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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2020, RV/7101550/2020

Überrechnungsantrag bei Verrechnung mit erst fällig werdenden Abgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Überrechnung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf) die Überrechnung eines Guthabens in Höhe von € 75.740,00 auf das Abgabenkonto ***2***.

Mit Bescheid vom wies die Abgabenbehörde den Antrag auf Überrechnung eines Guthabens ab.

Das Abgabenkonto weise einen Rückstand auf.

Mit Eingabe vom erhob die Bf dagegen Beschwerde.

Sie habe am einen Antrag auf Überrechnung eingebracht, der am hätte durchgeführt werden sollen. Das Abgabenkonto weise mit Stichtag ein Guthaben auf. Die Körperschaftssteuer werde erst mit fällig.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte zur Begründung wie folgt aus:

"Am betrug der Tagessaldo auf dem Steuerkonto der ***Bf1*** EUR -79.358,28 (Guthaben). Die Firma hat am einen elektronischen Überrechnungsantrag in Höhe von EUR 75.740,00 auf das Steuerkonto der ***1*** (***2***) beantragt. Dieser Überrechnungsantrag wurde am abgewiesen, da sich auf dem Steuerkonto des Pflichtigen kein Guthaben mehr befand. Denn am wurden vom steuerlichen Vertreter (***3***) die Körperschaftssteuer-Erklärungen für die Jahre 2017 und 2018 elektronisch eingebracht, welche am mit einem Erstbescheid veranlagt wurden. Durch diese Veranlagung der K 2017 und K 2018 (Fälligkeitstag ) wurde das vorhandene Guthaben auf dem Steuerkonto aufgebraucht und wies am einen Tagessaldo in Höhe von EUR 63.462,19 (Rückstand) auf. Ein rückzahlbares Guthaben des Abgabepflichtigen entsteht für diesen erst dann, wenn auf seinem Steuerkonto die Summe aller Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteigt. Gem. § 215 der BAO kann nur ein sich aus der Gebarung ergebendes Guthaben Gegenstand einer Umbuchung oder Überrechnung sein (). Sie haben recht, dass die Abgabennachforderung erst am fällig wird, nichts desto trotz weist das Steuerkonto einen Rückstand auf, weswegen derzeit keine Überrechnung durchgeführt werden kann.

Mit Vorlageantrag vom führte die Bf wie folgt aus:

"Wenn eine Abgabenachforderung erst am fällig ist, kann sich diese Forderung nicht auf unserem Saldo (ein Saldo ist immer eine tageweise Betrachtung) am auswirken. Daher haben wir sehr wohl ein Guthaben der Vorsteuer, das gegengerechnet werden kann und darauf bezieht sich das VwGH-Urteil. Dieses sagt nämlich aus, dass der Überrechnung das entsprechende Guthaben gegenüberstehen soll, und das ist bei uns zum besagten Stichtag sehr wohl der Fall. Das Urteil bezieht sich nicht auf Zahlungen, die erst weit in der Zukunft fällig werden, diese können nicht nach freiem Ermessen des Finanzamts beliebig zu einem anderen Stichtag als den angegebenen fällig gestellt werden und damit dann argumentiert werden, wir hätten kein Guthaben. Am hat unser Konto bzw. unser aktueller Tagessaldo keinen Rückstand aufgewiesen. Wir haben am einen Antrag für die Überrechnug eingebracht, der am hätte durchgeführt werden sollen. Wenn die Überrechnung rechtzeitig durchgeführt worden wäre, würde diese Situation gar nicht zustande kommen. Am haben wir über Finanzonline eine Bescheinigung gemäß § 229a BAO abgefragt, wo bestätigt wurde, dass derzeit gegen ***Bf1*** keine vollstreckbaren Abgabenforderungen bestehen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Laut Aktenlage bestand auf dem Abgabenkonto der Bf zum Zeitpunkt der Einbringung des Überrechnungsantrages () ein Guthaben iHv € 10.957,91, welches sich durch die Buchungen der Kammerumlage 10-12/19 mit einer Lastschrift von € 1.036,28 und Umsatzsteuer 12/19 mit einer Gutschrift von € 69.436,65 am auf € 79.358,28 erhöhte.

Am erfolgte neben mehreren Gutschriften, die Buchung der Körperschaftsteuer 2018 mit einer Nachforderung iHv € 178.347,00 samt Nachforderungszinsen iHv € 962,36, wodurch sich ein Rückstand iHv € 63.462,19 ergab.

Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.

Gemäß § 239 Abs. 2 BAO kann die Abgabenbehörde den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

Strittig ist, ob das am Abgabenkonto der Bf bestanden habende Guthaben antragsgemäß mit einem Betrag von € 75.740,00 auf das Abgabenkonto ***2*** zu überrechnen ist.

Da dieses Guthaben durch die Buchung der Körperschaftsteuer 2018 mit einer Lastschrift von € 178.347,00 am mit dieser verrechnet wurde und nach § 215 Abs. 4 BAO nur ein verbleibendes Guthaben zurückzuzahlen ist, war dem Überrechnungsantrag schon mangels verbleibendem Guthabens der Erfolg zu versagen.

Entgegen dem Einwand, das Abgabenkonto weise mit Stichtag ein Guthaben auf, befand sich am Abgabenkonto seit ein Rückstand von € 63.462,19.

Eine Lastschrift aufgrund der Festsetzung einer Abgabe wirkt sich entgegen der Meinung der Bf bereits mit der anlässlich der Festsetzung durchgeführten Verbuchung und nicht erst mit deren Fälligkeit auf den Tagessaldo aus.

