Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 19.07.2021, RV/7101709/2017

Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen.

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0146.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende ***SenV*** und die weiteren Senatsmitglieder Richter ***Ri***, ***SenLR1*** und ***SenLR2***, in der Beschwerdesache ***Bf1***, geb. **** 1955, wohnhaft in ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1*** in ***2***, vom , gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010 und über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2010, nach der am und am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung sowie am und durchgeführten nichtmündlichen Senatsverhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

Die Anspruchszinsen für 2010 werden mit 81.799,46 € festgesetzt.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist die steuerliche Ansässigkeit des Beschwerdeführers (Bf.) im Sinne des Art. 4 Z 2 lit. a des Doppelbesteuerungsabkommens mit der russischen Föderation im Kalenderjahr 2010, insbesondere der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. sowie die Höhe der Einkünfte des Bf. im Streitjahr 2010.

Der Bf., seine Ehefrau ***3***, geb. ****1965, und seine jüngere Tochter ***4***, geb. ****2000, zogen im April 2007 in das Inland in die steirische Gemeinde ***5*** zu und begründeten dort ihren Hauptwohnsitz (siehe ZMR-Auszug).

Für das dort bewohnte Objekt liegt ein Mietvertrag vor, als Mieter wird die "Fam. Dr. ***6***" bezeichnet.

Bereits im Juli 2007 übersiedelte der Bf. mit seiner Ehegattin ***3*** und seiner Tochter ***4*** nach ***7***, und begründete hier den gemeinsamen Hauptwohnsitz ab (siehe ZMR-Auszug).

Seit Mai 2008 begründete auch die zweite Tochter ***8*** an dieser Adresse in ***7***, ihren Hauptwohnsitz (siehe ZMR-Auszug).

Diese zunächst angemietete Wohnung (ca. 80 m²) wurde schließlich im Juni 2008 käuflich von der Ehegattin des Bf. in Eigentum erworben.

Der Bf. selbst erwarb am noch die Nachbar-Wohnung ***9*** (ca. 87 m²) in Eigentum.

Seit Juni 2007 scheint der Bf. als Gesellschafter der Fa. ***10*** (FN ***11***) ebenfalls mit inländischer Wohnanschrift (***7***) im Firmenbuch auf.

Ab Herbst 2007 besuchte die jüngere Tochter ***4*** die Pflichtschule in Wien.

In allen bekannten Behördenkontakten (Bezirksverwaltungsbehörden, Magistrat Wien, Firmenbuch, Sozialversicherungsanstalt, Finanzamt ...) trat der Bf. unter seinen inländischen Meldeadressen auf und begehrte beim Finanzamt 1/23 zur Vorlage bei den russischen Abgabenbehörden darüber hinaus zunächst auch eine österreichische Ansässigkeitsbestätigung für das Streitjahr 2010.

Am erstatteten der Bf. und seine Ehefrau ***3*** beim Finanzamt Baden Mödling eine Selbstanzeige über beträchtliche bisher nicht in Österreich versteuerte Einkünfte.

Die Ehefrau wird in dieser Eingabe ab 2007 als ansässig im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens bezeichnet; der Bf. aber erst ab dem Jahr 2011.

Diese Selbstanzeige führte zu einer Außenprüfung; die wesentlichste Frage in diesem Prüfungsverfahren betrifft die steuerliche Ansässigkeit und somit die inländische Steuerpflicht des Beschwerdeführers im Streitjahr 2010.

Im Speziellen strittig ist die Gewichtung der sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen im Streitjahr 2010 zur Beurteilung der Ansässigkeit im Sinne von Art. 4 Z 2 lit a des Doppelbesteuerungsabkommens mit der russischen Föderation.

Aufgrund der von der Betriebsprüfung durchgeführten Erhebungen und vorgelegten Unterlagen, gelangte diese zum Schluss, dass beim Bf. im Streitjahr der Mittelpunkt der Lebensinteressen (soziale und wirtschaftliche Beziehungen waren überwiegend in Österreich; Kauf und Sanierung eines Einfamilienhauses in ***14***) jedenfalls im Inland gelegen sei.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte mit Bescheid vom die Einkommensteuer für das Jahr 2010 i.H.v. 975.526,88 € wie folgt fest:

Aufgrund dieser Festsetzung wurde gem. § 205 BAO die sich lt. Einkommensteuerbescheid 2010 ergebende Nachforderung i.H.v. 82.542,26 € verzinst.

Gegen die o.a. Feststellungen des Finanzamtes erhob der Bf. am Beschwerde und führt darin im Wesentlichen wie folgt aus:

Im April 2007 sei nur die Ehefrau ***3*** und die Tochter ***4*** von Russland nach Österreich gezogen.

Der Bf. und die Tochter ***8*** seien hingegen weiterhin in Moskau am ***16*** gemeinsamen Familienwohnsitz wohnhaft gewesen.

Die Ehefrau ***3*** habe im Juni 2008 eine zunächst angemietete Wohnung in ***7***, in Eigentum erworben.

Der Bf. habe am eine noch bis Jänner 2010 von einem Fremdmieter bewohnte Wohnung in ***7***, in Eigentum erworben.

Nach dem Auszug des Mieters sei die Wohnung das gesamte Jahr 2010 saniert worden und sei somit 2010 nicht bewohnbar gewesen.

2010 sei die Entscheidung getroffen worden, ein Haus in 2522 ***14*** zu erwerben, in dem nach Übersiedlung des Bf. und der älteren Tochter ***8***, die gesamte Familie in Österreich leben sollte. Dieses Haus konnte aber erst nach dessen Fertigstellung im Mai 2011 bezogen werden.

Die Tochter ***8*** habe im Zeitraum 2005 bis Mai 2011 Geographie an der Moskauer Universität studiert und sei ständig in Moskau haushaltszugehörig gewesen, wo sich der Bf. während der gesamten Studienzeit um sie gekümmert habe (z.B. Fahrten in der Früh zur Universität).

Der Bf. sei Eigentümer und Geschäftsführer von mehreren russischen Unternehmen mit ca. 250 Mitarbeitern.

Er habe lediglich seinen Urlaub in Österreich verbracht und sonst - meist vor oder im Anschluss von Dienstreisen - Österreich an einzelnen Tagen besucht.

Im Jahre 2010 habe sich der Bf. nur an 57 Tagen in Österreich aufgehalten (lt. Teil 2 Beilage 9 der Vorhaltsbeantwortung vom ):

Grundlage der Berechnung seien die sich in den Pässen befindlichen Ein- und Ausreisestempel der russischen Grenzkontrolle.

Aufgrund von gesundheitlichen Problemen habe der Bf. seine Firmengruppe mit Unterstützung von Herrn ***12*** (ab 2010 Herr ***13***) umstrukturieren müssen, was auch ein erhebliches Ausmaß an persönlicher Präsenz in Russland erfordert habe.

Der Bf. halte auch fest, dass sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Bezugspunkte in den Jahren 2007 bis 2010 nicht geändert hätten; dies sei erst 2011 nach Abschluss der Umstrukturierung der Firmengruppe und nach Abschluss des Studiums der Tochter ***8*** an der Moskauer Universität erfolgt.

Ein früherer Umzug in die Wohnung in ***7***, wäre räumlich (nur 80 m²) gar nicht möglich gewesen.

Der Bf. habe im Streitjahr 2010 seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen in Russland gehabt, da wegen der Finanzkrise Gefahr bestanden habe, dass seine Unternehmen liquidiert werden, sofern er nicht neue Geschäftspartner gewinnen könne.

Die schlechte finanzielle Lage und die Unvorhersehbarkeit der rechtlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Russland hätten es zur Rettung seiner Unternehmen erforderlich gemacht, dass der Bf. vor Ort in Russland habe sein müssen, um rasch reagieren zu können.

Der Bf. habe eine leitende Stellung mit "Wohnsitzverpflichtung" in Russland gehabt, der er sich nicht habe entziehen können.

Aus diesem Grunde habe er sich auch im Streitjahr nur an 55 Tagen (57 Tage lt. Vorhaltsbeantwortung vom ) persönlich in Österreich bei seiner Ehefrau ***3*** und seiner Tochter ***4*** aufhalten können.

Nach Ansicht des Bf. liege somit im Streitjahr ein starkes Überwiegen der persönlichen aber auch wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland vor, weshalb er in Russland auch unbeschränkt steuerpflichtig sei.

Auch bei Anwendung des Art. 4 Z 2 lit. c DBA Russland wäre aufgrund der russischen Staatsangehörigkeit des Bf., eine steuerliche Ansässigkeit in Russland gegeben.

Auch § 1 Abs. 1 der ZweitwohnsitzVO würde bei einem Aufenthalt von nur 55 (57 lt. Vorhaltsbeantwortung vom ) Tagen in Österreich keinen Wohnsitz im Inland darstellen.

Zur ursprünglichen Beantragung der Ansässigkeitsbescheinigung vom für das Jahr 2010 werde ausgeführt, dass dieser Antrag irrtümlich erfolgte, da fälschlicher Weise davon ausgegangen worden sei, dass mit dem Hauskauf in ***14*** auch eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich begründet worden sei.

Nach Vorlage der Ansässigkeitsbescheinigung bei den russischen Steuerbehörden, sei aber von diesen festgestellt worden, dass die steuerliche Ansässigkeit des Bf. in Russland gelegen sei, da der Mittelpunkt der Lebensinteressen eindeutig in Russland anzusehen sei (der Bf. habe über 12 Unternehmen verfügt und lebte mit seiner ältesten Tochter in einer Eigentumswohnung in Moskau).

