Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 19.07.2021, RV/7101977/2018

Handelsvertreter: Dienstverhältnis oder Werkvertrag?

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0138. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin ***R*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Eckhardt Wirtschaftsprüfung und SteuerberatungsgmbH, Hauptstraße 58, 7033 Pöttsching, Steuernummer ***StNr***,

1. über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zu Einkommen- und Umsatzsteuer sowie betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2006

2. über die Beschwerden vom gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme zu Umsatzsteuer und betreffend Umsatzsteuer jeweils 2007 - 2014 sowie betreffend Wiederaufnahme zu Einkommensteuer und betreffend Einkommensteuer jeweils 2007, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I.

a. Der Beschwerde betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2006 wird gemäß § 279 BAO im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer 2006 (5.592,97 Euro) sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Die Einkommensteuer 2006 ist wie folgt zu berechnen (in Euro):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
16.167,04
Gesamtbetrag der Einkünfte
16.167,04
Sonderausgaben
-60,00
Einkommen
16.107,04
Einkommensteuer § 33 Abs. 1 EStG (16.107,04 - 10.000) x 5.750 / 15.000
2.341,03

b. Die Beschwerden betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zu Einkommen- und Umsatzsteuer 2006, betreffend Wiederaufnahme zu Umsatzsteuer und betreffend Umsatzsteuer jeweils 2007 - 2014 sowie betreffend Wiederaufnahme zu Einkommensteuer und betreffend Einkommensteuer jeweils 2007, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) erklärte als Handelsvertreter in den Jahren 2006 - 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und entsprechende Umsätze. Aufgrund von Ermittlungen der Finanzpolizei wurde dem Finanzamt bekannt, dass die erhaltenen Provisionen steuerlich nicht vollständig erfasst wurden.

Mit Schreiben vom (Sn 2016/00825), zugestellt an den Bf am , wurde dem Bf Seitens der Abgabenbehörde vorgehalten, dass dem Bf in den Jahren 2006 bis zumindest 2012 Provisionen von der Fa. ***1*** HandelsgmbH. und der Fa. ***2*** Vermietungs- und HandelsgmbH. zugeflossen seien, die der Bf nur zum Teil in seine Steuererklärungen aufgenommen habe. Die Einnahmen seien bisher nur zum Teil versteuert worden.

Es bestehe der Verdacht, dass der Bf durch Abgabe unrichtiger Abgabenerklärungen für 2006 - 2015 eine Verkürzung der Umsatz- und der Einkommensteuer und somit eine Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG bewirkt habe.

Das Finanzamt forderte den Bf daher auf, innerhalb eines Monats Abgabenerklärungen zu übermitteln, und legte dem Schreiben eine Aufstellung der Provisionszahlungen der Jahre 2006 - 2012 bei.

a. Wiederaufnahme, Umsatz- und Einkommensteuer 2006

Der Umsatz- und der Einkommensteuerbescheidfür das Jahr 2006 wurden im wiederaufgenommenen Verfahren am insoweit geändert, als die Einnahmen bzw Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie die steuerpflichtigen Umsätze um jeweils 14.303,95 Euro erhöht wurden.

Die Sachbescheide ergingen gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig und verweisen begründend auf das Schreiben vom .

Die Wiederaufnahmebescheide 2006 wurden dahingehend begründet, dass die in der Begründung der Sachbescheide näher ausgeführten Beweismittel neu hervorgekommen seien. Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung. Die Auswirkungen seien nicht als geringfügig anzusehen.

Am gab der Bf gegenüber der Finanzpolizei im Rahmen einer Auskunftserteilung folgendes zu Protokoll:

Er habe von 2005 bis zum Konkurs der Firma im ***Monat*** 2012 als Handelsvertreter im Außendienst für die Fa. ***1*** HandelsgmbH gearbeitet. Die Gesellschaft habe Alarmanlagen vertrieben. Er habe seitens der Firma wöchentlich Termine erhalten, die er abgearbeitet habe. Konkret habe er eine Liste mit den Kontaktdaten der jeweiligen Interessenten erhalten. Es sei der Termin samt genauer Zeitangabe, wann der Interessent zu besuchen sei, mit Informationen, was am Telefon besprochen worden sei, vorgegeben worden. Daraufhin habe er den Interessenten aufgesucht und er habe versucht, das Produkt zu verkaufen. Wenn der Kunde das Produkt kaufen wollte, habe er einen Auftrag geschrieben, den der Kunde unterzeichnet habe. Der Auftragsblock sei ihm von der Fa. ***1*** zur Verfügung gestellt worden. Nach Unterzeichnung des Auftrages habe er in der Zentrale einen Montagetermin für den Kunden vereinbart. Danach habe er den Auftrag an die Firma geschickt.

In der Folge habe er pro Kunde die Provisionsabrechnung erhalten und er habe eine Rechnung in entsprechender Höhe ausgestellt. Die Rechnung habe er auf seinem eigenen Computer erstellt.

Die Fa. ***1*** habe er durchschnittlich einmal in der Woche aufgesucht, um Prospektmaterial und Termine abzuholen. Dasselbe gelte auch für die Fa. ***2***.

Es sei mündlich mit Frau und Herrn ***L*** abgesprochen, dass er für keine weitere Firma tätig werde. Die Tätigkeit habe sich über ca 50 Wochenstunden erstreckt.

Auf die Frage, wie hoch die monatlichen Beiträge an Sozialversicherung bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft seien, antwortete der Bf, das wisse er nicht.

Er könne nicht angeben, in welcher Höhe Provisionen geflossen seien und ob er außer von der Fa. ***3*** HandelsgmbH, der Fa. ***2*** Vermietungs- und HandelsgmbH und der Fa. ***1*** HandelsgmbH. noch weitere Provisionen erhalten habe. Tatsache sei, dass er von diesen Gesellschaften Provisionen erhalten habe. Von Frau und Herrn ***L*** sei ihm mitgeteilt worden, dass die Firma ohnehin nicht lange bestehen werde, weil diese in Konkurs geführt werde, und daher eine vollständige Erklärung der Einkünfte nicht notwendig sei.

Die Höhe der Provisionszahlungen der Fa. ***1*** im Jahr 2012 könne er nicht angeben. Er werde aber die Höhe aufgrund der Kontoauszüge ermitteln.

Der steuerliche Vertreter brachte Beschwerden vom gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie gegen den Einkommensteuer- und den Umsatzsteuerbescheid 2006 ein.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme wandte der steuerliche Vertreter ein, dass die Begründung von Wiederaufnahmebescheiden die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen habe, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf Gesetzmäßigkeit erforderlich sei. Die Begründung habe die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen zu enthalten. Nur formelhaft auf den Grundsatz des Vorranges der Rechtsrichtigkeit zu verweisen, verstoße gegen die Begründungspflicht. Im vorliegenden Fall sei nicht nachvollziehbar, dass - wie in der Bescheidbegründung angeführt - die Rechtsrichtigkeit gegenüber dem Interesse auf Rechtsbeständigkeit überwiege.

Betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006 machte der steuerliche Vertreter zur Vorläufigkeit der Bescheide geltend, dass aus der Aufstellung des Schreibens vom der nicht erklärte Betrag (8.731,95 Euro) genau ersichtlich sei. Es wären daher endgültige Bescheide zu erlassen gewesen.

Es werde auch auf die Niederschrift vom der Finanzpolizei verwiesen. Zwischen dem Auftraggeber und dem Bf gebe es keinen schriftlichen Vertrag. Es seien das Handy, sämtliche Werbeunterlagen, sonstige Unterlagen und auch Termine bei den Kunden vom Auftraggeber vorgegeben worden und mussten diese Termine beim Kunden wahrgenommen werden. Er habe nur einen Auftraggeber gehabt. Es sei kontrolliert worden, ob er die vorgegebenen Termine beim Kunden erledigt habe. Der Arbeitsaufwand habe in der Woche ca 50 Stunden betragen. Der Verkaufspreis und die Provision seien vorgegeben gewesen. Die Auftragnehmer seien zu Weihnachtsfeiern eingeladen worden.

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen sei bei diesem Vertragsverhältnis ein Dienstverhältnis zu unterstellen, sodass eine Einkommensteuerpflicht für die zugeflossenen Provisionen nicht vorgelegen sei.

Im Übrigen betrage der Grenzsteuersatz für die nicht erklärten Umsätze im Jahr 2006 38,33%. Im bekämpften Bescheid sei jedoch eine Einkommensteuernachzahlung von 4.476,97 Euro ausgewiesen. Damit sei nicht nachvollziehbar, um welchen Betrag sich die Einkommensteuerbemessungsgrundlage erhöht habe. Die nicht erklärten Einnahmen seien mit 8.731,95 Euro exakt festgestellt worden, es sei daher kein Platz für Schätzungen bzw Sicherheitszuschläge.

Die Umsatzsteuer müsse aufgrund des Schreibens vom maximal 1.746,39 Euro betragen, ein Sicherheitszuschlag sei rechtswidrig.

Am erhielt das Finanzamt einen Nachtrag der Finanzpolizei, wonach bei ergänzenden Erhebungen (Vernehmung der Geschäftsführerin und des Buchhalters der drei Gesellschaften) festgestellt worden sei, dass der Bf auch Provisionen von der Fa. ***3*** HandelsgmbH erhalten habe. Diese Provisionen 2012, 2013 und 2014 seien den bereits bekannt gegebenen Provisionen hinzuzurechnen.

Im Ergänzungsersuchen vom nahm das Finanzamt Bezug auf die Niederschrift vom . Bei dieser Vernehmung durch die Finanzpolizei habe der Bf angegeben, dass er nicht sagen könne, ob ihm noch weitere Provisionen zugeflossen seien. Er habe aber von der Fa. ***1*** und von der Fa. ***2*** Provisionen erhalten. Da laut Beschwerde kein schriftlicher Vertrag mit dem Auftraggeber existiere und ein Dienstverhältnis vorliege, ersuche das Finanzamt um Vorlage von Zahlungsbestätigungen, Verträgen, Dienstzetteln oder anderen Vereinbarungen betreffend 2006 bis laufend. Die tatsächlich ab 2006 zugeflossenen Beträge seien bekanntzugeben.

Im Antwortschreiben vom verwies der steuerliche Vertreter darauf, dass der Bf bis einschließlich 2011 ausschließlich Provisionen von der Fa. ***1*** erhalten habe. Diese Einkünfte seien durch die Finanzpolizei lückenlos festgestellt worden. Die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2006 bis 2011 seien somit genau ermittelt worden. Für eine Schätzung bzw für die Anwendung von Sicherheitszuschlägen sei keine Grundlage vorhanden. Hinsichtlich 2006 bis 2008 seien Unterlagen nicht mehr vorhanden, jedoch aufgrund der Untersuchungen im Dezember 2016 seien die Unterlagen 2009 nicht entsorgt worden. Der Bf werde ab 2009 die Aufstellung der Finanzpolizei mit seinen Unterlagen vergleichen. Die Unterlagen würden dem Finanzamt übermittelt werden.

Betreffend das Dienstverhältnis würden weder Dienstzettel noch sonstige Vereinbarungen vorliegen, da auch der Provisionsvertrag mündlich abgeschlossen worden sei. Aufgrund der in der Beschwerde angeführten Umstände sei hinsichtlich der Provisionsvereinbarung von einem Dienstvertrag iSd Steuerrechts wie auch iSd Sozialversicherungsrechtes auszugehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (durch Hinterlegung am zugestellt) gab die Abgabenbehörde der Beschwerde gegen den Einkommen- und den Umsatzsteuerbescheid 2006 insofern teilweise statt, als die Bescheide für endgültig erklärt wurden.

Auch hinsichtlich der Berechnung wurde der Beschwerde entsprochen. Der Bf habe laut vorliegenden Unterlagen im Jahr 2006 Provisionen von 60.002,73 Euro erhalten. In diesem Betrag sei die Umsatzsteuer von 20% (10.000,45 Euro) enthalten, das ergebe einen Nettobetrag von 50.002,28 Euro. Der Bf habe in den Umsatz- und Einkommensteuererklärungen jedoch nur 41.270,33 Euro angesetzt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien daher um 8.731,95 Euro auf 16.167,04 Euro zu erhöhen. Die Bemessungsgrundlage für die 20% Umsätze betrage nun 50.002.28 Euro.

Den Ausführungen hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit könne jedoch nicht gefolgt werden. Für die Beurteilung, ob steuerlich ein Dienstverhältnis bestehe, sei immer vom wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern auszugehen. Maßgebend seien weder die Bezeichnung noch subjektive Gesichtspunkte, sondern ausschließlich die objektiven Umstände (). Tatsache sei, dass der Bf einen Großteil der Provisionen gegenüber dem Finanzamt als gewerbliche Einkünfte erklärt habe und diese Einnahmen auch der Umsatzsteuer unterzogen habe. Es widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens und sei ein Grund dafür nicht zu erkennen, dass ein Teil der Provisionen als gewerbliche Einkünfte und ein Teil als nichtselbständig Einkünfte zugeflossen sein sollen. Bei den angeblich nichtselbständigen Einkünften handle es sich im vorliegenden Fall um die nicht erklärten Umsätze.

