Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.06.2021, RV/1100369/2017

Nichtanerkennung der Aufwendungen für einen Mediationskurs eines Gruppenleiters in einem Großbetrieb als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die X Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH & Co KG, gegen die Bescheide des Finanzamtes Bregenz (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt:


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1)
Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
2)
Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
3)
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2015, nachdem eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung ungeachtet einer entsprechenden Aufforderung des Finanzamtes nicht eingereicht worden war, unter Berücksichtigung der übermittelten Lohnzettel fest.

2. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 erhob der Beschwerdeführer mit der Begründung, dass es ihm aufgrund einer längeren Krankheit nicht möglich gewesen sei, die Erklärung fristgerecht einzubringen, Beschwerde und beantragte die Berücksichtigung des "Absetzbetrages" für Gemeindepolitiker, der Ausgaben für einen Basislehrgang "Mediation" (2.615,00 €) und angefallener Fahrtkosten (66,52 €) als Werbungskosten sowie von Darlehensrückzahlungen (2.920,00 €) und des Kirchenbeitrages (240,00 €) als Sonderausgaben.

3. Nachdem ein Ersuchen des Finanzamtes, die geltend gemachten Sonderausgaben und Werbungskosten nachzuweisen und nähere Angaben zum Mediationslehrgang zu machen, unbeantwortet blieb, teilte der Beschwerdeführer auf weiteren Vorhalt des Finanzamtes unter Anschluss von Kontoauszügen, einer Bestätigung des Wirtschaftsförderungsinstitutes und eines Stundenplanes im Wesentlichen mit, er habe sich für die Mediationsausbildung entschieden, weil die Grundprinzipien der Mediation äußerst hilfreich und teilweise sogar notwendig seien, um mit schwierigen Situationen konstruktiv umgehen zu können. Er sei Gruppenleiter und führe viele Sitzungen und Mitarbeitergespräche, die nicht immer reibungslos abliefen. Die Ausbildung diene dem ausgeübten Beruf, da vermittelt werde, wie in schwierigen Situationen richtig reagiert und auf die Sitzungsmitglieder eingegangen werden könne und damit Streitigkeiten unterbunden werden könnten.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung gab das Finanzamt der Beschwerde insoweit teilweise Folge, als die Darlehensrückzahlungen im gesetzlichen Umfang als Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Hinsichtlich der Werbungskosten, die vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt werden konnten (70,73 €), wies das Finanzamt darauf hin, dass diese unter dem Pauschbetrag von 132,00 € lägen. Den beantragten Kurskosten wurde mangels beruflicher Notwendigkeit die Anerkennung als Werbungskosten versagt. Der geltend gemachte Kirchenbeitrag blieb mit der Begründung, dieser sei im Jahr 2016 bezahlt worden und könne daher nicht im Jahr 2015 als Sonderausgabe in Abzug gebracht werden, unberücksichtigt.

5. Mit Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Berücksichtigung des Kirchenbeitrages als Sonderausgabe sowie der Ausgaben für den Mediationslehrgang als Werbungskosten und legte weiters eine Bestätigung der Arbeitgeberin, dass sie für die Mediationsausbildung keine Kosten übernommen habe, vor.

6. Ebenso blieben die im Zusammenhang mit dem im Jahr 2016 absolvierten Aufbaulehrgang "Mediation" angefallenen Aufwendungen in Höhe von 4.312,60 € im Einkommensteuerbescheid 2016 unberücksichtigt, wogegen sich der Beschwerdeführer wiederum mit Beschwerde und nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung mit Vorlageantrag wandte. Ergänzend wurde ausgeführt, er sei als Gruppenleiter bei der Arbeitgeberin für die Mitarbeiterführung zuständig. Dazu zähle auch der Umgang mit Mitarbeitern mit beruflichen und privaten Problemen. Diese beeinflussten die Arbeitsleistung und führten zu innerbetrieblichen Konflikten. Um diesen Mitarbeitern professionell zur Seite stehen zu können und damit auch deren Verbleib im Unternehmen zu ermöglichen bzw. deren Arbeitsleistung zu steigern, habe er den Mediationskurs besucht.

