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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.07.2021, RV/7100954/2020

Aufwendungen für die Errichtung eines Personenliftes als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerden der ***Bf**, ***BfAdr***, vertreten durch Heissenberger Steuerberatungs GmbH, Wienerbruckstraße 97/6, 2344 Maria Enzersdorf, vom gegen die Bescheide des (damals zuständigen) Finanzamtes Baden Mödling , DI Wilhelm Haßlingerstraße 3, 2340 Mödling vom betreffend
die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 sowie
die Einkommensteuer 2018
zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang

***BfAdr***. Mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom bzw. (nach Wiederaufnahme des Verfahrens wegen nachträglich gemeldeter Zuwendungen) vom erfolgte die antragsgemäße Veranlagung zur Einkommensteuer der Beschwerdeführerin (kurz: Bf.)

In ihrem Anbringen vom beantragte die Bf. die Aufhebung ihres Einkommensteuerbescheides 2017 gemäß § 299 BAO mit der Begründung, dass wegen ihrer Behinderung im Jahr 2017 mit dem Bau eines Aufzugs begonnen wurde. Dafür entstanden aufgrund von Teilrechnungen bereits Kosten von EUR 54.004. Dem Antrag beigelegt war eine Aufstellung über die Kosten, welche in den Jahren 2017 und 2018 in Zusammenhang mit der Errichtung eines Außenliftes am Einfamilienhaus der Bf. entstanden, sowie ein Schreiben des Sozialministeriums vom , wonach der Grad der Behinderung der Bf. mit 70% festgestellt wurde.

Nachdem das Finanzamt sämtliche Rechnungen angefordert hatte, erließ es am einen Abweisungsbescheid, mit dem der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 abgewiesen wurde.

A/2. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom mit folgender Begründung:

"Es handelt sich um einen Personenlift, der im Einfamilienhaus der Steuerpflichtigen eingebaut wurde. Ein Treppenlift war aufgrund des zu schmalen Treppenaufgangs nicht möglich. Daher war es notwendig den Personenlift außen anzubringen und somit auch bauliche Veränderungen am Dach vorzunehmen. Auch musste damit die Möglichkeit geschaffen werden, den Lift mit einem Rollstuhl zu benutzen. Frau ***Bf** ist schwer gehbehindert und lebt in diesem Haus alleine.
Das Einfamilienhaus besteht aus einem Halbstock und 1. Stock. Der Halbstock bzw. Eingang ist über 10 Stufen von außen zu erreichen gewesen. Daher war es notwendig den Lift schon für den Zugang zu diesem Halbstock einzubauen, da die Steuerpflichtige nur so ins Haus gelangen kann.
Entscheidungen:
Aufwendungen für die Errichtung eines behindertengerechten Eigenheimes können als außergewöhnliche Belastung angesehen werden, soweit spezifisch behindertengerechte Baumaßnahmen gesetzt werden (
B 220/81).
Der Verfassungsgerichtshof hat den wegen der Behinderung erforderlichen Einbau eines Aufzuges in ein einstöckiges Haus als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Ein einstöckiges Haus erfährt nämlich dann, wenn es über einen Aufzug verfügt, keine Werterhöhung; vielmehr stellt das Vorhandensein eines Aufzuges, der nur Raum einnimmt und laufende Kosten verursacht, eher eine Wertminderung dar (
B 220/81).
Mehraufwand, der auf einer behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfeldes beruht, steht stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt (BFH ,
VI R 16/10). Da durch den Einbau eines Lifts in ein Einfamilienhaus kein entsprechender Gegenwert geschaffen wird, sondern ein verlorener Aufwand vorliegt, der bei einer unterstellten Verwertung des Gebäudes nicht abgegolten wird, sind derartige Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig (Renner, SWK 2010, S 275)."

Der Einbau des gegenständlichen Aufzugs sei zweifellos durch die Behinderung der Steuerpflichtigen veranlasst. Es sei unerheblich, ob er fallweise auch durch andere Personen benutzt werde. Auch ein etwaiger Gegenwert sei nicht zu prüfen. Die für die Errichtung des Aufzuges angefallenen Kosten seien somit ohne Selbstbehalt abziehbar.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem der Sachverhalt nochmals geschildert wurde.

A/3. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 gab die Bf. den Grad der Behinderung mit 70% an und beantragte tatsächliche Kosten auf Grund des Grades der Behinderung in Höhe von EUR 33.839,19 resultierend aus dem Einbau eines Personenliftes.