Im Spruch der Beschwerdevorentscheidung wird hinsichtlich der Änderungen auf die Beilage verwiesen, in der die geänderten Bemessungsgrundlagen für Umsatzsteuer und Einkommensteuer zusammengefasst wie folgt dargestellt sind:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Steuerbare Umsätze (KZ 000)
50.002,28
Umsätze 20% (KZ 022)
45.722,28
Umsatzsteuer
5.592,97
Einnahmen (KZ 9090)
44.430,28
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
16.167,04


Mit Beschwerdevorentscheidung vom (Zustellung am ) wurde die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2006 abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus, dass aus den von der Finanzpolizei übermittelten Unterlagen neu hervorgekommen sei, dass der Behörde nicht sämtliche Erlöse offengelegt worden seien. Laut diesen Unterlagen habe der Bf im Jahr 2006 insgesamt Provisionen von 60.002,73 Euro inkl. Umsatzsteuer erhalten, er habe jedoch nur 41.270,33 Euro netto erklärt.

Der steuerliche Vertreter beantragte am die Vorlage der Beschwerde gegen den Einkommen- und den Umsatzsteuerbescheid 2006 an das Bundesfinanzgericht und am die Vorlage der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide an das Bundesfinanzgericht.

b. Wiederaufnahme, Umsatz- und Einkommensteuer 2007 - 2014

In weiterer Folge erließ das Finanzamt auch Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 - 2014, jeweils datiert mit - mit Ausnahme des Einkommensteuer- und des entsprechenden Wiederaufnahmebescheides 2008, die erst am ergingen. Den neuen Bescheiden wurden die von der Finanzpolizei ermittelten Provisionen zu Grunde gelegt.

In der Beschwerde vom gegen die Wiederaufnahmebescheide vom wiederholte der steuerliche Vertreter sein Vorbringen in der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend 2006.

In der Beschwerde vom gegen Einkommensteuerbescheide 2007, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 und die Umsatzsteuerbescheide 2007 - 2014 wiederholte der steuerliche Vertreter seine Ausführungen in der Beschwerde gegen die Sachbescheide 2006, wonach der Bf die Provisionen im Rahmen eines Dienstverhältnisses erhalten habe.

Das Finanzamt wies die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide sowie die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Hinsichtlich der Wiederaufnahmebescheide merkte das Finanzamt an, dass nach den Unterlagen der Finanzpolizei der Bf nicht sämtliche Erlöse in seinen Steuererklärungen angeführt habe. Der Bf habe von der Fa. ***1*** GmbH folgende Provisionen netto (ohne Umsatzsteuer) erhalten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2007
Euro 74.483,24 davon dem Finanzamt erklärt € 47.103,22
2008
Euro 85.219,51 davon dem Finanzamt erklärt € 44.113,08
2009
Euro 83.862,85 davon dem Finanzamt erklärt € 48.675,95
2010
Euro 91.003,74 davon dem Finanzamt erklärt € 47.123,62
2011
Euro 53.890,39 davon dem Finanzamt erklärt € 40.232,16
2012
Euro 72.009,32 davon dem Finanzamt erklärt € 23.568,54
2013
Euro 40.801,25 davon dem Finanzamt erklärt € 36.090,00
2014
Euro 5.484,13 davon dem Finanzamt erklärt € 128.775,00

Aufgrund dieser neu hervorgekommenen Tatsachen seien die Bescheide wiederaufzunehmen gewesen.

Zu den Sachbescheiden hielt das Finanzamt fest, dass es sich bei den angeführten Beträgen um Nettobeträge handle. Das bedeute, dass sich der Rechnungsaussteller vom Gesamtbetrag die Vorsteuer abgezogen habe. Der Argumentation, dass es sich bei den ausgeführten Arbeiten um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit handle, könne nicht gefolgt werden.

Für die Beurteilung, ob steuerlich ein Dienstverhältnis bestehe oder bestanden habe, sei daher immer vom wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern auszugehen. Maßgebend seien weder die Bezeichnung noch subjektive Gesichtspunkte, sondern ausschließlich die objektiven Umstände ().

Tatsache sei, dass der Bf einen Großteil dieser Provisionen als gewerbliche Einkünfte dem Finanzamt gegenüber erklärt habe und diese Einnahmen auch der Umsatzsteuer unterzogen habe. Es widerspreche jeder Erfahrung des täglichen Lebens und sei ein Grund dafür nicht zu erkennen, dass ein Teil der Provisionen als gewerbliche Einkünfte und ein Teil als nichtselbstständige Einkünfte zugeflossen sein sollen. Bei den angeblich nichtselbständigen Einkünften handle es sich im vorliegenden Fall um die nicht erklärten Umsätze.

In den Vorlageanträgen vom verwies der steuerliche Vertreter auf die Beschwerdeausführungen.

Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht wurde ***N L*** als (ehemalige) Geschäftsführerin der Fa. ***1*** HandelsgmbH., der Fa. ***3*** HandelsgmbH. und der Fa. ***2*** Vermietungs- und HandelsgmbH. als Zeugin schriftlich einvernommen. Die Zeugin machte am folgende Angaben:

Der Bf sei für die in Rede stehenden Gesellschaften als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen. Schriftliche Vereinbarungen habe es dazu nicht gegeben. Hinsichtlich der Entgeltzahlungen sei kein Fixum ausbezahlt worden. Provisionen seien nur bei erfolgreichen Abschlüssen ausbezahlt worden. Es habe keinerlei Ersatz von Aufwendungen gegeben.

Für den Verhinderungsfall wie Urlaub oder Krankheit habe es keine Vereinbarungen mit dem Bf gegeben. Er habe sich bei seinen Terminen selbstverständlich vertreten lassen können. Zu besuchende Interessenten seien dem Bf weitergeleitet worden, Vorgaben habe es nicht gegeben. Eine konkrete wöchentliche Arbeitszeit sei nie vereinbart worden.

Eine Kontrolle des Bf Seitens der Gesellschaften sei nicht erfolgt. Eine Kündigungsfrist sei nicht vereinbart gewesen. Die Kommunikation mit dem Bf sei meist über Mail oder Fax erfolgt. Den Betriebsstandort habe er 1 - 2 Mal im Jahr aufgesucht. Ob der Bf auch für andere Auftraggeber im selben Geschäftszweig hätte tätig werden können, sei mit ihm nie besprochen worden.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichts übermittelte der Bf seine Einnahmen-/Ausgabenrechnungen 2009 - 2014.

Mit einem Ergänzungsersuchen vom forderte das Bundesfinanzgericht den Bf betreffend 2014 auf, den Sachverhalt iZm der Fa. ***4*** (Erlöse 124.148,64 Euro) und die darauf entfallenden Aufwendungen bekannt zu geben.

