Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.07.2021, RV/1200049/2020

Pandemie: Verlegung der Ansässigkeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1200049/2020-RS1
Der bloße – wenn auch häufige - Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zieht nach Ansicht des BFG nicht zwangsläufig auch eine Verlagerung der Ansässigkeit aus einem Drittstaat nach sich, sofern dauerhaft gewichtige Bindungen in einem Drittstaat beibehalten werden; vgl. ; FG Düsseldorf , 4 K 1954/10 Z; FG Hamburg, , 4 K 99/15. So verhält es sich auch, wenn jemand – pandemiebedingt – vorübergehend seine in einem Drittstaat begründeten Arbeitspflichten von einem Mitgliedstaat aus ausübt, weil die möglichen gesundheitsschädlichen Folgen durch Aufsuchen der Arbeitsstätte im Drittstaat vermieden werden sollen und die technischen Möglichkeiten eine vom drittländischen Arbeitsort unabhängige digitale Verrichtung der Arbeit auch erlauben. Auf ein Überwiegen der persönlichen Bindungen kommt es nicht an.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Wolfgang Gappmayer mj, Margaretenstraße 22 Tür 12, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom betreffend Einfuhrabgaben (Zollabgabe und Einfuhrumsatzsteuer) zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid des Zollamtes wurde der Beschwerdeführerin (Bf.) € 3.433,67 (Zoll: 1.073,02 und EUSt: 2.360,65) nach Art 79 UZK mittels des Vordrucks Za 19 vorgeschrieben. In der Überschrift war angegeben: "Mitteilung, Zahlungsbestätigung, Bescheid gem § 29 TabStG". Dieser Vordruck enthielt die Abgabenberechnung, die Höhe der Abgabenschuld, einen Hinweis auf Art 79 UZK sowie eine Unterschrift. Die der von der Zollbehörde vorgelegte Begründung verwies auf eine "Tatbeschreibung nach dem FinStrG" in dem als Sachverhalt festgehalten wurde: "Am um ca. 09:30 Uhr meldete Bf. eine Mehrwertsteuerrechnung aus Deutschland zur Ausfuhr an. Da die Rechnung vom war, wurde Bf. genauer befragt, ob die Ware bereits ausgeführt wurden bzw. wo diese bis heute gelagert wurden, daraufhin gab o.g. Partei an, dass Sie bei Ihrem Lebenspartner in Deutschland war. Bf. gab auch an, dass Sie eh bis maximal 3 Monate ohne Probleme in Deutschland bleiben kann und das bietet sich an, da Bf. ohnehin viel im Homeoffice arbeitet. Diese Arbeit kann genauso von Deutschland aus erledigt werden, meinte Bf.. Auf Befragung gab o.g. Partei ebenso an, dass Sie meist am Wochenende zu Ihrem Lebenspartner fährt und beide zusammen auch gemeinsam in Urlaub fahren. Ebenso gab Bf. an, dass Sie einen Schlüssel zur Wohnung des Herrn Lebensgefährte, wohnhaft in Adresse in BRD (Deutschland), besitzt. Ebenso werden die Einkäufe zusammen erledigt. Bf. und Herr Lebensgefährte sind seit ca. 5 Jahren in einer Lebensgemeinschaft, jedoch seit ca. 2 Jahren ging Herr Lebensgefährte zurück nach Deutschland. Seitdem führen die o.g. Parteien eine Fernbeziehung. Bf. weis ebenso, dass Ihr Lebenspartner nicht alleine mit einem Schweizer Fahrzeug fahren darf. Bf. konnte sich während der gesamten Amtshandlung frei bewegen und bekam vor Beginn der Niederschrift die Rechtsmittelbelehrung in Deutsch überreicht und hatte dazu keine Fragen. Die Aussagen der o.g. Partei hörte der Bedienstete ***3*** ebenso mithören. Das o.g. Fahrzeug wurde nach Rücksprache mit der Finanzstrafbehörde direkt vor Ort mit Block XY verzollt."