Mit Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigte das Finanzamt lediglich tatsächliche Kosten aus der eigenen Behinderung der Bf. von EUR 1.693 als außergewöhnliche Belastung.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom mit der bereits für 2017 vorgetragenen Begründung. Im anschließenden Vorhalteverfahren legte die Bf. neben der Baubewilligung für die Umbauten an ihrem Einfamilienhaus auch Fotos sowie Rechnungen vor. Die Frage der Finanzierung der Umbauten wurde damit beantwortet, dass die gesamten Kosten von Sparbüchern und Konto aus einer Erbschaft der Schwester der Bf. bezahlt wurden. Das Finanzamt forderte die Vorlage des kompletten Bescheides über den Grad der Behinderung sowie Nachweise über das Bestehen einer Gehbehinderung im Jahr 2017 (Befunde, ärztliches Attest) an. Dazu wurden ohne weitere Erläuterungen Kopien von drei Implantatpässen vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die Bf. ein interspinales Titanimplantat in der Lendenwirbelsäule trägt. Weiters hat sie in beiden Kniegelenken Totalendoprothesen (TEP), also künstliche Kniegelenke. Anstelle des vollständigen Bescheides über die Gehbehinderung wurden die Kopien von zwei Seiten (aus sechs) eines Schreibens vom Sozialministeriumservice beigebracht.

Über neuerliche Aufforderung des Finanzamtes, einen Nachweis über den Geldfluss der Finanzierung beizubringen, legte die Bf. diverse Gerichtsbeschlüsse (Einantwortungsbeschluss etc.) in der Verlassenschaftssache der verstorbenen Schwester der Bf. vor.

Am erließ das Finanzamt eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit der Begründung, dass die Aufwendungen mit den Mitteln aus einer Erbschaft bezahlt wurden und daher das Einkommen der Bf. nicht belastet hätten.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag der Bf. vom mit der Begründung, es sei nach der nahezu einhelligen Lehre unmaßgeblich, ob die Mittel zur Bestreitung einer außergewöhnlichen Belastung unmittelbar aus dem laufenden Einkommen, aus angesammelten Ersparnissen oder der Veräußerung von Vermögenswerten herrühren.

A/4. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt beide Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

B. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung den folgenden Sachverhalt zugrunde, der in den vom Finanzamt vorgelegten Akten abgebildet und unstrittig ist:

B/1. Die Bf., geboren 1939, lebt - eigenen Angaben zufolge alleine - in einem vormals ihr gehörigen Einfamilienhaus in der ***BfAdr***. Mit Schenkungsvertrag vom übereignete die Bf. das Haus ihrer Tochter. Die Bf. hat darin das lebenslange und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht und ist verpflichtet, sämtliche mit dem Einfamilienhaus verbundenen Erhaltungskosten sowie Betriebskosten zu tragen. Die Haustüre des Objektes ist im Hochparterre gelegen und vom Straßenniveau aus über 10 Treppenstufen erreichbar. Darüber befindet sich ein Obergeschoß.

Im Jahr 2017 wurden am Gebäude in der ***BfAdr*** größere Umbauarbeiten vorgenommen. In den vorgelegten Rechnungen wird das Bauvorhaben bezeichnet mit "Liftzubau und Errichtung Terrasse". Es wurde am Gebäude straßenseitig ein Außenlift in einer Stahl-Glaskonstruktion mit einer Tragkraft von 630 kg/ 8 Personen errichtet und bis übers Dach hochgezogen. Der Personenlift hat 3 Haltestellen (Straßennivau, Hochparterre und Obergeschoß) und ist direkt vom vor dem Haus verlaufenden Gehsteig durch eine versperrbare Schiebetüre zu betreten.

Die Aufstellung des Personenaufzuges wurde mit Bescheid vom baubehördlich bewilligt, wobei diverse gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsmaßnahmen auferlegt wurden.

Bei den Umbauten wurde weiters ein bestehendes ebenerdiges Fenster zu einer Terrassentüre durchgebrochen und eine gemauerte Terrasse errichtet. Es wurden umfangreiche Elektroarbeiten vorgenommen, eine Balkontüre samt Rolladen eingebaut, Fenster erneuert und sonstige mit den Umbauten in Zusammenhang stehende Bauarbeiten durchgeführt.

Die Umbauplanungen begannen im Frühjahr 2017, die Schlussrechnungen wurden im Frühjahr 2018 gelegt. Das gesamte Bauvolumen belief sich auf EUR 85.217, wobei EUR 54.004 im Jahr 2017 und EUR 31.213 im Jahr 2018 bezahlt wurden (letzte Rechnung: ). Die Rechnungen lauten teilweise auf den Namen der Bf., teilweise auf den Namen ihres Sohnes ***1***.