Im Antwortschreiben vom erklärte der steuerliche Vertreter, dass der Bf die Tätigkeit für die Fa. ***1*** HandelsgmbH, die Fa. ***3*** HandelsgmbH und die Fa. ***2*** Vermietungs- und HandelsgmbH mit Ende März 2014 beendet habe. Mit der Fa. ***4*** habe der Bf in der Folge einen Franchisevertrag abgeschlossen. Diese Tätigkeit im Bereich der Bädersanierung sei jedenfalls als Gewerbebetrieb anzusehen. Aus der übermittelten Saldenliste aus dem Jahr 2014 ist ersichtlich, dass der Bf von 1-3/2014 Provisionen von 4.626 Euro aufgezeichnet hat, denen Aufwendungen von 2.582 Euro gegenüberstehen. Den Erlösen ***4*** von 124.149 Euro sind Aufwendungen von 103.242 Euro zuzuordnen.

An der über Antrag des Bf durchgeführten mündlichen Verhandlung am nahm weder der Bf selbst noch ein Vertreter der belangten Behörde teil.

Der steuerliche Vertreter wandte ein, dass in den angefochtenen Bescheiden auf eine Niederschrift verwiesen werde und unklar sei, welche gemeint ist. Auf Vorhalt der Richterin, dass mit dem Bf nur eine Niederschrift bei der Finanzpolizei gemacht worden sei, entgegnete der steuerliche Vertreter, dass diese Niederschrift keine Aufstellung der Provisionen und auch keine Einkommensteuer enthalte. Er betonte, dass zur ordnungsgemäßen Begründung der Wiederaufnahme ein eindeutiger und richtiger Verweis erforderlich sei.

Die Tätigkeit des Bf für alle drei Gesellschaften sei gleich gewesen. Im Falle einer Verhinderung des Bf sei der betreffende Termin abgesagt worden, Vertreter habe es nicht gegeben. Dem Beschwerdeführer seien die Termine vorgegeben worden, er habe seine Kunden nicht selber ausgesucht. Eine Kontrolle durch den Auftraggeber habe insofern stattgefunden, als kontrolliert worden sei, ob Aufträge hereingekommen sind.

Auf Vorhalt der Richterin, dass sich in den Aufwendungen des Bf Personalaufwand befindet, konnte der steuerliche Vertreter nicht angeben, wofür diese Aufwendungen getätigt wurden.

Zum Vorhalt, dass der Bf. angeblich ein Handy zur Verfügung gestellt bekommen hat, in seinen Aufwendungen sich aber auch Telefonaufwendungen befinden, entgegnete der steuerliche Vertreter, dass der Bf möglicherweise zu Hause für den Fall des Außendienstes ein Telefon gehabt habe. Möglicherweise habe im Büro des Bf zu Hause seine Gattin oder eine andere Person Tätigkeiten ausgeübt. Das Büro des Auftraggebers habe der Bf einmal in der Woche aufgesucht, schon deswegen, weil er die unterschriebenen Aufträge abgeben musste.

Der Bf sei offenbar in einen Werkvertrag gedrängt worden, nach den vorliegenden Umständen seien das aber eindeutig Dienstverhältnisse gewesen. Ein Werkvertrag werde für die Auftraggeber wesentlich billiger gewesen sein.

Abschließend wiederholte der steuerliche Vertreter, dass in den Wiederaufnahmebescheiden der Wiederaufnahmegrund nicht eindeutig angeführt sei. Darüber hinaus sei sicher falsch gewesen, dass der Bf selbst Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Umsätze erklärt habe. Bei den Verträgen, die er abgeschlossen habe, sei dies damals aber nicht anders möglich gewesen.

Zum Akt genommen wird ein Schreiben des steuerlichen Vertreters an das Finanzamt als Finanzstrafbehörde vom , in dem die bisherige Argumentation Seitens des Bf wiederholt wird.

In einer schriftlichen Stellungnahme des steuerlichen Vertreters vom wird im Wesentlichen das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung wiedergegeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

A. Wiederaufnahme:

Mit den angefochtenen Bescheiden verfügte die belangte Behörde die Wiederaufnahme der Verfahren 2006 - 2014 aufgrund von Ermittlungen der Finanzpolizei, die nach Ergehen der jeweiligen Erstbescheide durchgeführt wurden. Die Kenntnis der neu hervorgekommenen Umstände hätte anderslautende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide herbeigeführt. In den Wiederaufnahmebescheiden ist der Neuerungstatbestand als maßgeblicher Wiederaufnahmetatbestand eindeutig angeführt.

Die Wiederaufnahmebescheide verweisen auf die Begründung der Sachbescheide, die Sachbescheide 2006 verweisen wiederum auf das Schreiben vom (Sn 2016/00825). In diesem Schreiben (nachweislich am an den Bf durch Hinterlegung zugestellt) wurde dem Bf vorgehalten, ab 2006 erhaltene Provisionen nur zum Teil in die Steuererklärungen aufgenommen zu haben. Dem Vorhalt lag - wie in der Beschwerde vom bestätigt - eine Aufstellung der von der Abgabenbehörde ermittelten Provisionen 2006 - 2012 bei.

Die Sachbescheide 2007 - 2014 verweisen auf die Niederschrift der Finanzpolizei GZ 061/10883/8216 vom .

Weiters ist der Begründung der Wiederaufnahmebescheide zu entnehmen, dass die Wiederaufnahme unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden sei. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung. Das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Unbestritten ist der Umstand, dass der Abgabenbehörde bisher nicht versteuerte Provisionen zur Kenntnis gelangt sind, und dies einen geeigneten Wiederaufnahmsgrund darstellt. Das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen wurde Seitens des Bf nicht bestritten.

Der steuerliche Vertreter wandte aber in der mündlichen Verhandlung sowie in der danach abgegebenen Stellungnahme vom ein, dass die neu hervorgekommenen Umstände in den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden nicht bezeichnet seien. Den einzelnen Einwendungen seitens des Bf ist zu entgegnen:

- Bezüglich 2006 werde in der Bescheidbegründung auf das Schreiben des Finanzamtes vom verwiesen. Dieses habe sich an die Finanzpolizei in Villach gerichtet und eine Nachschau angeordnet. Einkommensteuern seien keine ausgewiesen.

Dem ist zu entgegnen, dass in den Wiederaufnahmebescheiden 2006 auf das bereits erwähnte, an den Bf gerichtete Schreiben des Finanzamtes vom , wonach der Bf seine Provisionen bisher nur zum Teil versteuert habe, Bezug genommen wird. Die Annahme des steuerlichen Vertreters, dass ein - zwar dem Bf zur Kenntnis gelangtes - aber gar nicht an den Bf gerichtetes behördeninternes Schreiben (ebenfalls vom ) als Bescheidbegründung herangezogen worden sei, ist unzutreffend.

