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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2020, RV/7102446/2019

Familienbeihilfe - Differenzzahlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Bf., Adresse, Ungarn, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Gewährung der Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe von Dezember 2017 bis Juni 2018, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte beim Finanzamt (FA) am einen Antrag auf Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe für das Kind AB, geb. 2009, ab .

Das FA wies den Antrag mit Bescheid vom ab Dezember 2017 unter Verweis auf die Verordnung EG Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung, welche regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist, ab. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Untergeordnete oder sporadische Tätigkeiten seien keine Erwerbstätigkeit im Sinne der genannten Verordnung. Da die Bf keine ausreichende Erwerbstätigkeit in Österreich ausübe, habe sie keinen Anspruch auf Familienleistungen.

Die Bf erhob gegen den Abweisungsbescheid fristgerecht Beschwerde (Schriftsatz vom ) und brachte vor, dass sie ausschließlich in Österreich einer Teilzeitbeschäftigung nachgehe und Selbstversicherungsbeiträge zahle. Sie sei Alleinerzieherin, deswegen habe sie nur in Österreich einen Anspruch auf Familienbeihilfe. Laut EU-Verordnung 883/2004 habe sie durch die Selbstversicherung einen Zugriff zum österreichischen Sozialsystem. Könne der Zugriff zum nationalen Sozialsystem festgestellt werden, dann könne auch der Anspruch auf die nationale Familienbeihilfe, selbstverständlich unter Erfüllung von anderen Voraussetzungen, festgestellt werden. Da in ihrer Rechtssache alle gesetzlichen Voraussetzungen gemäß FLAG und der EU-Verordnung 883/2004 vorlägen, ersuche sie, ihren Anspruch auf die Familienbeihilfe zuzuerkennen und auszuzahlen.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter näher geregelten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder.

Für EU-Bürger, die über keinen Wohnsitz im Inland verfügen ist die Verordnung (EG) Nr. 883/04 Art. 11 ff und die Durchführungsverordnung 987/09 anzuwenden:

Artikel 11 lautet:

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. ...

3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

Gemäß Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die auch die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Hinsicht auf die Gewährung von Familienleistungen regelt, ist Österreich für die Auszahlung der Familienbeihilfe dann zuständig, wenn die Person in Österreich eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt.

Maßgebende Kriterien sind nach Art. 14 Abs. 8 Buchstabe a und b VO (EG) 987/2009

a) im Falle einer Beschäftigung die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt und...

Anspruch auf österreichische Familienleistungen besteht daher grundsätzlich nur für die Dauer einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit im Inland. Unter "Beschäftigung" sind in Österreich grundsätzlich alle beschäftigten ASVG-Versicherten (einschließlich freie Dienstnehmer/innen) über der Geringfügigkeitsgrenze (mtl. € 438,05 im Jahr 2018, mtl. € 425,70 im Jahr 2017) zu verstehen. Zu den Beschäftigungen gehören auch geringfügige Beschäftigungen. Erforderlich ist, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich "als völlig untergeordnet und unwesentlich" darstellen. Bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze (mtl. Entlohnung unter € 438,05 für 2018 bzw. € 425,70 für 2017) ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dazu sind die Dauer, die Nachhaltigkeit/Qualität und die Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die Höhe des Arbeitsentgeltes, die Anzahl der wöchentlichen Arbeitszeit und die Dauer des Arbeitsvertrages heranzuziehen. Eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von acht Stunden mit entsprechender Entlohnung ist hierbei Grundvoraussetzung.

Sie waren im Jahr 2018 in der Zeit von 1-5/2018 und 10-12/2018 in Österreich bei der Firma XY OG beschäftigt, und haben insgesamt brutto 2.673,90 Euro, das sind durchschnittlich monatlich 334,24 Euro verdient.

Die Höhe dieser monatlichen Entlohnung ist äußerst gering sowie weit unter der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze (€ 438,05 bzw. € 425,70) gelegen und daher auch "als völlig untergeordnet und unwesentlich" zu betrachten.

