Kosten für doppelte Haushaltsführung und Nächtigungskostenersatz durch den Arbeitgeber
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2018 zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO entsprechend der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang:
In der Begründung des hier angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2018 vom heißt es wörtlich wie folgt: "Da keine Belege übermittelt werden konnten, waren die beantragten Aufwendungen (Familienheimfahrten, Doppelte Haushaltsführung) nicht zu berücksichtigen."
In der am über FinanzOnline eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer (Bf) wörtlich wie folgt aus: "Ich habe eine Schlafmöglichkeit vom Arbeitgeber, aber das findet sich immer anderswo und wenn ich Wochenende auch dort bleiben möchte dann muss ich extra bezahlen, weil meine Arbeitgeber nur von Montag bis Freitag bezahlt. Ich arbeite als Elektriker auf der Baustellen. Deswegen kann ich nicht eine Wohnung mieten und nach Österreich ziehen. Ich habe Lebenspartnerin deswegen bin ich jede Wochenende mit meinem PKW nach Ungarn gefahren. Der Abstand zwischen mein Familienheim und meine Arbeitsstelle war zirka 650 km. Ich schicke Ihnen meine Haushaltsbestätigung aus Ungarn und noch einmal meine Rechnungen für Unterkunft."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass es nunmehr die vom Bf geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten vollumfänglich als Werbungskosten berücksichtigte. Den vom Bf geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung wurde die Anerkennung als Werbungskosten dagegen (weiterhin) versagt. Begründend wurde dazu wie folgt ausgeführt: "In der Beschwerde geben Sie an, dass die Unterkunft in Österreich von Montag bis Freitag vom Dienstgeber bezahlt wird. Es können daher nur die Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt werden."
In der als Vorlageantrag zu wertenden FinanzOnline-Eingabe vom führte der Bf aus, seine Formulierung sei falsch gewesen. Sein Arbeitgeber habe das Zimmer nur organisiert, bezahlen habe es der Bf selbst müssen. Es seien bereits Belege an das Finanzamt übermittelt worden, diese würden nunmehr noch einmal übermittelt werden. Der Bf habe 2.113,40 Euro bezahlt.
Mit Ergänzungsersuchen vom , das am selben Tag in der Databox des Bf bei FinanzOnline einlangte, ersuchte das Finanzamt den Bf um nochmalige Vorlage der Belege für die Unterkünfte in Österreich, da beim Finanzamt nur unvollständige Belege eingelangt seien. Dieses Ergänzungsersuchen blieb seitens des Bf unbeantwortet.
Sodann legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom wies das Finanzamt zunächst darauf hin, dass die Berücksichtigung von Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten strittig sei, und führte weiters wie folgt aus: "In der Beschwerde wurde dem Finanzamt erklärt, dass eine Schlafmöglichkeit vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird. Nur, wenn der Bf auch übers Wochenende dort bleiben möchte, muss er extra bezahlen. Von Montag bis Freitag werden die Kosten angeblich vom Dienstgeber getragen. Im Vorlageantrag wird dies als Falschinformation dargestellt. Die Rechnungen für die Unterkünfte sind nur teilweise auf Herrn ***Bf*** und teilweise auf den Dienstgeber ausgestellt. Ergänzungsersuchen wurden nicht beantwortet."
In der Folge trat das Bundesfinanzgericht an den (damaligen) Arbeitgeber des Bf heran und ersuchte diesen um Auskunft darüber, ob der Bf Kostenersätze für Nächtigungen erhalten habe. Der Geschäftsführer des (damaligen) Arbeitgebers des Bf teilte dem Bundesfinanzgericht mit E-Mail vom mit, dass der Bf Nächtigungsgelder in Höhe von 15,00 Euro/Nacht (arbeitstäglich) erhalten habe, und ließ dem Bundesfinanzgericht eine Aufstellung über die an den Bf in den Monaten Jänner bis Dezember des Streitjahres ausbezahlten Nächtigungsgelder zukommen. Über weiteres Ersuchen wurden dem Bundesfinanzgericht auch die - an den Bf adressierten - monatlichen Gehaltsabrechnungen übermittelt.