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde von der Zollbehörde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:

"Am meldete die BF. eine Mehrwertsteuerrechnung aus Deutschland zur Ausfuhr an. Im Zuge der Befragung konnte durch die ho Behörde festgestellt werden, dass sie sich bei ihrem Lebenspartner [..], wohnhaft in ***2***, in Deutschland aufgehalten habe, wo sie teilweise bis zu drei Monaten verbringe, da die Bf. ohnehin viel im Homeoffice arbeite. Auf Befragung gab die Bf. ferner an, dass sie am Wochenende zu ihrem soeben erwähnten Lebenspartner fährt und beide zusammen auch in den Urlaub verreisen. Des Weiteren wurde in Erfahrung gebracht, dass die Bf. einen Schlüssel für die Wohnung ihres Lebensgefährten innehat und ebenso die Einkäufe zusammen getätigt werden. Abschließend wurde den Aussagen der Beschwerdeführerin entnommen, dass sie sich mit ihrem Partner schon seit fünf Jahren in einer Lebensgemeinschaft befindet, ihr Lebensgefährte allerdings vor zwei Jahren (sie zögerte jedoch, ob es eventuell doch nicht vier Jahre sein könnten) zurück nach Deutschland gezogen ist."

Unter Hinweis auf Art 212 Abs 3 lit a und b UZK-DA, Art 139 Abs 1 lit a UZK iSd Art 141 UZK- DA, 141 UZK-DA, Art 212 Abs 3 lit a und b UZK-DA geht die belangte Behörde auf den Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" ein:

"Gemäß Art 5 Ziffer 31 lit a UZK ist eine im Zollgebiet ansässige Person eine natürliche Person, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Union hat. Der gewöhnliche Wohnsitz orientiert sich dabei an § 4 Abs 2 Ziffer 8 ZollR-DG.

Nach § 4 Abs 2 Ziffer 8 ZollR-DG hat eine natürliche Person ihren normalen oder gewöhnlichen Wohnsitz (§ 26 BAO) dort, wo sie wegen persönlicher und beruflicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Jedoch gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb des Zollgebiets der Union aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt. Die letztere Voraussetzung entfällt, wenn sich die Person im Zollgebiet der Union zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer aufhält.

Nach der stRsp des VwGH und des UFS gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt (-Z3K/02; VwGH, , ZI. 91/16/0138).

Zufolge der oben dargelegten Normen kommt es demnach bei der rechtlichen Beurteilung nach dem Vorliegen eines gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet nicht darauf an, ob sich eine Person ständig im Zollgebiet aufhält. Bei beruflichen Bindungen zum Zollausland und persönlichen Bindungen zum Zollgebiet reicht für eine zulässige Annahme eines gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet aus, dass die betreffende Person regelmäßig zum Ort der persönlichen Bindungen zurückkehrt (-Z3K/02).

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin selbst angegeben, dass sie ihre Wochenenden zumindest seit zwei Jahren bei ihrem Lebensgefährten in Deutschland verbringt und auch teilweise ununterbrochen bis zu drei Monaten sich ebendort aufhält, da sie ohnehin im Homeoffice arbeitet und ihre Arbeit mühelos von Deutschland aus verrichten kann. Sofern der VwGH in einer seiner Entscheidungen anführt, dass 780 km zwischen (Firmen)sitz und gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet kein Hindernis für eine regelmäßige Rückkehr zum gewöhnlichen Wohnsitz darstellt, dann ist dieser Rechtssatz zumindest genauso auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwenden, wo eine Distanz von ca. 240 km vorliegt.

