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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.07.2021, RV/7100076/2013

Pendlerpauschale - Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Amstetten Melk Scheibbs vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) reichte am seine Steuererklärung für das Kalenderjahr 2011 über Finanz-Online ein. In dieser beantragte er unter anderem das große Pendlerpauschale für über 60 Kilometer.

Im Zuge der Bearbeitung sendete das Finanzamt am dem Bf. ein Ersuchen um Ergänzung. Es wurde betreffend das Pendlerpauschale um weitere Angaben ersucht. Der Bf. wurde aufgefordert den Dienstort und die Entfernung, die genaue Tätigkeit und die Arbeitszeit bekanntzugeben. Weiter wurde er ersucht Informationen darüber zu übermitteln, wie oft er die Fahrten durchführt (täglich, wöchentlich, etc.) und ob auf der Strecke grundsätzlich ein öffentliches Verkehrsmittel verkehrt.

In der Vorhaltsbeantwortung vom gab der Bf. an bei der Firma ***A.***, in der ***Dienstort*** zu arbeiten und täglich 112 km mit dem PKW zur Arbeitsstelle zu fahren.

Er sei als KFZ-Techniker 38,5 Stunden pro Woche beschäftigt und seine Kernzeit ist von 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr. Betreffend öffentlicher Verkehrsmittel gab er an: ab ca. 5:35 an ca. 19:00, aber keine weiteren Angaben.

Im Einkommensteuerbescheid für 2011 vom wurde nur das kleine Pendlerpauschale für mehr als 60 Kilometer anerkannt und in der Begründung ausgeführt, dass für die Wegstrecke Ybbs an der Donau nach Wien die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar ist.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. am elektronisch eine Berufung ein, in der er wie folgt ausführte:

"Beeinspruchung der Pendlerpauschale!

Die Fahrplanzeiten, bzw. die online ausgewiesenen Zeiten sind in der Praxis, meist durch Verspätungen der ÖBB, nicht erreichbar. (Vielfache eigene Erfahrungen) Es gibt nur jede Stunde eine Verbindung -- dadurch oft lange Wartezeiten. Eine Verbindung von Wien über Amstetten nach Ybbs verteuert den Fahrpreis und bringt auch keinen Zeitgewinn. Bei Wochen- bzw. Monatskarten steht diese Option nicht zur Verfügung. Auf Grund der Gleitzeit sind auch öfters ungeplante lange Arbeitszeiten aufzuwenden. Arbeitszeit bis 19Uhr und länger. Dadurch kann die An- und Abreise zur ÖBB nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglicht werden. Um einen reibungslosen Montagebandablauf erreichen zu können ist auch ein Arbeitsbeginn vor 06Uhr erforderlich. Mit den öffentlichen Verbindungen sind täglich mehr als 14 Stunden aufzuwenden um die Normalarbeitszeit zu erreichen."

Am erließ das Finanzamt eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus:

"Für die Anerkennung des Pendlerpauschales ist nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse, sondern auf die grundsätzliche Zumutbarkeit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels abzustellen. Für eine Fahrtstrecke von mehr als 60 Kilometer sieht der Gesetzgeber eine Fahrtzeit in eine Richtung von bis zu 2,5 Stunden als zumutbar an. Dabei ist die günstigste Kombination von Individual- und öffentlichen Verkehrsmittel zu wählen.

In Ihrem Fall ist bei Benützung von ÖBB, U-Bahn und S-Bahn zu jeder Zeit eine Fahrtzeit unter 2,5 Stunden zumutbar, womit ein Anspruch auf das große Pendlerpauschale nicht besteht."

Der Bf. stellte am (eingelangt am ) über Finanzonline einen Vorlageantrag und begründete diesen wie folgt:

"Da sich mein Arbeitgeber im Süden von Wien befindet, ist der Weg dorthin mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr schwierig und umständlich zu erreichen. Durch das häufige Umsteigen (mindestens 3mal) ist das Risiko sehr groß, dass sich die Fahrzeit noch zusätzlich verlängert. Meine Wegzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beträgt daher in der Praxis mehr als 2,5 Stunden:

Meine Wegzeit im Detail:

Abgang von zu Hause 05:58

ÖBB 06:14

Umsteigen St. Pölten 07:08

Hütteldorf 07:44

U4 bis Hietzing

Bus 260 08:31

Firma Ankunft 08:46

gesamte Fahrtzeit 02:36

mindest Arbeitszeit, 8 St.15 min. ergibt 17:01

Abfahrt Firma 17:06

Ankunft zu Hause 19:37 über Amstetten

gesamte Zeit 13 St.39 min

Die Wegzeit für die Rückfahrt bzw. Anfahrten zu anderen Bahnhöfen mit dem PKW ergibt ähnliche Zeiten.

