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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.06.2021, RV/7101215/2021

Verlängerter Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 2 lit. f FLAG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101215/2021-RS1
Befindet sich ein Antragswerber, welcher vor Vollendung des 24. Lebensjahres den Präsenzdienst geleistet hat, im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres via Aufnahme als ordentlicher Hörer an einer Universität sowie der Absolvierung positiver Prüfungen in Berufsausbildung, so wird - ungeachtet des innerhalb des ersten Studienjahres erfolgten Abbruches des Studiums - der Verlängerungstatbestand nach § 6 Abs. 2 lit. f FLAG 1967 verwirklicht, mit der Folge, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für eine weitere Berufsausbildung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres erhalten bleibt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab dem zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte der am ***1*** geborene Bf., unter Hinweis auf einen mit der LPD Wien am abgeschlossenen Sondervertrag die Gewährung der Familienbeihilfe ab April 2020.

Der Antrag des Bf. wurde seitens des Finanzamtes mit Bescheid vom mit der Begründung, dass die Grundausbildung zum Polizisten keine Berufsausbildung darstelle, sondern vielmehr als Berufsausübung zu qualifizieren sei, abgewiesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom führte die rechtsfreundliche Vertretung des Bf. ins Treffen, dass der Verwaltungsgerichtshof zum Thema der polizeilichen Grundausbildung mit Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0039 ausgesprochen habe, dass nämliche Grundausbildung als Berufsausbildung zu qualifizieren sei. Demzufolge besitze der Bf. einen Anspruch auf Familienbeihilfe bis zum ***3***.2020 (25. Geburtstag). Für den Fall der Entscheidung der Beschwerde durch das BFG ergehe der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde das Rechtsmittel des Bf. mit nachstehender Begründung abgewiesen:

"Sachverhalt:

Ihr Eigenantrag auf Familienbeihilfe vom wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Sie haben im ***4*** 2019 das 24. Lebensjahr vollendet, seit April 2020 absolvieren Sie die Ausbildung zum Polizisten.

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres. § 2 Abs. 1 lit. g, h, i, j, k Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) definieren die Verlängerungstatbestände, bei welchen die Altersgrenze für Kinder, die sich in einer Berufsausbildung befinden, auf das 25. Lebensjahr hinaufgesetzt wird.

Würdigung:

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, hat der Gesetzgeber die allgemeine Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe vom 26. auf das vollendete 24. Lebensjahr herabgesetzt.

In bestimmten Ausnahmefällen kann die Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt werden. Diese Fälle sind in Form von fünf Verlängerungstatbeständen im FLAG 1967 erfasst. Eine Verlängerung im Sinne dieser Tatbestände setzt im jeden Fall voraus, dass sich das Kind zum Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres in einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 befindet.

Da Sie die Ausbildung zum Polizisten nach der Vollendung Ihres 24. Lebensjahres begonnen haben, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Ihre Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."

In dem datierten Vorlageantrag führte der Bf. unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen ergänzend aus, dass in Ansehung der Tatsache, dass er - laut beigelegter, mit datierter Bestätigung des Militärkommandos Wien - in der Zeit vom bis zum den Grundwehrdienst sowie vom bis zum die vorgesehenen freiwilligen Waffenübungen absolviert habe, der Verlängerungstatbestand gemäß § 2 Abs. 2 lit. g FLAG 1967 verwirkt sei und ergo dessen ein Familienbeihilfeanspruch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bestehe.

In Erfüllung eines Vorhalts des BFG reichte der Bf. am eine Ablichtung seines mit der LPD Wien abgeschlossenen Dienstvertrages nach.

Mit Telefax vom gab die rechtsfreundliche Vertretung des Bf. den Verzicht auf Anberaumung, respektive Durchführung einer mündlichen Verhandlung bekannt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

In der Folge legt das BFG dem Erkenntnis nachstehenden auf der Aktenlage und den Parteienvorbringen basierenden Sachverhalt zu Grunde:

Der am ***1*** geborene Bf. leistete nach dem am erfolgten Abschluss seiner Lehre als Bankkaufmann im Zeitraum vom bis zum den Grundwehrwehrdienst inklusive der vorgesehenen Waffenübungen.

Im Anschluss daran war der Bf. im nichtselbständigen Dienstverhältnis tätig, respektive erlangte dieser am die Berufsreife.

Mit Eingabe vom stellte der Bf. ob der Aufnahme des ab dem an der TU- Wien beginnenden Bachelorstudiums ***2*** einen auf § 6 Abs. 5 FLAG 1967 basierenden Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe.

Laut Mitteilung des Finanzamtes vom wurde dem Bf. - ob des am erfolgten Abbruches vorgenannten Studiums - Familienbeihilfe im Zeitraum vom bis zum gewährt.

