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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.10.2019, RV/7100343/2016

Schätzung wegen Unterdeckung der Lebenshaltungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache Bf., [Adresse], vertreten durch H&L Barghouty SteuerberatungsgmbH, Rotenlöwengasse 19/2/16, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2010 bis 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin betrieb von 2005 bis 2013 das Einzelunternehmen "[EU]", welches sowohl mit Autoradios handelte als auch deren Einbau und etwaige Beratung übernahm.

Im Rahmen einer die Jahre 2010 bis 2012 umfassenden abgabenbehördlichen Außenprüfung betreffend Umsatz- und Einkommensteuer wurden folgende Feststellungen getroffen:

  • Laut ihrer Aussage habe die Beschwerdeführerin kein Wareneingangsbuch oder sonstige Aufzeichnungen über den Wareneingang geführt. Damit hätten keinerlei schriftliche Aufzeichnungen im Sinne des § 127 BAO über die Wareneingänge vorgelegt werden können.

  • Die Produktanfragen der Kunden seien telefonisch oder persönlich im Shop erfolgt, und die Produkte anschließend von der Beschwerdeführerin telefonisch bei den verschiedensten Lieferanten bestellt worden. Laut ihren Angaben würden die Namen der Kunden, die Adressen der Kunden, das zu bestellende Produkt, das Datum der Bestellung beim Lieferanten, Gesprächspartner beim Lieferanten, Lieferzeiten, usw. nicht aufgezeichnet. Die Beschwerdeführerin behaupte, sämtliche Daten ohne irgendwelche Notizen "im Kopf zu haben" (auch Bestellungen, die der Sohn entgegen nehme).

  • Laut Aussage der Beschwerdeführerin sei der Warenverkauf ausschließlich gegen prompte Bezahlung (bar oder Bankkonto) und nicht auf Ziel erfolgt. Aufzeichnungen über unbare Zahler seien nicht vorgelegt worden, da die Beschwerdeführerin ihren Angaben zufolge "das alles wisse".

  • Laut Einnahmen-Ausgabenrechnung der Jahre 2010 und 2011 sei der Wareneinkauf höherer als der Warenverkauf gewesen. Da keinerlei Wareneingangsaufzeichnungen vorgelegt worden seien, und die Beschwerdeführerin zudem behaupte, dass Waren erst nach Kundenbeauftragung bestellt würden, könne durch die Beschwerdeführerin auch nicht nachgewiesen werden, ob, wann, an wen, zu welchem Preis die eingekauften Waren verkauft worden seien.

  • Von der Beschwerdeführerin seien auch Löhne an den im Unternehmen beschäftigten Sohn als Ausgaben geltend gemacht worden. Es hätten jedoch keine Auszahlungsbelege vorgelegt werden können. Im Zuge der Besprechung mit der Beschwerdeführerin und ihrem steuerlichen Vertreter sei im Zusammenhang mit einer Geldflussrechnung argumentiert worden, dass dem Sohn dieser Lohn nicht ausbezahlt worden sei, und somit der Beschwerdeführerin mehr für ihren Lebensunterhalt bleibe.

  • Für die Jahre 2011 und 2012 sei kein Anlagenverzeichnis vorgelegt worden.

  • Das Unternehmen sei 2013 an den Sohn, der seit Bestehen des Unternehmens im Betrieb angestellt gewesen sei, verkauft worden.

  • Bei der Überprüfung der vergebenen Ausgangsrechnungen sei festgestellt worden, dass unter Einhaltung einer fortlaufenden Rechnungsnummerierung sowohl 2010 als auch 2011 mehrere Ausgangsrechnungen fehlen würden. Dazu habe die Beschwerdeführerin lediglich angegeben, dass alle Ausgangsrechnungen ja schon vorab bezahlt würden und somit in den Einnahmen enthalten seien. Einen Nachweis dafür habe sie nicht erbringen können.

  • Für den Prüfungszeitraum sei eine Geldflussrechnung durchgeführt worden. Dabei habe sich für alle Prüfungsjahre eine Unterdeckung der Lebenshaltung ergeben. Den Angaben der Beschwerdeführerin zufolge seien ihre Lebenshaltungskosten (Miete, Strom, Telefon, Lebensmittel, Drogerieartikel, Fahrtkosten, usw.) von ihrem Exmann getragen worden. Der nachgewiesene "finanzielle Zuschuss" des Exmannes reiche aber auf keinen Fall aus, um die gesamten Lebenshaltungskosten zu decken.

