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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.08.2021, RV/3100353/2020

Familienbeihilfenanspruch bei ständigem Aufenthalt des Kindes in einem Drittland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Martin Dellasega, Dr. Max Kapferer, Schmerlingstraße 2, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe August 2017 bis Juli 2018

zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin beantragte am Familienbeihilfe für ihren im für den vorliegenden Fall relevanten Zeitraum volljährigen Sohn [Name] rückwirkend ab August 2018. Sie brachte zwei Anträge ein, einen aufgrund der Schulausbildung des Sohnes bis voraussichtlich und einen aufgrund der anschließenden Ausbildung an einer Universität.

Daraufhin ersuchte das Finanzamt die Beschwerdeführerin um umfassende Auskünfte bezüglich der Ausbildungssituation ihrer beiden volljährigen Söhne [Name] und [Name2].

Dieser Vorhalt wurde von der Beschwerdeführerin nur teilweise beantwortet. Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag auf Familienbeihilfe für den Sohn [Name] ab August 2018 ab. Ebenfalls mit Bescheid vom wurde die für die Söhne [Name] und [Name2] im Zeitraum August 2017 bis Juli 2018 bzw Juni 2018 ausbezahlte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen zurückgefordert. Begründet wurde dies damit, dass [Name] sich seit dem Schuljahr 2017/18 ständig in [Drittland] aufhalte und die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 BAO nicht nachgekommen sei. Für [Name2] wäre nicht nachgewiesen worden, wie lange er die Handelsschule besucht habe.

In der durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Beschwerde gegen diesen Rückforderungsbescheid wurde ausgeführt, die belangte Behörde übersehe, dass wenn im Ausland eine Berufsausbildung nachgewiesen werde und die anspruchsberechtigte Person überwiegend den Unterhalt trage, weiterhin Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Der Sohn [Name] habe die Aufnahme an der "[Schule]" geschafft und im beschwerdegegenständlichen Zeitraum die Ausbildung derart erfolgreich absolviert, dass er nunmehr am "[Universität]"-College akzeptiert worden wäre. In diesem Zeitraum habe die Beschwerdeführerin überwiegend den Unterhalt für den Sohn geleistet. Außerdem sei der Sohn in den Ferien immer nach Österreich gekommen, da ihm ein durchgehender Aufenthalt in [Drittland] nicht möglich sei. Der Sohn [Name2] habe im beschwerdegegenständlichen Zeitraum die Handelsschule besucht und führe auch weiterhin seine Ausbildung fort.

Außerdem werde die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Grundrecht gemäß § 7 B-VG verletzt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge für das Kind [Name] als unbegründet abgewiesen. Unter Hinweis auf § 5 Abs 3 FLAG 1967 führte das Finanzamt als entscheidungswesentlichen Sachverhalt an, dass der Sohn nach dem Schuljahr 2016/17 an der Handelsakademie in Innsbruck seine Ausbildung an der "[Schule]" in [Drittland] fortgesetzt und nach zwei Jahren erfolgreich beendet habe. Er sei dort Spieler beim American [Sport] Schulteam gewesen. Danach habe er am [Universität] College ebenfalls in [Drittland] ein Studium begonnen. Auch hier spiele er beim [Sport]-Team der Universität. Der Aufenthalt des Sohnes seit August 2017 in [Drittland] sei als ständiger Aufenthalt iSd § 5 Abs 3 FLAG zu beurteilen, weshalb die Familienbeihilfe zu Recht zurückgefordert werde.

Es erging offenbar eine separate Beschwerdevorentscheidung betreffend die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge für den Sohn [Name2], welche sich nicht im vorgelegten Verwaltungsakt befindet und von der Beschwerdeführerin ausdrücklich auch nicht bekämpft wird.

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde hinsichtlich des Kindes [Name] an das Bundesfinanzgericht. Das Finanzamt legte diese unter Anschluss der im Vorlagebericht angeführten Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der nachfolgend festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin hat für ihren Sohn [Name], geboren am [Datum], im Streitzeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezogen.

Der Sohn besuchte nach dem Schuljahr 2016/17 an der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule in Österreich im Zeitraum August 2017 bis Mai 2019 die "[Schule]", danach das "[Universität]" College, beide in [Drittland] (vgl vorliegende Bestätigungen der Schulen und Aufnahmebestätigung der Universität).

Dass der Aufenthalt in [Drittland] auf einen längeren Zeitraum angelegt war, ergibt sich einerseits aus der Anmeldung zur Fortführung seiner Ausbildung an einer Schule mit einer zweijährigen Dauer bis zum Abschluss dieser und andererseits der Bewerbung des Sohnes an einer dortigen Universität. Außerdem erfolgte die Verlagerung der Ausbildung des Sohnes nach [Drittland] offenbar aufgrund seines Bestrebens einer [Sport]-Karriere.

Der Sohn lebte im Rückforderungszeitraum in [Drittland] im Internat der "[Schule]", die Beschwerdeführerin trug ihrer Behauptung nach überwiegend die Kosten des Unterhalts (vgl die Ausführungen in der Beschwerde vom sowie beiliegende Zahlungsbestätigungen an die Schule und Belege von Überweisungen an den Sohn). Die Feststellung der gesamten Unterhaltskosten und die Prüfung der überwiegenden Kostentragung durch die Beschwerdeführerin ist für die gegenständliche Entscheidung jedoch nicht relevant und muss deshalb nicht durchgeführt werden.

Nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin war ihr Sohn in sämtlichen Schulferien in Österreich, dabei handelt es sich um die Thanksgiving-Ferien im November, die Winterferien im Dezember bzw Jänner, die Frühlingsferien im März sowie die Sommerferien von Ende Mai bis Mitte August. Insgesamt beträgt dieser Zeitraum daher ca 16 Wochen (vgl Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde vom und Homepage der "[Schule]").