Die polizeiliche Meldung sei lt. Bf. in der Regel steuerlich nicht relevant, sie könne lediglich ein Indiz sein.

Entscheidend sei vielmehr die Verfügungsmacht, die Beibehaltungsabsicht und die tatsächliche Benutzung der Wohnung; alle drei Tatbestandsmerkmale müssen erfüllt sein.

Der Bf. bemängle auch, dass im Bp-Bericht nicht auf alle wirtschaftlichen Tätigkeiten des Bf. eingegangen worden sei.

So habe er im Zeitraum bis aufgrund der Finanzkrise auf sein Einkommen zum Wohle der "Akademie ***15***" verzichtet.

Um die Krankengeschichte des Bf. dem behandelnden Arzt im AKH-Wien vorlegen zu können, sei auch auf Befunde aus dem Jahre 2008 verwiesen worden.

In der Russischen Föderation gäbe es zwei Arten von Reisepässen:

a) Inlandsreisepass (vergleichbar mit einem Personalausweis) und

b) Internationaler Reisepass.

Der Bf. habe über beide Arten von Reisepässen verfügt und diese auch der Abgabenbehörde vollständig übermittelt.

Der Bf. habe in Österreich im Jahre 2010 über eine Wohnung, ein Haus sowie eine Gesellschaft (ohne Angestellte) verfügt.

In Russland habe der Bf. im Jahre 2010 über 12 Unternehmen mit ca. 250 Beschäftigten sowie über eine Eigentumswohnung in Moskau verfügt.

Eine steuerliche Ansässigkeit liege nach Ansicht des Bf. aufgrund der o.a. Gesamtumstände (Aufenthalt in Österreich an lediglich 55 [57 lt. Vorhaltsbeantwortung vom ] Tagen im Jahre 2010; Wohnungssanierung in Wien bis Ende 2010 etc.) jedenfalls in Österreich nicht vor.

Die stärkeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hätten somit zu Russland im Jahre 2010 bestanden.

Auch habe der Bf. religiöse und soziale Bindungen in Russland gehabt (soziale Unterstützung seiner Mitarbeiter etc.).

Hingegen sei vom österreichischen Wohnsitz keinerlei Entfaltung einer beruflichen Tätigkeit erfolgt.

Die Einnahmequellen in Russland und die Höhe der Einkünfte in Russland würden eindeutig für die engeren wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland sprechen.

Erst nach Abschluss des Studiums der älteren Tochter an der Universität Moskau und nach erfolgreicher Umstrukturierung seiner russischen Gesellschaften, habe das Familienleben des Bf. umgestaltet werden können, d.h. Aufgabe des Wohnsitzes in Moskau 2011 und physischer Umzug nach Österreich.

Ein gemeinsamer Haushalt mit seiner Ehegattin und seinen beiden Töchtern habe somit im Jahre 2010 noch nicht vorgelegen.

Bei Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen für 2010 durch das Finanzamt, seien unrichtige Übernahmen aus dem russischen Steuerbescheid erfolgt:

a) Zinsen aus Privatdarlehen:

"Es werden Zinseinkünfte von ***16*** i.H.v. 666.910,20 € in der Aufstellung angeführt, jedoch sind diese gemäß den russischen Einkommensnachweisen Dividenden mit einer anrechenbaren KESt i.H.v. 60.022 €."

b) Dividenden:

"Es werden Dividenden Einkünfte von "***17***" i.H.v. 362.958,90 € sowie anrechenbare KESt i.H.v. 47.185 € angeführt, jedoch sind diese gemäß den russischen Einkommensnachweisen Zinsen aus Privatdarlehen."

c) Einkünfte aus Kapitalvermögen von diversen Schweizer Bankkonten:

"Bei den Zinseinkünften des USD Kontos ***18*** wird zwischen USD und Euro umgerechnet, jedoch wird anstatt durch den Wechselkurs zu dividieren, multipliziert. Korrekterweise sind daher USD 46.244,95, unter Anwendung des angeführten Wechselkurses von 1,33126, 34.737,73 €."

In seiner Stellungnahme zum BFG-Vorhalt vom (betreffend unbeschränkter Besteuerung in Russland, Aufenthaltstage in Österreich, Wohnungskauf, Hauskauf und betragliche Darstellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen) brachte der Bf. wie folgt ergänzend vor:

ad 1. Wirtschaftliche Beziehungen:

Wie bereits in der Beschwerde ausgeführt, sei der Bf. im Jahre 2010 aufgrund der erforderlichen Umstrukturierungen seiner russischen Unternehmen fast ausschließlich in Russland tätig gewesen (= Sicherung der Haupteinnahmequelle für seine Familie). Als Nachweis für seine laufenden persönlichen und direkten Tätigkeiten 2010 in Russland lege er die Beilagen 1 bis 38 (zum Teil 1) vor (Gesellschafterbeschlüsse etc.).

Aufgrund seiner leitenden Stellung mit Wohnsitzverpflichtung in Russland würden die familiären und gesellschaftlichen Beziehungen in den Hintergrund treten.

Wegen des direkten Einsatzes des Bf. bei seinen russischen Unternehmen vor Ort hätten die negativen Trends von 2008 und 2009 überwunden und 2010 bedeutende Erfolge erzielt werden können.

Erst durch die Übernahme von Führungspositionen im Jahre 2011 durch Herrn ***12***, habe der Bf. entlastet und der Umzug nach Österreich ermöglicht werden können.

Darüber hinaus sei auch aufgrund einer Blutkrebserkrankung des Bf. eine regelmäßige ärztliche Beobachtung in Moskau erforderlich gewesen (siehe Beilage 39 der Vorhaltsbeantwortung).

Das russische Abgabenrecht sehe bei einer erklärungsgemäßen Veranlagung keinen eigenen Einkommensteuerbescheid vor.

Lt. CMS-Rechtsgutachten (Teil 2 Beilage 5 vom sei der Bf. gem. für das Jahr 2010 geltende Steuerrecht nicht verpflichtet gewesen, die Einkünfte aus den schweizerischen Wertpapierportfolios der verschiedenen ausländischen Gesellschaften in seine russische Einkommensteuererklärung 2010 aufzunehmen, da es 2010 keine Ausschüttungen bzw. sonstige Zahlungen an den Bf. gegeben habe (eine Änderung dieser Bestimmung sei erst ab dem Veranlagungsjahr 2015 erfolgt; Anti-Offshore-Gesetz).

Der Bf. halte nochmals fest, dass es somit in den Jahren 2007 bis 2010 zu keinen Änderungen der Verhältnisse hinsichtlich des Mittelpunktes seiner Lebensinteressen gekommen sei.

ad 2. Aufenthaltstage in Österreich:

Der Bf. lege eine berichtigte detaillierte Aufstellung seiner 57 Aufenthaltstage in Österreich vor (siehe Teil 2 Beilage 9 der Vorhaltsbeantwortung vom ).

Lt. Bf. erforderte eine im Jänner 2010 durchgeführte Augenoperation bei seiner erwachsenen mit ihm in Moskau lebenden Tochter ***8*** eine besondere Betreuung, weshalb er sie zur weit entfernten Universität, nach zeitlicher Möglichkeit, gebracht habe, damit sie nicht 2 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe fahren müssen.

ad 3. Wohnungskauf in 1010 Wien, ***19***, ***9***:

Da im Privatbereich keine Beleg-Aufbewahrungspflicht bestehe, könnten nach 10 Jahren keine Belege mehr vorgelegt werden. Als Nachweis diene der Wohnungsplan vor und nach der Sanierung. Da sich der Bf. im Jahre 2010 noch überwiegend in Russland aufgehalten habe, hätte auch keine "Sanierungs-Eile" bestanden.

ad 4. Hauskauf in ***Bf1-Adr***:

Lt. Auskunft des Notars habe für einen Ausländergrunderwerb ein Wohnsitz an der Hausadresse begründet werden müssen (als Nachweis der Befriedigung des persönlichen Wohnbedürfnisses), als Voraussetzung für die behördliche Erwerbsgenehmigung (Bescheid des Amtes der NÖ-LReg vom ).

Erst danach erfolgte am die Schlüsselübergabe (siehe Teil 2 Beilage 14).

Die Hauptwohnsitzmeldung im Zentralen Melderegister liefere somit keine richtige Aussage über den tatsächlichen Bezug des Hauses.

Festgehalten werde aber, dass das Haus zum Zeitpunkt der Schlüsselübergabe auch noch nicht bewohnbar gewesen sei. Die Umbau- und Renovierungsarbeiten begannen erst mit März 2011.

ad 5. Einkünfte aus Kapitalvermögen 2010:

2010 habe der Bf. folgende Kapitaleinkünfte erzielt und versteuert:

Nach BFG-Vorhalt vom an die belangte Behörde äußerte sich diese zur Vorhaltsbeantwortung des Bf. vom mit Schriftsatz vom wie folgt:

ad 1. Ansässigkeit:

Als Nachweis für seine Aufenthaltstage in Österreich bzw. Russland habe der Bf. ein Beilagenkonvolut 1 vorgelegt, wonach 57 Aufenthaltstage in Österreich und 36 datumsmäßig nachgewiesene Aufenthaltstage in Russland ersichtlich seien.

Keine dokumentierten Anwesenheiten in Russland würden jedenfalls für die Zeiträume vom 20.3. bis zum , vom 20.5. bis zum und vom 6.7. bis zum vorliegen.

Erst nach Kenntnis der Feststellungen der Außenprüfung hätte die russische Abgabenbehörde eine Ansässigkeitsbestätigung für 2010 dem Bf. erteilt.