  • Die Beschwerdeführerin bilde mit ihrem Sohn einen gemeinsamen Familienhaushalt. Im Rahmen einer Besprechung habe sie angegeben, ihrem Sohn € 500 pro Monat für seine eigenen Ausgaben zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus habe sie beantragt, offene Bankverbindlichkeiten i.H.v. € 10.000 im Rahmen der Geldflussrechnung zu berücksichtigen. Dazu werde durch die Außenprüfung festgestellt, dass die Beschwerdeführerin jene Konten, welche berücksichtigt werden sollten, nicht vollständig bzw. gar nicht vorgelegt habe. Somit hätten die Entstehung der Bankverbindlichkeiten und die sich daraus ergebenden zur Verfügung stehenden Mittel nicht festgestellt und damit im Rahmen der Geldflussrechnung auch nicht berücksichtigt werden können.

  • In Anlehnung an Konsumerhebungen der Statistik Austria für einen Einpersonenhaushalt würden die monatlichen Lebenshaltungskosten mit € 2.000 geschätzt.

  • Es ergäbe sich unter Berücksichtigung des erklärten Verlustes und sämtlicher zu berücksichtigender Einnahmen und Ausgaben eine Unterdeckung der Lebenshaltungskosten von € 53.942,67 im Jahr 2010, € 49.231 im Jahr 2011 und € 31.744,91 im Jahr 2012. Aus diesem Grund seien im Jahr 2010 € 54.000, 2011 € 49.000 und 2012 € 32.000 den Umsätzen hinzu zu schätzen. Gleichzeitig seien die Gewinne der einzelnen Jahre um die Umsatzhinzurechnungen und den nicht anerkannten Personalaufwand zu erhöhen.

Das Finanzamt erließ in der Folge nach Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren neue Umsatz-und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010-2013 und folgte in diesen den Feststellungen der Außenprüfung.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde brachte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin - nachdem er sich zunächst über die Vorgangsweise der Prüferin beschwerte - vor, die Beschwerdeführerin, die ihre Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 vornehme, sei nicht verpflichtet ein Kassabuch zu führen oder Inventuren zu erstellen.

Die Schätzung der Lebenshaltungskosten mit € 2.000 im Monat sei überhöht, weil das bedeuten würde, dass ein Singlehaushalt nur mit einem Bruttolohn von € 3.000 pro Monat geführt werden könne.

Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass alle Wohnkosten von ihrem Exmann bestritten würden, sie selbst äußerst bescheiden lebe, über kein Kfz verfüge und auch nicht auf Urlaub fahre.

Die Nichtanerkennung des Lohnaufwandes für den Sohn der Beschwerdeführerin sei gänzlich abzulehnen.

Erstens seien die Bruttolöhne nicht anerkannt worden, obwohl nur der Nettolohn zur Diskussion stehe, weil die Lohnabgaben sehr wohl entrichtet worden seien.

Es sei darüber hinaus eine völlig bösartige Unterstellung, dass kein Lohnzufluss an den Sohn der Beschwerdeführerin erfolgt und deshalb der Lohnaufwand nicht anzuerkennen sei. Natürlich sei der Nettolohn monatlich geflossen. Die Beschwerdeführerin habe lediglich ausgesagt, dass ihr Sohn sie mit der Differenz von seinem Lohn und seinen tatsächlichen Kosten (etwa € 500 monatlich) unterstütze. Es handle sich dabei um eine Mittelverwendung auf Seiten des Sohnes. Es sei nicht zulässig, den Sachverhalt derart umzudrehen, dass der Sohn nur € 500 monatlich an Lohn erhalten hätte. Selbst dieser Betrag sei aber nicht als Lohnaufwand anerkannt worden.