Gemäß der von der TU- Wien erstellten Abgangsbescheinigung hat der Bf. im Zeitraum vom bis zum - drei, 4 ECTS- Punkten, bzw. 6 Semesterstunden umfassende - Prüfungen positiv absolviert.

Schlussendlich befindet sich der Bf. seit dem - auf Basis eines mit der LPD Wien abgeschlossenen Sondervertrages - in exekutivdienstlicher Grundausbildung.

2. Streitgegenstand

Vor dem unter Punkt 1 dargestellten Sachverhalt steht - ob Geltendmachung eines auf § 6 Abs. 5 FLAG 1967 basierenden Eigenanspruches auf Familienbeihilfe - die Verwirkung des Tatbestandes nach § 6 Abs. 1 lit. f leg. cit. und die daran knüpfende Anspruchsberechtigung des Bf. auf Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum in Streit.

3. Rechtliche Würdigung

3.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) idgF haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Nach § 6 Abs. 2 lit. f FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden.

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 idF des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, lautet:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr.305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten […] (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967).

Nach dem elften Satz des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr die Aufnahme als ordentlicher Hörer.

Gemäß § 6 Abs. 3 FLAG 1967 führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse,

d) Ausgleichszulagen und Ergänzungszulagen, die aufgrund sozialversicherungs- oder pensionsrechtlicher Vorschriften gewährt werden.

e) Pauschalentschädigungen gemäß § 36 Abs. 1 des Heeresgebührengesetzes 2001, die für den außerordentlichen Zivildienst gemäß § 34b in Verbindung mit § 21 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 oder den Einsatzpräsenzdienst gemäß § 19 Abs. 1 Z 5 des Wehrgesetzes 2001 gewährt werden.

3.2. Rechtliche Beurteilung

3.2.1. Vorliegen einer Berufsausbildung des Bf. im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres

Vorauszuschicken verbleibt, dass sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum zum FLAG 1967 behufs der Verwirkung der inhaltlich gleichlautenden in den §§ 2 Abs. 1 lit. g sowie 6 Abs. 2 lit. f FLAG 1967 determinierten Verlängerungstatbestände nachstehende Auffassung vertreten wird:

Abweichend vom Grundsatz, wonach Familienbeihilfe nur bis zum Ablauf des Monats, in den der 24. Geburtstag fällt, zusteht, ein (Eigen)Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres dann besteht, wenn in dem Monat, in dem das Kind das 24. Lebensjahr vollendet hat, der Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst geleistet wird. Wurde der Dienst vor dem 24. Lebensjahr geleistet, muss sich das Kind bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befinden (, mit dem die Behandlung der Beschwerde gegen , abgelehnt wurde). Bei Besuch einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung ist weitere Voraussetzung, dass die in lit b vorgesehene Studiendauer eingehalten wird.

Dem Sinn einer solcherart erfolgten Verlängerung des Anspruchszeitraumes im FLAG um ein Jahr widerspräche es hingegen nur dann, wenn eine solche Verlängerung die Rechtsfolge einer Leistung des Präsenzdienstes von lediglich wenigen Tagen wäre (; im Beschwerdefall wurde Grundwehrdienst bloß vom 1. bis zum geleistet).

Auch wenn das Studium erst mit - oder vor - dem 24. Lebensjahr begonnen wird und zuvor der Präsenzdienst bereits abgeleistet worden ist, liegt ein Verlängerungstatbestand vor ().

In Ansehung vorstehender Ausführungen und der Tatsache, dass der Bf. sowohl den Präsenzdienst vor Vollendung des 24. Lebensjahres geleistet, als sich dieser ob der am erfolgten Aufnahme eines Bachelorstudiums bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung gestanden ist, gelangt das BFG zur Überzeugung, dass der Verlängerungstatbestand nach § 6 Abs. 2 lit. f FLAG 1967 verwirkt wurde.

Am Faktum des - im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung Stehens - vermag angesichts der Tatsache, dass sich der Beihilfenanspruch des Bf. für das erste Studienjahr einerseits auf § 2 Abs. 1 lit. b elfter Satz FLAG, sprich sohin der Aufnahme als ordentlicher Hörer gründete, andererseits dieser im Zeitraum Oktober 2019 bis Februar 2020 nachweislich drei Prüfungen positiv absolvierte, der letztendlich am erfolgte Abbruch des Studiums keine Änderung herbeizuführen.

In Anbetracht vorstehender Ausführungen und in Ermangelung anderslautender gesetzlicher Bestimmungen "verblieb" dem Bf. für eine etwaig weitere Berufsausbildung ein bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bestehender Anspruch auf Familienbeihilfe erhalten.

