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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2021, RV/7101300/2016

Die Organisation von Spielgemeinschaften und die damit verbundenen Serviceleistungen stellen keine reine Besorgungs- und Vermittlungsleistung dar und sind daher nicht von der Umsatzsteuer befreit.

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0099. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Elfriede Murtinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, und ***Bf2***, ***Bf2-Adr***, vertreten durch Hans Michael Pimperl, Ungargasse 53/24, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2010 wird teilweise Folge gegeben.Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe angefügten Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieser Entscheidung.

Die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2011 wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob die von der ***Bf1*** organisierten Spielgemeinschaften und die damit verbundenen Geschäfte reine Besorgungs- und Vermittlungsleistungen darstellen, welche gemäß § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit sind.

Dieser Frage ging folgendes Verwaltungsgeschehen voran:

Der ehemalige Geschäftsführer der ***Bf1*** wurde als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der Bf zur Haftung für Umsatzsteuer herangezogen. Im Zuge dieses Verfahrens erhob der Haftungspflichtige daher Beschwerde gegen die Bescheide der ***Bf1***.

Im Haftungsbescheid führte die Behörde aus:

***Bf2*** habe als Vertreter der ***Bf1*** keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und keine Vorauszahlungen geleistet. Die Behörde habe daher die Bemessungsgrundlagen geschätzt und die Umsatzsteuer für die Monate 3-12/2010 festgesetzt. Diese Festsetzung sei im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens der ***Bf1*** herabgesetzt worden.

Die Umsatzsteuer 1-4/2011 sei aus den gleichen Gründen geschätzt und festgesetzt worden. Die Umsatzsteuer für 8/2011 sei auf Grund einer vorliegenden Ausgangsrechnung festgesetzt worden.

Der Haftungspflichtige habe im Verfahren betreffend Haftung vorgebracht, dass er die Zahlungen an alle Gläubiger eingestellt habe, als keine Geldmittel mehr vorhanden gewesen seien. Der Masseverwalter habe keine dieser Zahlungen rückabgewickelt, was zeige, dass diese zu Recht erfolgt seien. Es sei im Konkursverfahren der ***Bf1*** auch keine Quote ausgeschüttet worden, weil es keine Fahrnisse und keine Liquidität mehr gegeben habe.

In der Beschwerde gegen die Abgabenbescheide der ***Bf1*** brachte der Haftungspflichtige vor, dass es tatsächlich keine Abgabenschuld gäbe. Bei den Geschäften der ***Bf1*** handle es sich um reine Vermittlungs- und Besorgungsgeschäfte, welche umsatzsteuerfrei wären. Auf Lottoscheine gäbe es keine Umsatzsteuer und es hätte auch keine UVA-Gutschrift gegeben, was schon alles beweise. Tatsächlich sei die Firma nur auf Grund der ungerechtfertigten Zahlungen an die Finanz in Konkurs gegangen. Die Problematik, ob Lottogewinne der Umsatzsteuerpflicht unterlägen, sei nie ausjudiziert worden und stelle bis dato eine Streitfrage dar. Die ***Bf1*** habe Lottospielern größere Gewinnchancen vermittelt, weil diese an einer Vielzahl von Lottoscheinen beteiligt seien. Auf den Lottoscheinen sei keine Umsatzsteuer verrechnet worden, es habe daher auch keine Vorsteuer geltend gemacht werden können. Es wäre daher völlig unlogisch, wenn die Firma für alle gekauften Lottoscheine Umsatzsteuer bezahlen müsse, welche man nicht an die Kunden weiterverrechnen könne noch als Vorsteuer zurückgeholt werden könne.

Es sei für die Firma völlig unleistbar gewesen, einen Mehrbetrag von 20 Prozent aus eigener Tasche zu bezahlen. Daher sei auch der Konkurs zustande gekommen.

Da die ***Bf1*** die Lottoscheine besorgt und die Spieler anteilig an vielen Lottoscheinen beteiligt seien, sei es nur möglich gewesen, die Scheine als Firma anzukaufen. Es handle sich hierbei um ein reines Vermittlungsgeschäft, bei der die ***Bf1*** die Lottoscheine nur besorgt habe. Dies gehe schon daraus hervor, dass die Spieler die Scheine bezahlt hätten, womit der Vertrag zwischen den Spielern und der ***Bf1*** zustande gekommen sei.

Es werde daher die Aufhebung der Abgabenbescheide beantragt.

Das Finanzamt entschied mit abweisender Beschwerdevorentscheidung über die Berufung des ***Bf2*** gegen die Bescheide betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für die ***Bf1***.