In einem am mit dem Geschäftsführer des (damaligen) Arbeitgebers des Bf geführten Telefonat teilte dieser dem Richter mit, man unterliege als Arbeitskräfteüberlasser dem diesbezüglichen Kollektivvertrag und habe Tagesgelder und Nächtigungsgelder den kollektivvertraglichen Bestimmungen entsprechend ausbezahlt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt:
Der Bf ist ungarischer Staatsangehöriger. Im Streitjahr befand sich sein Wohnsitz an der ungarischen Adresse ***Adresse Bf***, wo er mit seiner Lebensgefährtin einen gemeinsamen Hausstand unterhielt.
Der Bf war im Zeitraum 15.1. bis 19.12. des Streitjahres - mit einer Unterbrechung Ende September/Anfang Oktober des Streitjahres - als Leiharbeiter bei der *** XY GmbH*** angestellt. Bei der *** XY GmbH*** handelt es sich um ein in ***Ort*** (Kärnten) ansässiges Unternehmen, dessen Geschäftsgegenstand in der Arbeitskräfteüberlassung besteht. Die *** XY GmbH*** verfügt seit dem Jahr 2004 über eine diesbezügliche Gewerbeberechtigung. Der Bf wurde verschiedenen Betrieben in Tirol zur Beschäftigung überlassen und dort als Elektriker eingesetzt.
Der Bf nächtigte in verschiedenen Unterkünften (Zimmervermietungen) in Tirol. Seine diesbezüglichen Ausgaben machten im Streitjahr jedenfalls weniger als 2.000,00 Euro aus.
Von der *** XY GmbH*** erhielt der Bf anlässlich der monatlichen Lohnzahlungen ua Nächtigungsgelder in Höhe von 15,00 Euro/Nacht (arbeitstäglich). Im Streitjahr beliefen sich die Nächtigungsgelder, die von der *** XY GmbH*** als nicht steuerpflichtig behandelt wurden (§ 26 Z 4 EStG 1988, § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988), auf insgesamt 2.430,00 Euro.
An den Wochenenden fuhr der Bf mit seinem Pkw regelmäßig nach Ungarn.
2. Beweiswürdigung:
Dass der Bf von der *** XY GmbH*** verschiedenen Betrieben in Tirol zur Beschäftigung überlassen wurde, ergibt sich aus einer aktenkundigen Aufstellung des Bf. Auch die aktenkundigen Unterkunftsbelege betreffen allesamt Unterkünfte in Tirol. Anderslautendes wurde vom Finanzamt nicht vorgebracht.
Aufgrund der widersprüchlichen Ausführungen des Bf im Hinblick auf die Bezahlung von Unterkünften sah sich das Bundesfinanzgericht dazu veranlasst, die *** XY GmbH*** diesbezüglich um Auskunft zu ersuchen, woraufhin deren Geschäftsführer mitteilte, im Streitjahr Nächtigungsgelder (15,00 Euro/Nacht; arbeitstäglich) in Höhe von insgesamt 2.430,00 Euro an den Bf geleistet zu haben. Dieser Betrag stimmt mit den aktenkundigen monatlichen Gehaltsabrechnungen exakt überein. Aus diesen Gehaltsabrechnungen sowie den ebenfalls aktenkundigen Lohnzetteln geht hervor, dass dieser Betrag steuerfrei ausbezahlt wurde. Das Bundesfinanzgericht nimmt es daher als erwiesen an, dass der Bf zwar Ausgaben für Unterkünfte getätigt hat, seitens der *** XY GmbH*** jedoch ein Nächtigungskostenersatz in der oben genannten Höhe geleistet wurde.