Im Übrigen ist selbst dann, wenn die behördeninterne "Anordnung einer Nachschau" vom als Begründung der Wiederaufnahmebescheide betrachtet wird, für den Bf nichts gewonnen, da in diesem Schreiben gleichfalls angeführt ist, dass der Bf seine Provisionen nur zum Teil in den Steuererklärungen bekannt gegeben habe.

- Bezüglich 2007 - 2014 sei die zur Begründung herangezogene Niederschrift teilweise mit falschem Datum, mit falscher Zahl oder überhaupt ohne nähere Konkretisierung bezeichnet worden.

Richtig ist, dass in den Sachbescheiden teils die Niederschrift der Finanzpolizei mit der (richtigen) Geschäftszahl 061/10883/8216, teils "die Niederschrift der Finanzpolizei 061/0883/8216", teils "die Niederschrift der Finanzpolizei vom " und teils "die Niederschrift der Finanzpolizei" angeführt ist. Auch wenn mit dem Bf die Niederschrift richtigerweise am aufgenommen wurde, kommt nach Ansicht des Senates einem Schreibfehler bei der Ausfertigung der Bescheide betreffend das Datum bzw die Geschäftszahl keine ausschlaggebende Bedeutung zu, zumal mit dem Bf nur eine Niederschrift aufgenommen wurde und damit eindeutig ist, welche gemeint ist.

- Festzuhalten ist auch, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Begründung von Wiederaufnahmsbescheiden durch einen Verweis auf den Prüfungsbericht zulässig ist (zB ). Ebenso ist es nicht rechtswidrig, in der Begründung eines Bescheides auf die der Partei zugegangenen Schriftstücke Bezug zu nehmen (vgl. Ritz, BAO4, § 93 Tz 15; ).

Im vorliegenden Fall wird der Verweis auf das Schreiben vom bzw die Niederschrift vom daher als ausreichend erachtet.

- Der steuerliche Vertreter bemängelte, dass die Wiederaufnahmebescheide bzw die Niederschrift keine Steuerbemessungsgrundlagen bzw keine der Vorgaben des § 198 Abs. 2 BAO enthalten.

Dazu ist anzuführen, dass die zitierte Bestimmung nur für Abgabenbescheide gilt. Wiederaufnahmebescheide haben hingegen weder Steuerbemessungsgrundlagen noch Abgaben zu enthalten. Darüber hinaus ist anzumerken, dass in der Niederschrift vom , Seite 4, "im Anhang aufgelistete Provisionen" erwähnt sind. Daraus ist ersichtlich, dass dem Bf sehr wohl Steuerbemessungsgrundlagen bekannt gegeben wurden.

- Aus der Niederschrift geht auch entgegen der Behauptung des steuerlichen Vertreters eindeutig hervor, dass die neuen Tatsachen und Beweismittel aufgrund einer Nachschau am und , die bei den provisionsauszahlenden Gesellschaften durchgeführt wurde, der Abgabenbehörde bekannt geworden sind. Die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens des Wiederaufnahmegrundes wurde somit dargestellt.

- Schließlich versucht der steuerliche Vertreter, seine Argumentation auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ( RV/7101905/2018) zu stützen.

Dem ist zu entgegnen: In der zitierten Entscheidung vertritt das Bundesfinanzgericht die Ansicht, dass die Abgabenbehörde die Verfahrenswiederaufnahme nicht entsprechend begründet hat, wenn sie im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung lediglich auf eine Textziffer verweist, diese Textziffer jedoch keine Sachverhaltsumstände, sondern nur Berechnungen beinhaltet. Dass die zur Begründung herangezogenen Schriftstücke nur Berechnungen beinhalten, trifft im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Die Entscheidung , ist daher nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Wiederaufnahmebescheide darzulegen.

Zum Ermessen:

Die Verfügung der Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens von Amts wegen liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Nach § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (Ritz, BAO6, § 303 Tz 62ff und die dort angeführte Rechtsprechung).

Bei der Ermessensübung ist grundsätzlich der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) einzuräumen. Wiederaufnahmen sind aber nicht zu verfügen, wenn die steuerlichen Auswirkungen bloß geringfügig sind (Ritz, BAO6, § 303 Tz 67ff.).

Im vorliegenden Fall sind die steuerlichen Auswirkungen sowohl in den einzelnen Verfahren als auch insgesamt mit einem Betrag von über 123.000 Euro nicht gering. Die Verfahrenswiederaufnahmen scheinen auch in Hinblick auf die offenkundige Abgabenverkürzungsabsicht des Bf nicht unbillig. Daraus folgt, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens das ihr eingeräumte Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat.

Der Bf bemängelte die Begründung der Ermessensübung durch die Abgabenbehörde. Konkrete Umstände, die für eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Bf und damit gegen eine Wiederaufnahme sprechen, wurden von ihm jedoch nicht dargetan.

Abschließend ist daher festzuhalten, dass die belangte Behörde in allen Jahren die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Recht verfügte. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

B. Sachbescheide:

1. Zum Ausspruch der Vorläufigkeit des Umsatz- und des Einkommensteuerbescheides 2006:

Die Sachbescheide 2006 ergingen gemäß § 200 Abs. 1 BAO mit der Begründung vorläufig, dass nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss sei.

Der Bf wandte sich gegen den Ausspruch der Vorläufigkeit der Bescheide, da die Aufstellung zum Schreiben vom den genauen Betrag der nicht erklärten Umsätze enthalte.

Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich, oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist gemäß § 200 Abs. 2 BAO die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen.

Nach einer Neuberechnung zu Gunsten des Bf wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom die Umsatz- und Einkommensteuer 2006 endgültig festgesetzt.

Da kein Anlass besteht, die Vollständigkeit der ermittelten Provisionen in Zweifel zu ziehen, ist die Ungewissheit beseitigt und ist die Umsatz- und Einkommensteuer 2006 wie in der Beschwerdevorentscheidung endgültig festzusetzen.

2. Sachverhalt

Der Bf war in den Jahren 2006 - 2014 als Handelsvertreter für Alarmanlagen im Außendienst tätig und zwar bis 7/2012 für die Fa. ***1*** HandelsgmbH., 3/2012 - 3/2014 für die Fa. ***3*** HandelsgmbH. und im Jahr 2012 für die Fa. ***2*** Vermietungs- und HandelsgmbH. Die Geschäftsführerin aller Gesellschaften war ***N L***. Der Bf besitzt einen Gewerbeschein für das Handelsgewerbe gemäß § 124 Z 11 GewO 1994 und war in den gegenständlichen Jahren bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichert. Eine Entrichtung von Lohnabgaben durch die jeweiligen Auftraggeber erfolgte nicht. Es gab zwischen dem Bf und den Auftraggebern nur mündliche Vereinbarungen.

