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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 19.07.2021, RV/7102229/2019

Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Eckhardt Wirtschaftsprüfung und SteuerberatungsgmbH, Hauptstraße 58, 7033 Pöttsching, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Abweisung des Antrages gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides zu Einkommensteuer 2008 und des Einkommensteuerbescheides 2008, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) erklärte als Handelsvertreter in den Jahren 2006 - 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und entsprechende Umsätze. Aufgrund von Ermittlungen der Finanzpolizei wurde der Abgabenbehörde bekannt, dass die erhaltenen Provisionen bisher steuerlich nicht vollständig erfasst wurden.

In der Folge ergingen im wiederaufgenommenen Verfahren neue Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für 2006 - 2014. Der gegenständliche Wiederaufnahmebescheid und der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 ist mit datiert. Der Einkommensteuerbescheid verwies zur Begründung auf die Niederschrift der Finanzpolizei.

Die Beschwerde vom gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens richtete sich gegen die mangelhafte Begründung der Ermessensentscheidung. Eine Begründung habe die maßgebenden Überlegungen zu enthalten. Nur formelhaft auf den Grundsatz des Vorranges der Rechtsrichtigkeit zu verweisen, verstoße gegen die Begründungspflicht. Es sei nicht nachvollziehbar und überprüfbar, dass das Interesse an der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem an der Rechtsbeständigkeit überwiege.

In der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 verwies der Bf auf die Niederschrift vom der Finanzpolizei. Zwischen Auftraggeber und ihm sei kein schriftlicher Vertrag erstellt worden. Das Handy, sämtliche Werbeunterlagen, sonstige Unterlagen und die Termine bei Kunden seien vom Auftraggeber vorgegeben gewesen und mussten diese Termine beim Kunden wahrgenommen werden. Er habe nur einen Auftraggeber gehabt. Es sei kontrolliert worden, ob er die vorgegebenen Termine beim Kunden erledigt habe. Der Arbeitsaufwand habe in der Woche ca 50 Stunden betragen. Der Verkaufspreis und die Provision seien vorgegeben gewesen. Die Auftragnehmer seien zu Weihnachtsfeiern eingeladen worden.

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen sei bei diesem Vertragsverhältnis ein Dienstverhältnis zu unterstellen, sodass eine Einkommensteuerpflicht für die zugeflossenen Provisionen nicht vorgelegen sei.

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde ab. Begründend führte das Finanzamt hinsichtlich der Wiederaufnahme aus, dass aus den Unterlagen der Finanzpolizei neu hervorgekommen sei, dass der Behörde nicht sämtliche Erlöse offengelegt worden seien. Laut diesen Unterlagen habe der Bf im Jahr 2008 insgesamt Provisionen von 85.219,51 Euro ohne Umsatzsteuer erhalten, er habe jedoch der Behörde nur 44.113,08 Euro erklärt.

Zum Einkommensteuerbescheid hielt das Finanzamt fest, dass es sich um Nettobeträge handle. Das bedeute, dass sich der Rechnungsaussteller vom Gesamtbetrag die Vorsteuer abgezogen habe. Der Argumentation, dass es sich bei den ausgeführten Arbeiten um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit handelt, könne nicht gefolgt werden.

Für die Beurteilung, ob steuerlich ein Dienstverhältnis bestehe oder bestanden habe, sei daher immer vom wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern auszugehen. Maßgebend seien weder die Bezeichnung noch subjektive Gesichtspunkte, sondern ausschließlich die objektiven Umstände ().

Tatsache sei, dass der Bf einen Großteil dieser Provisionen als gewerbliche Einkünfte dem Finanzamt gegenüber erklärt habe und diese Einnahmen auch der Umsatzsteuer unterzogen habe. Es widerspreche jeder Erfahrung des täglichen Lebens, dass ein Teil der Provisionen als gewerbliche Einkünfte und ein Teil als nichtselbstständige Einkünfte zugeflossen sein sollen. Bei den nichtselbständigen Einkünften handle es sich im vorliegenden Fall um die nicht erklärten Umsätze. Der Bf habe auch keine Unterlagen vorgelegt, die auf eine Umqualifizierung von GSVG auf ASVG schließen lasse. Es sei kein Grund zu erkennen, warum bei den nicht erklärten Einkünfte keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen sollten.

Am brachte der Bf per Fax einen Vorlageantrag ein, welcher im Rechtsmittelverfahren mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts als verspätet zurückgewiesen wurde ().