B/2. Am beantragte die Bf. die Ausstellung eines Behindertenpasses. Mit Schreiben vom teilte das Sozialministeriumservice der Bf. mit, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 70% festgestellt wurde. Die durchgeführte Begutachtung ergab degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates mit zunehmender Funktionseinschränkung vor allem in der voroperierten Wirbelsäule. Aufgrund der zunehmenden Claudicatio spinalis (Anm: Verengung des Wirbelkanals) ist die Gehstrecke wesentlich eingeschränkt. Zusätzlich leidet die Bf. an einer mäßigen Hypertonie (Anm: Bluthochdruck).
Weitere Unterlagen betreffend die Behinderung legte die Bf. nicht vor, weder das vollständige Schreiben des Sozialministeriumservice noch das darin angesprochene Gutachten und auch nicht sonstige ärztliche Bestätigungen.

Das Finanzamt forderte einen Nachweis über das Bestehen einer Gehbehinderung im Jahr 2017 in Form von ärztlichen Attesten oder Befunden an. Dazu legte die Bf. kommentarlos die Kopien von drei Implantatpässen vor. Daraus ist ersichtlich, dass die Bf. ein Implantat in der Lendenwirbelsäule sowie zwei künstliche Kniegelenke hat.

Die Bf. hat die Kosten der Umbauten ihren eigenen Angaben zufolge mit den Mittel aus einer Erbschaft von ihrer Schwester getätigt. Dazu legte sie neben der Sterbeurkunde der Schwester aus 2016 auch Gerichtsbeschlüsse vor, aus denen ersichtlich ist, dass die Bf. im Dezember 2016 von ihrer Schwester neben Liegenschaften auch Wertpapiere und Bargeld von rund EUR 120.000 erbte.

C. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

C/1. Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Diese Voraussetzungen müssen gleichzeitig gegeben sein. Fehlt daher beispielsweise das Merkmal der Zwangsläufigkeit, erübrigt sich eine Prüfung der übrigen Voraussetzungen.

Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst. Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Abgabepflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Tatsächliche Gründe sind in der Person des Steuerpflichtigen gelegene Gründe, die ihn unmittelbar selbst, zB. durch Krankheit oder Körperbehinderung, treffen.

Die Zwangsläufigkeit ist stets nach den Umständen des Einzelfalls und nach objektiven Kriterien zu beurteilen; persönliche Vorstellungen des Steuerpflichtigen sind nicht maßgeblich. Zwangsläufigkeit liegt damit nicht vor, wenn eine Aufwendung freiwillig erfolgt, sondern nur dann, wenn sich der Steuerpflichtige der konkreten finanziellen Belastung nicht entziehen kann.

C/2. Gemäß § 299 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

§ 299 BAO gestattet Aufhebungen, wenn der Bescheid sich als nicht richtig erweist. Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, die bloße Möglichkeit reicht nicht ().

Die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit setzt daher grundsätzlich die (vorherige) Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (etwa ; siehe auch Ritz, BAO6, § 299 Rz 9 ff.).

C/3. Für das Jahr 2017 ist somit vorweg zu prüfen, ob der Einkommensteuerbescheid vom , dessen Aufhebung beantragt wurde, unrichtig ist. Wie bereits dargestellt erfolgte dieser Bescheid erklärungsgemäß. Erst nachträglich beantragte die Bf. die Anerkennung der Kosten diverser Umbauten in ihrem Einfamilienhaus als außergewöhnliche Belastung mit Hinweis auf ihre Behinderung.

Durch Krankheit verursachte Aufwendungen sind außergewöhnlich im Sinn des § 34 Abs 1 EStG 1988 und sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Der Begriff der Krankheitskosten ist weit auszulegen. Darunter fallen neben Arzt- und Krankenhauskosten auch Medikamentenkosten sowie Kosten für Heilbehelfe und Hilfsmittel. Kosten für Hilfsmittel sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen oder zu mildern. Darunter fallen Gegenstände wie Brillen, Krücken, Rollstühle, aber auch Treppenlifte oder sanitäre Einrichtungen, die ausschließlich für Behinderte konzipiert sind. Um kein Hilfsmittel handelt es sich hingegen bei einem Wirtschaftsgut, das sich von einem handelsüblichen Gebrauchsgegenstand nicht unterscheidet und für jedermann nutzbar ist (vgl. zB Jakom EStG 2018, § 35 Rz 26).

Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses können nach Lehre und Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 34 Rz 19/2).