In der Begründung führte das Finanzamt aus:

Wenn ein Unternehmer es unternehme, auf eigenen Namen aber auf Rechnung eines anderen, einen Dritten zur Erbringung einer Leistung an den Auftraggeber zu veranlassen, liege eine Besorgungsleistung vor. Der Besorgende werde regelmäßig neben dem Kostenersatz ein eigenes Besorgungsentgelt verrechnen. Bemessungsgrundlage für die Leistung des Besorgenden sei der Kostenersatz für die besorgte Leistung zuzüglich der Provision.

Sie die (einheitlich zu beurteilende) Leistung nicht auf die Besorgung beschränkt, sondern umfasse diese auch weitere Leistungen mit eigenem wirtschaftlichen Gewicht, könne insgesamt nicht mehr von einer Besorgungsleistung gesprochen werden, sondern sei die Besorgungstätigkeit nur ein unselbständiger Teil einer einheitlichen sonstigen Leistung. Dies sei etwa anzunehmen, wenn die weiteren zusätzlichen Leistungen die Besorgungsleistung aus der Sicht der Beteiligten erst wirtschaftlich sinnvoll machten.

Umsatzsteuerlich bestehe bei Glücksverträgen die relevante Leistung in der Einräumung einer Gewinnchance. Für den gegenständlichen Fall von Bedeutung sei, dass die Gewinnchance, die bei Beteiligung am Lotto mittels eines Tipps auf dem Lottoschein erworben werde, von anderer Art sei als jene, welche sich für die Kunden der ***Bf1*** durch den Abschluss eines Vertrages mit ihr ergäben. Sie verschaffe den Kunden nämlich nur einen Bruchteil (abhängig von der Größe der Tippgemeinschaft) des Gewinnes eines Tipps und somit eine Gewinnchance anderer Art. Die ***Bf1*** gebe nämlich nicht das Ergebnis des von ihr jeweils mit der Lottogesellschaft abgeschlossenen Wettvertrages heraus, sondern einen Erfolg anderer Art. Die ***Bf1*** handle somit nicht als mittelbare Stellvertreterin, sie agiere solcherart nicht einmal auf fremde Rechnung (vgl ).

Aus diesem Grunde stehe fest, dass die einheitliche Leistung der ***Bf1*** an ihre Kunden von wesentlich anderer Art sei als die Leistung der Lottogesellschaft an Personen, die bei einer Lottoannahmestelle unter Verwendung eines Lottoscheines einen Wettvertrag abschließen würden. Dies stehe von vorneherein der Annahme einer Besorgungsleistung entgegen.

Die Leistung der ***Bf1*** gegenüber ihren Kunden enthalte auch weitere Komponenten, wie das Erstellen einer zur spielenden Zahlenkombination, das Ausfüllen der Tippscheine, die Einreichung der Tippscheine bei der Lottogesellschaft, die Kontrolle der Lottoergebnisse und die Berechnung und Verteilung der Spielgemeinschaftsgewinne. Erst dieses Gesamtpaket stelle sich für die Kunden als wirtschaftlich sinnvolle einheitliche Leistung dar. Die Leistung der Gesellschaft bestehe für die Kunden prägend darin, dass sie andere Spielteilnehmer ausfindig mache und diese Kunden zu Spielgemeinschaften zusammenschließe. Dazu kämen noch die Leistungen im Zusammenhang mit dem Verwalten der Spielgemeinschaften. Der Kunde sei bereit, diese Leistungen zu honorieren, bezahle er doch gerechnet auf die Kosten pro Tipp mehr als er bei Einreichung eines Lottoscheines bei einer Lottoannahmestelle zu bezahlen hätte.

Diese angeführten Leistungen der ***Bf1*** stellten keine umsatzsteuerfreien Besorgungsleistungen dar.

***Bf2*** beantragte, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

In der mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht:

Der Vertreter des Bf gab an, dass ihm die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Besorgungsleistung und der damit verbundenen Umsatzsteuerpflicht bekannt sei. Er teile diese Ansicht zwar nicht, nehme aber zur Kenntnis, dass die gültige Judikatur anzuwenden sei.

Die ***Bf1*** habe durch ein Callcenter Spielergemeinschaften übermittelt bekommen. Für diese Übermittlung der Spielergemeinschaften habe das Callcenter eine Rechnung gelegt, welche von der ***Bf1*** bezahlt worden sei. Die Spieler haben einen Einsatz geleistet, der zum Teil zum Kauf von Lottoscheinen verwendet worden sei, zum Teil zur Deckung der Kosten des Callcenters und zur Deckung der eigenen Kosten. Ob dafür 20 Prozent oder mehr/weniger einbehalten worden sei, konnte der Vertreter des Bf jetzt nicht mit Sicherheit angeben, da dies vor seiner Zeit als Geschäftsführer in der GesmbH stattgefunden habe.

