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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.07.2021, RV/4100222/2019

Übergabsvertrag Todesfall - Aufhebung

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/16/0085. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/4100325/2023 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. H.P.P in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch Dr. R.M, Öffentlicher Notar, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Übergabsvertrag vom übergab der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) die Liegenschaft EZ ***1*** KG ***2*** an seinen Sohn ***Bf1***. Das Finanzamt setzte mit vorläufigem Bescheid gemäß § 200 BAO vom die Grunderwerbsteuer in Höhe von Schilling (ATS) 4.368,00 fest.
Mit Notariatsakt vom hoben die Vertragsparteien den Übergabsvertrag vom vollinhaltlich auf.

Der Bf. beantragte daraufhin beim Finanzamt den vorläufigen Bescheid vom dahingehend abzuändern, dass die Grunderwerbsteuer mit "0" endgültig festgesetzt werde. Dem Antrag wurde der Aufhebungsvertrag in Kopie beigefügt.

Das Finanzamt wies mit angefochtenem Bescheid vom den Antrag als unbegründet ab. Das Finanzamt führte aus, dass gemäß § 209 Abs. 4 BAO das Recht eine vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches verjähre.
Da der vorläufige Bescheid bereits im Jahre 1990 ergangen sei, ist eine endgültige Festsetzung infolge Verjährung nicht mehr möglich.

In der Beschwerde vom wendete der Bf. die unrichtige rechtliche Beurteilung ein und führte schriftlich aus:
"Ich bekämpfe diesen Bescheid wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und führe hierzu an, dass § 209 Abs. 4 BAO bestimmt, dass eine gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruches verjähre, jedoch damit die definitive Entstehung des Abgabenanspruches, welche die Beseitigung der Ungewissheit und Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes voraussetzt, gemeint ist. Dies bedeute, dass die Finanzbehörde nach Beseitigung der Ungewissheit fünfzehn Jahre für die endgültige Festsetzung der Steuer Zeit hat. Gemäß § 208 Abs. 1 lit. d) BAO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde."

Im gegenständlichen Fall ist die Ungewissheit erst durch den Aufhebungsvertrag vom zum notariellen Übergabsvertrag auf den Todesfall vom beseitigt worden.
Die Rechtsansicht des Finanzamtes hätte zur Folge, dass jede vorläufige Abgabenfestsetzung nach Ablauf von fünfzehn Jahren automatisch endgültig werde, selbst wenn die Ungewissheit noch weiterbesteht. Dies unsachliche Rechtsfolge werde durch die Bestimmung des § 208 Abs. 1 lit d.) BAO verhindert.

Nachdem das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde abgewiesen hat, beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht die Akten dem BFG vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im vorliegenden Fall steht der oben beschriebene Sachverhalt und Ablauf des Geschehens fest. Das Finanzamt vertritt in der Beschwerdevorentscheidung vom die Rechtsansicht, dass das Recht eine vorläufige Abgabenfestsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO, wegen Beseitigung der Ungewissheit, durch eine endgültige zu ersetzen, gemäß § 209 Abs. 4 BAO spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches verjährt.
Der Wegfall der Ungewissheit müsse sich auf einen Zeitpunkt beziehen, der innerhalb der Verjährungsfrist liege. Falle die Ungewissheit erst nach Ablauf der absoluten Verjährung weg, so ist auf die tatsächliche Entstehung der Steuerschuld abzustellen.

Gemäß § 209 Abs. 4 BAO verjährt das Recht, eine gemäß § 200 Abs. 1 vorläufige Abgabenfestsetzung wegen Beseitigung einer Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs. 1 durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 - GrEStG, unterliegen ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer.
Nach § 8 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.
Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht nach Abs. 2 leg. cit. die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung.

Nach § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG 1955, gelten die Bestimmungen des ersten Teiles dieses Bundesgesetzes (§§ 2 bis 17), soweit sich nicht aus den abgabenrechtlichen Vorschriften oder aus dem zweiten Teil dieses Gesetzes etwas anderes ergibt, für die bundesrechtlich geregelten Abgaben sowie für die bundesrechtlich geregelten Beiträge an sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und an Fonds.
Nach § 4 BewG 1955 werden Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist.
Die §§ 4 bis 7 gelten nach § 8 BewG 1955 auch, wenn der Erwerb des Wirtschaftsgutes oder die Entstehung oder der Wegfall der Last von einem Ereignis abhängt, bei dem nur der Zeitpunkt ungewiss ist.

Im vorliegenden Sachverhalt haben die Vertragsparteien am einen Übergabsvertrag auf den Todesfall abgeschlossen. Beide Vertragsparteien waren sich einig, dass die Liegenschaft zum Zeitpunkt des Todes des Übergebers an den Übernehmer übergeben werden wird.
Die Wirksamkeit dieses Vertrages ist nach dem Inhalt des Vertrages mit dem Ableben des Übergebers aufschiebend bedingt, weil der Vertrag erst dann die gewollten Rechtsfolgen auslösen wird.

Grundsätzlich knüpft die Grunderwerbsteuer an das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft an. Bedingungen, die das Verfügungsgeschäft betreffen bleiben dabei unbeachtlich (-G/08; , 0007).

Die Parteien des "Übergabsvertrages auf den Todesfall" haben die Übergabe des Liegenschaftsanteiles mit Wirkung des Ablebens des Übergebers bedungen. Da das Ableben des Übergebers zufolge der §§ 8 iVm 4 BewG 1955 als ein vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängiger Erwerb zu behandeln ist, entsteht nach § 8 Abs. 2 GrEStG die Steuerschuld erst mit dem Eintritt dieser "Bedingung", d.h. mit dem Ableben des Übergebers. Eine Übergabe auf den Todesfall ist als aufschiebende Bedingung zu werten und entsteht die Steuerschuld ist daher erst mit dem Ableben des Übergebers ().
Damit entsteht ein Abgabenanspruch und die Steuerschuld erstmals mit dem Ableben des Übergebers. Dieser Zeitpunkt ist maßgebend für den Beginn der Verjährung.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das vorliegende Erkenntnis steht im Einklang mit der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100222.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at