Zwangsläufigkeit bedeutet einen Umstand, dem sich der Steuerpflichtige aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Bezogen auf Krankheitskosten sind Aufwendungen insofern zwangsläufig erwachsen, als es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl zB ). Krankheitskosten können nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie mit einer konkreten Heilbehandlung verbunden sind, nicht hingegen, wenn sie bloß der Vorbeugung von Krankheiten dienen.​ Die Errichtung eines Personenlifts kann dem Grunde nach nur dann zwangsläufig sein, wenn der Abgabepflichtige aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung ohne den Lift nicht mehr in der Lage wäre, in seine Wohnung zu gelangen bzw. in der Wohnung zu leben.

C/4. Bei den im Jahr 2017 im Haus der Bf. durchgeführten Umbauarbeiten handelt es sich einerseits um den Anbau eines Außenliftes mit einer Tragkraft für 8 Personen und andererseits um den Anbau einer ebenerdig gelegenen Terrasse samt Fensterdurchbruch und Einbau einer Balkontüre. Die Arbeiten wurden im Zuge eines gemeinsamen Umbauprojektes durchgeführt.

Für die Neuerrichtung der Terrasse wurde eine Zwangsläufigkeit von der Bf. weder dargelegt noch ist sie in irgendeiner Art und Weise aus der Aktenlage erkennbar. Es wurden ohne weitere Erklärung lediglich zwei Fotos vorgelegt, die eine Anschauung vermitteln. Danach handelt es sich um eine gemauerte und mit Steinplatten belegte Terrasse zum Garten hin, wie sie bei Einfamilienhäusern bzw. Erdgeschoßwohnungen standardmäßig üblich ist.

Da derartige Aufwendungen zur normalen Lebensführung gehören, fehlt ihnen von vornherein das Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Ebenso ist eine Zwangsläufigkeit im Zusammenhang mit einer Erkrankung der Bf. nicht einmal behauptet worden. Soweit die Umbaukosten auf die Errichtung der Terrasse entfallen, kommt eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung bereits deshalb nicht in Betracht.

C/5. Kosten für die Errichtung des Außenlifts könnten unter bestimmten Voraussetzungen als zwangsläufig erwachsen angesehen werden (siehe etwa RV/0193-K/12). Im vorliegenden Fall scheitert eine Anerkennung aber bereits daran, dass die Bf. die Zwangsläufigkeit eines Personenliftes nicht belegte. Sie wurde vom Finanzamt aufgefordert, für 2017 Nachweise über die Gehbehinderung in Form von Gutachten, ärztlichen Attesten oder ähnliches zu erbringen.

Die Bf. begnügte sich aber mit der kommentarlosen Vorlage der Kopien von drei Implantatpässen. Daraus ist ersichtlich, dass die Bf. zwei künstliche Kniegelenke sowie ein Implantat in der Lendenwirbelsäule hat. Daraus allein ist aber keineswegs ersichtlich, dass 2017 eine derart gravierende Gehbehinderung vorlag, dass die Benützung von Treppenstufen nicht mehr möglich gewesen wäre.

Somit ist es nicht gelungen, die Gewissheit der Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides 2017 nachzuweisen, dessen Aufhebung die Bf. beantragte. Der Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom ist daher zu Recht ergangen. Die Beschwerde dagegen ist als unbegründet abzuweisen.

C/6. Die im Jahr 2018 beantragten Aufwendungen von EUR 31.213 betreffen die gleichen Umbauarbeiten wie 2017. Strittig ist, ob die Kosten der Umbauarbeiten, speziell für die Errichtung des Lifts auf Grund der Erkrankung der Bf. zwangsläufig erwachsen waren.

Soweit die Aufwendungen mit der Neuerrichtung der Terrasse in Zusammenhang stehen, gelten die obenstehenden, für 2017 getroffenen Feststellungen ebenso für 2018. Eine Anerkennung derartiger Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung kommt daher nicht in Betracht.

Für die Errichtung des Personenliftes gilt ebenso, dass für eine Anerkennung derartiger Kosten als außergewöhnliche Belastung die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen gegeben sein muss. Die Bf. müsste also dartun, dass sie bereits im Zeitpunkt des Lifteinbaus nicht mehr in der Lage war, Treppen zu steigen und ihr Haus ohne Zuhilfenahme eines Personenlifts zu bewohnen.

Derartiges ist aus dem Vorbringen der Bf. und den von ihr eingereichten Unterlagen aber nicht erkennbar. Wie bereits ausgeführt hat die Bf. trotz Aufforderung durch das Finanzamt keinerlei ärztliche Atteste, Befunde, Arztbriefe oder ähnliche medizinische Unterlagen über ihre Krankheit bzw. Behinderung vorgelegt. Das einzige von ihr beigebrachte Schriftstück ist ein Auszug eines Schreibens des Sozialministeriumservice vom , mit welchem ihr mitgeteilt wurde, dass auf Grund ihres Antrages vom der Grad ihrer Behinderung mit 70% festgestellt wurde. Das Ergebnis der Begutachtung wird beschrieben mit "degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates mit zunehmender Funktionseinschränkung vor allem in der voroperierten Wirbelsäule; oberer Rahmensatz, da wesentlich eingeschränkte Gehstrecke aufgrund der zunehmenden Claudicatio spinalis."

Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Bf. unter Bewegungseinschränkungen leidet. Dem vorgelegten Schreiben ist nicht zu entnehmen, seit wann diese Einschränkungen bestehen. Das Schreiben lässt aber die Interpretation zu, dass die Einschränkungen fortschreiten. Es ist zwar von einer eingeschränkten Gehstrecke die Rede, daraus lässt sich aber keineswegs ableiten, dass die Bf. bereits 2017 und 2018 nicht mehr in der Lage war, die Stufen zu ihrem Haus eigenständig zu überwinden. Aus der Aktenlage ist kein Hinweis darauf erkennbar, dass die Bf. eine Gehhilfe wie Gehstock oder Rollator benötigte oder überhaupt auf einen Rollstuhl angewiesen wäre. Auch ein Bezug von Pflegegeld ist nicht aktenkundig.

Ein Steuerpflichtiger, der eine Begünstigung, somit auch eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung, in Anspruch nimmt, hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe dafür einzeln anzuführen und zumindest glaubhaft zu machen sind (vgl. zB ).

Dem ist die Bf. trotz behördlicher Aufforderung nicht nachgekommen. Das bedeutet, dass für den Zeitraum vom Beginn der Errichtung des Lifts bis zu dessen Fertigstellung das Vorliegen der Zwangsläufigkeit für dessen Errichtung auf Grund einer Erkrankung der Bf. nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wurde.

Die vorsorgliche Anschaffung eines Hilfsmittels, das in Zukunft auftretende oder sich verschlechternde gesundheitliche Beeinträchtigungen mildern soll, begründet keine Zwangsläufigkeit im Sinn des § 34 EStG 1988. Den Kosten für die Lifterrichtung fehlt es daher bereits am Merkmal der Zwangsläufigkeit im Sinn des § 34 Abs 1 EStG 1988 (siehe ).

C/7. Selbst wenn jedoch die Zwangsläufigkeit der Errichtung des gegenständlichen Personenliftes erwiesen wäre, käme dem Beschwerdebegehren dennoch keine Berechtigung zu.

Unter Belastungen im Sinn des § 34 EStG 1988 sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden (vgl. , m.w.N.). Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. , m.w.N.).

Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind somit in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Eine andere Beurteilung kann dann geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (zB deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifischen nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (zB Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl. nochmals , m.w.N.).

C/8. Der gegenständliche Personenlift ist keine nur für Behinderte geeignete Anlage, sondern ein in Stahl-Glaskonstruktion an das Wohnhaus angebauter Außenlift für bis zu 8 Personen. Optisch gleicht der Lift jenen, wie sie an vielen Mehrparteienhäusern, bei denen nachträglich Lifte angebaut werden, zu sehen sind. Der Lift kann vom Straßenniveau (Gehsteig) aus betreten werden und hat Haltestellen in beiden Geschoßen des Wohnhauses. Er hat nicht nur für körperlich eingeschränkte Personen einen Wert, sondern kann auch zum Transport von Einkäufen und sonstigen Lasten benutzt werden. Auch für andere bzw. zukünftige Bewohner des Gebäudes stellt der Lift einen Wert dar, weil er barrierefreies Wohnen ermöglicht. Dem Aspekt der Barrierefreiheit kommt im Hinblick auf die demographische Entwicklung der Bevölkerung (steigende Lebenserwartung) zunehmende Bedeutung zu, ist aber auch etwa für Familien mit Kleinkindern relevant. Barrierefreiheit stellt ein Qualitätsmerkmal dar, das auch am Immobilienmarkt entsprechend angepriesen und honoriert wird ().

Nach der aktuellen höchstgerichtlichen Rechtsprechung führt die Errichtung eines herkömmlichen Personenliftes jedenfalls zu einem entsprechenden Gegenwert, weshalb durch dessen Errichtung keine Vermögensminderung, sondern eine bloße Vermögensumschichtung eintritt ().

Die Kosten für die Errichtung des Lifts können daher auch aus diesem Grund nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (siehe ). Die Frage der Finanzierung der Aufwendungen für die Umbauten muss daher nicht mehr geprüft werden.

Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Zur gegenständlichen Rechtsfrage, nämlich welche Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100954.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at