Bei der Beurteilung der Ansässigkeit sind alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls einer Gesamtwertung zu unterziehen um zu prüfen, zu welchem Ort oder Land die stärkeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (vgl. ). Da die Beschwerdeführerin sogar ihre Arbeit bis zu drei Monaten in Deutschland im Homeoffice bei ihrem Lebenspartner verrichtet, kann sohin zweifelsfrei festgestellt werden, dass sich der gewöhnliche Wohnsitz der Beschwerdeführerin nach § 4 Abs 2 Ziffer 8 ZollR-DG bei ihrem seit fünf Jahren in einer Lebensgemeinschaft befindlichen Lebenspartner Lebensgefährte, ***2***, Deutschland, befindet.

Dass die Beschwerdeführerin in der Schweiz gemeldet ist, hat für die Beurteilung angesichts der Judikatur keine ändernde Bedeutung. Aufgrund ihres gewöhnlichen Wohnsitzes in Deutschland war die Beschwerdeführerin folglich nicht berechtigt das Verfahren der vorübergehenden Verwendung nach Art 250 UZK iVm Art 212 UZK-DA und daher die vollständige Befreiung von den Eingangsabgaben für im Straßenverkehr eingesetzte Beförderungsmittel in Anspruch zu nehmen. Die Einfuhr des Beförderungsmittels ist somit als vorschriftswidriges Verbringen gemäß Art 79 Abs 1 lit a UZK zu subsummieren (siehe auch Henke in Witte, UZK7, Art 250, Rz. 76). Die im gegenständlichen Bescheid festgesetzten Eingangsabgaben wurden somit zu Recht vorgeschrieben."

Im weiteren Ermittlungsverfahren wurden von der Bf. Beweismittel abverlangt, um ihre Ansässigkeit zu prüfen. Vorgelegt wurde ein Kaufvertrag einer Wohnung in der Schweiz, An- und Abwesenheitsaufzeichungen des Arbeitgebers in der Schweiz. Dies Beweismittel wurden der Abgabenbehörde zur Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß Art 212 Abs 3 lit a und b UZK-DA wird für im Straßenverkehr eingesetzte Beförderungsmittel die Einfuhrabgabenfreiheit gewährt, sofern diese auf den Namen einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person amtlich zugelassen sind oder im Falle der Nichtzulassung einer solchen gehören und werden unbeschadet der Artikel 214, 215 und 216 von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen gelten die Beförderungsmittel gemäß Art 139 Abs 1 lit a UZK iSd Art 141 UZK- DA durch konkludente Handlung als zur vorübergehenden Verwendung angemeldet.

Ergibt eine Kontrolle, dass eine Willensäußerung iSd Art 141 UZK-DA erfolgt ist, die verbrachten oder ausgeführten Waren aber nicht die Voraussetzungen der Art 138, 139 und 140 UZK-DA erfüllen, so gilt die Zollanmeldung für diese Waren als nicht abgegeben.

Zur Frage, ob die Voraussetzungen für Art 212 Abs 3 lit a und b UZK-DA gegeben sind, ist zu überprüfen, ob die Beschwerdeführerin ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Drittland (Schweiz) oder in der EU (Deutschland) hat, weil nur im ersten Fall ist sie berechtigt, ein drittländischen Fahrzeug in der Union abgabenfrei zu nützen.

Gemäß Art 5 Ziffer 31 lit a UZK ist eine im Zollgebiet ansässige Person eine natürliche Person, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Union hat. Der gewöhnliche Wohnsitz orientiert sich dabei an § 4 Abs 2 Ziffer 8 ZollR-DG.