Der Bf. sei im Streitjahr 2010 zwei Dienstverhältnissen in Moskau (Russland) nachgegangen und habe dort mit seiner älteren Tochter über einen gemeinsamen Haushalt und Wohnsitz verfügt.

Weiters habe er insbesondere über umfangreiche Firmenbeteiligungen in Russland und über Schweizer Bankguthaben verfügt.

ad 2. Rechtliche Erwägungen:

Unstrittig sei, dass der Bf. im Streitjahr in beiden DBA-Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte verfügt habe.

Die abkommensrechtliche Ansässigkeit richte sich daher nach dem Staat, zu dem der Bf. die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gehabt habe (= Mittelpunkt der Lebensinteressen).

ad 3. Persönliche Beziehungen:

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen sei der Wohnsitz des Ehepartners und der minderjährigen schulpflichtigen Kinder das wesentlichste Kriterium für den Ort der engeren persönlichen Beziehungen.

Da die Ehefrau und die minderjährige Tochter seit 2007 in Österreich gelebt haben, habe der Bf. diese trotz seines beruflichen Engagements in Russland regelmäßig in Österreich besucht. Dies allein deute auf einen gemeinsamen Haushalt des Bf. mit seiner Familie in Österreich hin.

Auch habe nach Ansicht der belangten Behörde der Bf. als Vater familienrechtliche Verpflichtungen (Sorgepflicht, Förderung des Kindswohles, Erziehung und Vertretung) wahrzunehmen, denen eine besonders hohe Bedeutung beizumessen sei.

Keine rechtliche Verpflichtung, sondern eine freiwillige Entscheidung, liege hingegen bei "persönlichen Beziehungen" in Form von "Jagen, Fischen, Kirchen- und Pastorenbesuchen, Beförderung der volljährigen Tochter zur Universität in Moskau, eigene gesundheitliche Gründe und Ferienaufenthalt der gesamten Familie in Moskau im Sommer 2010" vor.

ad 4. Wirtschaftliche Beziehungen:

Der Bf. habe im Streitjahr über Beteiligungen an russischen Kapitalgesellschaften (mit namhaften Dividenden) verfügt.

Die russischen Aktivbezüge aus seinen Dienstverhältnissen hätten 2010 lediglich ca. 2.000 € betragen.

Nach Ansicht der belangten Behörde hätten aber die wesentlichsten Einkünfte aus russischen Quellen nicht längere Aufenthalte vor Ort bedingt, weshalb ein Überwiegen der wirtschaftlichen gegenüber den persönlichen Beziehungen im gegenständlichen Fall nicht vorliege.

Weitere Ergänzungen des Bf. folgten im Schreiben vom wie folgt:

Bei der Hauptwohnsitzmeldung des Bf. in Österreich im Jahre 2007 handle es sich um eine rein formale Meldung (siehe dazu auch die Ausführungen in der Beschwerde vom ). Denn der Bf. habe weiterhin mit seiner älteren Tochter in Moskau gelebt.

Darüber hinaus habe sich der Bf. im Jahre 2007 ebenfalls nur 56 Tage in Österreich aufgehalten.

Der Antrag auf Ausstellung einer Ansässigkeitsbescheinigung für das Jahr 2010 sei irrtümlich erfolgt, da die russischen Berater von einer Steueransässigkeit in Österreich aufgrund des Hauskaufs in ***14*** ausgegangen seien.

Vielmehr habe der Bf. eine russische Ansässigkeitsbescheinigung für die Jahre 2007 bis 2010 vorlegen können; der Zeitpunkt der Ausstellung habe keine Relevanz.

Bei der vom Bf. im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom vorgelegten Auflistung der beruflichen Tätigkeiten des Bf. handle es sich nicht um eine taxative, sondern um eine "beispielhafte" Auflistung.

Festgehalten werde, dass sich der Bf. neben den bekanntgegebenen Aufenthaltstagen in Österreich, Schweiz, Niederlande, Italien, Tschechische Republik, durchgehend in Russland aufgehalten habe.

Der Bf. sei auch bis dato vom Finanzamt nicht aufgefordert worden, sämtliche Aufenthaltstage in Russland 2010 in geeigneter Form nachzuweisen; wo hätte sich der Bf. sonst 2010 aufhalten sollen, wenn nicht in Russland ?

Das Finanzamt gehe daher fälschlich von bloß 36 nachgewiesenen Aufenthaltstagen in Russland aus. Richtig sei vielmehr (siehe Beilage 1 des aktualisierten Verzeichnisses der Aufenthaltstage zum Schreiben des Bf. vom ), dass sich der Bf. 57 Tage in Österreich, 8 Tage in anderen EU-Ländern und die restlichen 300 Tage im Jahre 2010 in Russland aufgehalten habe.

Zur Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen sei im gegenständlichen Fall auf die besonderen Lebenskonstellationen des Bf. Bedacht zu nehmen.

Denn die wirtschaftlichen Beziehungen des Bf. würden weitaus über eine bloß zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit hinausgehen. So hätten umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen der russischen Unternehmen ab dem Jahre 2007 bis Frühjahr 2011 unter Leitung des Bf. stattgefunden, weshalb nach Ansicht des Bf. nicht von einer bloß "vorübergehenden" Tätigkeit in Russland gesprochen werden könne.

Auch habe 2010, entgegen der Ansicht des Finanzamtes, der Familienwohnsitz sich nicht in Österreich befunden. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn es nicht tatsächlich stärkere (berufliche) Bindungen zu einem anderen Ort (Russland) gegeben hätte. Die Familie des Bf. habe jedenfalls im Jahre 2010 nicht regelmäßig an einem Ort gelebt.

Die Entscheidung des Bf. der Begründung eines gemeinsamen Familienwohnsitzes in Österreich sei erst im Frühjahr 2011 (nach Abschluss der Umstrukturierungsmaßnahmen in Russland und nach Abschluss des Universitätsstudiums der älteren Tochter) gefallen.

Daran würden auch die kurzfristigen Aufenthalte in Österreich im Jahre 2010 nichts ändern, die für eine Begründung des Familienwohnsitzes jedenfalls nicht ausreichend seien.

Auch die familienrechtlichen Bedenken des Finanzamtes weise der Bf. mit Hinweis, dass im gegenständlichen Fall kein "klassisches Lebensmodell" vorliege, zurück.

In Bezug auf die Umstände der persönlichen Beziehungen bei Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen lasse sich nach Ansicht des Bf. nicht ableiten, dass eine rechtliche Verpflichtung bei den persönlichen Bindungen (wie Jagen, Fischen, Kirchen- und Pastorenbesuche, Beförderung der volljährigen Tochter, eigene gesundheitliche Gründe, Ferienaufenthalt der gesamten Familie in Moskau im Sommer 2010) maßgeblich sein müsse.

Weiters könne auch nicht von einer untergeordneten Gewichtung des Bf. zu seiner mit ihm im gemeinsamen Haushalt in Moskau lebenden erwachsenen Tochter ***8*** gesprochen werden, da diese noch nicht berufstätig gewesen sei und auch keinen eigenständigen Haushalt unterhalten habe und auch während ihres Studiums finanziell vom Bf. unterstützt worden sei.

Andere Familienangehörige habe es zu dieser Zeit nicht gegeben, die sich um die Tochter, insbesondere nach der 2010 stattgefundenen Augenoperation hätten kümmern können.

Der Bf. habe 2010 auch bei der NOU Akademie INELT eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt; ab sogar ohne Gehaltszahlung ("unbezahlter Urlaub).

Die Aktivbezüge des Bf. spielen im Vergleich zu den Kapitaleinkünften (Dividenden etc.) des Bf. keine bedeutende Rolle.

Alle Entscheidungen betreffend seiner russischen Unternehmen habe der Bf. direkt vor Ort in Moskau getroffen. Dieser außerordentliche Einsatz (Umsatzsteigerung von 33 % im Jahre 2010) habe eine Ausschüttung von Dividenden überhaupt erst ermöglicht, die ab 2011 erklärungsgemäß in Österreich besteuert wurden.

Diese Ausschüttungen wären bei einer bloßen Aufenthaltsdauer von 36 Tagen im Jahre 2010 in Russland nicht erzielt worden (nicht vergleichbar somit mit einem bloßen Wertpapierdepot bei einer Bank).

Nicht nachvollziehbar sei die Erwähnung seiner Firmenbeteiligungen in Panama und British Virgin Islands, die nichts mit dem Sachverhalt zum Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. zu tun hätten. Auch die schweizerischen Einkünfte hätten lediglich 2,6 % vom Gesamteinkommen des Bf. betragen und seien im Vergleich zu den in Russland erzielten Einkünften somit unbedeutend.

Schließlich habe die 50 %ige Beteiligung des Bf. an einer österreichischen Gesellschaft, bei der er nicht Geschäftsführer sei, ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle.

Bei den in Österreich durch den Bf. erworbenen Liegenschaften handle es sich nicht um Einkunftsquellen und somit nicht um relevante Umstände im Rahmen von wirtschaftlichen Beziehungen.

Der Bf. habe zahlreiche Nachweise für seine engeren wirtschaftlichen Beziehungen in Russland erbracht (siehe u.a. Beilagenkonvolut 1 zur Vorhaltsbeantwortung vom ).

Aufgrund der vorgelegten umfangreichen Nachweise sei nach Ansicht des Bf. im gegenständlichen Fall von engeren wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland als auch von nicht unbedeutenden persönlichen Beziehungen in Russland auszugehen.

Die Änderungen der Verhältnisse hinsichtlich des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Bf. seien somit erst im Jahre 2011 und nicht bereits im Jahre 2010 eingetreten.