Da somit in Österreich keine Beschäftigung im Sinne der Verordnung Nr.883/2004 ausgeübt wird, besteht kein Anspruch auf Familienleistungen."

Die Bf stellte am mit folgender Begründung einen Vorlageantrag:

Sie habe im Zeitraum September 2017 bis Juni 2018 geringfügig bei der Firma XY OG gearbeitet. In diesem Zeitraum habe sie ihre Tochter allein am gemeinsamen Hauptwohnsitz erzogen. Als monatliches Einkommen hätte sie ausschließlich den Monatslohn (und die weiteren arbeitsrechtlichen Ansprüche, wie zB Urlaubszuschuss, Weihnachtsgeld, etc.) gehabt, den sie von der o.g. Firma erhalten habe. In Ungarn sei sie keiner Beschäftigung nachgegangen. Wegen dieser Tatsache könne ihre geringfügige Beschäftigung nicht als "untergeordnet und unwesentlich" qualifiziert werden. Darüber hinaus gehöre eine geringfügige Beschäftigung zu den Beschäftigungen. Sie habe 7 Stunden in 3 Tagen gearbeitet. Leider habe sie weder einen Dienstzettel noch einen Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber erhalten. Sie könne aber ihre An- und Abmeldung zu diesem Antrag hinzufügen. Sie ersuche, ihrem Antrag auf die Familienbeihilfe für ihrenSohn für den Zeitraum vom September 2017 bis Juni 2018 stattzugeben.

Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht (BFG) vor.

Das BFG übermittelte mit Schriftsatz vom einen Vorhalt an die Bf. Die Bf wurde u.a. aufgefordert, innerhalb der Frist von 2 Monaten ab Zustellung des Schreibens ein vollständig ausgefülltes und von der zuständigen Behörde bestätigtes Formular E 411 vorzulegen sowie die Finanzierung der Lebenshaltungskosten in Bezug auf ihre monatlichen Einkünfte iHv EUR 334,24 nachzuweisen sowie die auf Grund der Fahrtstrecke dem BFG unglaubwürdig erscheinende Aussage der Bf, sie habe an jeweils drei Tagen pro Woche insgesamt sieben Stunden pro Woche gearbeitet, aufzuklären.

Der Vorhalt wurde mit int. Rückscheinbrief versendet und von der Bf am persönlich übernommen.

Der Vorhalt blieb unbeantwortet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt:

Die Bf ist alleinerziehende Mutter eines im Jahr 2009 geborenen Sohnes, welcher in Ungarn eine Schule besucht.

Der Hauptwohnsitz der Bf und ihres Sohnes befindet sich in D., Ungarn, und ist ca. 63 Kilometer von ihrem Arbeitsplatz in E., NÖ, entfernt.

Die Bf war bzw ist in Österreich mit keinem Wohnsitz gemeldet.

Die Bf war in Österreich laut Versicherungsdatenauszug (Stand ) als Arbeiterin vom bis im Betrieb GH. e.U. in 9999 E. beschäftigt.

Vom bis und vom bis stand sie bei der Fa. XY OG in 9999 E. in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als Friseurin.

Die Bf hat für die genannten Zeiträume keinen Arbeitsvertrag.

Die Bf bezog in der Zeit von 09-12/2017 Bezüge iHv insges EUR 1.178,13 sowie von 01-05/2018 und 10-12/2018 bei der Fa XY OG insgesamt brutto EUR 2.673,90, ds durchschnittlich monatlich ca EUR 335.

Vom bis war die Bf selbstversichert (§ 19a ASVG - Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung).

Die Bf hat ihre Lebenshaltungskosten in Bezug auf die Höhe ihrer bekannt gegebenen Einkünfte nicht nachgewiesen.

Die Bf hat nicht nachgewiesen, dass sie - in Österreich oder Ungarn - keine weiteren Einkünfte bezieht.

Die Bf hat nicht nachgewiesen, dass sie in Ungarn keinen Anspruch auf Familienleistungen hat.

Bei den Einkünften in Höhe von ca EUR 335 pro Monat handelt es sich um völlig unwesentliche und untergeordnete.