Der Bf erhielt auf Grundlage der von ihm vermittelten Vertragsabschlüsse Provisionen. Er erwirtschaftete in den Jahren 2006 - 2014 Provisionen in unterschiedlicher Höhe:


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Provisionen brutto
Provisionen netto
Ausgaben
2006 Fa. ***1***
60.002,73
50.002,28
33.835,24
2007 Fa. ***1***
89.379,89
74.483,24
26.388,59
2008 Fa. ***1***
102.263,41
85.219,51
34.465,77
2009 Fa. ***1***
100.635,42
83.862,85
26.083,04
2010 Fa. ***1***
109.204,49
91.003,74
24.823,77
2011 Fa. ***1***
64.668,70
53.890,62
21.795,48
2012 gesamt*
86.416,15
72.009,32
17.257,37
2013 Fa. ***3***
48.112,75
40.801,25
10.649,95
1-3/2014 Fa. ***3***
6.580,96
5.484,13
2.582,00

*) Die Provisionen 2012 entfallen auf drei Auftraggeber:


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2012 Fa. ***1***
36.000,00
30.000,00
2012 Fa. ***2***
3.722,97
3.098,33
2012 Fa. ***3***
46.693,18
38.910,99

Diese Provisionen, die der Bf nur zum Teil in seinen Steuererklärungen erfasst hatte, und die Aufwendungen sind der Höhe nach unbestritten. Das Finanzamt hat daher zu Recht mittels der angefochtenen Bescheide die Bemessungsgrundlagen entsprechend erhöht.

Der Bf erklärte in den gegenständlichen Jahren seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Handelsvertreter als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und reichte Umsatzsteuererklärungen ein. Er brachte Betriebsausgaben für zB Waren, Roh- und Hilfsstoffe, Personalaufwand, AfA Anlagevermögen, Reise- und Fahrtspesen, KFZ-Kosten, Telefon, Werbe-/Repräsentationsaufwendungen und eigene Pflichtversicherung in Abzug.

In Streit steht, ob der Bf tatsächlich jeweils im Rahmen von Werkverträgen tätig geworden ist oder ob die Vertragsverhältnisse mit den Auftraggebern richtigerweise als Dienstverhältnisse zu qualifizieren sind.

Ab Juni 2014 hat der Bf eine neue Tätigkeit im Bereich der Bädersanierung begonnen. Die daraus resultierenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind weder der Höhe nach noch hinsichtlich der Einkunftsart strittig.

3. Beweiswürdigung

Gemäß dem im Abgabenverfahren vorherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ).

Festzuhalten ist, dass sich das Vorbringen des Bf in Behauptungen erschöpft, die er mit keinerlei Belegen untermauern konnte.

Bezüglich der im Zuge der mündlichen Verhandlung dem steuerlichen Vertreter zur Kenntnis gebrachten schriftlichen Zeugenaussage von ***N L*** ist anzumerken, dass in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme iSd Parteiengehörs gemäß § 115 Abs. 2 BAO bestand und überdies der Zeugenaussage keine allein ausschlaggebende Bedeutung beizumessen war.

Nach den glaubwürdigen Angaben des Bf (siehe Niederschrift vom ) hat sich seine Tätigkeit wie folgt dargestellt:
Der Bf hat als Handelsvertreter von seinen jeweiligen Auftraggebern die Kontaktdaten von Interessenten mit Terminen sowie auch Prospektmaterial erhalten. Im Falle eines Kaufabschlusses wurde ein von den Auftraggebern zur Verfügung gestelltes Auftragsformular ausgefüllt, der Bf hat in der Zentrale einen Montagetermin für den Kunden vereinbart und den vom Kunden unterschriebenen Auftrag an die Zentrale geschickt. Bei erfolgreichen Vertragsabschlüssen hat der Bf pro Kunde eine Provisionsabrechnung erhalten. Dementsprechend richtete der Bf an den jeweiligen Auftraggeber Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis.

Neben den Provisionen hat der Bf nach der Aktenlage weder erfolgsunabhängige Bezüge noch Ersatz von Aufwendungen erhalten. Der Bf musste seine Aufwendungen wie zB Reisekosten und weitere Aufwendungen in nicht unbeträchtlicher Höhe selbst tragen (siehe Einnahmen/Ausgabenrechnung). Ob dem Bf - wie behauptet - ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt wurde, erscheint angesichts seiner als Betriebsausgaben geltend gemachten Telefonkosten fraglich. Der steuerliche Vertreter hat dazu in der mündlichen Verhandlung lediglich vage Vermutungen angestellt.

Der Arbeitsaufwand des Bf hat sich nach seinen Angaben über ca 50 Wochenstunden erstreckt. Bei Verhinderung des Bf sei der Termin abgesagt worden, eine Vertretung habe nie stattgefunden. Laut Aussage der als Zeugin schriftlich befragten Geschäftsführerin ***N L*** konnte sich hingegen der Bf selbstverständlich vertreten lassen.

Laut Bf habe er den Betriebsstandort einmal wöchentlich aufgesucht, um Prospektmaterial und Terminlisten abzuholen. Für das regelmäßige wöchentliche Aufsuchen der Räumlichkeiten des Geschäftsherrn liegen jedoch keine Nachweise vor und ist auch eine diesbezügliche Notwendigkeit nicht nachvollziehbar, zumal Aufträge und Provisionsabrechnungen zwischen Auftraggeber und Bf verschickt wurden (siehe Einvernahme vom ) und zweifellos auch die Terminlisten per Mail oder Fax an den Bf übermittelt werden konnten. Mit der Lebenserfahrung steht die Aussage der Geschäftsführerin eher in Einklang, wonach der Bf nur selten den Betriebsstandort aufgesucht hat - konkret lediglich 1 bis 2 Mal im Jahr - und die Kommunikation über Mail oder Fax erfolgt sei. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Bf am Betriebsstandort nicht regelmäßig anwesend war.

Die Zeugin erklärte, dass es für den Bf weder Vorgaben noch Kontrollen gegeben habe, ohne diese Aussage näher zu auszuführen.

Es wird der Angabe des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung gefolgt, wonach eine Kontrolle des Bf lediglich insofern erfolgte, als kontrolliert wurde, ob die Kundenbesuche des Bf zu Aufträgen geführt haben (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Es versteht sich jedoch von selbst, dass ein Auftraggeber die Durchführung des Auftrages bzw. die Leistung des Auftragnehmers überprüft. Eine persönliche Weisungsgebundenheit oder eine Einbindung in den geschäftlichen Organismus des Auftraggebers kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Die Behauptung, dass die Auftraggeber bei den Kunden telefonische Rückfragen über die tatsächliche Abarbeitung der vereinbarten Termine getätigt haben, ist durch nichts bewiesen und unglaubwürdig.

