,92 festgesetzt, weil die Selbstberechnung (mit € Null) unrichtig wäre.
In seiner Begründung hält das Finanzamt zunächst fest, dass der im Schreiben vom aufgezeigte Sachverhalt unstrittig sei; der dauernde Standort des Fahrzeuges im Inland werde darin nicht in Abrede gestellt. Allerdings sei die Ansicht der Bf, durch die Grenzübertritte nach Deutschland werde die Monatsfrist des § 82 Abs. 8 KFG unterbrochen, rechtsirrig und könne aus den angeführten UFS-Entscheidungen nicht abgeleitet werden. Bei vorübergehenden Grenzübertritten liege keine Fristunterbrechung vor und sei somit der Tatbestand nach § 1 Z 3 NoVAG erfüllt. Nach Darstellung der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen im Kraftfahrgesetz (KFG 1967) führt das Finanzamt aus, dass aufgrund einer Interpretation des Wortlautes wie auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes die Einjahres-Frist des § 79 KFG hinsichtlich des Fristenlaufes und einer allfälligen Unterbrechung anders zu beurteilen sei als die Monatsfrist nach § 82 Abs. 8 KFG (mit Darlegung weiterer UFS- und VwGH-Judikatur). Bei der Monatsfrist handle es sich lediglich um eine angemessene Frist, um die Zulassung eines Fahrzeuges zu ermöglichen (im Einzelnen: siehe Festsetzungsbescheid vom ).
3. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde die Bescheidaufhebung beantragt, zunächst wie im Schreiben vom argumentiert und weiters eingewendet:
Der vom Finanzamt vorgenommenen Interpretation der KFG-Bestimmungen könne nicht gefolgt werden. Vielmehr handle es sich in § 79 und § 82/8 KFG um inhaltlich gleichlautende Formulierungen, sodass die Monatsfrist durch jede Auslandsfahrt unterbrochen werde und neu zu laufen beginne. Aufgrund der gegenständlich mehrmaligen monatlichen Fahrten nach Deutschland liege jeweils ein Nutzungszeitraum von weniger als einem Monat vor, weshalb kraftfahrrechtlich eine (inländische) Zulassung des Fahrzeuges nicht erforderlich sei.
4. Nach Direktvorlage der Berufung an den (vormals) Unabhängigen Finanzsenat (UFS), dh. ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt, hat die Bf eine "Ergänzung der Berufung" vom eingebracht und im Wesentlichen ua. noch ausgeführt:
Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der gesetzlichen Bestimmungen nach §§ 79 und 82/8 KFG seien diese einer Interpretation gar nicht zugänglich. Laut Auskunft der zuständigen KFZ-Zulassungsstelle habe bei gegebenem - unstrittigen - Sachverhalt das Fahrzeug zwar seinen dauernden Standort im Inland, wobei aber eine Zulassung im Inland wegen der monatlichen Auslandsverbringung (und wieder Einbringung) nicht notwendig wäre.
II. Sachverhalt
Das streitgegenständliche Fahrzeug der Marke MarkeX wurde von der in Deutschland ansässigen Firma Y-GmbH erworben und auf sie in Deutschland unter dem Kennzeichen Nr123 zugelassen.
In der Folge hat die Zulassungsbesitzerin das Fahrzeug ab März 2012 im Weg einer Nutzungsüberlassung der Bf mit Sitz in Österreich/Ort1 auf deren Kosten zur Verfügung gestellt, die die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug ausübt.
Das Fahrzeug wird vom Geschäftsführer der Bf, der seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, als Dienstfahrzeug ua. auch für regelmäßige monatliche Fahrten nach Deutschland verwendet.
III. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem eingangs dargestellten Akteninhalt, konkret aus dem Schreiben der Bf vom samt beiliegender NoVA-Erklärung, und ist seitens des Finanzamtes ausdrücklich (siehe ua. laut Festsetzungsbescheid vom ) unbestritten.
IV. Rechtslage
Gemäß § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht (BFG) als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1
B-VG zu erledigen.
1. Normverbrauchsabgabe:
Gemäß § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz 1991 (NoVAG), BGBL 1991/695 idF BGBl. I 2010/111, unterlag im hier gegenständlichen Zeitraum der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 oder Z 2 eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Zulassung eines Fahrzeuges, das bereits im Inland zugelassen war, aber nicht der Normverbrauchsabgabe unterlag oder befreit war sowie die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.