Beweiswürdigung:

Dass die Bf alleinerziehende Mutter ist, wurde durch die Vorlage des amtlich bestätigten Formulars E 401 nachgewiesen.

Der Schulbesuch des Sohnes der Bf in Ungarn ist durch die Vorlage einer Schulbesuchsbestätigung erwiesen.

Der Hauptwohnsitz der Bf ist unstrittig.

Die Entfernung von der Arbeitsstätte ist durch entsprechende Internet-Recherchen des BFG erwiesen.

Dass die Bf in Österreich keinen Wohnsitz hat, ist durch die ZMR-Abfrage vom erwiesen.

Die gemeldeten Beschäftigungszeiten und -orte der Bf im Inland sind durch den vorliegenden Versicherungsdatenauszug (Stand ) unstrittig.

Dass die Bf keinen Arbeitsvertrag hat, beruht auf ihrem eigenen Vorbringen; sie hat jedoch die An- und Abmeldung als Friseurin (geringfügige Beschäftigung) bei der Fa. XY OG vom - im Zuge des Vorlageantrags vorgelegt.

Die Höhe der erhaltenen Bezüge ist durch die Vorlage der An- und Abmeldung und Abfragen aus dem AIS des Bundes erwiesen.

Die vom bis gegebene Selbstversicherung der Bf gemäß § 19a ASVG ist nachgewiesen.

Die Bf hat trotz Aufforderung durch das BFG die Lebenshaltungskosten nicht nachgewiesen. Um die Frage, ob es sich um untergeordnete und unwesentliche Einkünfte iSd VO EG 883/2004 im Inland handelt, beurteilen zu können, ist es unerlässlich, dass die genaue Höhe der Einkünfte und deren Herkunft bekannt gegeben wird. Da es unwahrscheinlich erscheint, dass die Bf mit den bekannt gegebenen Einkünften den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter bestreiten kann, wurde sie aufgefordert, ihre Lebenshaltungskosten nachzuweisen. Da der entsprechende Vorhalt nicht beantwortet wurde, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Bf weitere Einkünfte - zB in Ungarn -bezieht, die eine andere gemeinschaftsrechtliche Beurteilung erfordern würden oder aber im Inland (zB bei derselben Firma, bei der sie geringfügig beschäftigt war), welche nicht offengelegt und versteuert wurden. Die Zweifel in Bezug auf die (angemeldete) Beschäftigung von 7 Stunden pro Woche auch in Bezug auf die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte konnten ebenfalls nicht ausgeräumt werden.

Auch der Aufforderung, das Formular E 411 vollständig ausgefüllt und von der Behörde bestätigt zu übermitteln, wurde nicht nachgekommen. Dieser Nachweis ist aber für die Beurteilung der Frage, ob die Bf in Ungarn Anspruch auf Familienleistungen hat, unerlässlich.

Auf die Mitwirkungspflichten der Bf in ggstdl Verfahren wird verwiesen, zumal es sich um einen Begünstigungstatbestand mit Auslandsbezug handelt (siehe auch unten "Rechtliche Beurteilung").

Daher konnte die Bf die begründete Feststellung des FA, dass es sich bei den (bekannt gegebenen) Einkünften von ca EUR 335 monatlich um völlig untergeordnete und unwesentliche handelt, nicht widerlegen, weil die Höhe dieser monatlichen Entlohnung äußerst gering sowie weit unter der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze gelegen und daher auch "als völlig untergeordnet und unwesentlich" zu betrachten ist. Überdies kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Bf nicht bekannt gegebene Einkünfte zB in Ungarn bezieht, da sie ihre Lebenshaltungskosten nicht nachgewiesen hat. Die bekannt gegebenen Einkünfte - Einkünfte von EUR 335 monatlich bei einer Arbeitszeit von 7 Stunden pro Woche, 3 Monate überhaupt keine Beschäftigung - sind nicht geeignet, als erheblicher Teil einer Beschäftigung iSd VO EG 883/2004 qualifiziert zu werden.