Gegenüber der Lottogesellschaft seien die Namen der Spieler nicht bekannt gegeben worden, es habe die ***Bf1*** eingekauft.

Hinsichtlich des Jahres 2010 machte die Richterin darauf aufmerksam, dass der Gesamtbetrag der Entgelte laut Jahresbescheid 2010 in der Höhe von 327.299,94 Euro nicht nachvollziehbar sei. Die Ermittlung des Gesamtbetrages der Entgelte anhand der Berichtigung für den Zeitraum 3-9/2010 und anhand der Beschwerdevorentscheidung für den Zeitraum 10-12/2010 samt der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate 1-2/2010 ergebe einen Gesamtbetrag der Entgelte von 317.490,97 Euro.

Der Vertreter des Finanzamtes konnte diese Berechnung des Bundesfinanzgerichtes nachvollziehen und erhob keine Einwendungen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die ***Bf1*** war in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Sie betrieb die Organisation von Tippgemeinschaften an den von den Österreichischen Lotterien Gesellschaft m.b.H. (idF Lotteriegesellschaft) angebotenen Spielen.

Sie wurde im Mai 2007 gegründet und am amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht. Das am eröffnete Konkursverfahren wurde am mangels Kostendeckung aufgehoben.

Die Tippgemeinschaften stellten Gemeinschaften mit dem Zweck, an den in einen Kalendermonat fallenden amtlichen Ausspielungen teilzunehmen, dar.

Die Kunden erhielten die Chance auf den Bruchteil eines Gewinns einer aus zahlreichen Personen bestehenden Spielgemeinschaft.

***Bf1*** hatte für die Kunden folgende Dienstleistungen zu erbringen:

  1. die Organisation und die Gründung mit anderen Teilnehmern in Form von Tippgemeinschaften

  2. die Spielverträge für diese Tippgemeinschaften mit einer Lotteriegesellschaft zu vermitteln

  3. die Erstellung eines Tippvorschlages

  4. die Verwaltung des Wettgeschehens

  5. die Erstellung von Kundeninformationen für das Wettgeschehen.

Die Daten der Tippgemeinschaften und die Tipps wurden dem Kunden und der Lotteriegesellschaft mitgeteilt. Der Lotteriegesellschaft war bekannt, dass die Lottoscheine einer konkreten Tippgemeinschaft zugeordnet sind. Die Teilnehmer der einzelnen Tippgemeinschaften waren der Lotteriegesellschaft nicht bekannt.

Die Kunden ermächtigten die ***Bf1***, einen Spielbetrag in festgelegter Höhe von ihrem Bankkonto auf ein Treuhandkonto der ***Bf1*** einzuziehen.

Die ***Bf1*** verwendete einen bestimmten Teil der vereinnahmten Beträge als Wetteinsatz und behielt sich den Restbetrag ein. Die Höhe dieses Restbetrags war den Teilnehmern bekannt.

Die ***Bf1*** trat der Lotteriegesellschaft gegenüber bei der Abgabe des einzelnen Tipps nicht im Namen des einzelnen konkreten Kunden auf.

Der einzelne Tipp konnte dem einzelnen Kunden nicht zugeordnet werden, sondern die Zuordnung erfolgte lediglich bruchanteilsmäßig.

Neben dem Treuhandkonto, auf das die Teilnehmer ihre monatlichen Teilnahmeentgelte einzahlten, gab es noch ein weiteres Treuhandkonto, auf das die Lottogewinne von der Lottokollektur oder von der Lotteriegesellschaft zugunsten der Teilnehmer ausbezahlt wurden. Die Gewinne wurden von der ***Bf1*** an die betroffenen Teilnehmer zu 100 Prozent ausbezahlt. Die ***Bf1*** erhielt keinen Anteil am Lottogewinn.

2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind aus dem Akt auch nicht ersichtlich. Aus diesem Grunde durfte das Bundesfinanzgericht diese Feststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zu Grunde legen.

3. Rechtliche Beurteilung

4. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/teilweise Stattgabe)

Dieser Sachverhalt war rechtlich wie folgt zu würdigen:

Die zutreffende rechtliche Beurteilung in der Beschwerdevorentscheidung kann nur wiederholt werden:

Gemäß § 3a Abs 4 UStG 1994 sind, wenn ein Unternehmer eine sonstige Leistung besorgt, die für die besorgte Leistung geltenden Rechtsvorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden.