In der Folge beantragte der steuerliche Vertreter mit Eingabe vom gemäß § 299 BAO die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides und des Einkommensteuerbescheides 2008 vom , da die Bescheidsprüche rechtswidrig seien. Er führte aus, dass keineswegs ein Teil der Provisionen als nichtselbständige Einkünfte geflossen sei, sondern es seien sämtliche Provisionen als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu werten.

Der Bf habe
- kein freies Vertretungsrecht
- eine Weisungsbindung hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und des arbeitsbezogenen Verhaltens
- eine Einbindung in die Organisation und Vorgabe sämtlicher Termine und Preise

Auch der Verwaltungsgerichtshof habe bei Handelsvertretern mit diesen Vorgaben ein Dienstverhältnis im Sinne des Ertragssteuerrechtes angenommen. Auch im vorliegenden Fall sei Grundlage der Entlohnung ein Dienstverhältnis. Das Finanzamt sei auf die Einwendungen nicht eingegangen. Außerdem sei die Ablehnung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unverständlich, da auf Seiten des Finanzamtes eine Reihe von Fehlern passiert seien.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme habe der VfGH § 304 BAO mit aufgehoben (G 131/2017), da die Anknüpfung der Antragsfrist an die Verjährungsfrist nicht ausreichend sachlich begründet sei. Der Gesetzgeber werde eine neue Lösung zu finden haben und sollte klarstellen, dass auch im Falle der Wiederaufnahme auf Antrag die Frage der Neuerung aus Sicht der Abgabenbehörde zu beurteilen sei.

Da der Antrag gemäß § 299 BAO im Ermessen der Behörde liege, sei § 20 BAO erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Bei der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens differenziere die Verwaltungspraxis - im Einklang mit höchstgerichtlicher Judikatur und herrschender Lehre - zwischen der Entscheidung, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliege, und wie in der Folge von dem im § 303 BAO eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen sei. Die Wiederaufnahme über Parteiantrag sehe eine Abwägung iSd § 20 BAO nicht vor, sondern sei zwingend zu verfügen, sofern einer der Wiederaufnahmegründe nachgewiesen werden könne. Zur Herstellung der Rechtsrichtigkeit sei im gegenständlichen Verfahren deshalb im Sinne des Ermessens jedenfalls eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu verfügen.

Diese Aussagen für § 303 BAO seien im Bereich des Ermessens auch auf § 299 BAO anzuwenden.

Ausschließliches Ziel der Wiederaufnahme sei die Herstellung der Rechtsrichtigkeit. Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG seien Ermessensentscheidungen im Sinne des Gesetzes zu treffen. Nach neuerer Auffassung werde damit kein Entscheidungsrahmen abgesteckt, sondern die Verpflichtung formuliert, den Sinn der Ermessensnorm unter Einbeziehung des gesetzlichen Umfeldes, aber auch der konkret zu beurteilenden Sachlage zu hinterfragen, um nach Möglichkeit nur zu einer (richtigen) Entscheidung zu gelangen. Ermessensentscheidungen bedürfen in jedem Fall einer besonderen Begründung und zwar nicht nur hinsichtlich des der Beurteilung des Sachverhaltes, sondern auch hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben.

Die genannten Bescheide seien daher gemäß § 299 BAO aufzuheben.

Dem Aufhebungsantrag ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend Paketzusteller beigelegt (BVwG , W178 2003948-1), in der auf mehrere Judikate des VwGH verwiesen wird, wonach bei von der Finanzbehörde festgestellter Lohnsteuerpflicht bindend auch eine Sozialversicherungspflicht nach ASVG bestehe. Das BVwG bestätigte daher die Dienstnehmereigenschaft der Paketzusteller.

Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag vom auf Aufhebung gemäß § 299 BAO ab.

Zur Wiederaufnahme wurde ausgeführt:

Gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2008 wendete der Bf die Rechtswidrigkeit des Bescheides durch falsche Subsumption der Einkünfte, trotz eindeutiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ein. Hierbei handle es sich um Argumente hinsichtlich der rechtlichen Würdigung eines vorliegenden Sachverhaltes. Da der Wiederaufnahmebescheid lediglich über die Neudurchführung des materiellrechtlichen Festsetzungsbescheides aufgrund neuhervorgekommener Tatsachen und Beweismittel abspreche, würden diese Einwendungen keine Rechtswidrigkeit des Wiederaufnahmebescheides aufzeigen.

Auch in Hinblick auf den Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit des § 304 BAO sei eine Rechtswidrigkeit des Wiederaufnahmebescheides iSd § 299 BAO nicht nachvollziehbar. Die Verjährungsfrist des § 304 BAO berühre den gegenständlichen Wiederaufnahmebescheid nicht.