Der Umstand, dass die Körperschaftssteuer 2018 erst mit fällig wurde, steht einer Verrechnung gemäß § 215 BAO nicht entgegen, zumal innerhalb der gemäß § 239 Abs. 2 BAO vorgesehenen Frist vorgreifend Guthaben mit bereits festgesetzten, jedoch erst fällig werdenden Abgaben verrechnet werden dürfen.

Ob nun die Abgabenschuldigkeiten vor oder nach Antragstellung auf Überrechnung festgesetzt worden sind, kann im Hinblick auf die Regelung des § 239 Abs. 2 BAO dahingestellt bleiben, weil diese Bestimmung zwar der Höhe nach festgesetzte Abgabenschuldigkeiten verlangt, nicht jedoch darauf abstellt, dass diese Abgabenschuldigkeiten bereits vor der Antragstellung tatsächlich festgesetzt sind. Es muss nur im Hinblick auf die genannte Dreimonatsfrist - auch - die Abgabenfestsetzung spätestens innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung erfolgen.

Die vorgesehene Frist, innerhalb der vorgreifend Guthaben mit bereits festgesetzten, jedoch erst fällig werdenden Abgaben verrechnet werden dürfen, berechnet sich vom Zeitpunkt der Einbringung des Rückzahlungsantrages (Stoll, Bundesabgabenordnung, 596).

Der Sinn der Regelung des § 239 Abs. 2 BAO - die Vereinfachung der Abgabenverrechnung - spricht für diese Auslegung: Andernfalls müssten nämlich Guthaben nach Maßgabe der drei Monate-Frist sogar zurückgezahlt werden, obwohl aus einer wenn auch nach Antragstellung erfolgten Abgabenfestsetzung bereits ein fälliger Abgabenanspruch gegen den Abgabepflichtigen besteht. Eine solche Auslegung lässt sich mit der von der gegenständlichen Rechtsvorschrift angestrebten Vereinfachung der Abgabenverrechnung nicht vereinbaren. Die Abgabenfestsetzung wirkt im Zusammenhang mit der Erledigung von Anträgen auf Auszahlung (Umbuchung) eines Guthabens und der dabei gemäß § 239 Abs. 2 BAO zu treffenden Entscheidung, ob vom Zurückbehaltungsrecht zugunsten innerhalb von drei Monaten ab dem Antrag fällig werdenden Abgabenschulden Gebrauch gemacht werden soll, dadurch verwaltungsvereinfachend, als die Frage, ob ein zu dieser Abgabenschuld führender Abgabenanspruch besteht, nicht mehr als Vorfrage entschieden werden muss. Zur Erreichung dieses Zieles muss die Abgabenfestsetzung aber nicht bereits im Zeitpunkt der Antragstellung auf Auszahlung (Umbuchung) des Guthabens vorliegen, sondern erst im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag, die allerdings gemäß § 311 BAO ohne unnötigen Aufschub zu erfolgen hat. Eine Missachtung des § 311 BAO ändert den Beurteilungszeitpunkt jedoch nicht. Hingegen wird es im Regelfall, von dem der Gesetzgeber bei der ihm erlaubten typischen Betrachtungsweise ausgehen durfte, einer Information des Abgabenschuldners im Zeitpunkt der Stellung des Auszahlungs(Umbuchungs)antrages über den Bestand der Abgabenschuld durch einen Abgabenfestsetzungsbescheid nicht bedürfen, weil der Abgabenanspruch durch die Verwirklichung des Abgabentatbestandes entsteht, die dem Abgabenschuldner bereits bekannt sein müsste ().

Selbst bei einer Abgabenfestsetzung nach dem Zeitpunkt des Überrechnungsantrages hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon bisher diese Tatsache nicht zum Anlass genommen, die Verweigerung der Rückzahlung (Umbuchung) als rechtswidrig zu beurteilen (; , 85/13/0207-0209; , 87/13/0055).

Der Meinung der Bf, sie habe sehr wohl ein Guthaben der Vorsteuer, ist zu entnehmen, dass die Bf offensichtlich die Begriffe "Gutschrift" und "Guthaben" verwechselt.

Während im § 21 Abs. 1 UStG mit dem Begriff "Gutschrift" ein vorangemeldeter Überschuss durch Abzug von Vorsteuerbeträgen gemäß § 12 UStG bezeichnet wird, ist der Begriff "Guthaben" ein Begriff der Abgabenverrechnung und bringt zum Ausdruck, dass auf dem Abgabenkonto des Abgabepflichtigen per Saldo ein Überschuss zugunsten des Abgabepflichtigen besteht. Eine Gutschrift muss daher keineswegs zu einem Guthaben führen. Haften auf dem Abgabenkonto eines Abgabepflichtigen Abgabenschuldigkeiten aus, so führt eine Gutschrift, die geringer ist als die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten, nicht zu einem Guthaben, sondern lediglich zu einer entsprechenden Minderung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten ().

Warum der am eingebrachte Antrag auf Überrechnung bereits am hätte durchgeführt werden sollen, wurde von der Bf nicht dargelegt und ist nicht nachvollziehbar, zumal die Abgabenbehörde die Anträge auch zu prüfen hat und gemäß § 85a BAO über Anträge ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden ist. Ohne unnötigen Aufschub bedeutet, dass die Behörde objektiv-rechtlich verpflichtet ist, ehestmöglich zu entscheiden; sie darf also nicht grundlos zuwarten oder überflüssige Verwaltungshandlungen setzen, um die Entscheidung zu verzögern (so zutreffend Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage, Rz 636).

Zudem handelt es sich um eine objektiv-rechtliche Verpflichtung, deren Verletzung nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte, und wurde vor Ablauf der sechsmonatigen Frist entschieden ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101550.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at