Ich bin mir bewusst, dass diverse Routenplaner Zeiten unten 2,5 Stunden pro Strecke anbieten, jedoch ist mit diesen Planern auch keine tägliche Gesamtzeit (Fahrzeit und Arbeitszeit) von unter 13 Stunden zu erreichen. In Anbetracht der gesamten Fahrzeit von 5 Stunden pro Tag und einer dadurch nicht möglichen Ruhezeit laut Arbeitnehmerschutzgesetz beantrage ich daher die Gewährung des großen Pendlerpauschales in der Höhe von Euro 3.672,-."

Im Zuge der Bearbeitung der Berufung wurden die im Akt des Finanzamtes enthaltenen Fahrplanausdrucke ausgewertet.

Für die Hinfahrt zum Dienstort ergeben sich von Ybbs Bahnhof nach Wien Westbahnhof folgende Fahrtmöglichkeiten:


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Ybbs Bahnhof
4:18
4:49
5:19
5:31
5:53
6:01
6:35
6:47
Wien Westbahnhof
5:50
6:18
5:50
7:14
7:28
7:36
8:06
8:22
Fahrtdauer in Minuten
92
89
91
103
95
95
91
95

Fahrtmöglichkeiten für die Rückfahrt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wien Westbahnhof
15:14
15:18
15:44
16:04
16:14
16:18
16:44
17:18
Ybbs Bahnhof
16:32
16:47
17:11
17:27
17:27
17:47
18:11
18:47
Fahrtdauer in Minuten
78
89
87
83
73
89
87
89


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wien Westbahnhof
17:44
18:18
18:44
19:18
Ybbs Bahnhof
19:11
19:47
20:09
20:47
Fahrtdauer in Minuten
87
89
85
89

Für eine optimale Kombination Individualverkehr - öffentliche Verkehrsmittel wurde auch die Fahrtzeit von der Wohnung bis zum Bahnhof in Ybbs erhoben. Laut ÖAMTC Routenplaner beträgt die Fahrtzeit für die 3,2 km lange Strecke 6 Minuten.

Weiters wurde die Fahrtzeit bei Verwendung des KFZ für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Laut ÖAMTC Routenplaner beträgt die Fahrtzeit für die 111,6 km lange Strecke 72 Minuten.

Auch für die vom Bf. im Vorlageantrag angeführten Fahrtmöglichkeiten wurden die ausgedruckten Fahrpläne ausgewertet. Danach ergibt sich:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Ybbs Bahnhof
6:01
6:14
6:35
Wien Hütteldorf
7:27
7:44
7:57
Fahrtdauer in Minuten
86
90
82

Für die Fahrt von Wien Hütteldorf nach ***1***:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wien Hütteldorf (U4)
7:31
7:52
Hietzing
7:37
7:58
Hietzing (Regionalbus 260)
7:41
8:01
Carlbergergasse
7:55
8:15
Carlbergergasse (Fußweg)
7:55
8:15
***2***
7:56
8:16
Fahrtdauer in Minuten
25
24

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Uneinigkeit besteht im konkreten Fall allein darüber, ob das sogenannte große Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 oder das kleine Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 zusteht.

Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen und der Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes wird der Entscheidung folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Der Bf. hatte im Jahr 2011 seinen Wohnsitz in Ybbs, seine Arbeitsstätte befand sich in 1230 Wien. Er legte somit eine tägliche Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von rund 112 km zurück. Der Bf. hatte nach eigenen Angabe eine Kernarbeitszeit von 9:00 bis 14:30.

Im Beschwerdefall ergeben sich nach den Feststellungen der belangten Behörde folgende Fahrtmöglichkeiten:

a) Laut dem ÖAMTC-Routenplaner zufolge beträgt die Wegstrecke Wohnung - Dienstort 111,6 km und kann mit einem PKW in einer Fahrtdauer von 72 Minuten zurückgelegt werden.

b) Im Zuge der Bearbeitung der Beschwerde wurden die im Akt des Finanzamtes enthaltenen Fahrplanauskünfte nochmals überprüft und zusätzliche Erhebungen durchgeführt (siehe oben). Es ergibt sich folgendes Bild (bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel) unter Berücksichtigung von Wartezeiten und Fußwegen:

Hinfahrt:


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Auto Wohnung - Bahnhof Ybbs (lt. ÖAMTC-Routenplaner)
3,2 km
6 min
Fußweg und Wartezeit
5 min
Öffentliche Verkehrsmittel (wie oben ausgeführt ÖBB vom Bahnhof Ybbs bis Wien Hütteldorf) 6:14 bis 7:44
90 min
Fußweg
3 min
Wien Hütteldorf - Hiezing (U4) 7:52 bis 7:58
6 min
Fußweg und Wartezeit
3 min
Hietzing - Carlbergergasse (Regionalbus 260) 8:01 bis 8:15
14 min
Carlbergergasse - ***2*** (Fußweg)
1 min
Gesamt
128 Minuten