Wenn der steuerliche Vertreter hinsichtlich der Geschäftsführerin einwendet, faktischer Geschäftsführer der drei Gesellschaften sei tatsächlich der Ehegatte gewesen, so findet sich für diese Behauptung in der Aktenlage keine Bestätigung. Davon abgesehen wäre dieser Umstand für das gegenständliche Verfahren ohne wesentliche Bedeutung. Man kann jedenfalls daraus nicht ableiten, dass Frau ***N L*** über geschäftliche Vorgänge nicht informiert gewesen sei und wurde dies auch nicht behauptet.

Sowohl die involvierten Gesellschaften als auch der Bf selbst sind in den gegenständlichen Jahren davon ausgegangen, dass der Bf als selbständiger Handelsvertreter tätig geworden ist. Das ergibt sich aus der Zeugenaussage der Geschäftsführerin sowie aus den eingereichten Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen des Bf.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 23 Abs. 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist.

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 nur Lieferungen und sonstige Leistungen eines Unternehmers. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen derart eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.

Nach herrschender Ansicht ist der Begriff der Selbständigkeit bei natürlichen Personen im Umsatzsteuerrecht identisch mit jenem des Einkommensteuerrechts (vgl Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Tz 69).

Ein Handelsvertreter kann selbständig oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig werden. Ein Steuerpflichtiger kann im selben Zeitraum einer Person gegenüber sowohl in einem Werkvertrag als auch in einem Dienstverhältnis tätig sein, allerdings müssen sich die beiden Leistungen deutlich voneinander unterscheiden; beide Tätigkeiten müssen wirtschaftlich voneinander unabhängig sein (). Im vorliegenden Fall hat der Bf eine einheitliche Tätigkeit ausgeübt. Eine Aufteilung der Einkünfte auf eine selbständige und eine nichtselbständige Tätigkeit hat nicht zu erfolgen.

Sowohl die Auftraggeber als auch der Bf selbst ist im gegenständlichen Zeitraum davon ausgegangen, dass der Bf als selbständiger Handelsvertreter tätig geworden ist. Dieser Umstand ist jedoch nicht allein maßgebend, denn die Besteuerung muss immer den tatsächlichen Umständen entsprechen (). Der Abschluss eines formellen Dienstvertrages ist nicht Voraussetzung für ein steuerrechtliches Dienstverhältnis (). Das Steuerrecht hat aber einer Vertragsgestaltung zu folgen, wenn die Vertragsgestaltung von den Vertragsparteien ernsthaft gewollt ist und den üblichen Gepflogenheiten entspricht ().

Die steuerliche Beurteilung einer konkreten Tätigkeit als selbständige oder als im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübte Tätigkeit hat unter Bedachtnahme auf die umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung zu erfolgen:

- Der steuerliche Arbeitnehmerbegriff ist nach der Legaldefinition anhand der persönlichen Weisungsgebundenheit und der Einbindung in den geschäftlichen Organismus zu prüfen. In den Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Heranziehung weiterer Kriterien nach dem Gesamtbild der tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen (zB ).

- Der Begriff des steuerlichen Dienstverhältnisses ist durch § 47 EStG nicht abschließend definiert, sondern wird als Typusbegriff durch eine Vielzahl von Merkmalen bestimmt, die nicht alle in gleicher Intensität ausgeprägt sein müssen ().

- Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen hat die Arbeitnehmereigenschaft einer natürlichen Person zur Folge, denn auch der Unternehmer, der einen Werkvertrag erfüllt, wird sich im Allgemeinen bezüglich seiner Tätigkeit zur Einhaltung bestimmter Weisungen seines Auftraggebers verpflichten müssen, ohne hiedurch allerdings seine Selbständigkeit zu verlieren. Dieses sachliche Weisungsrecht ist auf den Arbeitserfolg gerichtet, während das für die Arbeitnehmereigenschaft sprechende persönliche Weisungsrecht einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit fordert ().

- Das an sich für eine selbständig ausgeübte Tätigkeit sprechende Merkmal des Unternehmerrisikos, wonach sich Erfolg und Misserfolg einer Tätigkeit unmittelbar auf die Höhe der Tätigkeitseinkünfte auswirken, kann in gewissem Maße auch auf Dienstverhältnisse zutreffen, etwa wenn der Arbeitnehmer in Form von Provisionen oder Umsatzbeteiligungen am wirtschaftlichen Erfolg seines Arbeitgebers beteiligt ist ().

- Ein persönliches Weisungsrecht beschränkt die Entschlussfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus. Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Das für die Arbeitnehmereigenschaft sprechende persönliche Weisungsrecht ruft einen Zustand wirtschaftlicher Abhängigkeit und persönlicher Gebundenheit hervor (; ).

- In deutlicher Abgrenzung dazu steht die sachliche Weisungsgebundenheit, die sich bei Werkverträgen auf das zu erbringende Werk bzw. den Arbeitserfolg bezieht, wie zB die Verpflichtung eine Arbeit bis zu einem bestimmten Termin fertigzustellen ().

- Das Unternehmerwagnis trägt ein Handelsvertreter jedenfalls dann, wenn er ausschließlich Provisionen erhält und auch für seine Aufwendungen in voller Höhe aufzukommen hat (). Es spricht gegen ein Dienstverhältnis, wenn der Vertreter nicht seine Arbeitskraft schuldet, sondern für bestimmte Geschäftserfolge honoriert wird, und die Reisekosten zu tragen hat ().

- Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einen vom Erfolg unabhängigen Lohn zu bezahlen (, ).

- Die Vereinbarung eines Stundenhonorars stellt ein Indiz dafür dar, dass kein bestimmter Arbeitserfolg geschuldet, sondern die Arbeitskraft zur Verfügung gestellt wird ().

- Eine Tätigkeit nur für eine Firma steht der Selbständigkeit nicht entgegen (), ebenso wenig ein Konkurrenzverbot ().

- Ein Vertreter ist selbständig tätig, wenn er keinem persönlichen Weisungsrecht unterliegt und wenn er seinen Gewinn durch persönlichen Fleiß, durch Organisationsgabe und durch Einsparungen bei den pauschal abgegoltenen Betriebsausgaben erhöhen kann ().

- Provisionszahlungen an einen Versicherungsvertreter, die sowohl hinsichtlich der Höhe als auch hinsichtlich der jeweils abgerechneten Zeiträume unregelmäßig sind, sprechen für eine selbständige Tätigkeit. Die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Einbehaltung von Krankenkassenbeiträgen sind Indizien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ().

