zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.05.2021, RV/5100381/2021

Fahrtkosten für Organisation der 24h-Pflege - keine ag. Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2013.

In der am eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2013 beantragte der Beschwerdeführer tatsächliche Kosten aus der Behinderung seiner Ehefrau als außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt) in Höhe von 4.143,59 €.

Im Zuge der Überprüfung der im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung vorgelegten Unterlagen anerkannte das Finanzamt lediglich nachgewiesene Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners in Höhe von 3.011,96 € (Bescheid vom ). Auf die Bescheidbegründung wird verwiesen (Streichung folgender Kosten: Bekleidung für Akutgeriatrie 95,05 €; Hofer, Medizinschrank 19,99 €; Fahrtkosten der Tochter für Organisation 24h-Pflege, Arztbesuche, Apotheke, Einkaufen etc. 1.016,40 €).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am elektronisch Beschwerde und beantragte den Ersatz der Fahrtkosten in Höhe von 1.016,40 €, welche er seiner Tochter bezahlt habe. Es habe sich bei den Fahrten nicht um Besuchsfahrten sondern um notwendige Aktivitäten seiner Tochter im Zusammenhang mit der Organisation der 24h-Pflege für seine Gattin und um dabei unbedingt erforderliche Erledigungen gehandelt. Es handle sich daher bei diesen Fahrten nicht um Aufwendungen der privaten Lebensführung. Er verweise auf das als Beilage angehängte Urteil des BFG mit der GZ. RV/6100944/2015.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, ohne auf die Argumente des Beschwerdeführers einzugehen. Auf die Begründung, die von Besuchsfahrten ausgeht, wird verwiesen.

Mit elektronisch eingebrachten Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung und verwies zur Begründung auf seine Bescheidbeschwerde.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat in seinem Erkenntnis vom , RV/5100476/2019, die geltend gemachten Fahrtkosten der Tochter für Organisation 24h-Pflege, Arztbesuche, Apotheke, Einkaufen etc. in Höhe von 1.016,40 € anerkannt.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0029, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Auf die Begründung wird verwiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf den Sachverhalt, den das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis vom , RV/5100476/2019, zu Grunde gelegt hat (Seite 2), wird verwiesen.

Beweiswürdigung

Auf die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes in oben zitiertem Erkenntnis wird verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  • Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4 1. Satz).

Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden (Abs. 6):

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen (BudBG 2011, BGBl I 111/2010).

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung (§ 34 Abs. 6) geltend gemacht werden (Abs. 5).

  • Rechtliche Erwägungen

Strittig ist die Höhe der im Rahmen der Organisation der 24h-Pflege angefallenen Fahrtkosten.

Eine außergewöhnliche Belastung wegen Krankheitskosten iSd Abs. 6 (ohne Selbstbehalt) kommt nur in Betracht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 vorliegen; es müssen auch die allgemeinen Merkmale der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit verwirklicht sein (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 34 Rz 53). Es liegen im gegenständlichen Fall sowohl die allgemeinen Merkmale der Außergewöhnlichkeit als auch der Zwangsläufigkeit vor. Der besondere Pflege- und Betreuungsbedarf der Ehefrau des Beschwerdeführers ist durch den Bezug von Pflegegeld nachgewiesen.

Hinsichtlich der bereits vom Finanzamt nicht gewährten Krankheitskosten (Bekleidung für Akutgeriatrie 95,05 €; Hofer, Medizinschrank 19,99 €) sieht das Bundesfinanzgericht keinen Änderungsbedarf, zumal diese Aufwendungen im Vorlageantrag nicht mehr enthalten sind.

Lediglich bei den geltend gemachten Fahrtkosten für die Organisation der 24h-Pflege hatte das Bundesfinanzgericht im aufgehobenen Erkenntnis () eine gegenteilige Ansicht vertreten, die seitens des Verwaltungsgerichtshofes () jedoch nicht geteilt wurde: "Fahrtkosten, die ihre Ursache in der Betreuung eines betagten Elternteils haben, etwa anlässlich der Begleitung bei Spaziergängen, verschiedenen Besorgungen oder Arztbesuchen, mangelt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am Merkmal der Außergewöhnlichkeit (vgl. 85/13/0091; Fuchs in Doralt et al, EStG20, § 34 Tz 78, ABC der außergewöhnlichen Belastungen: Fahrtkosten). Zu solchen Besorgungen gehört auch das Organisieren einer Pflegekraft für die Eltern. Dies jedenfalls dann, wenn keine atypischen Umstände vorliegen." Solche atypischen Umstände wurden weder seitens des Beschwerdeführers behauptet noch konnte sie das Bundesfinanzgericht feststellen.

Die geltend gemachten Fahrtkosten können daher nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über geltend gemachte Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners abgesprochen. Zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall entschieden. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100381.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at