Das Finanzamt weist im Schreiben vom ergänzend zur Ansässigkeitsbestätigung und zu den strittigen Aufenthaltstagen wie folgt hin:

a) Ansässigkeitsbestätigung:

"Der VwGH fand erst kürzlich im seiner Entscheidung vom , Ra 2019/15/0160, dass bei Wohnsitzen in zwei Staaten eine ausländische Ansässigkeitsbestätigung keine Information darüber enthält, zu welchem Staat die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen und diese unabhängig davon zu erheben und würdigen sind, sodass eine DBA-Ansässigkeitsbestätigung von eingeschränkter Bedeutung sei. ME gilt dies umso mehr, je länger das Zeitintervall zwischen dem zu beurteilenden Ansässigkeitszeitraum und den Ausstellungszeitpunkt ist (hier über sechs Jahre)."

b) Aufenthaltstage:

"Die Abgabenbehörde hat durch einfache Addition an Hand der vorgelegten Nachweise die bewiesenen Aufenthaltstage in der russischen Föderation ermittelt. Was hier von Parteienseite nicht nachvollzogen werden kann ist mir schleierhaft.

Das nunmehr beigelegte "aktualisierte Verzeichnis der Aufenthaltstage im Jahr 2010" bleibt für die weitaus überwiegende Anzahl der Kalendertage im Jahr 2010 ohne jeden Nachweis."

Im Zuge der Beantwortung des BFG-Vorhalts (betreffend Staatsbürgerschaft) vom teilte die steuerliche Vertretung mit Schreiben vom mit, dass der Bf. sowie seine Ehefrau ***3*** und seine jüngere Tochter ***4*** seit im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sind. Lediglich die ältere Tochter des Bf. ***8*** besitze die russische Staatsbürgerschaft.

Keine dieser Personen würden über eine doppelte Staatsbürgerschaft verfügen.

Mit Schreiben vom legte das Finanzamt ergänzende Unterlagen aus dem Staatsbürgerschaftsverfahren des Bf. vor und der steuerlichen Vertretung zur Kenntnis weitergeleitet; insbesondere

- Auszug vom aus dem Melderegister (ZMR) des ***Bf1***,

- den Antrag von ***3*** vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für sich selbst und in Erstreckung auch für ihren Ehegatten ***Bf1*** sowie ihre minderjährige Tochter ***4***,

- den Lebenslauf samt Aufenthaltszeiten von ***Bf1***,

- Niederschrift vom der Bezirkshauptmannschaft Baden mit ***3*** und ***Bf1***,

- einen Auszug aus dem Fremdenakt vom der Bezirkshauptmannschaft Baden,

- Niederschrift vom der Bezirkshauptmannschaft Baden mit ***3*** sowie

- Bescheid vom der Niederösterreichischen Landesregierung über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Im Zuge der mündlichen Senatsverhandlung am ergänzte der steuerliche Vertreter des Bf., dass der Bf. zwar den Plan gehabt habe, bereits 2007 nach Österreich mit seiner Familie zu übersiedeln, aufgrund der damaligen Finanzkrise sei dies aber nur seiner Ehegattin und seiner jüngeren Tochter möglich gewesen. Er habe sich in diesen Jahren deshalb nur zwischen 50 und 60 Tagen in Österreich aufhalten können.

Der Bf. habe in Russland über eine Eigentumswohnung und über ein Wochenendhaus verfügt. Der Wohnsitz des Bf. befand sich in diesen Jahren in Moskau, wo er mit seiner ältesten Tochter bis zu deren Universitätsabschluss im Jahre 2011 einen gemeinsamen Haushalt geführt habe.

Da der Bf. Geschäftsführer und Gesellschafter mehrerer russischer Firmen gewesen sei, sei in diesen finanziell angespannten Zeiten seine persönliche Anwesenheit vor Ort unabdingbar gewesen (diesbezügliche Nachweise seien bereits vorgelegt worden).

Zum von der belangten Behörde aufgegriffenen Staatsbürgerschaftsverfahren werde festgehalten, dass sich ein Antragsteller gem. § 15 Abs. 1 Z 3 StbG 20 % der vorgesehenen Zeitspanne außerhalb des österreichischen Bundesgebietes aufhalten dürfe.

Der Bf. habe seine Reisepässe vorgelegt, aus denen die Aufenthaltsdauer im Ausland (= außerhalb Russlands) ersichtlich sei.

Ebenso seien Ansässigkeitsbescheide des russischen Finanzamtes für die Jahre 2007 bis 2010 vorgelegt worden.

Die Ansässigkeitsbescheinigung 2010 sei in Österreich, wie bereits aktenkundig, irrtümlich erfolgt.

Dem hielt der Vertreter des Finanzamtes wie folgt entgegen:

Im Zuge des Verfahrens auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft habe der Bf. in seinem vorgelegten "Lebenslauf" angegeben, dass er ab dem Jahre 2010 bis laufend selbständig in Österreich tätig gewesen sei. Er sei Gesellschafter der am gegründeten Firma ***10*** (FN ***11***, Beteiligung 50 %).

Ebenso sei der Bf. Gesellschafter und Geschäftsführer der am gegründeten Firma ***20*** (FN ***21***, Beteiligung 100 %).

Eine russische berufliche Tätigkeit habe der Bf. ab dem Jahre 2010 nicht mehr angegeben.

Bereits seit 2007 sei der Bf. nach eigenen Angaben bis laufend nur noch in Österreich aufhältig.

Nach Auskunft der Niederösterreichischen Landesregierung, sei eine aufrechte Lebensgemeinschaft, eine Niederlassung im Sinne des NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz) und der durchgängige Aufenthalt von 6 Jahren ohne Unterbrechungen, zwingende Voraussetzung für die Erstreckung der Staatsbürgerschaft.

Aus diesem Grunde beantrage der Vertreter des Finanzamtes die Einvernahme der gesamten Familie des Bf.

Weiterhin nicht dokumentiert seien

- die gesamten Aufenthaltstage des Bf. in Russland,

- die behaupteten im Eigentum stehenden Immobilien des Bf. in Russland sowie

- die Betreuung der älteren Tochter.

Auch sei nach Ansicht der belangten Behörde ein berufsmäßiges Pendeln nicht von Relevanz, wenn sich die Kernfamilie im Inland (Österreich) befinde.

Anzuwenden seien die Bestimmungen des § 16 StbG und nicht die Ausnahmebestimmungen des § 15 Abs. 1 Z 3 StbG.

Aufgrund der Glaubhaftmachung des Bf. sei diesem 2010 (Antrag vom ) eine österreichische Ansässigkeitsbescheinigung ausgestellt worden. Die vorgelegte russische Ansässigkeitsbescheinigung sei erst 6 Jahre später ausgestellt worden und kurz vor der Schlussbesprechung der abgabenbehördlichen Prüfung vorgelegt worden.

Mit Schreiben vom wurde seitens der belangten Behörde kein Einwand gegen die vom Bf. beantragte Richtigstellung einer eventuellen Abgabenfestsetzung (Schreiben vom (Beilage 16) erhoben.

Auch der Bf. bestätigte mit Schreiben vom die Richtigkeit der Abgabenberechnung.

Weiters teilte der Bf. mit Schreiben vom mit, dass der Bilanzgewinn zum der Fa. ***10*** lt. Umlaufbeschluss auf neue Rechnung vorgetragen worden sei; d.h., dass es 2010 zu keiner Ausschüttung an die Gesellschafter gekommen sei.

Auch im Schreiben vom hält die steuerliche Vertretung bezüglich der vom Finanzamt angezweifelten Aufenthaltstage in Russland bzw. Österreich nochmals fest:

Jede Ein- und Ausreise des Bf., als russischer Staatsbürger, sei mit einem Stempel von den Grenzbehörden dokumentiert worden.

Der Reisepass bilde somit eine offizielle Auskunft über jeden einzelnen Grenzübertritt Russlands. Der russische internationale Reisepass mit der Nr. ***22*** des Bf. beinhalte alle relevanten Stempel aus dem Jahre 2010 (siehe Seiten 32 und 33).

Daraus würden sich klar die bereits dokumentierten 57 Aufenthaltstage in Österreich ergeben.

Der Bf. bemühe sich noch weitere Nachweise für die strittigen Aufenthaltstage in Österreich zu erbringen (Anfragen bei den russischen Grenzbehörden und Fluglinien durch eine internationale Rechtsanwaltskanzlei CMS).

Auch leitende Mitarbeiter des Bf. wären zu gerichtlichen Aussagen bereit.

Die bereits vom Bf. übermittelten Unterlagen bezüglich seiner Aktivitäten in Russland würden nur eine beispielhafte Auflistung der wirtschaftlichen Tätigkeiten in Russland im Jahr 2010 darstellen.

Mit Schriftsatz vom legte der Bf. die rechtliche Stellungnahme betreffend seinem Staatsbürgerschaftsverfahren vor, wobei seiner Ansicht nach die unterschiedlichen Definitionen zum Thema "Hauptwohnsitz" nicht mit der Definition des steuerlichen "Mittelpunktes der Lebensinteressen" vergleichbar sei. Von einer "Irreführungsabsicht" bzw. "falschem Zeugnis" des Bf. iSd § 69 Abs. 1 Z 1 AVG könne daher hinsichtlich des Staatsbürgerschaftsverfahrens (dieses habe sich auf die polizeiliche Meldung lt. ZMR gestützt) keine Rede sein.

Als weitere Nachweise für seinen überwiegenden Aufenthalt in Russland im Jahre 2010 lege der Bf. einen nach Rücksprache mit seinen Mitarbeitern angefertigten Kalender mit Kurzbeschreibung seiner Tätigkeiten vor.

