Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.08.2021, RV/3100559/2013

Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen: Aufgrund nahezu täglicher Rückkehr vom Arbeitsplatz in der Schweiz zum inländ. Wohnsitz wurde im Streitzeitraum (2011-2012) die Monatsfrist des § 82 Abs. 8 KFG laufend durchbrochen, weshalb keine widerrechtliche Verwendung iSd NoVAG und des KfzStG vorliegt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Illmer und Partner Steuerberatungsgesellschaft mbH, Bruggfeldstraße 15, 6500 Landeck, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Landeck Reutte (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Str. Nr. ***BF1StNr1***, betreffend
1. Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum März 2011
und Verspätungszuschlag
2. Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 4 - 12/2011
und Verspätungszuschlag
3. Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1 - 12/2012
und Verspätungszuschlag
zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO insgesamt Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Am wurde von der Zollbehörde (Zollstelle AA/BB) erstmalig beobachtet, dass ***Bf1*** (= Beschwerdeführer, Bf) mit seinem Fahrzeug Marke XX mit dem Schweizer Kennzeichen X123 im Inland fährt und wurde mit ihm eine erste Befragung durchgeführt. Dabei hat der Bf angegeben, dass er in BB/CH bei der Fa. Y seit 1986 beschäftigt sei und dort seinen Hauptwohnsitz, daneben einen Nebenwohnsitz in A-AA-Adr habe, wo er übernachte; Eigentümer sei sein Bruder. Laut Zulassung des auf ihn in der Schweiz unter der Adresse BB-Hotel, angemeldeten Fahrzeuges erfolgte die Erstzulassung am , Tag des Erwerbes , FahrgestellNr. X4567, Leistung 147 Kw.

2. Laut Abfrage im Zentralen Melderegister (ZMR) vom Juni 2012 war der Bf, österreichischer Staatsbürger, seit Geburt (04/1949) an der inländischen Adresse AA-Adr1, mit Hauptwohnsitz gemeldet. Daneben liegt eine Bescheinigung der Gemeinde BB/CH vor, wonach der Bf dort seit 06/1982 einen Wohnsitz hat.

3. Bei einer weiteren Befragung zur Wohnsitzüberprüfung hat der Bf vor dem Finanzamt lt. Niederschrift vom Folgendes angegeben:

Er sei seit Geburt mit Hauptwohnsitz in A-AA sowie in der Schweiz an der Adresse des Dienstgebers BB-Hotel, seit 1982 mit Wohnsitz gemeldet. In der Schweiz arbeite er ganzjährig als Verkäufer im Sportgeschäft im Hotel und habe sonst keine inländischen Einkünfte.
Er übernachte meist am inländischen Wohnsitz, bei dem es sich um das seinem Vater gehörige Elternhaus handle und wo er aufgrund eines Wohnrechtes zwei Kellerräume, gesamt 20 m², bewohne und sich der Großteil seiner Kleidung befinde. Er verbringe hier überwiegend seine Freizeit und übe ua. die Jagd aus. In der Schweiz stehe ihm ein Personalzimmer im Hotel zur Verfügung, das er gelegentlich nutze und wofür ein Betrag von Sfr 350 einbehalten werde. Dorthin werde seine Post zugestellt.
Er sei geschieden, habe keine Kinder und keinen Kontakt zu der in der Schweiz lebenden Ex-Gattin. Seine Freundin lebe in A-Ort2; diese besuche er monatlich ca. 2-3 Mal.
Mit seiner Unterschrift hat der Bf den Wahrheitsgehalt seiner Angaben bestätigt.

4. Im Akt erliegt ein Konvolut an Steuervorschreibungen und Belegen, woraus hervorgeht, dass der Bf in den Jahren 2007, 2010 und 2012 Abgaben in der Schweiz entrichtet hat.

5. Eine nochmmalige ZMR-Abfrage hat ergeben, dass der Bf ab an der inländischen Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet ist.

6. Laut verschiedenen Internet-Abfragen wurden vom Finanzamt noch folgende Fahrzeugdaten erhoben:
Dieselfahrzeug, kombinierter Verbrauch ca. 7,9 l/100 km, CO2-Emission 209 g/km, Neupreis/Listenpreis zwischen brutto € 27.990 - 35.240.

