Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.07.2021, RV/5100728/2018

1. Rückforderung FB und KG 2. keine Haushaltsbegründung des Kindesvaters nach dessen Verhaftung am (neuen) Wohnsitz seiner Kinder im Haushalt der Großeltern

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag Mai 2017 bis September 2017 Sozialversicherungsnummer 1234 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom hatte das Finanzamt vom Beschwerdeführer (Bf.) für seine drei Kinder K1, geboren am xx.xx.2007, und die Zwillinge K2 und K3, geboren am xx.xx.2009, für die Monate Mai bis September 2017 die Familienbeihilfe (iHv 2.349,00 Euro) und Kinderabsetzbeträge (iHv 876,00 Euro) rückgefordert, da die Kinder ab beim Großvater wohnhaft gewesen seien und daher ab kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr bestanden habe.

2. In der Beschwerde vom , beim Finanzamt eingelangt am , brachte der Bf. vor, dass er die Obsorge seiner Kinder seinen Eltern habe übergeben müssen, da er in der Justizvollzugsanstalt R gewesen sei. Die Familienbeihilfe sei weiterhin auf sein Konto überwiesen und von dort von seiner Mutter behoben worden. Dies würden die beigelegten Kontoauszüge belegen.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus, laut Auszug des Zentralen Melderegisters habe der Bf. seit nicht mehr mit seinen Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Die Kinder lebten bei den Großeltern. Die Familienbeihilfe sei ab Mai 2017 dem Großvater zuerkannt worden, die Rückforderung für die Monate Mai bis September 2017 sei zu Recht erfolgt.

4. Im Vorlageantrag vom , eingelangt am , wiederholte der Bf. sein Beschwerdebegehren und ergänzte, dass die Abgabenbehörde die Familienbeihilfe bei seinen Eltern rückfordern solle und nicht von ihm, da seine Eltern zweimal Familienbeihilfe bezogen hätten.

5. Am , eingelangt am , wandte sich der Bf. neuerlich an das Finanzamt. In dem Schreiben (tituliert als "Beschwerde gegen den Bescheid vom " [2. Zahlungsaufforderung]) führt er aus, dass dem Finanzamt bekannt gewesen sei, dass, obwohl er in der Justizvollzugsanstalt gewesen sei, trotzdem die Familienbeihilfe auf sein Konto ausbezahlt worden sei. Seine Mutter habe die Familienbeihilfe vom Konto behoben. Was seine Eltern mit dem Geld gemacht hätten, wisse er nicht. Er habe keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern und rede nicht mehr mit ihnen, er wisse aber, dass sie bereit seien, das Geld zurück zu zahlen.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der gegenständliche Akt dem bisher zuständig gewesenen Richter gemäß § 9 Abs 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung **** zugewiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1. Der Bf. hat für seine Kinder K1, geboren am xx.xx.2007, und die Zwillinge K2 und K3, geboren am xx.xx.2009, im streitgegenständlichen Zeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezogen.

2. Während seiner Inhaftierung vom 05.04. bis war der Bf. nicht dem Haushalt in Adresse 1 zugehörig.

3. Die Kinder des Bf. lebten von bis im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern des Bf. in Adresse 1. Während seiner Inhaftierung haben sich die Eltern des Bf. gemeinsam mit der Lebensgefährtin des Bf. um die Kinder gekümmert und diese versorgt und die laufenden Ausgaben gemeinsam getragen (siehe Meldungen des Zentralen Melderegisters und Vorhaltsbeantwortung vom ). Davor wohnten sie ab mit dem Bf. in Adresse 2 (siehe Meldungen des Zentralen Melderegisters).

4. Im Streitzeitraum hat der Vater des Bf. aufgrund seines gemeinsamen Haushaltes mit seinen Enkeln für die drei Kinder die Familienbeihilfe bezogen (siehe Ausdrucke aus dem Familienbeihilfenprogramm des Finanzamtes vom ).

Beweiswürdigung

1. Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen sowie aufgrund folgender Überlegungen, die sich ua. aus den Angaben des Bf. in der Vorhaltsbeantwortung vom ergeben:

2. Der Meldung des Zentralen Melderegisters, wonach der Bf. vom 19.04.- in Adresse 1 mit Hauptwohnsitz gemeldet war, kommt lediglich Indizwirkung zu (vgl. ). Die Feststellung des Wohnsitzes bzw. des Haushaltes des Bf. ist eine Sachverhaltsfeststellung, die gemäß den allgemein gültigen Beweisregeln aufgrund der erhobenen Beweise zu treffen ist.

3. Der Bf. hat bis in Adresse 1 im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und den Kindern gewohnt. Bei der Übersiedlung nach Adresse 2 hat er seinen Haushalt und den seiner Kinder in Adresse 1 aufgelöst (siehe Meldungen des Zentralen Melderegisters).

4. Von 16.03. bis hat er mit seinen Kindern in Adresse 2 gewohnt und dort seinen Haushalt gehabt (siehe Meldungen des Zentralen Melderegisters).

5. Der Bf. wurde am verhaftet und am aus der Justizanstalt R entlassen. Er wurde mit Urteil vom zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, wobei 18 Monate davon bedingt nachgesehen wurden.

6. Nach seiner Verhaftung am wurde die Wohnung in Adresse 2 gekündigt, weil er sie sich nicht mehr leisten konnte. Die Verhängung der Untersuchungshaft und die Verbüßung der unbedingten Haftstrafe in der Justizanstalt R sowie die Übersiedlung seiner Kinder zu den Großeltern nach seiner Verhaftung hat den davor bestehenden gemeinsamen Haushalt des Bf. mit seinen Kindern in Adresse 2 beseitigt. Die in der Wohnung befindlichen Gegenstände des Bf. wurden von seinem Vater nach Adresse 1 gebracht und dort gelagert.

