Keine Vorsteuererstattung wenn Steuerfreiheit vorliegt oder vorliegen könnte
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom
gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend die Erstattung von Vorsteuern 01-12/2019 und
01-07/2020 Steuernummer zu ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (=Bf.) ist in Slowenien ansässig. Mit Anträgen vom an das Finanzamt begehrte sie die Erstattung von Vorsteuern für 01-12/2019 in Höhe von 52,24 Euro und für 01-07/2020 in Höhe von 880,32 Euro betreffend den Erwerb von Gegenständen, die sie in der Folge im Wege der Selbstabholung nach Slowenien beförderte.
Das Finanzamt wies die Anträge jeweils mit Bescheiden vom ab, da hier steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen vorlägen. Die Erstattung der ausgewiesenen Umsatzsteuer sei folglich zu versagen.
Die Rechnungen seien von den Ausstellern zu berichtigen.
Die Bf. brachte mit Eingabe vom Beschwerde gegen die Abweisungsbescheide ein.
Darin verwies sie darauf, dass sie die Gegenstände für Zwecke ihres Unternehmens angeschafft habe, weshalb die auf die Anschaffung entfallenden Vorsteuern zu erstatten seien.
Das Finanzamt wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom und ab.
Es führte darin aus, dass die angeschafften Gegenstände betrieblich genutzt würden und zu diesem Zwecke nach Slowenien befördert worden seien.
Bei diesen Vorgängen handle es sich hier um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Art.6 Abs. 1. UStG 1994.
Die Rechnungen seien von den Ausstellern zu korrigieren.
In der Folge stellte die Bf. mit Eingabe vom einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Die Bf. führte darin aus:
Wie schon per E-Mail am erklärt, habe der Rechnungsaussteller schon bei Bezahlung der Waren im Jahr 2019 keine Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis ausstellen wollen.
Sie habe auch den Kundenservice des leistenden Unternehmers für die Lieferung 2019 kontaktiert. Dort habe man ihr mitgeteilt, dass Rechnungen aus dem Jahre 2019 nicht mehr korrigiert würden.
Dasselbe gelte für die Rechnungen aus 2020 (siehe Bescheid vom ).
Leider seien einige Unternehmer nicht bereit, trotz gültigen Beweises (Auszug aus dem EU-Firmenregister) die Rechnung ohne Umsatzsteuer auszustellen.
II Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf. erwarb in den Jahren 2019 und 2020 Gegenstände in Österreich und beförderte diese in der Folge im Wege der Selbstabholung nach Slowenien.
Die inländischen Leistenden unterwarfen die Lieferungen der österreichischen Umsatzsteuer und wiesen die Umsatzsteuer in den Rechnungen aus.
Die Vorgänge stellen jedoch steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen dar oder können zumindest steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen sein.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen und dem unbestrittenen Parteienvorbringen.
Rechtslage
Art. 6 Abs. 1 UStG 1994
Steuerfrei sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7). Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass die betreffende Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht.
Art. 7 Abs. 1 UStG 1994
Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Wurde ein Gegenstand gemäß Art. 3 Abs. 2 im Rahmen einer Konsignationslagerregelung verbracht und wird der Gegenstand, innerhalb der in Art. 1a Abs. 3 genannten Frist an den geplanten Erwerber geliefert, gilt die Voraussetzung des ersten Satzes in diesem Zeitpunkt als erfüllt;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
………………………………………………………………………………………………………………………………………………
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar;
(…).
§ 12 Abs. 1 UStG 1994
Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. a) Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 389/2010, lautet:
§ 1 Abs. 1
Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wennder Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994), ausgeführt hat;
4. weiters, wenn der Unternehmer nur Umsätze gemäß § 3a Abs. 13 lit. b UStG 1994 ausgeführt und von der Regelung der Art. 357 bis 369 Richtlinie 2006/112/EG Gebrauch gemacht hat.
Nach Artikel 4 der Richtlinie des Rates 2008/9/EG erfolgt keine Erstattung der Vorsteuer für:
a)
nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge;
b)
in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, diegemäß Artikel 138 oder Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können.