3.2.2. Exekutivdienstliche Grundausbildung als weitere anspruchsbegründende Berufsausbildung

In der Folge sind für das Verwaltungsgericht nunmehr Prüfungen dahingehend angezeigt, ob der Bf. mit dem am erfolgten Beginn der Grundausbildung für den Exekutivdienst sich wiederum in Berufsausbildung befindet und ergo dessen ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum ***3***.2020 (Vollendung des 25. Lebensjahres) besteht.

Im Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0039, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage nach der Berufsausbildungsqualität der exekutivdienstlichen Grundausbildung auseinandergesetzt, wobei dessen entscheidungsrelevanten Passagen wie folgt lauten:

"17 Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. etwa Ra 2020/16/0017; Ra 2017/16/0030; 2009/16/0315; 2009/13/0127; und 2007/13/0125).

19 Diese der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten - im Revisionsfall nicht interessierenden - Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. etwa nochmals Ra 2020/16/0017; und Ro 2015/16/0033).

20 Das Bundesfinanzgericht stützt sich darauf, dass der Sohn der Revisionswerberin mit dem Beginn seines Dienstverhältnisses einen Beruf ausgeübt habe, und verweist auf VwGH , Ra 2018/16/0203.

21 Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen die genannten Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, jedenfalls unter den Begriff einer Berufsausbildung iSd § 2 FLAG. Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch bei bereits berufstätigen Personen eine Berufsausbildung vorliegen kann.

22 So ist einerseits die Gewährung der Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt, sondern Familienbeihilfe ist auch (etwa nach Abschluss einer Berufsausbildung) bei einer weiteren Berufsausbildung zu gewähren (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa Ro 2016/16/0005).

23 Andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass es für die Qualifikation einer Berufsausbildung nicht darauf ankommt, ob eine schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Dies läßt eine Berufsausbildung neben der Ausübung eines Berufes zu (vgl. etwa nochmals Ra 2017/16/0030, mwN).

24 Schließlich bestimmt § 2 Abs. 5 lit. b FLAG, dass die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt, wenn das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt.

25 Entscheidend ist auf den Inhalt der Tätigkeit abzustellen.

26 Während der Verwaltungsgerichtshof etwa im Fall einer Absolventin eines Lehramtsstudiums im Unterrichtspraktikum keine Berufsausbildung gesehen hat ( 2006/15/0080), hat er die Tätigkeit eines Rechtspraktikanten als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG gewertet ( 2008/13/0015).

27 Im Erkenntnis betreffend die Unterrichtspraktikantin hat er unter Wiederholung älterer Rechtsprechung ausdrücklich ausgesprochen, dass weder dem Umstand des Vorliegens eines arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses noch der Art und Höhe einer einem Praktikanten gewährten Entschädigung Bedeutung für die Frage des Vorliegens einer Berufsausbildung zukomme. Vielmehr sei entscheidend auf den Inhalt der Tätigkeit abzustellen. Das Unterrichtspraktikum stellte sich seinem näher dargestellten Inhalt nach als Fall einerEinschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers dar. Dass der Gesetzgeber diese Einstiegsphase vor der eigentlichen Anstellung angesiedelt hatte (nach § 1 Abs. 3 des damaligen Unterrichtspraktikumsgesetzes - UPG wurde durch die Zulassung zum Unterrichtspraktikum kein Dienstverhältnis, sondern ein Ausbildungsverhältnis begründet), rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen Berufsanfängern nicht.

28 Demgegenüber sah der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Fall eines Rechtspraktikanten in der Ableistung der Gerichtspraxis eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG. Es liege keine Einschulung am Arbeitsplatz vor, denn es handle sich um eine Berufsvorbildung (§ 1 Abs. 1 des Rechtspraktikantengesetzes). Dieser Unterschied zum Unterrichtspraktikumsgesetz (§ 1 Abs. 1 UPG - Einführung in das Lehramt an mittleren und höheren Schulen) sei ausschlaggebend, nicht die gleichlautenden Bezugnahmen auf die Begründung eines Ausbildungs- statt eines Dienstverhältnisses (§ 2 Abs. 4 des Rechtspraktikantengesetzes und § 1 Abs. 3 des damaligen UPG).

29 Vor diesem Hintergrund ist die vom Bundesfinanzgericht für sich in Anspruch genommene Aussage des Verwaltungsgerichtshofes im Fall zu verstehen, bei welchem Sache des Revisionsverfahrens die Rückforderung von Familienbeihilfe ausschließlich für den Zeitraum einer "Kursunterbrechung" war, welche - den damaligen Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes zufolge - nach der mit Abschlussprüfung beendeten sogenannten Basisausbildung oder Grundausbildung im fremden- und grenzpolizeilichen Exekutivdienst erfolgte und während welcher bereits eine Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich stattfand. An diese sollte sich wiederum eine - außerhalb der Sache des Revisionsverfahrens liegende - Ergänzungsausbildung im Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) anschließen ( Ra 2018/16/0203).