Den Einwendungen gegen den Abweisungsbescheid betreffend den Wiedereinsetzungsantrag fehle der Zusammenhang mit dem bekämpften Wiederaufnahmebescheid.

Ein rechtswidriger Wiederaufnahmebescheid liege nicht vor.

Zum Einkommensteuerbescheid 2008:

Aus den Erhebungen der Finanzpolizei gehe eindeutig die Nichtversteuerung erhaltener Provisionen hervor. Der Bf sehe die Rechtswidrigkeit in der unrichtigen Qualifizierung der Einkunftsart. Die Behörde habe die nicht versteuerten Provisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt, da der Bf einen Großteil seiner Provisionen ebenfalls bereits als gewerbliche Einkünfte erklärt habe. Für eine Provisionsvereinnahmung im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit habe der Bf keine geeigneten Unterlagen vorlegen können.

Das Rechtsmittelverfahren für 2006 - 2014 betreffend die Qualifikation der Einkünfte sei beim Bundesfinanzgericht noch offen. Die Aufhebung eines Bescheides nach § 299 BAO setze die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, was derzeit noch nicht festgestellt werden könne. Es liege somit kein Anwendungsfall des § 299 BAO vor.

Die Aufhebung nach § 299 BAO liege im Ermessen der Abgabenbehörde. Wiederum komme auch hier dem Prinzip der Rechtmäßigkeit eine zentrale Bedeutung zu. Das Ermessen richte sich vorrangig nach dem Zweck der Norm. Dieser Zweck sei gegenständlich die richtige Besteuerung der festgestellten Provisionen, welche nach Ansicht der Behörde als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren seien.

Da der Einkommensteuerbescheid 2008 somit in seinem Spruch nicht unrichtig sei, sei der Antrag gemäß § 299 BAO aus Rechtsgründen, denen auch die vom Zweck der Norm geleitete Ermessensübung zu folgen habe, abzuweisen.

In der Beschwerde vom verwies der Bf auf die Ausführungen des Aufhebungsantrages und ergänzte:

In unzähligen Fällen seien bei GPLA-Prüfungen Handelsvertreter rückwirkend in Dienstverhältnisse umqualifiziert worden. Es sei unverständlich, dass dies im vorliegenden Fall nicht möglich sei. Es könne auch nicht sein, dass der Bf Prüfungsschritte bei seinem Auftraggeber zu setzen habe, vielmehr wäre die Behörde angehalten, den Sachverhalt beim Auftraggeber zu überprüfen. Es würden keine Verträge vorliegen, aber selbst bei einem schriftlichen Vertrag sei aufgrund des wirtschaftlichen Gehalts ein Dienstverhältnis festzustellen.

In der Folge erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung vom . Nach der Darlegung des Verfahrensablaufes und der Rechtslage führte das Finanzamt aus, dass an der Rechtsmeinung des Abweisungsbescheides festgehalten werde.

Zum Antrag auf Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides:

Strittig sei die rechtliche Qualifizierung der Provisionen, welche durch die Erhebungen der Finanzpolizei bekannt geworden seien. Dieser neu hervorgekommene Sachverhalt habe zur Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2008 geführt. Die Behörde weise nochmals darauf hin, dass der Wiederaufnahmebescheid lediglich über die Neudurchführung des materiellrechtlichen Festsetzungsbescheides aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel abspreche. Die Einwendungen des Bf würden sich aber auf die rechtliche Würdigung des neu hervorgekommenen Sachverhaltes beziehen und würden daher keine Rechtswidrigkeit des Wiederaufnahmebescheides aufzeigen. Die festgestellten nicht erklärten Einkünfte seien neu hervorgekommene Tatsachen bzw neu hervorgekommene Beweismittel und sei damit die Voraussetzung der Wiederaufnahme von Amts wegen erfüllt. Die folgende rechtliche Würdigung dieses Sachverhaltes sei nicht Tatbestand des § 299 BAO im Wiederaufnahmeverfahren.

Auch das Vorbringen der Beschwerde sei nicht geeignet, zu einer Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides zu führen. Andere Fälle mit rückwirkender Feststellung von Dienstverhältnissen können sich auf den gegenständlichen Fall nicht auswirken. Hier sei der individuelle Sachverhalt rechtlich gewürdigt worden und es könne auf anders gelagerte und unzusammenhängende Fälle nicht eingegangen werden. Dass ein schriftlicher Vertrag nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu einer Qualifizierung als Dienstverhältnis führen würde, sei kein sachliches Argument, sondern lediglich eine Mutmaßung.