Allfällige Kalkulationsdifferenzen im Prüfungszeitraum könne sich die Beschwerdeführerin auch nicht erklären. Dies könne auch aus Lagerbestände resultieren, die ja bei einem Einnahmen-Ausgabenrechner nicht zu berücksichtigen seien.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Buchführung ordnungsgemäß erfolgt sei und die Lebenshaltungskosten großteils von privater, dritter Seite finanziert worden seien. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe immer seinen vollen Nettolohn erhalten; er habe jedoch seine Mutter ebenfalls finanziell unterstützt. Die Schätzung von Lebenshaltungskosten für eine Einzelperson mit € 2.000 pro Monat sei jedenfalls überhöht.

Es werde daher die Aufhebung der Bescheide beantragt, da die Schätzung willkürlich, teils fehlerhaft gewesen sei, und jede Rechtsgrundlage dafür fehle.

In ihrer Stellungnahme zur Beschwerde verwahrte sich die Prüferin gegen die persönlichen Angriffe gegen ihre Person und führte in der Sache aus, dass die Kürzung der Betriebsausgaben um den Lohnaufwand zwar durchaus berechtigt sei, aber - wie vom steuerlichen Vertreter ausgeführt - nur der Nettoaufwand in Abzug gebracht werden dürfe.

Des weiteren wurden zusammenfassend jene Feststellungen betreffend die nicht ordnungsgemäße Führung der Buchhaltung dargestellt, aufgrund derer sich eine Schätzungsberechtigung ergebe.

Hinsichtlich der von der Außenprüfung festgestellten Unterdeckung der Lebenshaltungskosten wurde dargelegt, dass die behauptete Finanzierung des Haushaltes der Beschwerdeführerin durch ihren Exmann in keiner Weise belegt worden sei. Da die Beschwerdeführerin auch keine weiteren Angaben zur Höhe der tatsächlich angefallenen Ausgaben gemacht habe, sei die Außenprüferin gezwungen gewesen, auf statistische Werte zurückzugreifen. Aus diesem Grund seien die monatlichen Ausgaben in Anlehnung an die Konsumerhebungen der Statistik Austria i.H.v. € 2.000 monatlich geschätzt worden.

Im Zuge der Besprechung mit der Beschwerdeführerin und ihrem steuerlichen Vertreter sei von dieser glaubhaft versichert worden, dass ihr Sohn keinen Beitrag zur Lebensführung leisten müsse. Daher sei von der Finanzierung eines Einpersonenhaushaltes ausgegangen worden.

Festzuhalten sei auch, dass die festgestellten Kalkulationsdifferenzen bislang nicht hätten aufgeklärt werden können. Da die Beschwerdeführerin behauptet habe, keine Grundaufzeichnungen über Kunden, Lieferanten, Bestelldaten, Gesprächspartner, Zahlungsmodalitäten, usw. geführt zu haben, Waren nur bei Kundenbeauftragung bestellt zu haben und nur "Verbrauchsmaterial" bzw. Anschauungsobjekte im Geschäftslokal gelagert zu haben, sei davon ausgegangen worden, dass sämtliche eingekaufte Waren auch verkauft worden seien.

In der Folge übermittelte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin Unterlagen, die bestätigten, dass ihr Exmann seit Jahren alle Kosten der Mietwohnung trage. Laut Statistik Austria würden diese Kosten einen Anteil von 27,4 % der gesamten Haushaltskosten darstellen. Kfz-Kosten würden weitere 10,8% ausmachen. Wenn man also von angenommenen € 1.930 an Haushaltsausgaben 38,2 % abziehe, verblieben laut Statistik Austria € 1.192,74 an Haushaltsausgaben. Die Schätzung der Lebenshaltungskosten durch die Außenprüfung sei daher unzutreffend.

Betreffend den Lohnaufwand für den im Unternehmen arbeitenden Sohn der Beschwerdeführerin werde eingewandt, dass dafür keine Belege vorgelegt werden müssten und die Glaubhaftmachung genüge. Da nach Meinung der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin der Lohnaufwand glaubhaft gemacht worden sei, sei dies auch anzuerkennen. Dass der Sohn seine Mutter unterstütze, indem er ihr seinen Lohn zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten zuwende, sei nicht abwegig, da beide einen gemeinsamen Haushalt führten.