Rechtliche Beurteilung:

Streitzeitraum:

Die Bf bringt im Vorlageantrag vor, sie ersuche, ihrem Antrag auf die Familienbeihilfe für ihren Sohn für den Zeitraum vom September 2017 bis Juni 2018 stattzugeben. Sie schränkt damit den Beschwerdezeitraum in Bezug auf das Ende des Zeitraums ein. Da im ursprünglichen Antrag die Familienbeihilfe ab beantragt wurde und der Erstbescheid dementsprechend über den Zeitraum ab Dezember 2017 absprach und damit der Beginn des Beschwerdezeitraums mit Dezember 2017 definiert ist und im Beschwerdeverfahren nicht mehr ausgeweitet (vorverlegt) werden kann, hat das BFG über den mittels Vorlageantrag eingeschränkten Beschwerdezeitraum Dezember 2017 bis Juni 2018 abzusprechen.

Mitwirkungspflichten:

Nach § 115 Abs 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Diese Verpflichtung der Behörde zur Ermittlung der materiellen Wahrheit entbindet die Abgabepflichtigen aber keineswegs von der sie treffenden Mitwirkungspflicht.

Nach Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund; der Begünstigungswerber hat die Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (; , 90/14/0100; , 90/13/0160; , 93/13/0237, 0238; , 96/13/0110; , 98/16/0325, 0326, 0327; , 99/16/0100; Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, BAO, 1. Band, Tz 10ff zu § 115)

Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (; , 94/13/0099).

Nach § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zu Stande gekommen sind. Tritt der Abgabepflichtige in der Lebenserfahrung widersprechende Beziehungen ein, muss er von Anbeginn dafür sorgen, dass er der Abgabenbehörde diese Beziehungen im Bedarfsfall vollständig aufhellen und dokumentieren kann (, .

Auch bei Auslandssachverhalten besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Wenn Sachverhaltselemente im Ausland im Allgemeinen ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, weil die Pflicht der Abgabenbehörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihm, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhaltselemente zu schaffen.

Die bei Auslandssachverhaltselementen wegen der Einschränkung der Ermittlungsmöglichkeiten der Abgabenbehörde erhöhte Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen führt dazu, dass die Abgabepflichtige mit der Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht verbundene Nachteile zu tragen hat.

Im ggstdl Fall handelt es sich sowohl um eine Begünstigungsbestimmung als auch um einen Sachverhalt mit Auslandsbezug, der aufklärungsbedürftig ist (siehe Vorhalt des BFG).

Die Bf ist jedoch ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, sodass sie den von ihr behaupteten Anspruch auf Familienbeihilfe schon mangels Darlegung der tatsächlichen Verhältnisse nicht erfolgreich geltend machen kann. Insbesondere hat sie trotz Aufforderung nicht nachgewiesen, dass es sich bei den von ihr bekannt gegebenen Einkünften um erhebliche Einkünfte handelt dh dass sie keine anderen Einkünfte hat und von diesen Einkünften den Unterhalt für sich und ihren Sohn bestreiten kann.

Materiellrechtliches:

Gemäß § 2 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter näher geregelten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder.

Für EU-Bürger, die über keinen Wohnsitz im Inland verfügen ist die Verordnung EG 883/2004 Art. 11 ff und die Durchführungsverordnung EG 987/2009 anzuwenden:

Artikel 1 der Verordnung enthält Begriffsdefinitionen. Für den Zweck dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

a) "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt.

c) "Versicherter" in Bezug auf die von Titel III Kapitel 1 und 3 erfassten Zweige der sozialen Sicherheit jede Person, die unter Berücksichtigung der Bestimmungen dieser Verordnung die für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des gemäß
Titel II zuständigen Mitgliedstaats vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.

Artikel 11 - Allgemeine Regelung

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

Artikel 14 Abs. 8 Buchstabe a der Verordnung EG 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung EG 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit lautet:

"Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung "eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit" in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.

Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:

a) im Falle einer Beschäftigung die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt und

b) ...

Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25 % erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird."