Zu den vom Bf beigebrachten (acht) Belegen ist anzumerken, dass diese zum Teil unvollständig (zB fehlende Datumsangaben) und nur schwer leserlich sind. Das Ersuchen des Finanzamtes um nochmalige Vorlage der Belege blieb seitens des Bf unbeantwortet. Wenn der Bf unter Hinweis auf die von ihm beigebrachten Belege vorbringt, 2.113,40 Euro an Unterkunftsgeber bezahlt zu haben, so ist hiezu zu bemerken, dass zwar die Summe der Belege annähernd mit diesem Betrag übereinstimmt, die Belege jedoch nicht allesamt das Streitjahr betreffen, wie etwa der Barbeleg "Haus ***Name***" (Nächtigungszeitraum: Teil des Monates Juli 2017, Rechnungsbetrag: 180,00 Euro). Das Bundesfinanzgericht nimmt es daher als erwiesen an, dass sich die Ausgaben des Bf für Unterkünfte im Streitjahr jedenfalls auf weniger als 2.000,00 Euro beliefen.
Die übrigen Feststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich aus den vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Bf.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I.:
Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Haushaltsaufwendungen sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind (vgl zB ; ). Einem Abgabepflichtigen kann die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung ua dann nicht zugemutet werden, wenn er nach der Beschaffenheit seines Arbeitsverhältnisses der konkreten Möglichkeit jederzeitiger Verwendung an einem anderen Beschäftigungsort ausgesetzt ist (vgl ), dh keine die Begründung eines Familienwohnsitzes rechtfertigende dauernde Arbeitsstelle vorliegt (vgl ). Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ist bei ständig wechselnder Arbeitsstätte (zB bei Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung) unzumutbar (vgl Zorn in Doralt et al, EStG21a § 16 Tz 202/1 bzw 202/5). Auch Aufwendungen für ein (Untermiet)Zimmer können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abzugsfähig sein (vgl ).
Im vorliegenden Fall war dem Bf eine tägliche Rückkehr zum ungarischen Familienwohnsitz aufgrund der großen Entfernung unzumutbar. Dem Bf war es auch unzumutbar, den Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort (bzw die Beschäftigungsorte) in Tirol zu verlegen, zumal er als Dienstnehmer eines Arbeitskräfteüberlassers im Streitjahr für verschiedene Betriebe tätig wurde und somit mit wechselnden Arbeitsstätten konfrontiert war. Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten sind daher dem Grunde nach als erfüllt anzusehen.
Zu beachten ist jedoch § 20 Abs 2 Teilstrich 1 EStG 1988, demzufolge bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden dürfen, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
Aufwendungen, die mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in einem klar abgrenzbaren, objektiven Zusammenhang stehen, sind bis zu deren Höhe nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Aus der Systematik des EStG ergibt sich, dass fehlender Steuerpflicht auf der einen Seite das Abzugsverbot auf der anderen Seite gegenübersteht (vgl zB ). Auch Werbungskosten, soweit sie in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit nicht steuerbaren Einnahmen gemäß § 26 EStG 1988 stehen, sind nicht abzugsfähig (vgl ).
Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören dort näher angeführte Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Eine Dienstreise liegt ua dann vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.
Gemäß § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 sind, soweit eine Berücksichtigung gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 nicht in Betracht kommt, vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder für die darin genannten Tätigkeiten, zu denen auch die Arbeitskräfteüberlassung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl 196/1988 zählt, unter dort näher geregelten Voraussetzungen steuerfrei.
Im vorliegenden Fall beliefen sich die Ausgaben des Bf für Unterkünfte (Zimmervermietungen) im Streitjahr auf weniger als 2.000,00 Euro. Dem standen vom Arbeitgeber monatlich ausbezahlte Nächtigungsgelder (15,00 Euro/Nacht; arbeitstäglich) von insgesamt 2.430,00 Euro im Streitjahr gegenüber. Diese wurden vom Arbeitgeber als nicht steuerpflichtig behandelt (§ 26 Z 4 EStG 1988, § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988). Da zwischen den Ausgaben des Bf und den vom Arbeitgeber ausbezahlten Nächtigungsgeldern ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im oben beschriebenen Sinn unzweifelhaft zu bejahen ist, sind die Ausgaben des Bf, die niedriger als die vom Arbeitgeber ausbezahlten Nächtigungsgelder waren, (vollumfänglich) vom Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs 2 Teilstrich 1 EStG 1988 erfasst.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II.:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weswegen eine Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101077.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at