II. Sachverhalt, Beweismittel und Beweiswürdigung

Der Beschwerdeführer ist als Gruppenleiter Steuerungstechnik in einem Großbetrieb tätig und in dieser Funktion ua. auch für die Leitung von Sitzungen sowie die Mitarbeiterführung zuständig. Im Jahr 2015 absolvierte er den Basislehrgang "Mediation" und im Jahr 2016 den Aufbaulehrgang "Mediation" am Wirtschaftsförderungsinstitut. Die jeweils angefallenen Kurskosten samt Fahrtkosten machte er in den Streitjahren als Werbungskosten geltend. Einen Kostenersatz für die jeweils in der Freizeit absolvierten Lehrgänge hat die Arbeitgeberin nicht geleistet.

Nach der Lehrgangsbeschreibung des Wirtschaftsförderungsinstitutes stellt Mediation ein Verfahren zur konstruktiven Konfliktbearbeitung in krisenhafte Situationen in Beruf und Alltag (Familie, Nachbarschaft) dar, wobei alle am Konflikt beteiligten Personen mit Unterstützung eines externen, neutralen Dritten (Mediator) freiwillig, eigenverantwortlich und gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Als Anwendungsgebiete sind angeführt Scheidungen, Paar- und Familienkonflikte, Erbschaftsstreitigkeiten, Miet- und Nachbarschaftskonflikte, Konflikte in der Schule, in der Freizeit, in Vereinen, am Arbeitsplatz, in der Wirtschaft, mit Behörden und öffentlichen Institutionen sowie interkulturelle Spannungsfelder. Im Basislehrgang werden die 6 Phasen der Mediation in 6 Modulen behandelt und praktisch angewandt. Der Aufbaulehrgang beinhaltet die Mediationsmodule Familienmediation, Wirtschaftsmediation, Schulmediation und Umweltmediation sowie die Fachmodule Recht, Persönlichkeitstheorien, Selbsterfahrung und BWL. Der Teilnehmerkreis setzt sich aus Angehörigen unterschiedlichster beruflicher Herkunft zusammen.

Zum Nachweis der im Jahr 2015 als Sonderausgaben geltend gemachten Kirchenbeiträge wurde ein Kontoauszug vorgelegt, aus dem eine im Dezember 2015 erfolgte Überweisung an die Kirchenbeitragsstelle in Höhe von 20,00 € hervorgeht. Im Hinblick auf die offensichtlich monatliche Überweisung sowie die in den Vorjahren und den Folgejahren (ab dem Jahr 2017 aufgrund der von der Kirchenbeitragsstelle im Wege des automatisierten Datenaustausches übermittelten Jahresbeiträge) als Sonderausgaben berücksichtigten Beitragszahlungen, hegt das Bundesfinanzgericht keine Zweifel, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 tatsächlich Kirchenbeiträge in Höhe von 240,00 € geleistet hat.

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 16 Abs. 1 Z 10 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Nicht abgezogen werden dürfen bei den einzelnen Einkünften demgegenüber gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Um eine berufliche Fortbildung handelt es sich, wenn der Abgabepflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um im bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Auch für Ausbildungsmaßnahmen ist ein Veranlassungszusammenhang zur konkret ausgeübten oder einer damit verwandten Tätigkeit für die Anerkennung als Werbungskosten erforderlich; ein Zusammenhang der Ausbildungsmaßnahme mit der konkret ausgeübten oder einer damit verwandten Tätigkeit ist dabei dann gegeben, wenn die erworbenen Kenntnisse in einem wesentlichen Umfang im Rahmen dieser Tätigkeiten verwertet werden können (vgl. , mwN, , mwN, und , mwN).

