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Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 27.07.2021, RV/5300009/2021

Mündliche Rechtsmittelanmeldung nach der mündlichen Verhandlung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5300009/2021-RS1
§ 150 Abs. 4 FinStrG sieht lediglich eine Rechtsmittelanmeldung „mündlich zu Protokoll“ vor, was klar aus dem Gesetz ersichtlich nur unmittelbar nach Verkündung des Erkenntnisses gegenüber dem Verhandlungsleiter erfolgen kann. Eine mündliche Rechtsmittelanmeldung zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der einwöchigen Frist außerhalb der zum Erkenntnis führenden Spruchsenatssitzung entfaltet hingegen keine Wirkung. Die in einem Kanzleivermerk festgehaltene mündliche Erklärung der Amtsbeauftragten stellt demnach keine wirksame Rechtsmittelanmeldung dar (vgl. zu § 284 Abs 2 StPO). Wird die Anmeldung nicht zu Protokoll erklärt, hat sie schriftlich gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG nach den Bestimmungen der §§ 85 ff BAO zu erfolgen. Eine Rechtsmittelanmeldung kann in diesem Stadium somit nicht mündlich erfolgen.
RV/5300009/2021-RS2
Für die schriftliche Anmeldung der Beschwerde sind gemäß § 56 Abs 2 FinStrG die Bestimmungen der §§ 85 ff Bundesabgabenordnung maßgeblich. § 85 BAO und § 86a BAO und die beiden aufgrund des § 86a BAO ergangenen Verordnungen BGBl II 1991/494 und BGBl II 2006/97 sehen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vor (). Daher ist ein Rechtsmittel, welches per E-Mail eingebracht wurde, nicht zurückzuweisen, sondern schlichtweg verfahrensrechtlich nicht relevant (; , 2012/16/0082; , Ra 2015/16/0065; ; , RV/7300047/2016; , RV/7103438/2016; , RV/1300003/2017). Gleiches gilt für die Anmeldung einer Beschwerde (vgl. ). Schon aus diesem Grund erweist sich die per E-Mail an den Vorsitzenden des Spruchsenates, die Geschäftsstellenleiterin des Spruchsenates und die Schriftführerin im Spruchsenat gerichtete Rechtsmittelanmeldung als unwirksam.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden des Finanzstrafsenates Linz 2, Mag. Johann Fischerlehner, in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde der Amtsbeauftragten ***2*** beim Amt für Betrugsbekämpfung vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt ***14*** als Organ des Finanzamtes ***14*** als Finanzstrafbehörde (§ 151 Abs. 1 FinStrG) vom zu StrafNr. ***3*** beschlossen:

Die Beschwerde vom wird als unzulässig zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Wesentlicher Verfahrenablauf

Aktenkundig ist die Verkündung des Erkenntnisses des Spruchsenates beim Finanzamt ***14*** als Organ des Finanzamtes ***14*** als Finanzstrafbehörde (§ 151 Abs. 1 FinStrG) zu StrafNr. ***3*** am , nachgewiesen durch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 FinStrG. Daraus geht die Einstellung des Verfahrens gemäß § 136 FinStrG betreffend des Finanzvergehens der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG hervor. Zudem ist in Niederschrift festgehalten worden:

[...]

Der Vorsitzende erteilte somit die Rechtsmittelbelehrung. Der Beschuldigte gab einen Rechtsmittelverzicht ab. Die Amtsbeauftragte gab keine Erklärung ab.

Im Akt findet sich folgender Ausdruck eines E-mails:

[...]

Im offenbar von der Amtsbeauftragten erstellten undatierten Aktenvermerk auf einem augenscheinlich von ihr erstellten e-mail-Ausdruck ist angeführt:

[...]

"Mündlich und hiermit schriftlich rechtzeitig angemeldet ***4***"

Weiters ist in einem weiteren Aktenvermerk angeführt:

[...]

Der Amtsbeauftragten wurde mit Beschluss des Senatsvorsitzenden vom , zugestellt am , der Amtsbeauftragten aufgetragen, binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses, die Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelanmeldung nach § 150 Abs. 4 FinStrG zu beweisen.