Abgabenschuldner im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem KFG zuzulassen wäre (§ 1 Z 3), sind der Zulassungsbesitzer und der Verwender des Fahrzeuges als Gesamtschuldner (§ 4 Z 3 NoVAG 1991).
Die Steuerschuld entsteht bei Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem KFG zuzulassen wäre, mit dem Zeitpunkt der Einbringung in das Inland (§ 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG 1991).
2. Kraftfahrgesetz:
Die hier zum Tragen kommenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KFG) 1967, BGBl 267/1967 idgF., haben folgenden Inhalt:
Gemäß § 36 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 KFG 1967 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr [Anm.: im Inland] zugelassen sind (§§ 37 - 39 KFG 1967).
Gemäß § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 KFG 1967eingehalten werden.
Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 idgF. sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland anzusehen (= Standortvermutung). Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monates ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren öffentlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.
Mit dem Erkenntnis 2011/16/0221, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Einbringung in das Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 8 KFG der Einbringung gemäß § 79 KFG 1967 entspricht, sodass die Monatsfrist bis zur erforderlichen inländischen Zulassung mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet neu zu laufen beginnt.
Diese Rechtsprechung bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis .
Nach Ergehen des Erkenntnisses des , erfolgte mit BGBl I 2014/26 eine am kundgemachte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967, wonach eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet die Monatsfrist nicht unterbricht.
Gemäß § 135 Abs. 27 KFG 1967 idF BGBl I 2014/26 trat § 82 Abs. 8 in dieser Fassung mit in Kraft. Diese Rückwirkungsanordnung wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 72/2014, als verfassungswidrig aufgehoben. Damit ist die mit BGBl I 2014/26 erfolgte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 erst am in Kraft getreten. Der durch das BGBl I 2014/26 in diese Bestimmung eingefügte Satz "Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht" ist daher erst auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem verwirklicht wurden.
Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis geltenden Fassung beginnt somit in Fällen, in denen ein Fahrzeug regelmäßig monatlich in das Ausland bzw. übrige Gemeinschaftsgebiet ausgebracht wird, die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen und es entsteht keine Zulassungsverpflichtung im Inland. Solche Fahrzeuge "wären somit nicht zuzulassen" im Sinne des NoVAG 1991. In derartigen Fällen liegt folglich keine sogen. widerrechtliche Verwendung vor, an die die Steuerpflicht nach dem NoVAG 1991 anknüpft.
Es kann diesfalls auch dahingestellt bleiben, wer Verwender des Fahrzeuges ist und wo der Standort des Fahrzeuges ist; in derartigen Fällen kann auch nicht § 79 KFG 1967 greifen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Verwenders bzw. dessen Sitz oder eine mögliche Widerlegung einer Standortvermutung sind demgemäß ohne Belang.
V. Erwägungen
Im Gegenstandsfall ist der Sachverhalt der monatlichen Auslandsverbringung des Fahrzeuges und damit eines regelmäßigen Grenzübertrittes nach Deutschland ausdrücklich unbestritten. Alleiniger Streitpunkt ist - wie auch aus dem Vorlagebericht des Finanzamtes hervorgeht - , ob durch den mehrmaligen monatlichen Grenzübertritt die Monatsfrist nach § 82 Abs. 8 KFG unterbrochen wird und jeweils neu zu laufen beginnt.
Nach oben dargelegter hg. Judikatur () hat der Verwaltungsgerichtshof dahin entschieden, dass gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in Fällen, in denen ein Fahrzeug regelmäßig monatlich in das Ausland bzw. übrige Gemeinschaftsgebiet ausgebracht wird, die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen beginnt und aus diesem Grund keine Zulassungsverpflichtung im Inland entsteht. Dies gilt für alle dementsprechenden Sachverhalte, die bis zum verwirklicht wurden.
Gegenständliches Fahrzeug war daher nicht im Sinne des NoVAG 1991 "zuzulassen", weshalb - unabhängig vom dauernden Standort im Inland - keine sogen. "widerrechtliche Verwendung des Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen" vorgelegen war, an die die Steuerpflicht nach dem NoVAG 1991 anknüpfen würde.
Der Tatbestand nach § 1 Z 3 NoVAG wurde daher nicht verwirklicht.
VI. Ergebnis:
In Anbetracht insbesondere der oben dargestellten Rechtslage war daher der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Maßgeblich war hier die Lösung einer mittlerweile vom Verwaltungsgerichtshof abschließend geklärten Rechtsfrage (siehe ; ). Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991 § 79 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 § 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 |
Verweise | -K/09 -I/06 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100322.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at