Nachdem der Bf. bereits im März 2017 seinen Haushalt in Adresse 1 aufgegeben und sich ab in der Justizanstalt R befunden hatte, konnte er aber nach seiner Verhaftung - entgegen der Meldung des Zentralen Melderegisters - keinen (neuerlichen) Haushalt am Wohnsitz seiner Kinder in Adresse 1 begründen. Er konnte weder in Adresse 1 wohnen noch hat er sich dort an der einheitlichen Wirtschaftsführung beteiligt. Eine Haushaltsbegründung kann auch nicht durch das (bloße) Einlagern von Gegenständen durch den Vater in Adresse 1 bewirkt werden.

Dafür, dass der Bf. keinen Haushalt in Adresse 1 begründet hatte, spricht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch, dass er bereits wenige Tage nach seiner Entlassung aus der Justizanstalt R in der Adresse 3 gemeldet war (siehe Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom ).

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Gemäß § 26 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat.

2. Gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

3. Gemäß § 2 Abs 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Dabei kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an. Somit knüpft der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an.

4. Für die Haushaltszugehörigkeit wird insbesondere entscheidend sein, wer im fraglichen Zeitraum zum überwiegenden Teil die laufenden Ausgaben für das Kind getragen hat, wobei es nicht nur auf die Ausgaben für die Nahrung, sondern darüber hinaus vor allem auch auf jene für die sonstigen Dinge des täglichen Bedarfs (wozu auch Schulmaterialien zählen) sowie für Bekleidung ankommt ().

Die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, hängt ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (zB Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt ().

Meldebestätigungen stellen lediglich ein - widerlegbares - Indiz für das Bestehen einer Wohngemeinschaft dar, sind jedoch nicht geeignet, einen vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse (Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft bzw -zugehörigkeit) zu liefern ().

5. Allein auf den Umstand einer Verhaftung und Verhängung der Untersuchungshaft darf nicht die Annahme gestützt werden, dass ein gemeinsamer Haushalt nicht mehr gegeben gewesen wäre. Ein bestehender gemeinsamer Haushalt wird etwa durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte) nicht beseitigt (vgl etwa Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 21, Rz 17 zu § 14 MRG und die dort zitierte Rechtsprechung des OGH). Eine Untersuchungshaft zählt zu solchen Unterbrechungen ().

6. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in näher angeführter Höhe zu. Werden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

7. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung (vgl etwa ; ; ; ). Daher ist es bspw nicht von Bedeutung, dass vom Empfänger der Familienbeihilfe diese an einen anspruchsberechtigten Elternteil (vgl ; ) oder direkt an das Kind (vgl ) weitergeleitet wurde.

8. Die drei Kinder des Bf. haben im Streitzeitraum mit den Großeltern einen Haushalt geteilt. Der Bf. hat jedoch zu dieser Zeit nicht mit den Kindern (und seinen Eltern) im gemeinsamen Haushalt gelebt.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist die unter Pkt. 5. zitierte Judikatur des OGH und des VwGH auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da diese von einem bestehenden (und nach seiner Verhaftung andauernden) gemeinsamen Haushalt eines Antragstellers mit seinen Kindern ausgeht, der nicht durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (zB eine Untersuchungshaft) beseitigt wird. Gerade das liegt aber im streitgegenständlichen Fall nicht vor, da durch die Übersiedlung der Kinder zu den Großeltern nach der Verhaftung des Bf. der (bisherige) gemeinsame Haushalt mit dem Bf. beseitigt wurde (siehe Pkt. II.2.).

Da die Kinder im Streitzeitraum nicht dem Haushalt des Bf. zugehörig waren, wäre der Bf. nur dann familienbeihilfenanspruchsberechtigt, wenn er die Unterhaltskosten für die Kinder überwiegend getragen hätte und wenn keine andere Person, zu deren Haushalt die Kinder gehörten, anspruchsberechtigt wäre. Der Vater des Bf. war im Streitzeitraum aufgrund der Zugehörigkeit seiner Enkel zu seinem Haushalt für alle drei Kinder familienbeihilfenanspruchsberechtigt und wurde ihm die Familienbeihilfe auch gewährt. Vor diesem Hintergrund kann somit dahin gestellt bleiben, ob der Bf. im Streitzeitraum überwiegend die Unterhaltskosten getragen hat. Der Bf. hat somit keinen Anspruch auf Familienbeihilfe und hat diese zu Unrecht bezogen. Die Rückforderung der Familienbeihilfe ist daher zu Recht erfolgt.

9. Die Rückforderung hat auch dann zu erfolgen, wenn der Empfänger der Familienbeihilfe diese an den Anspruchsberechtigten weitergeleitet hat. Somit kann das Vorbringen des Bf., seine Mutter hätte die Familienbeihilfe während seiner Inhaftierung von seinem Bankkonto behoben, nicht erfolgreich eingewendet werden. Damit muss aber auch dem Begehren des Bf., seinen Bankberater als Zeugen zu befragen, nicht entsprochen werden, da die Klärung der Frage, ob die Mutter des Bf. kontoberechtigt war und die Familienbeihilfe behoben hatte, nicht (sachverhalts-)erheblich ist.

9. Da die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe beim Bf. nicht vorliegen, stehen ihm gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 auch die Kinderabsetzbeträge nicht zu. Somit waren auch diese im Streitzeitraum zurückzufordern.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Haushalt
Untersuchungshaft
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100728.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at