Zum Fehlen eines Wareneingangsbuchs werde ausgeführt, die Belegsammlung des gesamten Prüfungszeitraums sei nicht sehr umfangreich. Es wäre der Prüferin daher zumutbar gewesen, die Wareneinkäufe aufgrund der vorgelegten Unterlagen festzustellen. Ein Wareneingangsbuch hätte an diesem Sachverhalt nichts geändert. Daraus könne keine Schätzungsbefugnis abgeleitet werden, zumal die Verpflichtung zur Führung eines Wareneingangsbuches ohnedies seit Jahren strittig sei.

Hinsichtlich des Fehlens von Ausgangsrechnungen sei festzuhalten, dass keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, dass Ausgangsrechnungen fehlten, sondern nur, dass die Nummerierung nicht fortlaufend sei. Eine nicht fortlaufende Nummerierung bedeute nicht automatisch das Fehlen einer Rechnung. Die Prüferin habe auch nicht mitgeteilt, welchen Nummern angeblich fehlten. Vielleicht seien diese nur verreiht oder anderswo abgelegt worden. Daraus könne keine Schätzungsbefugnis abgeleitet werden.

Hinsichtlich des fehlenden Anlagenverzeichnisses werde festgehalten, dass in den Prüfungsjahren keine Absetzung für Abnutzung geltend gemacht worden sei. Diese könne nur amtswegig nacherfasst werden, was aber zu keinen Hinzuschätzung führen könne. Es werde daher die Berücksichtigung einer Absetzung für Abnutzung des Pkw Twingo in Höhe von € 662,50 in den Jahren 2011 und 2012 beantragt. Diesbezüglich sei kein Privatanteil auszuscheiden, weil der Pkw als "Showfahrzeug" im Verkaufsraum stehe.

Eine seriöse Kalkulation hätte wegen des Fehlens von Inventurwerten, von Forderungen und Verbindlichkeiten nur mit dem Aufgabestichtag und unter Berücksichtigung des Verkaufserlöses i.H.v. € 20.000 netto durchgeführt werden können.

Der Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidungen vom teilweise Folge gegeben. Begründend wurde nach Wiedergabe der Beschwerdepunkte, jener gesetzlichen Bestimmungen, die zu berücksichtigen seien, und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, die Abgabenbehörde gehe - bedingt durch das Sanierungsverfahren des Sohnes der Beschwerdeführerin - davon aus, dass der geltend gemachte Lohnaufwand für den Sohn der Beschwerdeführerin auch tatsächlich bezahlt worden sei, da ansonsten das Abschöpfungsverfahren fruchtlos geblieben wäre. Es erscheine der Abgabenbehörde auch schlüssig, dass ein Teil des zur freien Verfügung stehenden Betrages der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt worden sei, um einen Teil der Kosten des gemeinsamen Haushaltes zu tragen. Die nunmehr beantragte zusätzliche Berücksichtigung einer Absetzung für Abnutzung des Kfz werde ebenfalls in der nun geänderten Geldfluss-Rechnung einberechnet. Lebenshaltungskosten i.H.v. € 2.000 monatlich unter Berücksichtigung der Kostenzuschüsse durch den Sohn und den Exmann der Beschwerdeführerin erschienen ebenfalls als realistisch. Es hätte aber der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden können, dass alle Kosten im strittigen Zeitraum von ihrem Exmann getragen worden seien. Die nachgereichten Belege hätten nur einen Zeitraum abgebildet, der nach dem Prüfungszeitraum gelegen sei, weshalb deren Beweiskraft nur als sehr eingeschränkt eingestuft werden könne. Es seien deshalb nur die belegten Zuschüsse in die Geldfluss-Rechnung aufgenommen worden.

Die dazu angestellte Berechnung ergab eine Hinzurechnung zu den Umsätzen i.H.v. € 55.452,67 im Jahr 2010, € 48.095,35 im Jahr 2011 und € 31.744,91 im Jahr 2012.

Bei der Gewinnermittlung wurden neben den angeführten Umsatzhinzurechnungen bei den Betriebseinnahmen der Lohnaufwand für den Sohn der Beschwerdeführerin und die zusätzliche Absetzung für Abnutzung bei den Betriebsausgaben berücksichtigt.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag bemängelte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin, dass von der Abgabenbehörde weiterhin von monatlichen Lebenshaltungskosten i.H.v. € 2.000 ausgegangen werde und an der gänzlichen Übernahme der Lebenshaltungskosten durch den Exmann der Beschwerdeführerin gezweifelt werde.