Des Weiteren lege der Bf. schriftliche Erklärungen von Mitarbeitern vor, die regelmäßig persönlichen Kontakt in Russland mit dem Bf. im Streitjahr 2010 hatten (***23***, ***24***, ***25***, ***26***, ***27***, ***28***).

Im Zuge der zweiten mündlichen Senatsverhandlung am hielt der Bf. (als Auskunftsperson befragt) ergänzend zum bisherigen Verfahrensstand wie folgt fest:

Er habe 2007 aus wirtschaftlichen Gründen seien Wohnsitz nach Österreich verlegt, insbesondere sei dadurch eine zeitliche Reduktion seiner europäischen (nach Frankreich, Großbritannien, Italien etc.) Geschäftsreisen möglich gewesen.

Dennoch sei es aufgrund der 2008 weltweit eingetretenen Wirtschaftskrise erforderlich gewesen, dass er 2009 und 2010 viel Zeit in Russland verbringen habe müssen, da sein Management-System in Russland zusammengebrochen sei.

Der Bf. und seine Ehegattin haben über eine Eigentumswohnung (zwischenzeitlich bereits verkauft) in Moskau und ein Wochenendhaus (im Eigentum der Ehegattin bestehe noch und werde nicht vermietet) verfügt.

2010 habe er sich lediglich an 57 Tagen in Österreich aufgehalten; seine Familie habe ihn oft in Moskau besucht (in der Ferienzeit und zu den Feiertagen).

Zum Eigentumserwerb in Österreich werde nochmals erklärt, dass seine Ehegattin 2008 in ***7***, das ***9*** erworben habe.

Am habe er dann auch die Nachbarwohnung ***9*** erwerben können.

2010 sei es schließlich zum Hauskauf in ***14*** gekommen.

Beim Staatsbürgerschaftsverfahren sei es um den Hauptwohnsitz lt. ZMR gegangen; dieser habe seit 2007 in Österreich bestanden. Der Bf. sei nicht davon ausgegangen, dass er sich "dauernd" in der eigenen Wohnung aufhalten müsse.

2010 sei der Bf. auch Miteigentümer der Fa. ***10*** gewesen und habe seiner Frau bei der Abwicklung einiger internationaler Geschäfte (insbesondere Notstromaggregate) geholfen, da es sonst keine Mitarbeiter gegeben habe.

Das Umsatzvolumen der Fa. ***10*** habe lediglich ca. 1 % des Umsatzes (u.a. Herstellung von "Container-Kraftwerken") seiner russischen Betriebe im Jahre 2010 betragen.

Der Vertreter der Abgabenbehörde ersuchte den Bf. Näheres zu den erwähnten Handelsgeschäften auszuführen. Dieser verwies diesbezüglich auf Unterlagen der Fa. ***10*** (Handelspartner etc.).

Zur Klärung der Frage, ob sich der Bf. "ununterbrochen", insbesondere im Jahr 2010, in Österreich aufgehalten habe, wurde der zuständige Referent im Staatsbürgerschaftsverfahren als Zeuge wie folgt einvernommen:

Lt. ZMR-Abfrage hätten die Antragstellerin ***3***, ihr Ehegatte ***Bf1*** sowie die Tochter ***4*** seit einen durchgehenden Hauptwohnsitz in Österreich gehabt.

Dieser Hauptwohnsitz sei ein wesentliches Indiz (Meldebestätigung habe Urkundencharakter) dafür gewesen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich in Österreich befunden habe (§ 1 Abs. 7 und 8 MeldeG).

Bei Anwendung des § 16 StbG, wonach die Verleihung der Staatsbürgerschaft an ***3*** auch auf mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten ***Bf1*** zu "erstrecken" sei, wenn sich dieser seit "mindestens sechs Jahren" rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte, sei auch die in § 15 Abs. 1 StbG angeführte 20 %ige Zeitspanne eines Aufenthaltes außerhalb des Bundesgebietes ab Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen.

Ein ausländischer Wohnsitz des Bf. sei im gegenständlichen Staatsbürgerschaftsverfahren nicht bekannt gewesen, weshalb mangels derartiger Indizien auch diesbezüglich keine weiteren Erhebungen (auch im Hinblick, ob die 20 %ige Zeitspanne überschritten worden sei, was wiederum ein zwingendes Verleihungshindernis dargestellt hätte) durchgeführt worden seien.

Eintragungen im Reisepass seien nicht kontrolliert worden, lediglich die Seite mit den persönlichen Daten sei zum Akt genommen worden.

Der Bf. habe der Behörde auch nicht melden müssen, wenn er ins Ausland gereist sei.

Ob bei jeder Ein- bzw. Ausreise ein Stempel im Reisepass angebracht worden sei, entziehe sich der Kenntnis des Referenten.

Eine gesonderte Überprüfung des behaupteten gemeinsamen Haushaltes sei nicht erfolgt, da bei einem ausländischen Ehepaar grundsätzlich kein Verdacht auf eine Scheinehe bestehe.

Lt. Fremdenakt habe der Bf. im Juni 2010 einen Deutschkurs besucht und abgeschlossen.

Am habe es eine Verlängerung der Aufenthaltskarte in Wien gegeben.

Ein "Erstreckungshindernis" würde jedenfalls ein tatsächlicher Auslandsaufenthalt im Zeitraum von November 2008 bis November 2014 im Ausmaß von über 1,2 Jahren (= 20 % von 6 Jahren) darstellen.

Die Familie sei mit Wirksamkeit vom aus dem russischen Staatsverband entlassen worden. Das habe auch die Einziehung der russischen Reisepässe und der russischen Staatsbürgerschaft zur Folge gehabt.

Auch werde die Herkunft der Einkünfte nicht überprüft; das Vorhandensein von Einkommensteuerbescheiden sei ausreichend.

Da keine Änderungen bei der Ermittlungsbehörde seit Erlassung des Zusicherungsbescheides festgestellt worden seien, sei mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom die österreichische Staatsbürgerschaft an Frau ***3*** und im Erstreckungswege auch an Herrn ***Bf1*** sowie deren Tochter ***4*** verliehen worden.

Auch bei der Ausfolgung des Verleihungsbescheides am sei angegeben worden, dass keine Änderungen der persönlichen Lebensverhältnisse eingetreten seien und der Bf. auch keinen getrennten Haushalt von seiner Ehegattin (im Zeitpunkt 2015) geführt habe.

Aufgrund des eingeschränkten gesundheitlichen Zustandes des Bf. wurde die weitere Senatsverhandlung auf den vertagt.

Mit Schreiben vom nahm der Bf. seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Daraufhin forderte das Bundesfinanzgericht ***3***, ***4*** und ***8*** zwecks Klärung des Mittelpunktes der Lebensinteressen von ***Bf1*** zu einer schriftlichen Zeugenaussage auf, die von den Zeuginnen wie folgt mit Schriftsatz vom beantwortet wurde:

a) ***3***:

Die Verlegung des Hauptwohnsitzes von Russland nach Österreich sei eine Familienentscheidung gewesen, insbesondere, damit die Tochter ***4*** eine gute Ausbildung erhalte.

Sie selbst sei im Jahre 2010 Geschäftsführerin der Fa. ***10*** gewesen und habe Einkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit erzielt.

Die Fa. ***10*** sei eine reine Handelsfirma (Kauf von Waren von Firmen insbesondere aus ***16*** und Frankreich und Weiterverkauf insbesondere nach Tadschikistan, Georgien und Russland).

Der Jahresüberschuss 2010 i.H.v. 1.031.760,30 € sei nicht an die beiden zu jeweils 50 % beteiligten Gesellschafter (***3*** und ***Bf1***) ausgeschüttet worden.

Seit 2007 sei sie, ihr Ehemann und ihre Tochter ***4*** in Österreich polizeilich gemeldet, wobei der Bf. aufgrund der eingetretenen Finanzkrise zurück nach Russland musste.

Sie habe auch die Wohnung in ***7***, am in Eigentum erworben.

Der Bf. habe sie auch 2010 bevollmächtigt die Liegenschaft in ***14*** am in Eigentum zu erwerben.

Der Bf. sei nur beim Kauf der Eigentumswohnung in 1010 Wien, ***29*** am persönlich anwesend gewesen.

Die Zeugin habe im Jahre 2010 auch noch über eine Wohnung in Moskau und über ein Wochenendhaus in der Nähe von Moskau im Eigentum verfügt, die jedoch nicht vermietet worden seien.

Sie führe mit ihrem Ehemann seit 1989 einen gemeinsamen Haushalt, jedoch sei der Bf. aufgrund beruflicher Verpflichtungen bis ca. Juni 2011 "faktisch nicht in Österreich aufhältig gewesen". Aus diesem Grunde habe sie ihren Ehemann mit ihrer Tochter ***4*** in der Ferienzeit in Russland besucht (siehe dazu die Aufenthaltstabelle von ***3*** für das Jahr 2010).

b) ***4***:

Aufgrund der elterlichen Entscheidung habe die Zeugin ihren Hauptwohnsitz ab 2007 mit ihrer Mutter von Russland nach Österreich verlegt.

Im Jahr 2010 sei sie noch Schülerin und ihr Vater nur selten in Österreich gewesen.

Dafür habe sie mit ihrer Mutter in den Ferien des Jahres 2010 ihren Vater und ihre ältere Schwester in Russland besucht.

Erst ab 2011 sei ihr Vater auch im neuen Haus in ***14*** anwesend gewesen.

c) ***8***:

Aufgrund der elterlichen Entscheidung habe die Zeugin ihren Hauptwohnsitz ab 2008 lt. ZMR von Russland nach Österreich registriert.

