Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.07.2021, RV/7100597/2020

Nachzahlung von Rehabilitationsgeld, Anlassfall für VfGH 17.6.2021, G 223/2020-8

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Seywald in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom (Einbringungsdatum) gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I.) Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2018 wird mit -679,00 € festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) brachte am ihre Einkommensteuererklärung (Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung) 2018 beim Finanzamt ein.

Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 erließ den angefochtenen, mit datierten Einkommensteuerbescheid 2018 an die Bf., mit welchem die Einkommensteuer für das Jahr 2018 mit 1.811,00 € festgesetzt wurde, und in welchem bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 13 Lohnzettel, die von der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) betreffend Rehabilitationsgeld (bezeichnet als Krankengeld) übermittelt worden waren, angesetzt wurden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. mit Schreiben vom (eingebracht am ) Beschwerde mit der Anfechtung der Vorschreibung von 1.811,00 € an Einkommensteuer für das Jahr 2018. In den im Jahr 2018 erfolgten Rehabilitationsgeld-Auszahlungen sei eine durch das Arbeits- und Sozialgericht zugesprochene Nachzahlung für das Jahr 2017 enthalten gewesen. Die Auszahlungen seien bereits abzüglich der Steuer erfolgt.

Aufgrund eines Schreibens (Ergänzungsvorhalt) der belangten Behörde vom reichte die Bf. am folgende Unterlagen bei der belangten Behörde ein:

  • Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vom an die Bf. über den Entzug des Rehabilitationsgeldes mit ;

  • Schreiben der PVA vom an die Bf., wonach aufgrund eines Vergleiches vor Gericht vom über den hinaus Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung besteht;

  • Schreiben der WGKK vom an die Bf. zur Information über die Verwendungszwecke für die Anweisung vom (15.066,09 €);

  • Aufstellung über getätigte Rehabilitationsgeldauszahlungen für Ansprüche von Ende 2016 bis Anfang 2018;

  • Schreiben der WGKK vom an die Bf. betreffend Auszahlungsbestätigung für den Versicherten hinsichtlich Rehabilitationsgeld vom bis .

Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 erließ eine abweisende, mit datierte Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO zu der am eingebrachten Beschwerde der Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom . Dies wurde damit begründet, dass das Rehabilitationsgeld in jenem Kalenderjahr als bezogen gelte, in dem es dem Steuerpflichtigen zugeflossen sei, auch wenn das Rehabilitationsgeld für vergangene Zeiträume gewährt werde (im gegenständlichen Fall REHA-Geld für 2017, ausbezahlt 2018).

Dagegen brachte die Bf. am einen Vorlageantrag ein.

Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 legte die Beschwerde der Bf. am dem Bundesfinanzgericht (BFG) vor.

Das BFG richtete am ein Schreiben an die Bf., in welchem u.a. die rechnerischen Grundlagen für das Beschwerdebegehren (Festsetzung der Einkommensteuer 2018 nur unter Ansatz des Rehabilitationsgeldes, das auf einem Anspruch für 2018 basiert) dargestellt wurden bzw. die vorhandenen Unterlagen inkl. Lohnzettel - auch mithilfe eines Berechnungsblattes - gegengeprüft wurden, und zwar erfolgreich, weil eine Cent-genaue Überleitung möglich war. Das Beschwerdebegehren bedeute, dass die Beträge aus dem Lohnzettel der WGKK, der den Bezugszeitraum bis aufweise, nicht im Einkommensteuerbescheid für 2018 angesetzt werden sollten, weil diese Beträge (im Jahr 2018 nachbezahltes Rehabilitationsgeld für 2017) inhaltlich das Jahr 2017 beträfen. Dieser Lohnzettel mit dem Bezugszeitraum bis weise folgende Beträge aus:

  • bei Kennzahl 210 (Krankengelder): 13.658,30 € (brutto)

  • bei Kennzahl 220 (sonstige Bezüge): 1.951,19 € (herausgerechnetes 13./14. Gehalt)

  • bei Kennzahl 245 (zum laufenden Tarif steuerpflichtige Bezüge): 11.707,11 €

  • bei Kennzahl 260 (anrechenbare Lohnsteuer): 678,90 €.

