Wohnrecht mindert nicht den gemeinen Wert einer Liegenschaft
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Grunderwerbsteuer 2015 EFNR ***1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Schenkungsvertrag vom , übertrug Dr. ***B*** seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***2***, KG ***3*** ***4*** an seine Schwester und Beschwerdeführerin, Frau Mag. ***Bf1***.
Der Vertrag wurde am vom Notar ***N*** zur Erfassungsnummer ***1*** dem Finanzamt angezeigt. Dem Vertrag wurde ein Gutachten der Firma ***O*** über die Bewertung eines Wohnrechtes von Frau ***C***, der Mutter der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge Bf) mit 200.326,00 € und ein Gutachten der Firma ***P*** über den Verkehrswert der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft iHv 181.447,00 € beigeschlossen.
Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde die Grunderwerbsteuer mit 3.175,32 € fest, wobei als Bemessungsgrundlage der halbe gemeine Wert der Liegenschaft, wie er im Gutachten der Fa. ***P*** ermittelt wurde, herangezogen wurde.
Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid wurde am Beschwerde eingebracht. Die Bf brachte im Wesentlichen vor, dass die schenkungsgegenständliche Liegenschaft mit einem Wohnrecht aus einem Schenkungsvertrag belastet sei und der Wert dieses Rechtes beim gemeinen Wert mindernd zu berücksichtigen sei. Dabei wurde eine Kopie des Wohnrechtsschenkungsvertrages und die Bewertung des Wohnrechtes durch das Immobilienbüro ***O*** zum mit 200.326,00 € vorgelegt
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Grunderwerbsteuerbescheid insoweit abgeändert, als nun Grunderwerbsteuer iHv 3.505,71 € festgesetzt wurde, und wurde wie folgt begründet: "Bemessungsgrundlage bei einer Schenkung gegen Übernahme von Verpflichtungen ist der gemeine Wert der übernommenen Verpflichtung, mindestens der gemeine Wert der Liegenschaft. Im gegenständlichen Fall wurde das eingeräumte Wohnrecht für ***C*** übernommen. Der Gesamtwert des Wohnungsrechtes beträgt € 200.326. Es erfolgt daher die Festsetzung der Grunderwerbsteuer von der übernommenen Gegenleistung in Höhe von € 100.163."
Am stellte die Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und beantragte die Herabsetzung der Höhe der Bemessungsgrundlage. Im Wesentlichen brachte die Bf vor, dass die Belastung des Grundstückes mit einem Wohnrecht eine Wertminderung darstelle und der gemeine Wert um den Wert der Verpflichtung zu vermindern sei. Die Bemessungsgrundlage sei dementsprechend herabzusetzen.
Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und gab folgende Stellungnahme ab:
"Gemäß § 4 Abs. 3 GreStG ist bei einem Erwerbsvorgang, der nicht zwischen nahen Angehörigen iSd § 7 Abs. 1 Z 1und 2 GrEStG stattfindet, vom gemeinen Wert iSd § 10 Abs. 1 BewG zu berechnen, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist oder die Gegenleistung geringer ist als der gemeine Wert des Grundstücks.
Zum Wertansatz des Wohnrechtes laut Beschwerdevorentscheidung ist auszuführen, dass dieser der Wertansatz lt. Beschwerdevorbringen iHv. € 200.326,--, anteilig € 100.163,--, zu Grund gelegt wurde, welcher jedoch nicht nach Maßgabe des § 16 BewG ermittelt wurde. Der Wert des Wohnrechtes ergibt kapitalisiert gemäß § 16 BewG einen Betrag von € 139.542,25, sohin anteilig € 69.771,13. Auch wenn das übernommene Wohnrecht als Gegenleistung iSd § 5 Abs. 2 Z 2 GreStG anzusehen ist, ist der gemeine Wert der erworbenen Miteigentumsanteile höher als der Wert des gem. § 16 BewG kapitalisierten Wohnrechts (€ 90.723,-- gem. Wert; € 69.771,13 Wohnrecht). Daher ist als Bemessungsgrundlage der gemeine Wert der erworbenen Miteigentumsanteile anzusetzen.
Zum gemeinen Wert ist auszuführen, dass bei dessen Ermittlung ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Nach § 10 Abs. 3 BewG sind als persönliche Verhältnisse Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind.