Rechtliche Würdigung
Im Beschwerdefall beziehen sich die die verrechneten Vorsteuern unbestritten auf innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne des Art. 7 UStG 1994 iVm Art. 6 UStG 1994.
Diese Lieferung waren entweder von der Steuer befreit oder hätte befreit werden können.
Dennoch haben die leistenden Unternehmer Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.
Dazu ist auszuführen:
War die Lieferung von der Umsatzsteuer befreit, dann ist die fälschlich in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar und daher auch nicht erstattungsfähig.
Wird nämlich trotz Vorliegens einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, so schuldet der die Rechnung ausstellende Unternehmer gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 die Steuer auf Grund der Rechnung. Eine nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldete Umsatzsteuer berechtigt den Leistungsempfänger jedoch nicht zum Vorsteuerabzug.
Aber auch nach Art. 4 lit. b der Richtlinie 2008/9/EG kann diese Steuer nicht erstattet werden.
Nach Auffassung des EuGH kann der Leistungsempfänger nach Art 168 MwSt-RL nur den Betrag an Vorsteuern abziehen, den der leistende Unternehmer auf Grund der Leistung schuldet ( "Genius Holding BV"). Vorsteuerbeträge, die somit lediglich auf Grund der Rechnung geschuldet werden, sind vom Abzug ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Fälle der Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer (so auch im Grundsatz "Reemtsma Cigarettenfabrik GmbH") und in Fällen des Übergangs der Steuerschuld zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer (vgl "Sc Fatorie SRL").
Auch im Erkenntnis , hat der Gerichtshof zu erkennen gegeben, dass er im zeitlichen Anwendungsbereich des UStG 1994 der Judikatur des EuGH folgen wird, und hat dies zwischenzeitlich auch getan (; , 2003/13/0125; , 2005/15/0140).
Danach ist die Vorsteuererstattungsverordnung BGBl 279/1995 idgF BGBl II 389/2010 auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, nicht anwendbar, weil keine erstattungsfähigen Vorsteuern vorliegen.
Diese Vorgangsweise dient auch zur Sicherung des Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystems (MIAS), des Mehrwertsteuerkontrollsystems innerhalb der Europäischen Union. Der liefernde Unternehmer hat seine innergemeinschaftlichen Lieferungen in die "Zusammenfassende Meldung" aufzunehmen. Dadurch wird die Erfassung des entsprechenden innergemeinschaftlichen Erwerbes im Staat des erwerbenden Unternehmers sichergestellt.
Die Erstattung der beantragten Vorsteuern für 01-12/2019 und 01-12/2020 daher schon auf Grund des unrechtmäßigen Steuerausweises zu versagen.
Aber auch nach Art. 4 lit. b der Richtlinie 2008/9/EG kann diese Steuer nicht erstattet werden.
Danach ist die Vorsteuererstattungsverordnung BGBl 279/1995 idgF BGBl II 389/2010 auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, nicht anwendbar.
Im vorliegenden Fall kann lediglich eine Korrektur der Rechnungen zur Entlastung der Bf. führen. Die Bf. gibt dazu an, dass sie den leistenden Unternehmern einen Auszug aus dem Firmenregister der Europäische Union vorgelegt habe, diese aber nicht bereit gewesen wären, Rechnungen ohne Umsatzsteuer auszustellen.
Die Bf. übersieht dabei, dass sie dem leistenden Unternehmer im Zuge einer innergemeinschaftliche Lieferung ihre slowenische Umsatzsteueridentifikationsnummer und nicht eine Unternehmerbescheinigung vorlegen muss, um die Steuerfreiheit zu erwirken.
Mangels erstattungsfähiger Vorsteuern war die Beschwerde abzuweisen.
Zu Spruchpunkt Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall liegen keine ungelösten Rechtsfragen vor, da das Bundesfinanzgericht der eindeutigen oben zitierten Judikatur von EuGH und VwGH folgte.
Eine Revision ist daher unzulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 4 lit. b RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23 Art. 6 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 7 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 138 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 Art. 146 Abs. 1 Buchstabe b RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2101166.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at