Die Bf. reichte mit Schreiben vom an das BFG weitere Unterlagen ein und brachte zusätzlich vor, dass sie an der 14 Monate später erfolgten Nachzahlung kein Verschulden treffe. Sie habe von Jänner 2017 bis März 2018 kein Einkommen oder sonstige Zahlungen erhalten. Sie habe für 2016 bei der Arbeitnehmerveranlagung eine Rückerstattung von 681,00 € erhalten. Wenn der Bf. das Rehabilitationsgeld über den hinaus weiterbezahlt worden wäre, wäre dies für 2017 und 2018 vermutlich ähnlich gewesen.

Das BFG beschloss am in der gegenständlichen Beschwerdesache:
"Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z. 1 lit. a B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof
1) der Antrag gestellt, die Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs. 1 Z 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988) in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 als verfassungswidrig aufzuheben;
2) wenn dem obigen Antrag 1 nicht gefolgt wird, der Antrag gestellt, die Wortfolge "von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird" in § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 als verfassungswidrig aufzuheben;
3) wenn den obigen Anträgen 1 und 2 nicht gefolgt wird, der Antrag gestellt, § 19 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 als verfassungswidrig aufzuheben."

Der Verfassungsgerichtshof folgte mit Erkenntnis vom unter Zahl G 223/2020-8 insoweit dem zweiten Eventualantrag (= o.a. Antrag 3) des BFG, als er die Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2011 aufhob. Die Aufhebung tritt (allgemein) mit Ablauf des in Kraft; frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft. Im gegenständlichen VfGH-Erkenntnis (in BGBl. I Nr. 134/2021 am veröffentlicht) wurde auch ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist.

Ab trat das Finanzamt Österreich an die Stelle des Finanzamtes Wien 2/20/21/22.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. hatte für den Zeitraum bis eine Berufsunfähigkeitspension bezogen. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) richtete einen mit datierten Bescheid an die Bf., worin ausgesprochen wurde:
"Ihr Antrag vom auf Weitergewährung der mit befristeten Berufsunfähigkeitspension wird abgelehnt, weil Berufsunfähigkeit nicht dauerhaft vorliegt.
Ab liegt weiterhin vorübergehende Berufsunfähigkeit vor, …
Ab dem besteht für die weitere Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung.
Rechtsgrundlage: Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) §§ 143a, 270b, 271, 273, 273b und 367"

Die PVA richtete ein mit datierten Bescheid an die Bf., worin ausgesprochen wurde:
"Vorübergehende Berufsunfähigkeit liegt nicht mehr vor.
Das Rehabilitationsgeld wird mit entzogen.
Rechtsgrundlage: Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) §§ 99, 143a und 273"

Dagegen erhob die Bf. Klage an das Arbeits- und Sozialgericht.

Von Jänner 2017 bis Februar 2018 erfolgten keine Auszahlungen von Rehabilitationsgeld an die Bf. Es wurden keine Mitteilungen über Ersatzleistungen (etwa vom AMS), welche die Bf. im Jahr 2017 bezogen hätte, an das Finanzamt übermittelt. Die Bf. hatte im Jahr 2017 keine Einkünfte.

Am erfolgte ein Vergleich vor dem Arbeits- und Sozialgericht.

Die PVA richtete ein mit datiertes Schreiben an die Bf., worin bezughabend ausgesprochen wurde:
"Aufgrund des vor Gericht am geschlossenen Vergleiches liegt ab weiterhin vorübergehende Berufsunfähigkeit vor.
...
Für die Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit besteht über den hinaus Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung."

Am erfolgte die Auszahlung (Anweisung) des Rehabilitationsgeldes für Jänner 2017 bis Februar 2018 an die Bf., wie auf dem Schreiben der WGKK vom dargestellt ist. Für die Ansprüche ab März 2018 erfolgte die regelmäßige Auszahlung des Rehabilitationsgeldes an die Bf.

Die von der WGKK für 2018 betreffend die Bf. an das Finanzamt übermittelten 13 Lohnzettel sind den zuvor genannten Auszahlungen folgendermaßen zuzuordnen:

  • Der Lohnzettel mit dem angegebenen Bezugszeitraum bis ist der Auszahlung vom zuzuordnen, soweit sie die Ansprüche an Rehabilitationsgeld für Jänner 2017 bis Dezember 2017 betrifft.