30 Zu (nur) diesem Zeitraum hat der Verwaltungsgerichtshof in jenem Erkenntnis daher tragend ausgeführt, dass mit der Berufsausübung der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht erfüllt sei, womit der Verwaltungsgerichtshof die damals in Rede stehende Zeit der Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Dienst als Ausübung des Berufs (Grenzpolizist) gesehen hat und - in Anknüpfung an frühere Rechtsprechung - die dienstrechtliche Bezeichnung "Ausbildungsphase" (§ 66 VBG) und die dienstrechtlichen Vorschriften über die Ausbildung als nicht entscheidend betrachtet hat.

31 Im vorliegenden Revisionsfall liegt jedoch - wie die Revisionswerberin zutreffend ins Treffen führt - weder eine Ausbildung im fremden- und grenzpolizeilichen Dienst noch eine "Kursunterbrechung" vor. Die Revisionswerberin hat in ihrer Beschwerde und im Vorlageantrag vorgetragen, ihr Sohn befinde sich seit , also seit dem ersten Tag der Dauer des Vertragsverhältnisses zum Bund, in der Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum. Einen Hinweis, dass ihr Sohn vor oder während dieser Zeit bereits als Polizist verwendet und eingesetzt worden wäre und damit diesen Beruf ausgeübt hätte, ergibt sich aus der Aktenlage nicht. Das Bundesfinanzgericht hätte daher - sofern der zur Beurteilung als Berufsausbildung festzustellende Sachverhalt über den Inhalt der Tätigkeit des Sohnes der Revisionswerberin im fraglichen Zeitraum nicht unstrittig ist (vgl. nochmals Ro 2016/16/0018) - nähere Feststellungen über Art und Inhalt der behaupteten Ausbildung und damit der Tätigkeit des Sohnes der Revisionswerberin treffen müssen, wobei es die Mitwirkungspflicht der Revisionswerberin hätte in Anspruch nehmen dürfen.

32 Hat die von der Revisionswerberin angesprochene Ausbildung ihres Sohnes - wie in der Beschwerde vorgebracht - in einer unter Rz 4 des zitierten Erkenntnisses Ra 2018/16/0203, erwähnten "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel bestanden und hat diese - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestanden, dann läge darin noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG.

33 Zum fraglichen Zeitraum ist zu bemerken, dass mangels ausdrücklicher Angabe im entsprechenden Feld des Antragsformulars (vgl. 2013/16/0082, mwN) der Beginn des geltend gemachten Anspruchs mit Beginn des Monats Dezember 2018 gelegen war, wovon die belangte Behörde in dem vor dem Bundesfinanzgericht bekämpften Bescheid zutreffend ausgeht. Für das Jahr 2019 kann es für die Dauer eines allfälligen Anspruches auch unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 FLAG entscheidend sein, ob das Ende des geltend gemachten Anspruchs mit Vollendung des 24. Lebensjahres im März 2019 gelegen ist, oder ob der Anspruch für danach gelegene Monate gegebenenfalls auf § 2 Abs. 1 lit. g oder lit. k FLAG gestützt werden könnte, wofür es keines neuerlichen, gesonderten Antrags bedürfte (vgl. Ro 2015/16/0006).

34 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeuten vorstehende Ausführungen im Zusammenwirken mit dem Inhalt des nachgereichten Dienstvertrages, dass sich der Bf. im Zeitraum vom bis zum in Berufsausbildung befunden und diesem daher - vorbehaltlich einer noch anzustellenden Überprüfung nach § 6 Abs. 3 FLAG 1967 - in vorgenanntem Zeitraum (uneingeschränkter) Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht.

3.2.2. Überschreitung der Grenzen nach § 6 Abs. 3 FLAG 1967

Ausgehend von der unter Punkt 3.1. dargestellten Gesetzesstelle und dem mit datierten Einkommensteuerbescheid 2020 hat der Bf. - im 7 Monate umfassenden Streitzeitraum - ein via Außerachtlassung des Arbeitslosengeldbezuges (Februar bis März 2020) sowie der Monatsbezüge für November und Dezember 2020 - ermitteltes Einkommen gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 in Höhe von 9.631,63 Euro bezogen.

Demzufolge kommt im streitgegenständlichen Zeitraum auch eine in § 6 Abs. 1 zweiter Satz FLAG 1967 vorgesehene Kürzung der Familienbeihilfe außer Betracht.

Aus vorgenannten Gründen erwies sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weswegen wie im Spruch zu befinden war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor, da die Anspruchsberechtigung des Bf. auf Familienbeihilfe direkt auf den gesetzlichen Normen des FLAG 1967 gründet.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise















Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101215.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at