Danach handelt es sich beim gemeinen Wert um eine fiktive Größe, die mit Hilfe der Preisschätzung zu ermitteln ist (vgl. die Erk. vom 15. September1993, Zl. 91/13/0125 und vom , Zl. 90/15/0155), und zwar ausgehend von einem objektiven Maßstab (vgl. das Erk. vom , Zl. 87/15/0064). Der gemeine Wert wird gemäß § 10 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (vgl. die Erk. vom , Zlen. 92/16/0120-0122, und vom , Zl. 91/16/0125). Unter der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen, die dem zu bewertenden Wirtschaftsgut arteigen sind (vgl. z.B. Erkenntnis vom , Zl. 91/16/0044). Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse werden bei der Ermittlung des gemeinen Wertes hingegen nicht berücksichtigt (Rössler-Troll aaO. Rz 4 und 5 zu § 9 d. BewG; Twaroch-Frühwald-Wittmann, Komm. z. BewG, 2. Aufl., S 76 Anm. 1 zu § 10 Abs. 3 BewG). Derartige ungewöhnliche oder subjektive Verhältnisse liegen aber unter anderem dann vor, wenn die Liegenschaft von einem letztwillig eingeräumten Wohnrecht betroffen ist (Twaroch-Frühwald-Wittmann aaO. Anm. 4 und die dort zitierte Judikatur). Rechtlich nicht anders zu behandeln ist der Umstand, dass die Liegenschaft mit einem -am gleichen Tag wie die Liegenschaftsübertragung schenkungsweise eingeräumten -Wohnrecht belastet ist. Demnach hat die Bewertung so zu erfolgen, wie wenn die Belastung durch das Wohnrecht nicht bestünde (vgl. Erk. vom , Zl. 1984/59). Es wird beantragt, die Beschwerde abzuweisen und die Grunderwerbersteuer ausgehend vom gemeinen Wert der erworbenen Miteigentumsanteile entsprechend dem Wertansatz laut angefochtenem Bescheid festzusetzen."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Mit Schenkungsvertrag vom räumten die Geschwister ihrer Mutter an der Liegenschaft ein Wohnrecht ein.
Dr. ***B*** schenkte mit Schenkungsvertrag ebenfalls vom der Bf seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***2***, KG ***3*** ***4***. Auf eine auch nur teilweise Gegenleistung wird laut Punkt Viertens des Vertrages ausdrücklich verzichtet.
Laut Gutachten von der Firma ***P*** vom beträgt der Verkehrswert der gesamten Liegenschaft 181.447 €. Bei der Ermittlung wurde das Wohnrecht der Mutter nicht berücksichtigt.
Das Wohnrecht wurde laut Gutachten der Firma ***O*** basierend auf monatlichen Mietpreisen von 898 € netto und einer ferneren Lebenserwartung von 18,59 Jahren mit 200.326 € bewertet.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem dem Bundefinanzgericht vorgelegten Akt, insbesondere aus den übermittelten Urkunden und den vorgelegten Bewertungsgutachten, und ist unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Strittig ist, ob der Wert eines Wohnrechtes bei der Ermittlung des gemeinen Wertes zu berücksichtigen ist.
Die folgenden gesetzlichen Bestimmungen in der für den Beschwerdezeitraum maßgeblichen Fassung lauten auszugsweise:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen.
Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung (§ 5) zu berechnen. Gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 GrEStG 1987 ist - abweichend von Abs. 1 - die Steuer vom gemeinen Wert zu berechnen, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist oder die Gegenleistung geringer ist als der gemeine Wert des Grundstücks.
Gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 GrEStG 1987 gehören Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, ausgenommen dauernde Lasten, zur Gegenleistung.
Gemäß § 10 Abs. 2 BewG 1955 wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen. Gemäß § 10 Abs. 3 BewG sind als persönliche Verhältnisse auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Das gilt insbesondere für Verfügungsbeschränkungen, die auf letztwillige Anordnungen beruhen.
Gemäß § 16 BewG 1955 ergibt sich der Wert von Renten, wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen sowie dauernden Lasten, die vom Ableben einer oder mehrere Personen abhängen, aus der Summe der von der Erlebenswahrscheinlichkeit abgeleiteten Werte sämtlicher Rentenzahlungen, der einzelnen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen, sowie dauernden Lasten abzüglich der Zwischenzinsen (versicherungsmathematischer Berechnung). Dabei ist der Zinssatz gemäß § 15 Abs. 1 anzuwenden.