7. Mit Festsetzungs-Bescheiden vom , StrNr, hat das Finanzamt dem Bf für das betr. Fahrzeug XX
a) für den Zeitraum März 2011:
- ausgehend von der Bemessungsgrundlage € 30.000 (geschätzt gem. § 184 BAO) die Normverbrauchsabgabe (NoVA) inkl. Malus und Erhöhung im Betrag von gesamt € 8.126,26 sowie
- gemäß § 135 BAO hievon einen 10%igen Verspätungszuschlag im Betrag von € 812,63,
vorgeschrieben; dies wegen unterbliebener Selbstberechnung der Abgabe bzw. wegen nicht entschuldbarer Unterlassung der Einreichung der Erklärung.
b) für die Monate 4 - 12/2011:
- die Kraftfahrzeugsteuer im Betrag von gesamt € 664,20 sowie
- gemäß § 135 BAO hievon einen 10%igen Verspätungszuschlag im Betrag von € 66,42 und
c) für die Monate 1 - 12/2012:
- die Kraftfahrzeugsteuer im Betrag von gesamt € 885,60 sowie
- gemäß § 135 BAO hievon einen 10%igen Verspätungszuschlag im Betrag von € 88,56
vorgeschrieben, dies jeweils wegen unterbliebener Selbstberechnung der Abgabe.
Allen Bescheiden sind detaillierte Berechnungsblätter beigeschlossen. Begründend führt das Finanzamt unter Darstellung des § 82 Abs. 8 Kraftfahrgesetz (KFG) aus, das Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen, in das Bundesgebiet eingebracht im März 2011, sei vom Bf als Person mit Hauptwohnsitz im Inland widerrechtlich verwendet worden. Für das Fahrzeug sei daher gemäß § 1 Z 3 NoVAG die Normverbrauchsabgabe und gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG die Kraftfahrzeugsteuer vorzuschreiben (im Einzelnen: siehe die Festsetzungsbescheide vom ).

8. In der gegen alle Bescheide rechtzeitig erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde eingewendet:
Der Bf lebe und arbeite seit mehr als 30 Jahren in der Schweiz, habe dort Kontakte und bescheide sich mit dem Personalzimmer als Unterkunft, wo sein Hauptwohnsitz angemeldet sei. In der Schweiz erfolge seine Postzustellung, sei er unbeschränkt steuerpflichtig und entrichte alle Abgaben und auch Versicherungen für das dort zugelassene Fahrzeug. Zusätzlich bestehe das Wohnrecht für die zwei Zimmer im Elternhaus, wozu jedoch keine Hauptwohnsitzmeldung vorliege. Die engeren wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen bestünden sohin zur Schweiz, woran auch gelegentliche Besuche bei den Eltern nichts zu ändern vermögen, sodass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf in der Schweiz liege. Mangels dauerndem Standort des Fahrzeuges in Österreich sei die Einjahresfrist nach § 79 Kraftfahrgesetz (KFG) zu beachten, die allerdings bei jedem Grenzübertritt neu zu laufen beginne; die Standortvermutung nach § 82 Abs. 8 KFG sei hier nicht anwendbar. Ohne Zulassungsverpflichtung sei weder ein Steuertatbestand nach dem NoVAG noch nach dem KfzStG erfüllt und seien alle Bescheide aufzuheben.

9. Im Zuge weiterer Erhebungen des Finanzamtes:
a) wurde vom Zollamt ein Konvolut an Aufzeichnungen zu den Grenzübertritten des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen X123, Zeitraum Jänner 2011 bis Mai 2013, übermittelt und mitgeteilt, dass es sich dabei ausschließlich um Einreisedaten (Einreise nach Österreich) handelt. Daraus geht hervor, dass das Fahrzeug nahezu täglich, überwiegend ab 19 Uhr und teils zwischen 17 - 19 Uhr, die Grenze von BB nach Österreich passiert hat. Zu den Monaten Feber und Mai 2012 wurden keine Daten übermittelt, wozu vom Zollamt mitgeteilt wurde, dass aufgrund technischer Probleme auch längere Zeiträume ohne Aufzeichnungen vorhanden wären;
b) wurden die Öffnungszeiten der Fa. Y/BB im Internet abgefragt:
Wintersaison täglich 8.00 - 19.00 Uhr; Sommersaison: MO - SA 9.00 - 19.00 Uhr, SO 13.00 - 19.00 Uhr;
c) wurde anhand einer Google-Abfrage/Routenplaner die Entfernung zwischen A-AA und CH-BB mit 7,5 Km, Fahrtzeit ca. 12 Minuten, erhoben, wobei die Entfernung vom inländischen Wohnsitz bis zur Schweizer-Grenze rund 2 Km beträgt.

10. Mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom wurde die Berufung gegen alle angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensablaufes, des festgestellten Sachverhaltes, der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Rechtsprechung zur Frage des Hauptwohnsitzes bzw. "Mittelpunktes der Lebensinteressen" einer Person bei mehreren Wohnsitzen, kommt das Finanzamt in seiner Begründung im Wesentlichen zum Ergebnis, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf aufgrund der maßgebenden engeren persönlichen Beziehungen (Eltern und Bruder sowie Freundin in Österreich; nicht nur gelegentliche Nutzung der Wohnräume im Elternhaus in AA) in Österreich gelegen sei.
Zu den vorliegenden Fahrzeug-Einreisedaten führt das Finanzamt ua. aus:
In Verbindung mit den Geschäfts-Öffnungszeiten sei darauf zu schließen, dass der Bf nach Dienstende nach Österreich einreise; es finde eine fast tägliche Rückkehr nach Österreich statt, wo der Bf nach eigenen Aussagen überwiegend nächtige
(zur Begründung im Einzelnen: siehe abweisende BVE vom ).

11. Im Vorlageantrag vom wurde das bisherige Berufungsvorbringen - was die Normverbrauchsabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer samt Verspätungszuschlägen anbelangt - zur Gänze wiederholt.

12. Nach erfolgter Vorlage wurde ua. in einer Ergänzung zum Vorlageantrag auf die mittlerweile ergangene VwGH-Judikatur zur Durchbrechung der Monatsfrist iSd § 82 Abs. 8 KFG bei Grenzübertritten samt diesbezüglichen Feststellungen des Finanzamtes in der BVE anhand der Einreisedaten des Fahrzeuges verwiesen. Dazu wurden verschiedene Unterlagen (ua. hg. Erkenntnisse) beigebracht.

II. Sachverhalt:

Der Bf, geb. 1949, österreichischer Staatsbürger, ist seit Geburt bis Jänner 2013 mit Hauptwohnsitz in Österreich, AA-Adr1, sowie daneben in der Schweiz seit 1982 an der Adresse des BB-Hotel mit Wohnsitz gemeldet (ZMR-Abfragen; Wohnsitzbescheinigung Gemeinde BB), wo er im Sportgeschäft Fa. Y ganzjährig arbeitet und ihm eine Personalunterkunft zur Verfügung steht (eigene Angaben ua. lt. Niederschrift v. ). Der Bf ist aufgrund dieser Tätigkeit in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig und bezieht keine inländischen Einkünfte (eigene Angaben; vorgelegte schweizer. Steuervorschreibungen und Zahlungsbelege).

Der Bf ist geschieden, hat keine Kinder und keinen Kontakt zu der in der Schweiz lebenden Ex-Gattin. In A-AA leben die Eltern und der Bruder; seine Freundin ist in A-Ort2 wohnhaft, die er monatlich 2-3mal besucht.
Der Bf nächtigt zumeist am inländischen Wohnsitz, bei dem es sich um das seinem Vater gehörige Elternhaus handelt und wo er aufgrund eines Wohnrechtes zwei Kellerräume, gesamt 20 m², bewohnt und sich der Großteil seiner Kleidung befindet. Er verbringt hier auch überwiegend seine Freizeit und übt ua. die Jagd aus (eigene Angaben lt. Niederschrift v. ).
Die Entfernung zwischen beiden gemeldeten Wohnsitzen bzw. zum Arbeitsplatz in CH-BB beträgt ca. 7,5 Km mit einer Fahrtdauer von rund 12 Minuten, wobei der inländische Wohnsitz von der schweizerischen Grenze rund 2 Km entfernt ist (Google-maps).