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Beschwerdeführerin für ihren Sohn [Name] im Streitzeitraum die Familienbeihilfe und damit zusammenhängend der Kinderabsetzbetrag zusteht. Dazu ist vorweg auf die Systematik des Beihilfenrechtes zu verweisen. Einerseits wird die Erfüllung bestimmter anspruchsbegründender Voraussetzungen (Alter des Kindes, Vorliegen einer Berufsausbildung oder anderer "begünstigter" Beschäftigungen bzw "erzwungener" Wartezeiten bis zum Beginn einer Berufsausbildung oder deren Fortsetzung, Haushaltszugehörigkeit bzw subsidiär überwiegende Kostentragung usw) nach § 2 FLAG 1967 gefordert. Besteht nach diesen Bestimmungen dem Grunde nach ein Beihilfenanspruch ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob im zu beurteilenden Fall Ausschlussgründe vorliegen, die einen dem Grunde nach bestehenden Anspruch wiederum beseitigen.

Einer dieser Ausschlussgründe findet sich in § 5 Abs 3 FLAG 1967, wonach kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder besteht, die sich ständig im Ausland aufhalten. Das Finanzamt hat gegenständlich diesen Ausschlussgrund als gegeben erachtet und den Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin deshalb verneint.

Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Begriff des "ständigen Auslandsaufenthaltes" im § 5 Abs 3 FLAG 1967 dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 BAO gleichzusetzen ist (vgl , oder ) und die Frage des ständigen Aufenthaltes nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach dem objektiven Kriterium der körperlichen Anwesenheit zu beantworten ist (vgl etwa ). Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl ).

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor. Bei einem Aufenthalt zum Zwecke des Schulbesuches vom Herbst 1991 bis zum Jänner 1993 ging der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis , von einem ständigen Aufenthalt im Ausland aus. Ein einjähriger Auslandsaufenthalt etwa zum Zwecke eines einjährigen Schulbesuches im Ausland ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen (vgl auch Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland", in UFS Journal 2011/10, 371).

Aus Vorstehendem ergibt sich offensichtlich, dass die Beurteilung auf Basis der (körperlichen) Anwesenheit, allenfalls verbunden mit einem objektiv auf einen längeren Zeitraum angelegten Aufenthalt, zu treffen ist, weshalb eine - trotz der tatsächlichen körperlichen Abwesenheit weiterbestehende - Hauptwohnsitzmeldung im Zentralen Melderegister keinerlei ausschlaggebende Bedeutung hat (vgl dazu zB ).

In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, dass der Verfassungsgerichtshof den Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland (§ 5 Abs 3 FLAG 1967) als verfassungsrechtlich zulässig erachtet hat (vgl die Erkenntnisse , VfSlg 16.542, und , VfSlg 16.380).

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig davon auszugehen, dass sich der Sohn für eine zweijährige Schulausbildung in [Drittland] angemeldet hat und deshalb offensichtlich ist, dass ein Aufenthalt in [Drittland] von (zumindest) zwei Jahren von Beginn der Ausbildung an beabsichtigt war. Dass dafür eine Wohngelegenheit im Internat der "[Schule]" organisiert wurde, bestärkt diese Ansicht ebenso, wie die Tatsache, dass an die Schulausbildung noch eine (geplant mehrjährige) universitäre Ausbildung angeschlossen wurde.

Wegen des ständigen Auslandsaufenthaltes des Sohnes in einem Drittland bestand somit wegen des Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 5 Abs 3 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Daran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin angibt, ihr Sohn sei in den Schulferien, auch wenn diese nur eine Woche gedauert hätten, nach Hause gekommen, da er sonst keine andere Wohngelegenheit als die in Innsbruck gehabt habe, wenn die Schule geschlossen gewesen sei. Aus dem Kalender auf der Homepage der "[Schule]" geht hervor, dass es sich bei diesen Schulferien um einen Zeitraum von insgesamt ca. 16 Wochen pro Jahr handelt.

Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt. Daher unterbricht auch das Verbringen der Ferien in Österreich den ständigen AufenthaltimAusland nicht. (vgl ua die bereits erwähnten Erkenntnisse , und ).

Wird Familienbeihilfe trotz Vorliegens eines Ausschlussgrundes vereinnahmt, wurde diese zu Unrecht bezogen. Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ist nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 zur Rückzahlung verpflichtet (vgl zB ). Dies unabhängig davon, ob die Beträge an das Kind weitergegeben wurden (vgl ) oder ob diese gutgläubig verbraucht worden sind (vgl ). Auch eine unrichtige Auszahlung, die ausschließlich auf einer Fehlleistung der Abgabenbehörde beruht, steht einer Rückforderung nicht entgegen (vgl Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 Rz 16, unter Hinweis auf zB ). Aus § 26 Abs 1 FLAG 1967 ergibt sich nämlich eine rein objektive Rückzahlungspflicht (vgl zB das vorstehend erwähnte Erkenntnis vom ) und sind subjektive Elemente unbeachtlich (vgl Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 Rz 12f, und die dort angeführte Judikatur).

Nach § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein monatlicher Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden. Die obigen Ausführungen zur Familienbeihilfe gelten somit auch für den Kinderabsetzbetrag.

Damit steht fest, dass der bekämpfte Bescheid vom Finanzamt zu Recht erlassen wurde, weshalb der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein kann.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht auf Grund und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes (s die oben zitierten Erkenntnisse) entschieden, weshalb keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zu lösen war. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at