Im Sommer 2013 sei die Beschwerdeführerin in Pension gegangen und erhalte nur noch eine monatliche Nettopension von € 1.100. Sie sei seit damals nicht mehr selbstständig tätig. Es sei daher nach der von der Abgabenbehörde vorgenommenen Schätzung nicht zu erklären, wie die Beschwerdeführerin nunmehr über die Runden kommen solle. Die Abgabenbehörde müsse daher entweder mit der Annahme, die Lebenshaltungskosten betrügen € 2.000, oder mit Ihrem Zweifel an der finanziellen Unterstützung durch den Exmann falsch liegen.

Nachdem die Abgabenbehörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt hatte, wurde den Parteien mit Beschluss vom aufgetragen zu nachfolgenden Ausführungen Stellung zu nehmen und ihre Äußerungen durch geeignete Unterlagen zu belegen:

Es werde davon ausgegangen, dass mit Hinzurechnungen zu den von der Beschwerdeführerin erklärten Umsätzen und Gewinnen bzw. Verlusten aus Gewerbebetrieb in nachfolgend angeführter Höhe einer den tatsächlich erzielten Umsätzen und Gewinnen bzw. Verlusten möglichst nahekommenden Schätzung entsprochen werde:


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Jahr
2010
2011
2012
Hinzurechnung
45.200 EUR
37.900 EUR
21.700 EUR

Sollte innerhalb der genannten Frist keine Stellungnahme abgegeben werden, so werde davon ausgegangen, dass gegen die Schätzung keine Einwände bestünden.

Begründend wurde dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin bemängle an der von der Außenprüfung durchgeführten und im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung geänderten Schätzung, dass ihre Lebenshaltungskosten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ihr geschiedener Ehemann für sämtliche Wohnungskosten aufgekommen sei, zu hoch bemessen seien. Den Ausführungen sei zu entnehmen, dass in etwa 1.100 EUR im Monat angemessen wären.

Unter Berücksichtigung dieser Einwendungen, die durch eine Bestätigung des geschiedenen Ehemannes hinsichtlich der Tragung der Wohnungskosten belegt würden, ergebe sich folgende Berechnung der von der Außenprüfung festgestellten Unterdeckung der Lebenshaltungskosten und daraus resultierend die oben angeführte Hinzuschätzung (alle Beträge in EUR):


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Jahr
2010
2011
2012
Unterdeckung lt. BVE
55.452,67
48.095,35
31.744,91
Lohnsteuer lt. LZ
+561,19
+616,04
+760,39
LHK lt. BVE
-24.000,00
-24.000,00
-24.000,00
LHK lt. BFG
+13.200,00
+13.200,00
+13.200,00
Unterdeckung
-45.213,86
-37.911,39
-21.705,30
Hinzurechnung
45.200,00
37.900,00
21.700,00

Die Aufforderung an die Parteien, hierzu Stellung zu nehmen, blieb unbeantwortet.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin betrieb von 2005 bis zur Übergabe des Unternehmens an ihren Sohn im Jahr 2013 ein Einzelunternehmen, das sich mit dem Verkauf von Autoradios und deren Einbau befasste.

Von der Beschwerdeführerin konnten keine die Jahre 2010 bis 2012 betreffenden Aufzeichnungen über den Wareneingang sowie die Verkäufe vorgelegt werden. Eine Schätzung der Lebenshaltungskosten ergibt, dass diese nicht durch die von der Beschwerdeführerin erklärten Einkünfte gedeckt werden konnten. Gegen die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Bundesfinanzgericht aufgestellte Vermögensdeckungsrechnung wurden von den Parteien keine Einwände vorgebracht.