Der Vermerk "Beim Spruchsenat eingelangt am " dokumentiere lediglich den Eingang des E-mails der Amtsbeauftragten vom , 13:12.

Es sei daher nach der Aktenlage zweifelhaft, dass eine rechtzeitige Rechtsmittelanmeldung erfolgt ist, zumal ein weiterer im Akt befindlicher E-Mailausdruck vom lediglich folgenden Inhalt hat:

[...]

Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses des Spruchsenates beim Finanzamt ***14*** als Organ des Finanzamtes ***14*** als Finanzstrafbehörde, Senat I, wurde am der Amtsbeauftragten zugestellt.

Die Beschwerde der Amtsbeauftragten wurde am beim Bundesfinanzgericht eingebracht und gleichzeitig die Akten des Finanzstrafverfahrens vorgelegt.

In der Stellungnahme vom brachte die Amtsbeauftragte vor, im Zuge der mündlichen Verhandlung hätte sie noch keine Rechtsmittelerklärung/-anmeldung zu Protokoll gegeben, da sie sich zu diesem Zeitpunkt noch in Funktionsausbildung befunden hätte und Rücksprache mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Leiter der Finanzstrafbehörde ***14***, zu halten hatte. Nach den mündlichen Verhandlungen am hätte sie sodann Rücksprache gehalten und sei die Entscheidung gefällt worden, ein Rechtsmittel anzumelden.

Sie sei sodann zu ***5***, Leiterin der Geschäftsstelle des Spruchsenates beim Finanzamt ***14***, gegangen und hätte mündlich ein Rechtsmittel angemeldet und ihr gesagt, dass sie auch Herrn ***6***, Vorsitzender der Spruchsenatsverhandlung und ***7***, Schriftführerin bei der Spruchsenatsverhandlung, sogleich informieren werde, damit beide Bescheid wissen, dass die Anmeldung erfolgt ist.

Dazu wurde als Beweisaufnahme beantragt:

Zeugeneinvernahme ***8***
Zeugeneinvernahme ***9***

Sie hätte sodann das im Akt befindliche E-Mail verfasst. Die Schriftführerin sei deswegen informiert worden, damit sie Bescheid wisse, dass sie die Niederschrift zur Gänze und somit nicht in gekürzter Form auszuführen hätte. Herr ***10*** sei informiert worden, damit er Bescheid wisse, dass die Ausfertigung der Niederschrift durch die Schriftführerin länger dauern werde, weil sie auszuführen sein wird. Frau ***11*** sei das E-Mail ebenfalls gesendet worden, damit sie sieht, dass die Amtsbeauftragte Herrn ***10*** und Frau ***12*** bereits informiert habe. Herr ***13*** sei als Vorgesetzter in cc gesetzt, damit er sieht, dass sie sich an das zuvor mit ihm Besprochene auch gehalten hat.

Sie habe das E-Mail ausgedruckt, den Vermerk darauf gesetzt und ihn der Geschäftsstellenleitung zur Unterzeichnung und Bestätigung des Erhalts vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 150 Abs. 4 Finanzstrafgesetz idF. BGBl. I Nr. 14/2013 lautet:

"Wurde ein Erkenntnis mündlich verkündet, so ist die Erhebung einer Beschwerde dagegen innerhalb einer Woche bei der Behörde, die das anzufechtende Erkenntnis erlassen hat, schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Eine angemeldete Beschwerde ist innerhalb der Frist gemäß Abs. 2 einzubringen. Eine nicht oder verspätet angemeldete Beschwerde ist zurückzuweisen, es sei denn, sie wurde von einer gemäß § 151 Abs. 1 berechtigten Person eingebracht, die bei der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war."