Das Fahrzeug der Marke XX, FahrgestellNr. X4567, Erstzulassung am , wurde vom Bf gebraucht am erworben und auf ihn in der Schweiz unter dem Kennzeichen X123 zugelassen (Schweizer-Zulassungsbescheinigung).
Laut vorliegenden Aufzeichnungen/Einreisedaten der Zollbehörde hat das Fahrzeug im Zeitraum Jänner 2011 bis Mai 2013 nahezu täglich, überwiegend ab 19 Uhr, die Grenze von CH-BB nach Österreich passiert. Hinsichtlich der Monate Feber und Mai 2012 konnten aufgrund technischer Probleme keine Daten übermittelt werden (e-mail der Zollbehörde v. ).
Das Sportgeschäft Fa. Y/BB hat täglich bis 19:00 Uhr geöffnet (Internet-Abfrage).

III. Beweiswürdigung:

Obige Sachverhaltsfeststellungen konnten aufgrund des Akteninhaltes, konkret aufgrund der obangeführten Unterlagen, der durchgeführten Erhebungen und insbesondere anhand der eigenen Angaben des Bf getroffen werden und sind insoweit auch völlig unstrittig.

IV. Rechtslage:

Gemäß § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht (BFG) als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

A) Normverbrauchsabgabe:

Gemäß § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz 1991 (NoVAG), BGBL 1991/695 idF BGBl. I 2010/111, unterlag im hier gegenständlichen Zeitraum der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 oder Z 2 eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Zulassung eines Fahrzeuges, das bereits im Inland zugelassen war, aber nicht der Normverbrauchsabgabe unterlag oder befreit war sowie die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

Abgabenschuldner im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem KFG zuzulassen wäre (§ 1 Z 3) sind der Zulassungsbesitzer und der Verwender des Fahrzeuges als Gesamtschuldner (gem. § 4 Z 3 NoVAG).

Die Steuerschuld entsteht diesfalls mit dem Zeitpunkt der Einbringung des Fahrzeuges in das Inland (§ 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG).

B) Kraftfahrzeugsteuer:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG), BGBl 1992/449 idgF., unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer:
Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).

Steuerschuldner ist die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet (§ 3 Z 2 KfzStG, "in allen anderen Fällen").

Die Steuerpflicht dauert bei widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeuges (§ 1 Abs. 1 Z 3) vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetzt, und dauert bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verwendung endet (§ 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992).

C) Kraftfahrgesetz:

Die hier jeweils zum Tragen kommenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KFG) 1967, BGBl 267/1967 idgF., haben folgenden Inhalt:

Gemäß § 36 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 KFG 1967 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr [Anm.: im Inland] zugelassen sind (§§ 37 bis 39).

Gemäß § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 KFG 1967eingehalten werden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 idgF. sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland anzusehen (= Standortvermutung). Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monates ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren öffentlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

Mit dem Erkenntnis 2011/16/0221, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Einbringung in das Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 8 KFG der Einbringung gemäß § 79 KFG 1967 entspricht, sodass die Monatsfrist bis zur erforderlichen inländischen Zulassung mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet neu zu laufen beginnt. Diese Rechtsprechung bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis .

Nach Ergehen des Erkenntnisses des , erfolgte mit BGBl I 2014/26 eine am kundgemachte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967, wonach eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet die Monatsfrist nicht unterbricht. Gemäß § 135 Abs. 27 KFG 1967 idF BGBl I 2014/26 trat § 82 Abs. 8 in dieser Fassung mit (rückwirkend) in Kraft.
Diese Rückwirkungsanordnung wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 72/2014, als verfassungswidrig aufgehoben.
Damit ist die mit BGBl I 2014/26 erfolgte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 erst am in Kraft getreten. Der durch das BGBl I 2014/26 in diese Bestimmung eingefügte Satz "Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht" ist daher erst auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem verwirklicht wurden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis geltenden Fassung beginnt somit in Fällen, in denen ein Fahrzeug regelmäßig monatlich in das Ausland bzw. übrige Gemeinschaftsgebiet ausgebracht wird, die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen und es entsteht keine Zulassungsverpflichtung im Inland. Solche Fahrzeuge "wären somit nicht zuzulassen" im Sinne des NoVAG 1991 bzw. werden nicht "ohne die erforderliche (inländische) Zulassung" im Sinne des KfzStG 1992 im Inland verwendet. In derartigen Fällen liegt somit keine widerrechtliche Verwendung vor, an die die Steuerpflicht nach dem NoVAG 1991 und nach dem KfzStG 1992 anknüpft.
Es kann diesfalls dahingestellt bleiben, wer zB der Verwender des Fahrzeuges ist und wo sich der Standort des Fahrzeuges befindet; in derartigen Fällen kann auch nicht § 79 KFG 1967 greifen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Verwenders bzw. dessen Sitz oder eine mögliche Widerlegung einer Standortvermutung sind demgemäß ohne Belang.

D) Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.

Der Verspätungszuschlag ist formell akzessorisch (vgl. ); er ist hinsichtlich seiner Bemessungsgrundlage an die bescheidmäßige Festsetzung der Stammabgabe gebunden.

V. Erwägungen:

1. Dauernder Standort, widerrechtliche Verwendung:

Hat ein Fahrzeug seinen dauernden Standort in Österreich, was nach § 82 Abs. 8 KFG bei Verwendung durch eine Person mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland - unabhängig von einem weiteren Wohnsitz im Ausland - grundsätzlich (Standortvermutung) anzunehmen ist, so ist die Verwendung ohne inländische Zulassung nur für die Dauer von einem Monat nach Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Der "ordentliche Wohnsitz" einer Person ist an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen.
Bei mehreren Wohnsitzen vereinigt jeweils einer die stärksten persönlichen Beziehungen auf sich; demnach gibt es nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse (). Dies trifft im Normalfall für den Familienwohnsitz zu.

Selbst dann, wenn wie im Gegenstandsfall in der Schweiz ein weiterer Wohnsitz vorhanden und angemeldet ist, ist in Anbetracht der geltenden Judikatur und Literatur bei Vorliegen von mehreren Wohnsitzen nur einer hievon als "Mittelpunkt der Lebensinteressen" anzusehen. Dabei ist im Rahmen einer objektiven Betrachtung auf den "faktischen Lebensmittelpunkt" bezogen primär auf die engsten persönlichen Verhältnisse - regelmäßig auf den Familienwohnsitz - abzustellen. Dieser wäre nach Ansicht des BFG grundsätzlich dort zu sehen, wo eine Person mit eigener Familie, also mit Ehepartner oder Lebensgefährten und ev. gemeinsamen Kindern als den nächsten Familienangehörigen, zu dem oder denen wohl die engsten persönlichen Verhältnisse bestehen, zusammen lebt.

Der Bf ist geschieden, hat keine Kinder und pflegt keinerlei Kontakt zu der in Schweiz ansässigen geschiedenen Gattin, sodass zwar kein "Familienwohnsitz" in engerem Sinne gegeben sein kann. Allerdings steht nach eigenen Angaben fest, dass sich seine nächsten Verwandten, nämlich Eltern und Bruder, in AA in Österreich aufhalten, wo der Bf auch überwiegend am gemeldeten Hauptwohnsitz im Elternhaus nächtigt und er seine Freizeit (ua. mit Ausübung der Jagd) verbringt. Zudem lebt seine Freundin in Ort2 in Österreich, die er regelmäßig 2 - 3Mal im Monat besucht. Im Hinblick auf diese maßgebenden engeren persönlichen Beziehungen am inländischen Wohnsitz, woraus die Annahme des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Inland resultiert, sowie der erwiesenen und völlig unstrittigen Verwendung des Fahrzeuges im Inland wären sohin sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen nach § 82 Abs. 8 KFG erfüllt und läge demnach vorderhand eine "widerrechtliche Verwendung" des Fahrzeuges iSd § 1 Z 3 NoVAG bzw. nach § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG vor.