Eine im Hinblick auf die bezogenen Pensionszahlungen und im Rahmen der Anstellung in einer Boutique lukrierten Zahlungen zu korrigierende Vermögensdeckungsrechnung führt zu folgendem Ergebnis:


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Jahr
2010
2011
2012
Unterdeckung lt. BVE
-€ 55.452,67
-€ 48.095,35
-€ 31.744,91
Korrektur Pension
€ 1.687,05
€ 1.654,22
€ 1.528,01
Sonstige Bezüge Boutique
€ 100,64
€ 102,66
€ 84,08
Lebenshaltungskosten lt. BVE
€ 24.000,00
€ 24.000,00
€ 24.000,00
geschätzte Lebenshaltungskosten
-€ 13.200,00
-€ 13.200,00
-€ 13.200,00
ergibt Unterdeckung
-€ 42.864,98
-€ 35.538,47
-€ 19.332,82
Hinzurechnung
€ 42.900,00
€ 35.500,00
€ 19.300,00

Im Hinblick auf die oben errechnete Unterdeckung der Lebenshaltungskosten wird davon ausgegangen, dass in den Jahren 2010 bis 2012 Bruttoeinnahmen im oben dargestellten Ausmaß nicht erklärt wurden, und dementsprechend diese Beträge dem erklärten Gewinn sowie der diesem entsprechende (Netto-)Umsatz dem erklärten Umsatz der einzelnen Jahre hinzuzurechnen ist. Der mit 20% zu versteuernde Umsatz errechnet sich damit folgendermaßen:


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Jahr
2010
2011
2012
Umsätze lt. Erklärung
€ 119.961,40
€ 111.595,90
€ 78.803,97
Hinzurechnung brutto
€ 42.900,00
€ 35.500,00
€ 19.300,00
Hinzurechnung netto
€ 35.750,00
€ 29.583,33
€ 16.083,33
zu versteuernde Umsätze
€ 155.711,40
€ 141.179,23
€ 94.887,30

Die Gewinnermittlung der einzelnen Jahre ist daher wie in der Beschwerdevorentscheidung unter Berücksichtigung der korrigierten Hinzuschätzung wie folgt vorzunehmen:


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Jahr
2010
2011
2012
Verlust lt. Erklärung
€ -63.024,54
€ -41.469,78
€ -27.919,74
Hinzurechnung brutto
€ 42.900,00
€ 35.500,00
€ 19.300,00
AfA PKW Twingo
€ -662,50
€ -662,50
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
€ -20.124,50
€ -6.632,28
€ -9.282,24

Dabei wird - entsprechend den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung - einerseits davon ausgegangen, dass die Lohnzahlungen an den Sohn der Bf. tatsächlich erfolgt sind, und andererseits in den Jahren 2011 und 2012 die Absetzung für Abnutzung des im Geschäft ausgestellten Fahrzeuges berücksichtigt.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Feststellungen der Außenprüfung, den dagegen vorgebrachten Einwendungen des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin, den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung zu den Lohnzahlungen an den Sohn der Beschwerdeführerin und der zu berücksichtigenden Absetzung für Abnutzung, der Begründung im Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom und folgender Beweiswürdigung:

Die Beschwerdeführerin ließ letztlich unbestritten, dass die von ihr erklärten Einkünfte nicht ausreichten, um auch nur einen sehr sparsamen Lebensunterhalt zu finanzieren. In Anbetracht dessen, dass die Beschwerdeführerin die Unterstützung durch ihren Sohn und den Exgatten nachweisen konnte, und angesichts des Umstandes, dass sie einen nicht aufwendigen Lebensstil glaubhaft machen konnte, erscheinen Lebenshaltungskosten in Höhe von monatlich € 1.100,00 als durchaus angemessen. Gegen eine Schätzung in dieser Höhe wurde auch von der belangten Behörde nichts vorgebracht.

Aus diesem Grund war die Berechnung in der Beschwerdevorentscheidung, in welcher Lebenshaltungskosten von € 2.000,00 pro Monat berechnet wurden, insoweit zu korrigieren.

Die Korrektur der in der Berechnung der belangten Behörde ausgewiesenen Pensionszahlungen und den aus der Tätigkeit in einer Boutique erhaltenen Zahlungen ergibt sich aus dem Umstand, dass von der Prüferin und in der Beschwerdevorentscheidung nur die steuerpflichtigen Bezüge, nicht aber die tatsächlich erhaltenen Zahlungen in Ansatz gebracht wurden. Die Korrektur bei den Pensionszahlungen errechnet sich (unter Berücksichtigung der einbehaltenen Lohnsteuer) dementsprechend folgendermaßen:


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Jahr
2010
2011
2012
sonstige Bezüge
€ 2.346,86
€ 2.370,06
€ 2.390,90
SozVers. Sonstige Bezüge
-€ 98,62
-€ 99,80
-€ 102,50
Lohnsteuer
-€ 561,19
-€ 616,04
-€ 760,39
ergibt Pensionszahlung
€ 1.687,05
€ 1.654,22
€ 1.528,01

Die Korrektur der Zahlungen aus der Anstellung in einer Boutique entspricht den in Lohnzetteln ausgewiesenen sonstigen Bezügen.