Für die schriftliche Anmeldung der Beschwerde sind gemäß § 56 Abs 2 FinStrG die Bestimmungen der §§ 85 ff Bundesabgabenordnung maßgeblich. § 85 BAO und § 86a BAO und die beiden aufgrund des § 86a BAO ergangenen Verordnungen BGBl II 1991/494 und BGBl II 2006/97 sehen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vor (). Daher ist ein Rechtsmittel, welches per E-Mail eingebracht wurde, nicht zurückzuweisen, sondern schlichtweg verfahrensrechtlich nicht relevant (; , 2012/16/0082; , Ra 2015/16/0065; ; , RV/7300047/2016; , RV/7103438/2016; , RV/1300003/2017). Gleiches gilt für die Anmeldung einer Beschwerde (vgl. ). Schon aus diesem Grund erweist sich die per E-Mail an den Vorsitzenden des Spruchsenates, die Geschäftstellenleiterin des Spruchsenates und die Schriftführerin im Spruchsenat gerichtete Rechtsmittelanmeldung als unwirksam.

Daran ändert auch der Vermerk "Mündlich und hiermit schriftlich rechtzeitig angemeldet ***4***" nichts, da dadurch keiner Weise dokumentiert wird, wann dieser Vermerk auf den e-mail-Ausdruck angebracht wurde. Würde es ausreichen, dass der Amtsbeauftragte, der selbst in der Finanzstrafbehörde tätig ist, die Rechtsmittelanmeldung lediglich mittels Kanzleivermerk einbringen kann, wäre dieser gegenüber dem Beschuldigten wesentlich bevorzugt und die Anwendung des § 150 Abs. 4 FinStrG wäre für Beschwerden des Amtsbeauftragten ad absurdum geführt. Daher ist im Sinne der Waffengleichheit an die Einbringungsvoraussetzungen der gleiche Maßstab anzulegen, als hätte der Beschuldigte ein Rechtsmittel angemeldet.

Die von der Amtsbeauftragten beantragte Zeugeneinvernahme hat zu unterbleiben, zumal einerseits kein Beweisthema genannt wurde und andererseits nicht in Abrede gestellt wird, dass eine mündliche Rechtsmittelanmeldung gegenüber der Geschäftsstellenleiterin beim Spruchsenat erfolgt ist. § 150 Abs. 4 SinStrG sieht jedoch lediglich eine Rechtsmittelanmeldung "mündlich zu Protokoll" vor, was klar aus dem Gesetz ersichtlich nur unmittelbar nach Verkündung des Erkenntnisses gegenüber dem Verhandlungsleiter erfolgen kann. Eine mündliche Rechtsmittelanmeldung zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der einwöchigen Frist außerhalb der zum Erkenntnis führenden Spruchsenatssitzung entfaltet hingegen keine Wirkung. Die in einem Kanzleivermerk festgehaltene mündliche Erklärung der Amtsbeauftragten stellt demnach keine wirksame Rechtsmittelanmeldung dar (vgl. zu § 284 Abs 2 StPO). Wird die Anmeldung nicht zu Protokoll erklärt, hat sie schriftlich gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG nach den Bestimmungen der §§ 85 ff BAO zu erfolgen. Eine Rechtsmittelanmeldung kann in diesem Stadium somit nicht mündlich erfolgen. Eine mündliche Rechtsmittelanmeldung gegenüber der Leiterin der Geschäftsstelle beim Spruchsenat ist somit unwirksam.

Nach § 160 Abs. 1 FinStrG ist über Beschwerden nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs. 4 FinStrG vorzugehen. Nach § 62 Abs. 2 FinStrG obliegt die Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor der mündlichen Verhandlung dem Senatsvorsitzenden. Diesem obliegt auch die Entscheidung über die Beschwerde, wenn eine mündliche Verhandlung aus den Gründen des § 160 Abs. 1 FinStrG nicht stattfindet und die Parteien des Beschwerdeverfahrens Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit wurde mit Beschluss vom gegeben und von der beschwerdeführenden Partei genutzt.

Wird eine Beschwerde entgegen § 151 Abs. 4 FinStrG ohne vorherige fristgerechte Anmeldung eingebracht, so ist diese zurückzuweisen. Da die Beschwerdeanmeldung durch die Amtsbeauftragte nicht wirksam erfolgt ist, war sie Beschwerde zwingend zurückzuweisen. Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt nicht vor, da sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 150 Abs. 4 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 56 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§§ 85 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Anmeldung der Beschwerde
Zurückweisung einer nur mündlich erfolgten Anmeldung
Formerfordernis
Verweise
Zitiert/besprochen in
Fischerlehner in BFGjournal 2021, 294
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5300009.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at