Rückfahrt:


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Fahrtzeit in Wien mit Wartezeiten und Fußweg
30 min
Fahrtzeit mit der ÖBB (siehe vorne) zwischen 78 und 89 Minuten
89 min
Fußweg
5 min
Auto Bahnhof Ybbs - Wohnung (lt. ÖAMTC-Routenplaner)
3,2 km
6 min
gesamt
130 Minuten

Rechtliche Beurteilung

§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 ist erstmalig bei der Veranlagung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden.

Als Grundregel gilt nach lit. a, dass die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten sind.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, stehen - gestaffelt nach der Entfernung - zusätzliche Pauschbeträge zu - kleines Pendlerpauschale (lit. b):

20 km bis 40 km 696 Euro jährlich
40 km bis 60 km 1.356 Euro jährlich
über 60 km 2.016 Euro jährlich

Beträgt die einfache Fahrtstrecke mehr als 2 km und ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, stehen anstelle der Pauschbeträge nach lit. b - wiederum gestaffelt nach der Entfernung - höhere Pauschbeträge zu - großes Pendlerpauschale (lit. c):

2 km bis 20 km 372 Euro jährlich
20 km bis 40 km 1.476 Euro jährlich
40 km bis 60 km 2.568 Euro jährlich
über 60 km 3.672 Euro jährlich

Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach der geltenden Verwaltungspraxis für den Streitzeitraum wird folgende Auslegung vertreten:

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt.

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt.

Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten, aber nicht mehr als 2,5 Stunden, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.

Wie oben bereits ausgeführt wurde die Fahrtzeit mit dem PKW (72 Minuten) für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Die dreifache Fahrtdauer würde 144 Minuten betragen.

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - im öffentlichen Interesse - nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden ().

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XVII. GP, 75) ist die Zumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln auf Grund der Fahrzeiten zu prüfen: Unzumutbar seien im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km sei die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Eine Gesamtwegzeit (in einer Richtung) von eineinhalb Stunden wird aber nicht nur im Nahbereich, sondern allgemein als zumutbar anzusehen sein ( RV/0399-I/12).

Unzumutbarkeit liegt beispielsweise bei tatsächlicher Unmöglichkeit vor, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit (Nachtarbeit) verkehrt. Unzumutbarkeit liegt auch wegen langer Anfahrtszeit vor. Wird bei einer einfachen Wegstrecke ab 40 km eine Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten ist die Unzumutbarkeit gegeben. Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt aber auch dann vor, wenn die Fahrt zur Arbeitsstätte und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als drei Mal so lange dauert wie mit dem privaten Pkw.

Nach steht der Umstand, dass ein Teil der Gesamtwegstrecke nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden und die Benützung eines Individualverkehrsmittels deshalb unerlässlich ist, der Annahme der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel so lange nicht entgegen, als der Anfahrtsweg bis zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrsmittels zuzüglich sonstiger erforderlicher Gehwege bei ansonsten aber gegebener Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz weniger als die Hälfte der Gesamtwegstrecke beträgt. Bei Ermittlung der Gesamtwegzeit ist vom schnellsten verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel auszugehen und eine optimale Kombination von Massen- und Individualverkehrsmittel zu unterstellen ("park and ride"; ; RV/2403- W/08).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom , 2011/15/0132 auf das Erkenntnis , verwiesen. Darin führt der Verwaltungsgerichtshof zur Zumutbarkeit der Verwendung von öffentlichen Verkehrsmitteln für den täglichen Arbeitsweg aus:

"Eine nähere ausdrückliche Bestimmung, was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG zu verstehen ist, ist dem Gesetz - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - nicht zu entnehmen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0053).

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0001, und vom , 2007/15/0053).

Der Begriff der Unzumutbarkeit in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 handelt dabei - entgegen der offenbaren Annahme der belangten Behörde und der Mitbeteiligten - nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns an sich, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0132).

Dies setzt allerdings grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr voraus.

Die im angefochtenen Bescheid zitierte Spruchpraxis der belangten Behörde, die ab Erreichen einer gewissen Fahrzeitdauer eine absolute Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich mit dem Individualverkehr vornimmt, entspricht damit nicht dem Gesetz. Sie würde dazu führen, dass beispielsweise auf Strecken mit sehr gut ausgebauten Eisenbahnschnellverbindungen die Benützung eines Massenbeförderungsmittels "unzumutbar" wäre, selbst wenn dieses schneller als der Individualverkehr wäre.

Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG herangezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Die Erl RV zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:

"'Unzumutbar' sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten jedenfalls für zumutbar halten. Diese Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.

Im Beschwerdefall ergibt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde an vier von fünf Arbeitstagen der Mitbeteiligten nur eine Differenz der Gesamtfahrtdauer zwischen Massenbeförderungsmittel (3 Stunden 25 oder 22 Minuten) und Individualverkehr (3 Stunden) von 25 oder 22 Minuten. Damit beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel, wie das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht herausstreicht, lediglich das 1,2fache der Wegzeit mit dem Kfz.

Gerade in solchen Fällen geringfügiger Differenz der Fahrzeiten ist nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und seiner vorrangigen Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr der Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs zumutbar. Die Mitbeteiligte räumt im Übrigen auch ein, dass sie tatsächlich nicht mit dem Pkw, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Dass ein tägliches Pendeln von rund 3 Stunden sowohl mit dem Pkw als auch mit dem Massenbeförderungsmittel an sich belastend ist, ist unzweifelhaft. Insoweit finden auch in anderen Rechtsbereichen - wie etwa in dem von der Mitbeteiligten vorgebrachten Arbeitslosenversicherungsrecht oder bei der Berücksichtigung von Aufwendungen berufsbedingter doppelter Haushaltsführung - andere Unzumutbarkeitsbegriffe Anwendung. Nimmt ein Arbeitnehmer das Pendeln dennoch in Kauf, ist allerdings gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zur Bestimmung des zumutbaren Verkehrsmittels ein Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr notwendig.

Indem die belangte Behörde ohne das Anstellen eines solchen Vergleichs allein aufgrund einer absoluten Gesamtfahrzeit von über 3 Stunden schon von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln ausgegangen ist und bereits deshalb eine Relevanz der neu hervorgekommenen öffentlichen Anreisemöglichkeiten ausgeschlossen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr ausschlaggebend ist und eine Fahrzeit von 90 Minuten für die einfache Strecke unter Zugrundelegung einer Kombination von Massenbeförderungsmitteln und PKW jedenfalls zumutbar ist. Die Heranziehung von Unzumutbarkeitsbegriffen aus anderen Rechtsbereichen wie zB dem Arbeitslosenversicherungsrecht hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, ist bei Ermittlung der Wegzeit immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG [Stand ], § 16 Anm 81).

Bei Feststellung der für die Zumutbarkeit maßgeblichen Fahrtdauer mit Massenbeförderungsmitteln ist im gegenständlichen Fall von den vom Bundesfinanzgericht ermittelten Verkehrsverbindung auszugehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Bf. eine Gleitzeitregelung hat (Kernzeit 9:00 - 14:30) und so die Arbeitszeit an Ankunft- und Abfahrtszeiten der öffentlichen Verkehrsmittel anpassen kann.

Wie oben bereits dargestellt ergibt sich bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel für die Hinfahrt eine Fahrtzeit von 128 Minuten und für die Rückfahrt eine Fahrtzeit von 130 Minuten. Dies ist somit eine Gesamtfahrtzeit pro Tag von 258 Minuten (4 Stunden 18 Minute).

Die Fahrtzeit für die Strecke Wohnung - Dienstort mit dem PKW beträgt, wie bereits ausgeführt, laut ÖAMTC Routenplaner 72 Minuten, somit pro Tag 144 Minuten (2 Stunden 24 Minuten).

Die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel beträgt somit das 1,8 fache der Wegzeit mit dem PKW.

Ausschlaggebend ist, ob das öffentliche Verkehrsnetz benützt werden konnte, nicht von Bedeutung ist, ob es auch tatsächlich verwendet wurde.

Dem Bf. ist einzuräumen, dass die Abhängigkeit von den Fahrzeiten öffentlicher Verkehrsmittel aus Sicht des jeweiligen Arbeitnehmers unbefriedigend sein kann, doch liegt dies im - dem Gesetzgeber bekannten - Wesen öffentlicher Verkehrsmittel und führt diese Abhängigkeit allein noch nicht zur Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Maßgebend ist, ob bei einer zumutbaren Gestaltung der Arbeitszeiten öffentliche Verkehrsmittel mit einer zumutbaren Gesamtwegzeit verwendet werden können ().

Nach den obigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes ("Unzumutbar" sind im Vergleich zu einem KFZ jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrtzeiten) steht somit das große Pendlerpauschale nicht zu.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Es wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die Beurteilung der Frage, in welchem Umfang das Pendlerpauschale zusteht, erfolgte im Einklang mit der in der Entscheidung dargestellten Judikatur.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at