Der festgestellte Sachverhalt ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen:

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Gemäß § 184 Abs. 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (§ 184 Abs. 1 BAO ) wesentlich sind.

Gemäß § 184 Abs. 3 BAO ist ferner zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 163 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 BAO entsprechen, die Vermutung ordnungsgemäßer Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zu Grunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Nur Bücher oder Aufzeichnungen, die eine zuverlässige Ermittlung des tatsächlichen Umsatzes oder Gewinnes ermöglichen, sind geeignet, der Abgabenerhebung zu Grunde gelegt zu werden (vgl. z.B. ).

Um von einer ordnungsgemäßen Aufzeichnungsführung im Sinne des § 163 BAO sprechen zu können, muss auch ein Belegwesen vorhanden sein, das einem sachverständigen Dritten ohne weitere Nachforschungen einen zuverlässigen Überblick über die Vollständigkeit und Richtigkeit der verbuchten Geschäftsfälle bietet. Gerade eine Belegnummerierung ist auch deshalb geboten, um die Vollständigkeit der verbuchten Belege augenscheinlich zu dokumentieren (vgl. wiederum ).

Das Fehlen von Aufzeichnungen, eine fehlende Dokumentation der Geschäftsfälle mit belegmäßig kontrollierbarer Verknüpfung der Einkäufe und Verkäufe sowie die Vorlage nicht fortlaufend nummerierter Ausgangsrechnungen stellen gravierende Mängel im Aufzeichnungssystem der Beschwerdeführerin dar, die zur Widerlegung der Vermutung des § 163 BAO führen mussten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt ein in einem mängelfreien Verfahren festgestellter ungeklärter Vermögenszuwachs die Annahme, dass die Vermehrung des Vermögens aus nicht einbekannten Einkünften herrührt. Gleiches gilt, wenn der Abgabepflichtige nicht aufzuklären vermag, aus welchen Quellen er seinen laufenden Lebensunterhalt bestreiten konnte (vgl. z.B. wiederum ).

In einem solchen Schätzungsverfahren müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein, und das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht, muss mit den Lebenserfahrungen in Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei ist im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substanziiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen einzugehen, auch wenn ihre Richtigkeit erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muss (vgl. z.B. ; sowie wiederum ).

Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin keine Aufzeichnungen vorlegte, eine Verknüpfung zwischen den in ihrem Unternehmen ein- und verkauften Produkten damit auch nicht möglich war, und die Beschwerdeführerin nicht aufklären konnte, wie sie die erklärten Verluste und ihre Lebenshaltungskosten decken konnte, waren die aus dem Einzelhandel erzielten Einkünfte zu schätzen.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Einwände der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Nachweise für die Unterstützung durch ihren Exmann ergibt sich aus der oben dargestellten Berechnung der Unterdeckung der Lebenshaltungskosten die Höhe der in den einzelnen Jahren hinzu zu schätzenden Einnahmen.

Da gegen die den Parteien bekannt gegebene Berechnung (die lediglich im Hinblick auf die Lohnzetteldaten korrigiert wurde) keine Einwände gemacht wurden und sämtliche zur Verfügung stehenden Unterlagen Berücksichtigung fanden, ist davon auszugehen, dass die mittels Schätzung ermittelten Umsätze und Gewinne den tatsächlich erzielten am nächsten kommen.

Zu der Berücksichtigung der Lohnkosten des Sohnes der Beschwerdeführerin und der Absetzung für Absetzung des Kraftfahrzeuges wird auf die Begründung in der Beschwerdevorenscheidung vom verwiesen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick darauf, dass sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl bei der Beurteilung der Schätzungsbefugnis als auch bei der Vornahme des Schätzungsverfahrens an den Grundsätzen der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientierte, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 163 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100343.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at