- Entscheidend bei der Beurteilung, ob eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit vorliegt, ist das Gesamtbild der Tätigkeit (), wobei auch der im Wirtschaftsleben üblichen Gestaltungsweise Gewicht beizumessen ist (). Die Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit ist eine Rechtsfrage ().

Bezieht man diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall, ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

Der Bf bestreitet nicht, ausschließlich bei erfolgreichen Vertragsabschlüssen entsprechende Provisionen erhalten zu haben. Eine erfolgsunabhängige Entlohnung wurde nicht gewährt. Seine Einnahmen waren dementsprechend der Höhe nach sehr unregelmäßig.

Er musste für seine Aufwendungen von ca. 20.000 - 30.000 Euro jährlich, darunter etwa auch die Reiseaufwendungen, aus Eigenem aufkommen und erhielt keinen Aufwandersatz von seinen Auftraggebern. Ob dem Bf angeblich ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt wurde, fällt dabei nicht ins Gewicht.

Schon allein diese Umstände zeigen, dass der Bf nicht iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 seine "Arbeitskraft schuldete", sondern es sich um eine erfolgsorientierte Tätigkeit handelte, wobei der Bf ein Unternehmerrisiko zu tragen hatte (siehe auch , zu einem ähnlich gelagerten Fall).

Gegen eine Umqualifizierung in ein Dienstverhältnis spricht nicht zuletzt der Wille der Vertragspartner, die eindeutig kein Dienstverhältnis abschließen wollten. So wurden vom jeweiligen Auftraggeber keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten, der Bf erklärte als Handelsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb und reichte Umsatzsteuererklärungen ein. Ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit ist weiters, dass der Bf an seine Auftraggeber Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt hat, er einen Gewerbeschein für das Handelsgewerbe besitzt und in den gegenständlichen Jahren bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichert war. Es ist im Wirtschaftsleben auch keineswegs unüblich, dass Handelsvertreter selbständig tätig werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anordnung wöchentlicher Besprechungen im Fall eines selbständigen Handelsvertreters als Ausfluss eines sachlichen Weisungsrechts beurteilt (). Dementsprechend wird im vorliegenden Fall der verpflichtende Besuch von Schulungen durch den Bf ebenso unter das sachliche Weisungsrecht fallen.

Die vom Bf für eine persönliche Weisungsgebundenheit ins Treffen geführten Merkmale wie Entgegennahme von Terminlisten, der Einsatz von vorgegebenen Prospektmaterial und von Auftragsformularen der Geschäftsherren sind ebenfalls mit der sachlichen Weisungsgebundenheit in Zusammenhang zu sehen. Die Vorgabe von Terminen und von Interessenten ist als Vergabe von Aufträgen zu werten und nicht mit der Anordnung von Arbeitszeit und Arbeitsort gleichzusetzen. In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, der die Terminsetzung für die Fertigstellung eines Werkes als sachliches Weisungsrecht beurteilte (). Es mag zutreffen, dass der Bf einen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsaufwand von ca. 50 Stunden hatte. Eine Bindung an feste Arbeitszeiten lässt sich daraus nicht ableiten und hat der Bf solches auch nicht vorgebracht.

Ein Indiz für eine organisatorische Eingliederung wäre die Bereitstellung von Arbeitsmitteln durch den Auftraggeber (). Dass im vorliegenden Fall Werbeunterlagen der Auftraggeber vorgegeben waren, liegt jedoch in der Natur der Sache, da der Bf nur vermittelnd tätig wurde, und kann nicht als Anzeichen für eine persönliche Weisungsgebundenheit oder eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus betrachtet werden, zumal festzustellen war, dass der Bf seine Aufwendungen im Wesentlichen selbst tragen musste.

Ebenso wenig spricht die Kontrolle des Bf, ob die Kundenbesuche zu Aufträgen geführt haben, für eine persönliche Weisungsgebundenheit, denn jeder Auftraggeber wird den Arbeitserfolg und die Einhaltung der Vertragspflichten überprüfen.

Auch die Einladung der Handelsvertreter zu Weihnachtsfeiern ist nicht ausschlaggebend für die Annahme eines Dienstverhältnisses.

Der Umstand, dass der Bf im selben Zeitraum nur für einen Auftraggeber tätig geworden ist, und das angeblich vereinbarte Konkurrenzverbot (dem die Zeugin allerdings widersprochen hat) stehen der Selbständigkeit nach der oben angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht entgegen.

Der steuerliche Vertreter stützt sich auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG , W178 2003948-1), welches - gebunden an eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts - die Sozialversicherungspflicht nach ASVG bezüglich Paketzusteller bestätigt. Mangels Vergleichbarkeit des zugrundeliegenden Sachverhaltes ist für den Bf daraus nichts zu gewinnen. Die Tätigkeit eines Handelsvertreters unterscheidet sich von der Tätigkeit von Paketzustellern, denen vom Bundesfinanzgericht überdies das Unternehmerwagnis abgesprochen wurde, da ihnen die erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt wurden.

Der steuerliche Vertreter brachte vor, der Bf sei im Interesse des Auftraggebers in einen Werkvertrag gedrängt worden. Dem ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach nicht maßgebend ist, ob die tatsächliche Erscheinungsform der Tätigkeit im ausschließlichen Interesse einer Partei liegt. Kann ein Vertragspartner auf Grund seiner stärkeren Position eine bestimmte Erscheinungsform der Tätigkeit bestimmen, dann ist diese der Abgrenzung zu Grunde zu legen ().

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine "Eingebundenheit" des Bf in organisatorische Abläufe der Fa. ***1*** HandelsgmbH., der Fa. ***3*** HandelsgmbH. und der Fa. ***2*** Vermietungs- und HandelsgmbH. nur in einer für die Auftragserfüllung erforderlichen Weise erfolgt ist, es ist aber keine für ein Dienstverhältnis typische organisatorische Eingliederung vorgelegen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse stellt sich die strittige Tätigkeit für alle drei Auftraggeber als selbständige Tätigkeit dar. Eine Umqualifizierung der Vertragsverhältnisse in Dienstverhältnisse ist nicht gerechtfertigt.

Die Beschwerden gegen die angefochtenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheide waren daher abzuweisen.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen das vorliegende Erkenntnis ist die Revision nicht zulässig, da zur Beurteilung, ob eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit vorliegt, umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Das Bundesfinanzgericht legte seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde, insbesondere . Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. zuletzt etwa ).

Auch bei der Beurteilung der Wiederaufnahme des Verfahrens stützte sich das Bundesfinanzgericht auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

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