Tatsächlich habe sie sich aber bei ihrem Vater in Russland aufgehalten, so auch im Jahre 2010.

In den Ferien habe sie ihre Mutter und jüngere Schwester in Österreich besucht.

Erst im Juni 2011 sei sie mit ihrem Vater nach Österreich umgezogen und habe seit diesem Zeitpunkt einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Vater in Wien und ***14*** geführt.

Aufgrund der vom Finanzamt angezweifelten Einträge im Reisepass des Bf. legte der Bf. mit Schreiben vom noch

a) eine Bestätigung der russischen Fluglinie Aeroflot vom über getätigte Flüge im Jahre 2010 und

b) ein Schreiben vom des russischen Grenzdienstes vor, in dem mitgeteilt wurde, dass der Grenzdienst gem. den russischen Bestimmungen nicht berechtigt sei, Auskünfte über Daten hinsichtlich des Passierens der russischen Staatsgrenze weiterzugeben.

Zu diesen ergänzenden Unterlagen wies das Finanzamt in seinem Schriftsatz vom u.a. darauf hin, dass die von der Fluggesellschaft vorgelegte Bestätigung auch nicht alle im Jahre 2010 getätigten Aeroflot-Flüge beinhalte, was somit nicht ausschließe, dass 2010 deutlich mehr Reisebewegungen zwischen dem Aufenthaltsort (Wohnort) der Familie in Österreich und dem zeitweiligen Tätigkeitsort in Moskau (im Sinne eines berufsbedingten Pendelns) stattgefunden haben.

Ebenfalls mit übermittelte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht seine ergänzende Stellungnahme zu den bisherigen Beweisaufnahmen und fasst seine bisherige Rechtsanschauung zusammenfassend dar:

Auch aus den ergänzenden Unterlagen und Beweismittelvorlagen ergebe sich, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. im Streitjahr in Österreich, am Ort des Familienwohnsitzes (ständiger Aufenthalt der Ehefrau und der minderjährigen Tochter jedenfalls bereits seit 2007) befunden habe.

Bereits mit Antragstellung zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung in Österreich vom sei die Absicht des Bf. zum ständigen Aufenthalt in Österreich zu Tage getreten.

Mit sei dem Bf., seiner Ehefrau und der Tochter ***4*** schließlich die unbeschränkte Niederlassungsbewilligung in Österreich erteilt worden.

Aber auch die Aufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten in Österreich (Gründung der Fa. ***10*** am ) spreche für den Wunsch des Bf. die Ansässigkeit seiner ganzen Familie bereits lange vor dem Streitjahr 2010 nach Österreich zu verlagern.

Weiterer Hinweis für einen gewollten dauernden Aufenthalt in Österreich stelle auch die GSVG-Mitversicherung des Bf. ab dar.

Diesbezüglich (Pflichtversicherung des Bf. in Österreich, fehlende Angaben im Staatsbürgerschaftsverfahren etc.) wären nach Ansicht des Finanzamtes noch weitere Beweisaufnahmen erforderlich (Fragenkatalog lt. Schreiben vom ).

Dass der Bf. im Streitjahr vermehrte berufliche Aktivitäten ("Krisenbewältigung") in der Russischen Föderation wahrgenommen habe, sei im gesamten Verwaltungsverfahren nicht bestritten worden.

Sollte das Bundesfinanzgericht weiterhin Zweifel am Naheverhältnis des Bf. zu Österreich im Streitjahr haben, wären auch die persönlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände des Bf. und seiner Familie ab dem Zuzug nach Österreich im Jahre 2007 sowie in den Jahren 2008 und 2009 festzustellen (siehe Fragenkatalog lt. FA-Schreiben vom ).

Mit Schreiben vom fasst die steuerliche Vertretung des Bf. ihr bisheriges Vorbringen zusammenfassend fest und hält insbesondere nochmals fest, dass der Bf. über keine weiteren Reisepässe im Streitzeitraum verfügt habe und verweist auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bf. (u.a. vom ).

Im Streitjahr sei auch nicht von einem "berufsbedingten Pendeln" auszugehen.

Bis ca. Juni 2011 (Abschluss des russischen Studiums der älteren Tochter, Abschluss von Umstrukturierungsmaßnahmen in Russland etc.) könne auch nicht von einem gemeinsamen Haushalt der Familie ***6*** ausgegangen werden.

Auf die bloß subjektive Absicht des Bf. (die Absicht sei bis zur Wirtschaftskrise beim Bf. gegeben gewesen; siehe auch die erteilten Niederlassungsbewilligungen, Staatsbürgerschaftsverfahren, Krankenversicherung in Österreich, Beteiligung an einer österreichischen WarenhandelsgesmbH) den Mittelpunkt der Lebensinteressen vom Ausland in das Inland zu verlegen und bloß "vorbereitende Maßnahmen" dazu, würden noch nicht zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen genügen.

Nach Ansicht des Bf. würde die Anzahl der Aufenthaltstage ein bedeutsames Kriterium darstellen, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. bestanden habe.

Der bedeutungsvollere Vertragsstaat für den Bf. im Streitjahr sei aus den bereits mehrfach ausgeführten wirtschaftlichen (Umstrukturierungsmaßnahmen), aber auch persönlichen Gründen (Studium der älteren Tochter) jedenfalls Russland gewesen.

Die vom Finanzamt neuerlich angeregten Beweisaufnahmen seien lt. Bf. nicht beweisrelevant, da der relevante Sachverhalt in allen Aspekten und in jede Richtung hin bereits vollständig geklärt sei.

Das Bundesfinanzgericht hat nach nichtmündlicher Senatsverhandlung über die Beschwerde erwogen:

Sachverhalt

Am stellte der Bf. (zu diesem Zeitpunkt Staatsangehöriger der Russischen Föderation) einen Antrag zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung in Österreich.

Bereits am gründete der Bf. mit seiner Ehefrau (als Gesellschafterin-Geschäftsführerin) die österreichische Fa. ***10*** (FN ***11***), die auch nachweislich Gewinne erwirtschaftete (im Streitjahr lt. Jahresbeschluss zum i.H.v. 519.091,60 €).

Am wurde für den Bf. und seine Ehefrau eine Erst-Niederlassungsbewilligung als selbständige Schlüsselkraft erteilt (aufgrund der Schaffung eines bedeutenden wirtschaftlichen Anknüpfungspunktes im Inland lt. § 8 Abs. 2 Z 1 NAG und § 9 Z 2 NAG-DV).

Diese Erst-Niederlassungsbewilligung erstreckte sich auch auf die jüngere Tochter ***4***.

Am wurde schließlich auch der älteren Tochter ***8*** eine Niederlassungsbewilligung erteilt.

Am erhielt der Bf., seine Ehefrau und die jüngere Tochter ***4*** die unbeschränkte Niederlassungsbewilligung für Österreich.

Schließlich wurde dem Bf. mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen (im Streitjahr 2010 war der Bf. somit noch Angehöriger der Russischen Föderation).

Der Bf. verfügte während des gesamten Streitjahres 2010 über einen Hauptwohnsitz in Österreich (zunächst in ***7*** und ab in ***Bf1-Adr***).

Auch seine Ehegattin ***3*** und seine im Streitjahr zehnjährige Tochter ***4*** hatten ihren Hauptwohnsitz an den selbigen Adressen und führten einen gemeinsamen Haushalt mit dem Bf. (siehe Niederschriften der Bezirkshauptmannschaft Baden vom und ).

Zugleich hatte er in diesem Streitjahr 2010 auch einen Wohnsitz (Eigentumswohnung in Moskau und Wochenendhaus außerhalb Moskaus) in der Russischen Föderation innegehabt.

Beruflich arbeitete der Bf. wie o.a. im Streitjahr bei der österreichischen ***10*** als zu 50 % beteiligter Mitgesellschafter mit (siehe Zeugenaussage ***3*** vom ).

Beruflich bedingt, der Bf. leitete eine russische Firmengruppe mit über 200 Mitarbeitern, hielt sich der Bf. im Streitjahr großteils in der Russischen Föderation auf (siehe obige Aufenthaltsliste).

Beweiswürdigung

Die Abgabenbehörde geht aufgrund des o.a. Sachverhaltes davon aus, dass es bereits vor dem gegenständlichen Streitjahr zu einer Ansässigkeitsverlagerung des Bf. gekommen ist und der Bf. jedenfalls im Streitjahr 2010 in Österreich steuerlich ansässig war.

Auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht brachte der Bf. in mehreren Schriftsätzen umfassend vor, dass sein Aufenthalt in der Russischen Föderation sowie sein Mittelpunkt der Lebensinteressen in Moskau bis Frühjahr 2011 dauerte (siehe Schreiben vom und ).

Nach Ansicht des Bf. lagen neben den insbesondere wirtschaftlichen Interessen (Führung und Umstrukturierung mehrerer Betriebe) auch seine privaten und familiären (gemeinsamer Haushalt mit der im Streitjahr bereits erwachsenen Tochter ***8***) Interessen somit in Moskau.

Die weitaus überwiegende Anzahl seiner Aufenthaltstage im Streitjahr ist nachweislich nicht in Österreich, sondern in Russland gelegen (siehe Beilage 1 zum Schreiben vom ).

Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation in der Russischen Föderation hat der Bf. somit im Streitjahr nur 57 Tage in Österreich bei seiner bereits 2007 nach Österreich zugezogenen Ehefrau ***3*** und jüngeren Tochter ***4*** verbracht (siehe auch deren Zeugenaussagen vom ).

Von einer aktiven Teilnahme am sozialen Leben in Österreich kann daher nicht gesprochen werden.