Dem Vorbringen betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehle der Zusammenhang mit dem bekämpften Wiederaufnahmebescheid.

Zum Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008:

Die Behörde habe die Vereinnahmung der bisher nicht versteuerten Provisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt, da der Bf einen Großteil der Provisionen ebenfalls bereits als gewerbliche Einkünfte erklärt habe. Der Bf habe keine geeigneten Unterlagen, die für eine nichtselbständige Tätigkeit sprechen, vorgelegt. Der Einwand bezüglich der Umqualifizierung im Rahmen von GPLA Prüfungen könne für sich nicht zu einer Aufhebung des Einkommensteuerbescheides führen. Es könne nicht beurteilt werden, welche Tatsachen und Beweismittel anderen Prüfungsfällen zugrunde liegen. Aus den vorliegenden Umständen könne kein von der bisherigen rechtlichen Qualifizierung abweichender wirtschaftlicher Gehalt abgeleitet werden. Die Aufhebung eines Bescheides nach § 299 BAO setze die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, wofür die Behörde keinen Anlass sehe.

Die Aufhebung nach § 299 BAO liege im Ermessen der Abgabenbehörde, wobei dem Prinzip der Rechtmäßigkeit eine zentrale Bedeutung zukomme. Das Ermessen richte sich vorrangig nach dem Zweck der Norm, welcher gegenständlich die richtige Besteuerung der festgestellten Provisionen sei.

Die Provisionseinnahmen seien unter die gewerblichen Einkünfte zu subsumieren. Der Einkommensteuerbescheid sei somit in seinem Spruch nicht unrichtig und sei der vorliegende Antrag gemäß § 299 BAO aus Rechtsgründen, denen auch die vom Zweck der Norm geleitete Ermessensübung zu folgen habe, abzuweisen.

Der Bf beantragte mit Eingabe vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

An der Seitens des Bf beantragten mündlichen Verhandlung am nahmen weder ein Vertreter der belangten Behörde noch der Bf persönlich teil. Der steuerliche Vertreter erstattete kein weiteres Vorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Wiederaufnahmebescheid vom führte in der Begründung an, dass die im Sachbescheid näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommenen seien, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Hinsichtlich des Ermessens verwies die Abgabenbehörde darauf, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit überwiege und die Auswirkungen nicht als geringfügig anzusehen seien.

Im Einkommensteuerbescheid vom wurde begründend die Niederschrift der Finanzpolizei angeführt, die mit dem Bf über bisher nicht erklärte Provisionen aufgenommen wurde.

Fest steht, dass dem Bf im Jahr 2008 Provisionen in Höhe von 85.219,51 Euro für seine Tätigkeit als Handelsvertreter zugeflossen sind, die nur zum Teil in seiner Einkommensteuererklärung bzw. im Einkommensteuerbescheid vom erfasst waren.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt und die Beweiswürdigung sind dem Erkenntnis des BFG zu GZ RV/7101977/2018, zu entnehmen, mit dem über die Beschwerde des Bf gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2008 sowie gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2006, 2007, 2009 bis 2014 und die entsprechenden Wiederaufnahmebescheide abgesprochen wurde.

Strittig ist, ob die Provisionen des Bf zu Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb dem Einkommensteuerbescheid 2008 zugrunde gelegt wurden, und ob zu Recht eine Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte. Der Bf erachtete den Einkommensteuerbescheid sowie den Wiederaufnahmebescheid als rechtswidrig, da
- bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ein Dienstverhältnis anzunehmen sei
- die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages völlig unverständlich sei
- der VfGH § 304 BAO aufgehoben habe
- im Falle der Wiederaufnahme auf Antrag die Frage der Neuerung aus der Sicht der Abgabenbehörde zu beurteilen sein sollte
- eine Aufhebung nach § 299 BAO im Ermessen liege; eine Wiederaufnahme auf Antrag keine Abwägung iSd § 20 BAO vorsehe, sondern bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen zwingend vorzunehmen sei
- im Sinne des Ermessens zur Herstellung der Rechtsrichtigkeit eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu verfügen sei, was auch auf § 299 BAO anzuwenden sei

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

Die Sache, über die anlässlich der Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, wird bei der beantragten Aufhebung durch die Partei im Aufhebungsantrag festgelegt (vgl. ; , 2011/15/0190 etc.). Sie bestimmt den zu beurteilenden Aufhebungsgrund, indem sie im Aufhebungsantrag angibt, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet (vgl. auch ).