Legen die Bildungsmaßnahmen einen Zusammenhang mit der privaten Lebensführung nahe, wie dies beispielsweise bei Aufwendungen für die Persönlichkeitsentwicklung der Fall ist, darf eine Veranlassung durch die Einkünfteerzielung jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem die Aufwendungen eines Finanzbeamten für den Besuch eines Mediationslehrganges betreffenden Erkenntnis vom , 2009/15/0198, ausgesprochen hat, nur dann angenommen werden, wenn sich die Aufwendungen als für die betriebliche Tätigkeit notwendig erweisen (darauf verweisend auch , betreffend einen Mediationskurs eines Controllingleiters). Die Notwendigkeit biete in derartigen Fällen das verlässliche Indiz der beruflichen im Gegensatz zur privaten Veranlassung (Hinweis auf , und ). Für die berufliche Notwendigkeit einer Bildungsmaßnahme spreche etwa, wenn sich der Teilnehmerkreis im Wesentlichen aus Angehörigen der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen zusammensetze. Trage der Arbeitgeber einen Teil der Kurskosten oder stelle er den Arbeitnehmer für die Zeit der Schulungsmaßnahme gegen Weiterbezug des Gehalts dienstfrei, sei dies gleichfalls ein Indiz für die berufliche Notwendigkeit.

Die Indizien des homogenen Teilnehmerkreises, der Dienstfreistellung durch die Arbeitgeberin oder der teilweisen Kostentragung durch die Arbeitgeberin liegen gegenständlich, wie oben festgestellt, nicht vor.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers liegt zweifelsohne im technischen bzw. operativen Bereich. Eine unmittelbare berufliche Bedingtheit der Aufwendungen für die Mediationslehrgänge ist damit nicht erkennbar. Auch wenn die erworbenen Kenntnisse im Rahmen von Sitzungen oder Mitarbeitgesprächen bzw. der betrieblichen Zusammenarbeit durchaus nützlich sein können, wird damit eine berufliche Notwendigkeit in dem Sinne, dass im Rahmen der ausgeübten beruflichen Betätigung eine entsprechende Schulung erforderlich wäre, nicht aufgezeigt (vgl. , mwN). Zudem hat der Beschwerdeführer, abgesehen von den allgemein gehaltenen Ausführungen, nicht dargelegt, in welchen konkreten Fällen bzw. Situationen er das erworbene Wissen tatsächlich angewandt und als "neutraler Vermittler" fungiert hat.

Aus der Kursbeschreibung sowie den absolvierten Lehrgangsmodulen ergibt sich unzweifelhaft, dass Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt wurden, die im Bereich der privaten Lebensführung gleichermaßen von Bedeutung sind und die Inhalte der Lehrgänge nicht auf die speziellen Bedürfnisse einer bestimmten Berufsgruppe ausgerichtet sind. Können derartige Kurse bzw. Lehrgänge aber in gleicher Weise für den Bereich der Lebensführung wie für eine breite Palette von Erwerbstätigkeiten dienlich sein und ist eine Veranlassung durch die Berufstätigkeit nicht festzustellen, liegen insgesamt keine abziehbaren Aufwendungen vor (vgl. , mwN).

Dass gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 abzugsfähige Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen, die auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, vorlägen, ist nicht er-kennbar und hat im Übrigen auch der Beschwerdeführer nicht behauptet.

Diesbezüglich konnte den Beschwerden daher kein Erfolg beschieden sein.

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 sind verpflichtende Beiträge an Kirchen und Religionsgesellschaften, höchstens jedoch 400,00 €, bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen. Nachdem, wie oben ausgeführt, von im Jahr 2015 geleisteten Kirchenbeiträgen in Höhe von 240,00 € auszugehen war, waren diese antragsgemäß als Sonderausgaben zu berücksichtigen und war der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 insoweit daher Folge zu geben.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen und war gesamthaft gesehen somit spruchgemäß zu entscheiden.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittige Frage, ob die Aufwendungen im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Mediationslehrgängen als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, wurde auf Grundlage der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie der angeführten Sachverhaltsfeststellungen beurteilt. Die Berücksichtigung des Kirchenbeitrages als Sonderausgabe ergibt sich aufgrund der nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellung unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

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Feldkirch, am

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Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100369.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at