Das FA führt in der Beschwerdevorentscheidung richtig aus, dass gemäß Art 11 Abs 3 der Verordnung EG 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die auch die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Hinsicht auf die Gewährung von Familienleistungen regelt, Österreich für die Auszahlung der Familienbeihilfe dann zuständig ist, wenn die Person in Österreich eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt. Maßgebendes Kriterium für die Gewährung von Familienleistungen ist Art 14 Abs 8 Buchstabe a der Verordnung EG 987/2009.

Auch den weiteren Ausführungen des FA in der Beschwerdevorentscheidung ist zu folgen.

Anspruch auf österreichische Familienleistungen besteht grundsätzlich nur für die Dauer einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit im Inland. Unter "Beschäftigung" sind im Inland grundsätzlich alle beschäftigten ASVG-Versicherten (einschließlich freie Dienstnehmer/innen) über der Geringfügigkeitsgrenze (mtl EUR 438,05 im Jahr 2018, mtl EUR 425,70 im Jahr 2017) zu verstehen.

Zu den Beschäftigungen können auch geringfügige Beschäftigungen gehören. Erforderlich ist, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich "als völlig untergeordnet und unwesentlich" darstellen.

Bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dazu sind die Dauer, die Nachhaltigkeit/Qualität und die Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die Höhe des Arbeitsentgeltes, die Anzahl der wöchentlichen Arbeitszeit und die Dauer des Arbeitsvertrages heranzuziehen. Eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von acht Stunden mit entsprechender Entlohnung ist hierbei Grundvoraussetzung.

Die Bf vertritt die Ansicht, durch die im Beschwerdezeitraum bestehende Selbstversicherung habe sie laut Verordnung EG 883/2004 einen Zugriff zum österreichischen Sozialsystem; daraus könne - bei Erfüllung sonstiger Voraussetzungen - der Anspruch auf Familienbeihilfe abgeleitet werden.

Dazu ist auszuführen, dass die Versicherung allein jedenfalls nicht ausreicht, weil eben völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeiten nicht als Beschäftigung im Sinne der Verordnung EG 883/2004 zu werten sind. Bemerkt sei auch, dass - im Gegensatz zur Vorgängerverordnung EWG 1408/71 - die Pflichtversicherung gegen auch nur ein Risiko nicht mehr ausreichend bzw nicht entscheidend ist.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich bereits mehrfach mit Fragen auseinandergesetzt, ob bestimmte Arbeitsverhältnisse, bei welchen es sich nicht um solche mit einer längeren Dauer und einer 40-stündigen Arbeitsverpflichtung handelt, noch geeignet sind, von den Bestimmungen betreffend die Arbeitnehmerfreizügigkeit erfasst zu werden.

Nach dem Raulin, C-357/89, Slg. 1992, I-1027, Randnr 14, kann der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind.

In seiner ständigen Judikatur vertritt der EuGH die Rechtsauffassung, dass der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 45 (ex-Artikel 39 der EGV) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in welchem die Freizügigkeit der Arbeitnehmer festgelegt wurde, nicht eng auszulegen sei. Arbeitnehmer sei jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübe, wobei aber Tätigkeiten außer Betracht blieben, die einen so geringen Umfang hätten, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl auch ).

Da die Bf am Verfahren nur unzureichend mitwirkte und die auf Grund der Aktenlage gegebenen Zweifel nicht beseitigt hat, konnte sie einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) weder dem Grunde noch der Höhe nach glaubhaft machen oder nachweisen.

Sie konnte die Feststellung des FA, dass es sich bei den (bekannt gegebenen) Einkünften, welche weit unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen und auf einer sehr geringen (bekannt gegebenen) Stundenanzahl (7 Stunden in 3 Tagen pro Woche) basieren, um völlig untergeordnete und unwesentliche handelt, nicht widerlegen.

Da somit in Österreich im Streitzeitraum keine Beschäftigung im Sinne der Verordnung EG 883/2004 ausgeübt wurde, besteht kein Anspruch auf Familienleistungen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102446.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at