2. Unterbrechung der Monatsfrist:

Bei Einbringung der Berufung/Beschwerde im April 2013 war nach herrschender Rechtsansicht zwecks Beurteilung, ob eine widerrechtliche Verwendung eines Fahrzeuges vorliege, primär maßgebend auf den "Mittelpunkt der Lebensinteressen" abzustellen und war dieser vom Finanzamt - wie oben dargestellt - zu Recht am Wohnsitz im Inland angenommen worden, weshalb vom dauernden Standort des Fahrzeuges im Inland ("Standortvermutung") auszugehen war.

Allerdings gilt im Gegenstandsfall bei den in Streit gezogenen Festsetzungszeiträumen März 2011 (NoVA) bzw. 4 - 12/2011 und 1 - 12/2012 (Kraftfahrzeugsteuer) zu beachten, dass nach der laut Obigem bis geltenden Fassung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 die Monatsfrist bei regelmäßiger monatlicher Verbringung des Fahrzeuges ins Ausland immer wieder neu zu laufen beginnt.

Gegenständlich ist an Sachverhalt zunächst nicht zu übersehen, dass nach der geographischen Lage des inländischen Wohnsitzes die Entfernung bis zur schweizerischen Grenze lediglich ca. 2 Km bzw. bis zum Arbeitsplatz des Bf in BB nur ca. 7,5 Km beträgt. Hinzu kommt insbesondere, dass der Bf seit mehr als 30 Jahren dort in einem Sportgeschäft berufstätig war und - übereinstimmend mit den Geschäfts-Öffnungszeiten - jedenfalls in gegenständlich strittigen Zeiträumen nachweislich (lt. Einreisedaten der Zollbehörde) nahezu täglich abends vom Arbeitsort nach Österreich zurückgekehrt ist. Die längeren zeitlichen Lücken in den Aufzeichnungsdaten (Feber und Mai 2012) sind lt. Mitteilung der Zollbehörde auf diesbezüglich technische Probleme zurückzuführen. Insgesamt muss also nach dem Dafürhalten des BFG davon ausgegangen werden, dass im zu betrachtenden Zeitraum eine zumindest einmalige, tatsächlich wohl vielfache monatliche Verbringung des Fahrzeuges in das Ausland (in die Schweiz) und damit jeweils ein Grenzübertritt stattgefunden hat.

Aufgrund der monatlichen Verbringung des Fahrzeuges in das Ausland, die nach oben dargestellter höchstgerichtlicher Judikatur (insbesondere ) letztlich entscheidungswesentlich ist, hatte aber die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen begonnen und ist damit gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis geltenden Fassung keine Zulassungsverpflichtung im Inland entstanden.
Aus diesem Grund wäre das Fahrzeug daran anknüpfend auch weder im Sinne des NoVAG noch des KfzStG "zuzulassen" gewesen, diesfalls der Tatbestand der widerrechtlichen Verwendung gemäß § 1 Z 3 NoVAG bzw. gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG jeweils nicht verwirklicht wurde.

3. Verspätungszuschlag:

Aufgrund des formell akzessorischen Charakters des Verspätungszuschlages ist dieser an die bescheidmäßige Festsetzung einer Stammabgabe gebunden.
Mangels Verwirklichung sowohl eines NoVA-pflichtigen wie auch eines KfzSteuer-pflichtigenTatbestandes hatte weder eine Selbstberechnung noch eine bescheidmäßige Festsetzung dieser beiden Abgaben zu erfolgen, folglich keine der gemäß § 135 BAO erforderlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Verspätungszuschlages vorliegt und einer solchen jede Grundlage entzogen ist.

VI. Ergebnis:

Aufgrund des Nichtvorliegens der Steuerpflicht war der Bf nicht zur Selbstberechnung der gegenständlichen Abgaben, Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer, verpflichtet. Die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für März 2011 und der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 4 - 12/2011 und 1 - 12/2012 durch die Behörde nach § 201 BAO war demzufolge unzulässig.
Für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages fehlte damit ebenso jegliche Grundlage.

In Anbetracht der Sach- und Rechtslage war daher der Beschwerde insgesamt Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Maßgeblich war die im Einzelfall relevante Würdigung des Parteienvorbringens und der durchgeführten Erhebungen zum Sachverhalt, dh. die Klärung von Tatfragen. Zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage besteht die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (; ). Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 79 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100559.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at