Die vom Bf. am erworbene Eigentumswohnung (***7***, ***9***) sowie das im Streitjahr erworbene Einfamilienhaus in 2522 ***14***, waren wegen noch ausstehender Sanierungen im Streitjahr noch nicht bewohnbar.

Zur Verfügung stand jedoch auch die von der Ehegattin am erworbene Eigentumswohnung in 1010 Wien, ***30***.

Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Ist eine Person unbeschränkt steuerpflichtig, dann erfasst die Steuerpflicht alle steuerbaren Einkünfte iSd § 2 EStG 1988 (Welteinkommen, Totalitätsprinzip).

Für die Auslegung des Wohnsitzbegriffes i. S. d. § 1 Abs. 1 EStG ist § 26 Abs. 1 BAO maßgeblich. Danach hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Steuerrechtlich ist das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung der Innehabung einer Wohnung geknüpft. Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können. Maßgeblich ist die tatsächliche Gestaltung der Dinge. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne Änderung jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. ). Für das Vorliegen eines Wohnsitzes ist also das objektive Moment der Innehabung unter den in § 26 BAO genannten Umständen maßgebend (vgl. ).

Dabei fordert der Wohnsitzbegriff nicht die ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung. Ob die Wohnung vom Abgabepflichtigen auch tatsächlich benutzt wird, ist nicht entscheidend, sondern nur, ob Umstände dafür sprechen, dass sie ständig durch den Abgabepflichtigen benutzt werden kann (Stoll, BAO-Kommentar, Seite 335).

Auch ein ständiger Inlandsaufenthalt ist für die Wohnsitzbegründung nicht notwendig, solange die Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten besteht, die zum Wohnen geeignet sind.

Bleibt eine Wohnung während des Auslandsaufenthaltes eingerichtet, wird sie auch nicht (unbefristet) vermietet, ist davon auszugehen, dass der inländische Wohnsitz beibehalten worden ist.

Es reicht für die Begründung eines Wohnsitzes aus, wenn die Wohnung z.B. anlässlich von Inlandsaufenthalten, benützt wird.

Als Rechtsgründe für die Innehabung kommen Eigentum, Wohnungseigentum, Miete, Untermiete, Wohnungsrecht, aber auch familienrechtliche Ansprüche (z.B. des Ehegatten) in Betracht.

Auch ein abgeleiteter Wohnsitz stellt einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO dar. Von einem abgeleiteten Wohnsitz spricht man u.a. dann, wenn ein Ehegatte auf Grund eherechtlicher Bestimmungen in der Wohnung des anderen Ehegatten zum Wohnen berechtigt ist, was auf eine eheliche Wohnung zutrifft.

Bei aufrechter Ehe kann davon ausgegangen werden, dass Ehegatten einen gemeinsamen Wohnsitz dort haben, wo die Familie wohnt.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass der Bf. im Streitjahr einen jederzeit verfügbaren Wohnsitz innehatte und zwar bei seiner bereits seit mehreren Jahren (seit 2007 lt. Zeugenaussage ***3*** und ***4*** vom ) mit ihrer damals schulpflichtigen Tochter in Österreich lebende Ehegattin, die bereits über eine eigene Eigentumswohnung in Österreich (1010 Wien) verfügte und einen nicht bestrittenen gemeinsamen Haushalt mit dem Bf. führte (siehe Niederschrift im Staatsbürgerschaftsverfahren).

Hält sich der Ehegatte aus beruflichen oder sonstigen Gründen langfristig im Ausland auf und lassen auch die Umstände auf keine dauernde Trennung schließen, dann behält der Ehegatte den Wohnsitz bei der Familie bei (vgl. Doralt9, EStG-Kommentar, Band I, Rz 14 zu § 1 EStG 1988).

Dies zeigt sich auch insbesondere durch die Aussagen des Bf. am wonach dieser eine große Notwendigkeit gefühlt hat und fühlt, seine Familie zu unterstützen. Eine Vernachlässigung der Familie - aus welchen Gründen auch immer - im Streitjahr und auch in den Jahren davor, wird vom Bf. nicht behauptet und unterstreicht damit klar, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. seit dem Zuzug 2007 in Österreich gelegen ist.

Auf die polizeiliche An- bzw. Abmeldung (§ 1 Abs. 1 Meldegesetz) kommt es bei der Klärung der Wohnsitzfrage nicht an, wenn gleich diese Faktoren im Einzelfall Indizienwirkung haben können (). Unter den vorgenannten Voraussetzungen steht der Annahme eines inländischen Wohnsitzes und damit auch der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht auch nicht entgegen, wenn sich der Steuerpflichtige häufig im Ausland aufhält, er beruflich im Ausland tätig oder sogar dort polizeilich gemeldet ist, weil diese Kriterien für die Wohnsitzfrage im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO bedeutungslos sind.

Verfügen natürliche Personen über einen Wohnsitz in zwei oder mehreren Staaten, so sind die Besteuerungsrechte auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen auf die beteiligten Staaten aufzuteilen.

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, wurde zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation das Abkommen BGBl. III 2003/10 geschlossen.

Art. 4 des genannten Abkommens bestimmt Folgendes:

1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Ortes ihrer Gründung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.

Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.

2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);

b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;

c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;

d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) vereinigt bei mehreren Wohnsitzen jeweils einer die stärksten persönlichen Beziehungen auf sich, weshalb es nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse gibt.

Gem. § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 167 BAO normiert, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln gibt.

Das Bundesfinanzgericht hat gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens und des Beschwerdeverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die dazu vom Bundesfinanzgericht vorzunehmende Beweiswürdigung muss den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass es genügt von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine höhere Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest als weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht muss den Bestand einer Tatsache aber auch nicht im "naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl. ).

Grundsätzlich liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen bei einer in aufrechter Ehe befindlichen Person in der Regel am Ort des Aufenthaltes der Familie (im gegenständlichen Fall nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes somit in Österreich bei seiner Ehegattin und haushaltszugehörigen Tochter ***4***).

Auf Grund der oben dargestellten Beweiswürdigung, sieht es das Bundesfinanzgericht unter Berücksichtigung aller Umstände als erwiesen an, dass der Bf. den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Streitjahr, aber auch bereits in den Vorjahren (zumindest seit dem Zuzug der Familie 2007 nach Österreich), trotz seiner im Streitjahr beruflich bedingten (siehe dazu die mit mehreren Schriftsätzen von Mitarbeitern des Bf. glaubhaft gemachten Auslandsaufenthalte, die auch vom Bundesfinanzgericht nicht bestritten werden) Tätigkeiten in Russland, durchgehend bei seiner bereits seit 2007 nach Österreich übersiedelten Ehegattin und minderjährigen Tochter ***4*** in Österreich hatte (dies ergibt sich auch aus den Erklärungen des Bf. im Zuge seines Staatsbürgerschaftsverfahrens; siehe dazu Lebenslauf von ***Bf1***).

Die hohe Bedeutsamkeit von Österreich für den Bf. zeigt sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch insbesondere in der neuerlichen Antragstellung um Niederlassung im Oktober 2008, sodass spätestens mit deren unbeschränkter Erteilung am (damit erlangte der Bf. Gewissheit, dass einem dauerhaften Wohnsitzwechsel nach Österreich keine Hürden mehr im Wege standen und sein bereits 2006 begehrtes Ziel, nämlich der Umzug nach Österreich) auch die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich als abgeschlossen zu sehen ist (siehe auch FA-Schreiben vom ).

Spätestens zu diesem Zeitpunkt liegen die wichtigsten persönlichen (Familie) und wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte (Geschäftsleitung der Enerteq im Inland, Reiseerleichterung zu div. europäischen Geschäftspartnern) in Übereinstimmung mit den seit 2006 bestehenden Planungen einer ständigen Verlagerung des Mittelpunktes seiner Lebensinteressen nach Österreich ausschließlich in Österreich (ein möglicher Wechsel in ein anderes Land außerhalb der Russischen Föderation wurde jedenfalls vom Bf. im gesamten Verfahren weder behauptet noch nachgewiesen).

Das von der älteren bereits erwachsenen Tochter ***8*** im Jahre 2011 beendete Studium in Moskau erachtet das Bundesfinanzgericht als nicht so gewichtig, sodass das Studium nichts an der Feststellung der Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Bf. nach Österreich ändert, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen des Bf. ins Leere gehen.

Auch der behauptete Pflegebedarf des Bf. für seine ältere Tochter aufgrund einer Augenoperation ändert nichts aus den o.a. Gründen an der Feststellung der tatsächlichen Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Bf. nach Österreich. Ein diesbezüglicher (medizinisch erforderlicher und längerer) Pflegebedarf wurde weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht; lediglich Kontrolltermine ohne weitere Auflagen wurden verordnet (siehe Auszug aus der Krankengeschichte Nr. ***31***).

Somit liegt bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Schwerpunkt grundsätzlich auf den persönlichen Bindungen.

Diesbezüglich wird nochmals auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes der Familie zu finden ist (vgl. ).

Der Bf. hat im Streitjahr in Österreich (abgeleiteter Wohnsitz über die Ehegattin; Ehegattin ist seit Wohnungseigentümerin in ***7***) als auch in Russland über einen Wohnsitz verfügt.

Das Bundesfinanzgericht gelangt aufgrund des o.a. Sachverhaltes zum Schluss, dass jedoch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. jedenfalls bei unbestrittener aufrechter Ehe am Ort des Aufenthaltes der Familie (hier Ehegattin und jüngere Tochter), d.h. nicht nur für das Streitjahr 2010, sondern wie o.a. bereits in den Jahren davor, in Österreich anzunehmen ist; dies unabhängig davon.