Im vorliegenden Fall wurde mit Schenkungsvertrag vom von beiden Geschwistern ein Wohnrecht an ihre Mutter eingeräumt.
Am selben Tag schenkte der Bruder an die Bf seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft. Es handelt sich daher nicht um einen Erwerbsvorgang unter nahen Angehörigen iSd § 7 Abs. 1 Z 1 und 2 GrEStG.
Laut Punkt Viertens des Vertrages wird auf eine auch nur teilweise Gegenleistung ausdrücklich verzichtet. Gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 GrEStG gehören jedoch Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, ausgenommen dauernde Lasten, zur Gegenleistung. Das Wohnrecht stellt eine solche Belastung dar, weil es als absolutes Recht gegenüber dem jeweiligen Eigentümer der belasteten Sache wirkt und damit kraft Gesetzes auf den Erwerber übergeht (vgl. ).
Das Wohnrecht ist gemäß § 16 BewG zu kapitalisieren. Der versicherungsmathematischen Berechnung wurde - wie im Gutachten der Firma ***O*** dargestellt - eine Miete für Wohnfläche und Garage iHv 898 €/Monat zu Grunde gelegt und ergab sich ein Wert von 139.542,25 €. Da die halbe Liegenschaft geschenkt wurde, geht eine Belastung iHv 69.771,13 € auf die Bf. über.
Da die Gegenleistung niedriger ist als der gemeine Wert des Grundstückes, ist gem. § 4 Abs. 2 Z 3 GrEStG die Grunderwerbsteuer vom gemeinen Wert zu berechnen.
Im Übrigen wäre die Grunderwerbsteuer ebenso vom gemeinen Wert zu berechnen, wenn das übernommene Wohnrecht nicht als Gegenleistung iSd § 5 Abs. 2 Z 2 GrEStG anzusehen wäre.
Beim gemeinen Wert handelt es sich um eine fiktive Größe, die mit Hilfe der Preisschätzung zu ermitteln ist (vgl. VwGH, , 91/13/0125); dabei ist von einem objektiven Maßstab auszugehen (vgl. VwGH, , 87/15/0064). Der gemeine Wert wird nach dem Gesetzeswortlaut durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Unter der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen, die dem zu bewertenden Wirtschaftsgut arteigen sind (vgl. VwGH, , 93/16/0186; VwGH, , 91/16/0044).
Bei der Ermittlung des gemeinen Wertes sind nach dem Gesetzeswortlaut ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen.
In seinem Erkenntnis vom (VwGH, , Ra 2016/16/0037) hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten: "Ein Wohnrecht ist bei der Ermittlung des gemeinen Wertes nach § 10 Abs. 2 BewG deshalb nicht zu berücksichtigen, weil unter der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes im Sinn des § 10 Abs. 2 BewG die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen sind, die dem zu bewertenden Wirtschaftsgut arteigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/16/0186, VwSlg 6890 F/1994) und es sich bei einem eingeräumten Wohnrecht um nicht zu berücksichtigende persönliche Verhältnisse im Sinn des § 10 Abs. 2 BewG handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0024 bis 0026)."
Im vorliegenden Fall handelt es sich beim an die Mutter eingeräumten Wohnrecht um nicht zu berücksichtigende persönliche Verhältnisse iSd § 10 Abs. 2 BewG. Der Wert des Wohnrechtes mindert daher - entgegen der Rechtsmeinung der Bf - nicht die Bemessungsgrundlage. Es bestehen keine Bedenken, den im Gutachten der Firma ***P*** ohne Berücksichtigung des Wohnrechtes ermittelten Verkehrswert der Liegenschaft als gemeinen Wert heranzuziehen. Auch wurde dieser Wert von keiner der Parteien des Verfahrens bestritten.
Gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 GrEStG ist die Grunderwerbsteuer vom unstrittigen gemeinen Wert des Hälfteanteils der Liegenschaft iHv 90.723,50 € zu berechnen.
Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer mit 3.175,32 € erfolgte zu Recht und war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und liegt somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 Abs. 2 Z 3 GrEStG 1955, Grunderwerbsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 140/1955 § 10 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 16 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 5 Abs. 2 Z 2 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 10 Abs. 2 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100637.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at