  • Die zwei Lohnzettel mit den angegebenen Bezugszeiträumen bis bzw. bis sind der Auszahlung vom zuzuordnen, soweit sie die Ansprüche an Rehabilitationsgeld für Jänner 2018 bzw. Februar 2018 betrifft.

  • Die zehn anderen Lohnzettel mit angegebenen Bezugszeiträumen von März bis Dezember 2018 sind den weiteren Auszahlungen im Jahr 2018 für die Ansprüche an Rehabilitationsgeld für März bis Dezember 2018 zuzuordnen.

Die Bf. hatte von bis einen täglichen Anspruch an Rehabilitationsgeld in Höhe von 37,42 € brutto. Die Jahre 2017 und 2018 hatten jeweils 365 Tage.
Der Bruttobezug aufgrund des Anspruches für 2017 beträgt sohin 13.658,30 €, was mit dem Betrag laut Kennzahl 210 des Lohnzettels mit dem angegebenen Bezugszeitraum bis übereinstimmt.
Der Bruttobezug aufgrund des Anspruches für 2018 beträgt sohin 13.658,30 €, was mit der Summe der Beträge laut Kennzahlen 210 der Lohnzettel mit den angegebenen Bezugszeiträumen bis übereinstimmt.

Die Hälfte der Auszahlungen von Rehabilitationsgeld an die Bf. im Jahr 2018 erfolgte aufgrund des Anspruches für das Jahr 2017. Die andere Hälfte der Auszahlungen von Rehabilitationsgeld an die Bf. im Jahr 2018 erfolgte aufgrund des Anspruches für das Jahr 2018.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist den von der Bf. eingereichten Unterlagen, welche von PVA und WGKK stammen, sowie den von der WGKK übermittelten Lohnzetteln zu entnehmen. Die Beträge laut den Aufstellungen der WGKK wurden vom BFG mit den Lohnzetteln erfolgreich verprobt, wobei der Ausweis eines Siebtels der Bezüge als sonstige Bezüge entsprechend § 69 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 erfolgt ist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß Art. 140 Abs. 7 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die aufgehobene Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, idF BGBl. I Nr. 112/2011 auf den Anlassfall, d.h. das Beschwerdeverfahren zur Einkommensteuer 2018 der Bf., nicht anzuwenden.

§ 19 Abs. 1 Z 2 (erster Teilstrich) EStG 1988 in der folglich hier anzuwendenden Fassung ohne die aufgehobene Wortfolge "von Pensionen" lautet:
"2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:
- Nachzahlungen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird,
…"

Das im März 2018 an die Bf. zugeflossene Rehabilitationsgeld ist, soweit es den Anspruch für das Jahr 2017 betrifft, eine Nachzahlung. Diese Nachzahlung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich, welcher einem bescheidmäßigen Abspruch gleichzuhalten ist (vgl. , Randzahl 49). Somit ist der erste Teilstrich von § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der hier auf den Anlassfall anzuwendenden Fassung erfüllt. Soweit das Mitte März 2018 an die Bf. ausbezahlte Rehabilitationsgeld den Anspruch für das Jahr 2017 betrifft, gilt es daher als im Kalenderjahr 2017 zugeflossen. Da somit der den Anspruch für das Jahr 2017 betreffende Teil des Zuflusses nicht als im Kalenderjahr 2018 zugeflossen gilt, ist er nicht in die Einkommensteuerveranlagung (Arbeitnehmerveranlagung) der Bf. für das Jahr 2018 einzubeziehen.

Dies bedeutet rechnerisch, dass nur die Lohnzettel mit den angegebenen Bezugszeiträumen bis in die Einkommensteuer- (Arbeitnehmer-)Veranlagung der Bf. für das Jahr 2018 einzubeziehen sind, was auch für die Neuberechnung der Steuer auf sonstige Bezüge gemäß § 41 Abs. 4 EStG 1988 gilt.

Der Beschwerde wird daher stattgegeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Aufhebung der Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2011 durch den Verfassungsgerichtshof ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, welches der Anlassfall des Normprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof war, bereits zu berücksichtigen. Dadurch wurde eine im vorliegenden Fall anzuwendende, eindeutige Rechtslage geschaffen. Angesichts der eindeutigen Rechtslage war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen, weshalb die (ordentliche) Revision hier nicht zulässig ist (vgl. ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100597.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at