Nach der unstrittig erfolgten dauerhaften, d.h. nicht zeitlich begrenzten, Übersiedlung der Ehegattin und der minderjährigen Tochter ***4*** nach Österreich im Jahre 2007 und Erwerb einer Eigentumswohnung bzw. eines Einfamilienhauses für die gesamte Familie, ist es jedenfalls nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zu einer überwiegenden Verlagerung der persönlichen und wirtschaftlichen Nahebeziehungen nach Österreich gekommen.

Russland erlangte dadurch für den Bf. jedenfalls eine untergeordnete Bedeutsamkeit ("subjektives Empfinden" des Bf. lt. Schreiben des Finanzamtes vom ).

Die Hauptwohnsitzverlegung (und zwar ausnahmslos aller Familienmitglieder; siehe ZMR) war unstrittig eine "Familienentscheidung" bzw. "Eine Entscheidung der Eltern" (Zeugenaussage von ***8*** vom ). Auch Tochter ***4*** sollte durch die Verlegung profitieren, indem sie eine gute Ausbildung in Österreich bekommt (Zeugenaussage ***3*** vom ).

Aufgrund der nicht strittigen gemeinsamen Haushaltsführung in Österreich (eine zeitlich befristete Haushaltsführung wurde jedenfalls im gesamten Verfahren weder behauptet noch nachgewiesen und entspricht auch den Angaben im Staatsbürgerschaftsverfahren; siehe auch Zeugenaussage von ***3*** vom ) ist vom Eintritt der österreichischen unbeschränkten Steuerpflicht des Bf. kraft Wohnsitzes in Österreich bereits im Jahre 2007 auszugehen.

Ein beruflich bedingter (auch fast ganzjähriger) Aufenthalt im Ausland ändert daran nichts; d.h., dass es auch im Streitjahr nicht neuerlich zu einem Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen gekommen ist und der Bf. jederzeit die Möglichkeit hatte, in den gemeinsamen Haushalt zur Deckung seiner Wohnbedürfnisse zurückzukehren (von einer Aufgabe des österreichischen Wohnsitzes kann daher keine Rede sein und wurde auch seitens des Bf. im gesamten Verfahren weder behauptet noch nachgewiesen).

Auch die "Bestätigungen" von Mitarbeitern der russischen Firmengruppe sind nicht aussagekräftig, sind diese doch im Wesentlichen wortgleich und vage formuliert und sogar teilweise widersprüchlich (zum einen besteht keine Erinnerung an eine genaue Anzahl von Aufenthaltstagen des Bf. in Russland aber zum anderen wird behauptet, dass sich der Bf. im Streitjahr "überwiegend" in Russland aufgehalten hat!).

Auch in anderen Branchen entspricht es den wirtschaftlichen Notwendigkeiten Mitarbeiter ganzjährig oder fast ganzjährig ins Ausland zu entsenden; dennoch bleibt der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich und unterliegen weiterhin der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich. In diesem Zusammenhang gehen somit auch die Hinweise des Bf. auf die ausländische Ansässigkeitsbescheinigung vom ins Leere, da im gegenständlichen Fall das Bundesfinanzgericht nach Gesamtabwägung aller festgestellten Umstände es als erwiesen ansieht, dass der Bf. seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen, wie oben ausgeführt, jedenfalls im Streitjahr in Österreich hatte; zumal eine Ansässigkeitsbescheinigung nur die "steuerliche Ansässigkeit" in einem Staat bescheinigt, nicht aber die Frage der Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen (vgl. ).

Als zusätzliches Indiz für den vom Bf. tatsächlich gewollten Wechsel des Mittelpunkts der Lebensinteressen dient der seit vielen Jahren bestehende lückenlose, d.h. ohne kürzere oder längere Auslandsunterbrechungen, Wohnsitz in Österreich, was den vom Bf. behaupteten und tatsächlich auch seit 2007 vollzogenen dauerhaften Wohnsitzwechsel seiner gesamten Familie von Russland nach Österreich bestätigt (vgl. lückenlose ZMR-Meldungen seit sowie diesbezüglich bestätigende Angaben der Familie im Staatsbürgerschaftsverfahren 2015 beim Amt der NÖ-Landesregierung Zl. IVW2-PS-7863/001-2014).

Dieses Indiz wird weiters auch durch die Zeugenaussagen von ***3*** und ***4*** vom bestätigt, die sich seit mindestens 2007 dauerhaft in Österreich aufhalten; hier gründete die Ehegattin des Bf. mit dem Bf. bereits im Jahre 2006 eine österreichische Warenhandelsgesellschaft bzw. besuchte die Tochter eine österreichische Pflichtschule.

Von einem bloß zeitlich und beruflich unbedeutenden kurzen Aufenthalt in Österreich kann somit keine Rede sein.

Auch spricht für den dauernden Aufenthalt des Bf. in Österreich nach Zuzug im Jahr 2007 insbesondere die Mitversicherung (VSNR ***32***) als "Angehöriger" nach dem GSVG ab lt. Bestätigung vom , welche § 83 Abs. 1 Z 1 GSVG den gewöhnlichen Aufenthalt des Angehörigen (hier: des Bf.) in Österreich voraussetzt.

Somit gaben für das Bundesfinanzgericht die nach dem Gesamtbild der o.a. dargestellten Verhältnisse dargelegten überwiegend engeren persönlichen Beziehungen des Bf. zu Österreich (seit Jahren hier lebende und auch beruflich tätige Ehegattin und schulpflichtige Tochter, Erwerb von [nicht befristeten Wohnraum] Wohnungseigentum für die Familie), aber auch bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen (Gründung einer österreichischen Gesellschaft; schnellere Geschäftsverbindung zu Frankreich, ***16***, Großbritannien etc. lt. Aussage des Bf. vom ) gegenüber den im Streitjahr (noch bestehenden) persönlichen Beziehungen (gemeinsames Wohnen mit der volljährigen Tochter ***8***, der bereits am ebenfalls eine Niederlassungsbewilligung in Österreich erteilt wurde und seit ihren Hauptwohnsitz nach Österreich verlegte; etc.) und wirtschaftlichen Beziehungen (Leitung einer Firmengruppe in Russland) zu Russland den Ausschlag, dass im gegenständlichen Fall von einer Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich im Streitjahr auszugehen ist.

Auf die Anzahl von Aufenthaltstagen in Österreich bzw. Russland sowie beruflich notwendige Besprechungen vor Ort mit leitenden Mitarbeitern der russischen Firmengruppe, kommt es bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im gegenständlichen Fall somit nicht an, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen der Abgabenbehörde bzw. des Bf. ins Leere gehen.

Das Bundesfinanzgericht gelangt daher zum Schluss, dass spätestens mit der neuerlichen erfolgreichen Niederlassungsbewilligung des Bf. im Oktober 2008 die abkommensrechtliche Ansässigkeit des Bf. in Österreich begründet wurde und auch die nicht bestrittenen Auslandsaufenthalte (in welcher Länge auch immer) in Russland keine neuerliche Änderung der Ansässigkeit sowie der Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen (= keine erneute Verlagerung nach Russland) bewirken.

Aufgrund der umfangreich dargelegten o.a. Gründe und Lebensumstände des Bf. im Streitjahr aber auch der Vorjahre (ab 2006) gelangt das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zur Entscheidung, dass der Bf. im Streitjahr nach § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, die sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte erstreckt, unterliegt.

Weitergehende Erhebungen und neuerliche Zeugeneinvernahmen (insbesondere der Vorjahre) konnten daher unterbleiben.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Ausführungen in der Selbstanzeige des Bf. vom , wonach es unstrittig ist, dass Frau ***3*** (Ehegattin) bereits aus den o.a. Gründen (Hauptwohnsitzverlegung und Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich, etc.) ab April 2007 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage wurde auf die Einwendungen des Bf. lt. Schreiben vom (Beilage 16) Bedacht genommen und die sich demzufolge neu ergebende Einkommensteuer 2010 i.H.v. 966.748,20 € dem Bf. sowie der Abgabenbehörde mit Schreiben vom nachweislich zur Kenntnis gebracht.

Einwendungen gegen die betragsmäßige BFG-Berechnung wurden von den Parteien bis dato keine vorgebracht, weshalb von der Richtigkeit der BFG-Berechnung ausgegangen werden konnte.

ad Anspruchszinsenbescheid 2010:

Anspruchszinsenbescheide iSd § 205 BAO sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Bescheide, mit denen Anspruchszinsen festgesetzt werden, können daher nicht erfolgreich mit der Begründung bekämpft werden, dass die Höhe der Stammabgabe unzutreffend sei. Sofern sich ein solcher Einwand im Einzelfall als zutreffend erweisen sollte, wäre vielmehr ein neuer Bescheid zu erlassen, mit dem der Änderung Rechnung getragen wird ().

Mit BFG-Schreiben vom wurde dem Bf. sowie der Abgabenbehörde die aufgrund der lt. Berechnungsblatt abgeänderten Einkommensteuer 2010, die damit im Zusammenhang stehende Neu-Berechnung der Anspruchszinsen 2010 i.H.v. 81.799,46 € wie folgt zur Kenntnis gebracht:

Betragsmäßige Einwendungen gegen die BFG-Berechnung wurden von den Parteien bis dato keine vorgebracht, weshalb von der Richtigkeit der BFG-Berechnung ausgegangen werden konnte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (zum Mittelpunkt der Lebensinteressen siehe u.a. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
ZMR
persönlich
DBA
Lebensinteressen
Beziehung
Familie
wirtschaftlich
Mittelpunkt
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101709.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at