Zum Antrag auf Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Da feststeht, dass im Erstbescheid vom nicht berücksichtigte Provisionen durch Ermittlungen der Finanzbehörde im Jahr 2016 neu hervorgekommen sind und dieser Umstand einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, hat die belangte Behörde zu Recht die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2008 verfügt. Der Spruch des Wiederaufnahmebescheides ist richtig.

a. Der Bf beantragte die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides wegen der - seiner Meinung nach - unrichtigen Qualifikation der Einkünfte. Dem ist zu entgegnen, dass der Wiederaufnahmebescheid sich auf neu hervorgekommene zusätzlich vereinnahmte Provisionen stützt. Die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, wie die Subsumption der Provisionen unter die Einkünfte aus Gewerbetrieb, ist hingegen kein Wiederaufnahmegrund (zB ) und war demgemäß für die Verfügung der Wiederaufnahme nicht maßgebend. Im Übrigen wurde die Qualifikation der Einkünfte im wiederaufgenommenen Einkommensteuerbescheid nicht geändert. Eine Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides aus diesem Grund kommt daher von vorneherein nicht in Betracht.

b. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nach § 304 BAO sowohl in der im Jahr 2018 geltenden Fassung als auch in der derzeit geltenden Fassung grundsätzlich nur bis zum Eintritt der Verjährung zulässig. Der Einwand des Bf hinsichtlich der Aufhebung des § 304 BAO wegen Verfassungswidrigkeit ist nicht nachvollziehbar, zumal eine Verjährung der Einkommensteuer 2008 im Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Bescheide nicht vorgelegen ist und der Bf den Eintritt der Verjährung gar nicht behauptet hat.

c. Was die Ermessensübung des Finanzamtes betrifft, sind den Ausführungen des Aufhebungsantrages keine konkreten Gründe zu entnehmen, warum die Ermessensübung als rechtswidrig erachtet wird. Die Ermessensentscheidung wurde Seitens des Finanzamtes mit dem Vorrang der Rechtsrichtigkeit und den nicht geringfügigen steuerlichen Auswirkungen ausreichend begründet. Nach der Judikatur ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben (zB ). Dass allfällige ermessensrelevante Umstände nicht berücksichtigt worden wären, hat der Bf nicht dargelegt.

d. Auch alle weiteren Ausführungen des Aufhebungsantrages sind nicht geeignet, eine Rechtwidrigkeit des Wiederaufnahmebescheides aufzuzeigen.

Zum Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides:

Voraussetzung für die antragsgemäße Aufhebung eines Bescheides gemäß § 299 Abs. 1 BAO ist, dass der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Die Rechtswidrigkeit muss nicht offensichtlich, wohl aber gewiss sein. Die bloße Möglichkeit der Rechtswidrigkeit reicht nicht (vgl. ).

Es steht der Anwendung des § 299 BAO nicht entgegen, dass ein Bescheid mit derselben Begründung bereits in einem Rechtsmittelverfahren bekämpft werden hätte können (vgl. ).

Der Bf machte als Aufhebungsgrund insbesondere die unrichtige Einstufung seiner Provisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb geltend.

Die rechtliche Beurteilung der zugeflossenen Provisionen hat aufgrund des übereinstimmenden Sachverhaltes gleichlautend wie im Rechtsmittelverfahren des Bf betreffend die Einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2009 bis 2014 zu erfolgen. In jenem Beschwerdeverfahren hat das Bundesfinanzgericht entschieden, dass die Provisionen des Bf aus seiner Tätigkeit als Handelsvertreter als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind und in den Jahren 2006 - 2014 kein Dienstverhältnis vorgelegen ist. Auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zu GZ RV/7101977/2018 wird verwiesen.

Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom ist daher ebenfalls nicht mit einer Unrichtigkeit belastet.

Da weder der Wiederaufnahmebescheid noch der Einkommensteuerbescheid eine Unrichtigkeit aufweisen, ist der Antrag des Bf auf Aufhebung der Bescheide abzuweisen. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 Abs. 1 BAO erübrigt sich die Erörterung des Ermessensthemas.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen das vorliegende Erkenntnis ist die Revision nicht zulässig, da zur Beurteilung, ob eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit vorliegt, umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Das Bundesfinanzgericht legte seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde, insbesondere . Auch bei der Beurteilung des Aufhebungsantrages betreffend Wiederaufnahme stützte sich das Bundesfinanzgericht auf die in der Entscheidung genannte Judikatur.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
Fiala in AVR 2021, 190
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102229.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at