Der Begriff eines "gewöhnlichen" Wohnsitzes" oder eines "Ansässigkeit", ist im Unionszollrecht hingegen nicht definiert; s dazu im Einzelnen Summersberger, ZfZ 2020, 55 ff : Der Zollkodex (VO (EWG) 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl L 1992/302, 1) kannte in Art 4 Z 2 erster Anstr lediglich einen "normalen" Wohnsitz; die Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO; VO (EWG) 2454/93 der Kommission vom , ABl L 1993/253, 1) stellte nur auf einen gewöhnlichen Wohnsitz ab (Art 236, 560, 561 ZK-DVO). Nunmehr wird dieser Begriff mit der "Ansässigkeit" einer Person verknüpft (Art 5 Z 31 Unionszollkodex-UZK). Steuerlich ist der gewöhnliche Wohnsitz im Unionsrecht definiert (Art 7 RL 83/182/EWG des Rates vom über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel, ABl L 1983/105, 59; Art 6 RL 2009/55/EG des Rates vom über Steuerbefreiungen bei der endgültigen Verbringung persönlicher Gegenstände durch Privatpersonen aus einem Mitgliedstaat (kodifizierte Fassung), ABl L 2009/145, 136).

Der nationale Gesetzgeber stellte mit dem Beitritt zur EG den normalen und den gewöhnlichen Wohnsitz gleich (§ 4 Abs 2 Z 8 ZollR-DG; BGBl 1995/659) und verstand darunter einen Wohnsitz einer natürlichen Person iSd § 26 BAO, zu dem diese die stärksten persönlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Mit der 3. ZollR-DG Novelle (BGBl I 1998/13) wurde dieser Begriff geschärft und sollte nach den Materialien textlich angepasst werden; ErläutRV 916 BlgNR 20. GP 14. § 4 Abs 2 Z 8 ZollR-DG meint sohin jenen Wohnsitz einer natürlichen Person iSd § 26 BAO, an dem diese wegen "wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Jedoch gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb des Zollgebiets der Union aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt. Die letztere Voraussetzung entfällt, wenn sich die Person im Zollgebiet der Union zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer aufhält."

Vergleichbar mit dem gewöhnlichen Wohnsitz nach dem ZollR-DG stellt auch der EuGH - teilweise - auf einen "Vorrang" der persönlichen Beziehungen ab; , Paraskevas Louloudaki. Allerdings darf die Rsp des EuGH zum "gewöhnlichen Wohnsitz" nicht ungeprüft für das Zoll- und/oder EUSt-Recht übernommen werden, weil dieser Begriff nach dem Sinn der jeweiligen Rechtsquelle auszulegen bleibt; s Summersberger, ZfZ 2020, 30 (31). Die Frage der Ansässigkeit iZm der vorübergehenden Verwendung kennt einen Vorrang der "persönlichen" Beziehungen nicht; die Ermittlungen haben sich auf alle Umstände zu stützen, aus denen sich der Mittelpunkt des Interesses ergibt; , Rigsadvokaten Rz 19 mwN.

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist sohin auf die Intensität der beruflichen und privaten Bezüge und deren Dauer zum jeweiligen Staat abzustellen. Sohin kann eine Person nur entweder in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ansässig sein; , X. Die Begründung eines gewöhnlichen Wohnsitzes, einer Ansässigkeit, fordert einen ständigen Mittelpunkt und die Absicht, diesen auf Dauer beizubehalten; FG Hessen, , 7 K 10/99.

Der bloße - wenn auch häufige - Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zieht nach Ansicht des BFG nicht zwangsläufig auch eine Verlagerung der Ansässigkeit aus einem Drittstaat nach sich, sofern dauerhaft gewichtige Bindungen in einem Drittstaat beibehalten werden; vgl ; FG Düsseldorf , 4 K 1954/10 Z; FG Hamburg, , 4 K 99/15. So verhält es sich auch, wenn jemand - pandemiebedingt - vorübergehend seine in einem Drittstaat begründeten Arbeitspflichten von einem Mitgliedstaat aus ausübt, weil die möglichen gesundheitsschädlichen Folgen durch Aufsuchen der Arbeitsstätte im Drittstaat vermieden werden sollen und die technischen Möglichkeiten ein vom drittländischen Arbeitsort unabhängige digitale Verrichtung der Arbeit auch erlauben.

Die Bf. ist Eigentümerin einer Liegenschaft in der Schweiz, die sie 2011 gekauft hat und die sie ständig bewohnt, was die Strombezugskosten im Vergleich mehrerer Jahre (2018-2020) belegen.

Nach dem vorgelegten Datenblatt (Personaleinsatzplan) des Arbeitgebers geht hervor, dass die Bf im Jahr 2018 an 166 Tagen einen so genannten "Tagdienst" hatte und 8 Tage krank war, sodass mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass sie sich jedenfalls an 174 Tagen in der Schweiz befunden hatte. An Urlaub und "Ferien" (wegen der nur 80%igen Beschäftigung) sowie Heimarbeitstagen scheinen 191 Tage auf, an denen sie sich nicht zwingend in der Schweiz aufgehalten haben musste. Ähnlich auch das Jahr 2019: Laut vorgelegten Datenblatt arbeitete die Bf. nachweislich im Jahr 2019 175,5 Tage in der Schweiz, sodass - rein theoretisch - nur mehr 189,5 Tage zu Verfügung standen, ihren Lebenspartner in Deutschland zu besuchen. Ähnlich verhält es sich auch 2020: In den Monaten Jänner bis Mitte März war die Bf an ihren Arbeitstagen nie in der "Heimarbeit". Heimarbeit verrichtete sie erst ab der zweiten Hälfte des März 2020 bis Anfang Juli 2020, sohin zu einer Zeit, in der - pandemiebedingt - jedermann aufgefordert wurde, wenn möglich zu Hause zu bleiben und die Arbeitsstätte nicht aufzusuchen. Zieht man überdies in Betracht, dass die Bf. regelmäßig - wie nachgewiesen - ihren Einkauf und ihre Besorgungen der Güter des täglichen Bedarfes auch an Wochenenden in der Schweiz durchführte (wie freilich auch zuweilen in Deutschland), kann eine Verlagerung der Ansässigkeit von der Schweiz nach Deutschland nicht erkannt werden. Der bloße Umstand, dass die Bf. auch über einen Wohnungsschlüssel zur Wohnung ihres Lebensgefährten in Deutschland verfügt, kann eine Verlagerung nicht herbeiführen, weil eine solche Handlung in einer Lebenspartnerschaft jedenfalls sozialadequat ist. Die Bf. tritt überdies auch in einem beruflichen sozialen Netzwerk so auf, dass ihre (jahrelange) Ansässigkeit in einem Drittstaat nicht bezweifelt werden kann. Dass freilich eine grenzüberschreitende Partnerschaft auch gewisse Bindungen zum Ansässigkeitsstaat des Partners zur Folge hat, liegt im Wesen einer Liebesbeziehung, führt aber nicht automatisch dazu, die Ansässigkeit zu verlegen. Das BFG zweifelt nicht daran, dass der Lebensmittelpunkt - wie in den Jahren zuvor - auch 2020 in der Schweiz gelegen war. Eine bloß vorübergehende - stärkere - Bindung zu einem Mitgliedstaat wegen des Ausbruchs einer Pandemie ändert daran nichts. Die Bf. war deswegen berechtigt, das Verfahren der (abgabenfreien) vorübergehenden Verwendung in Anspruch zu nehmen. Der Beschwerde war sohin vollinhaltlich stattzugeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Judikatur zum gewöhnlichen Wohnsitz und der Ansässigkeit ist in der Rechtsprechung ausreichend geschärft (siehe Begründung).

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Verweise


UZK-DA Art. 138
UZK-DA Art. 139
UZK-DA Art. 140


UZK-DA Art. 212
UZK-DA Art. 141
UZK, Zollkodex Art. 79 Abs. 1 lit. a
UZK, Zollkodex Art. 79
UZK-DA Art. 212 Abs. 3 lit. a und b
UZK, Zollkodex Art. 139 Abs. 1 lit. a
UZK, Zollkodex Art. 141
UZK, Zollkodex Art. 5 Z 31 lit. a
UZK, Zollkodex Art. 250

-Z3K/02
-Z3K/02
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1200049.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at