Wenn ein Unternehmer es übernimmt, im eigenen Namen, aber auf Rechnung eines anderen, einen Dritten zur Erbringung einer Leistung an den Auftraggeber zu veranlassen, liegt eine Besorgungsleistung vor (vgl Ruppe, UStG 3, § 3a Tz 10, zum "Leistungseinkauf"). Der Besorgende wird regelmäßig neben dem Kostenersatz ein eigenes Besorgungsentgelt verrechnen (vgl Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG 1994, § 3a Tz 59). Bemessungsgrundlage für die Leistung des Besorgenden ist der Kostenersatz für die besorgte Leistung zuzüglich der "Provision" (vgl Ruppe, UStG 3 , § 3a Tz 14).

Ist die (einheitlich zu beurteilende) Leistung nicht auf die Besorgung beschränkt, sondern umfasst sie auch weitere Leistungen mit eigenem wirtschaftlichen Gewicht, kann insgesamt nicht mehr von einer Besorgungsleistung gesprochen werden (vgl Ruppe, UStG 3 , § 3a Tz 10), sondern ist die Besorgungstätigkeit nur ein unselbständiger Teil einer einheitlichen sonstigen Leistung (vgl Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG 1994, § 3a Tz 60). Solches ist etwa anzunehmen, wenn die weiteren, zusätzlichen Leistungen die Besorgungsleistung aus der Sicht der Beteiligten erst wirtschaftlich sinnvoll machen (vgl Birkenfeld, Umsatzsteuerhandbuch, § 69 Tz 60).

Ob jemand für fremde Rechnung, dh für Rechnung eines anderen handelt, ist nach dem Innenverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten zu beurteilen. Das Handeln für fremde Rechnung entspricht einer Geschäftsbesorgung. Der Geschäftsbesorger ist in fremdem Interesse tätig. Der Handelnde muss dem Auftraggeber den Erfolg und das Ergebnis seiner Tätigkeit herausgeben und erlangt dafür einen Anspruch auf Vergütung und Aufwandersatz (vgl Birkenfeld, Umsatzsteuerhandbuch, § 69 Tz 32).

Handeln auf fremde Rechnung bedeutet, allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Auftraggeber, der auch die Kosten zu tragen hat, zu überlassen (vgl § 1009 ABGB ). Im Innenverhältnis überträgt der Besorger den wirtschaftlichen Erfolg auf den Auftraggeber (vgl Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 114).

Gemäß § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 sind u.a. steuerfrei:

"aa) die Umsätze, die unter die Bestimmungen des § 33 TP 17 Abs 1 Z 6, 7 und 8 des Gebührengesetzes 1957 fallen"

§ 33 TP 17 Abs 1 Z 8 GebG erfasst:

"Ausspielungen, deren Durchführung nach den Bestimmungen des § 14 GSpG durch Erteilung einer Konzession übertragen wurden"

Lotto als Ausspielung, bei der ein Veranstalter Wetten über die Gewinnchance mehrerer Zahlen aus einer bestimmten Zahlenreihe annimmt, wird von § 33 TP 17 Abs 1 Z 8 GebG erfasst (vgl Ruppe, UStG 3 , § 6 Tz 283).

Umsatzsteuerlich besteht bei Glückverträgen die relevante Leistungen in der Einräumung einer Gewinnchance (vgl Ruppe, UStG 3 , § 6 Tz 284).

Für den gegenständlichen Fall ist von Bedeutung, dass die Gewinnchance, die bei Beteiligung am Lotto mittels eines Tipps auf einem Lottoschein erworben wird, von anderer Art ist als jene, die sich für die Kunden der ***Bf1*** durch Abschluss eines Vertrages mit ihr ergeben. Die ***Bf1*** verschafft ihren Kunden nämlich immer bloß die Chance auf einen Bruchteil (abhängig von der Größe der gebildeten Tippgemeinschaft, zB ein Hundertstel) des Gewinnes eines Tipps und somit eine Gewinnchance anderer Art. Daran ändert nichts, dass den Kunden diese Bruchteil-Gewinnchance an einer Mehrheit von Einzeltipps zukommt. Den Kunden wird die Chance auf den Bruchteilsgewinn, den eine aus vielen Personen bestehende Spielgemeinschaft erspielt, verschafft. Schon aus diesem Grund steht fest, dass die ***Bf1*** nicht das Ergebnis des von ihr jeweils mit der Lottogesellschaft abgeschlossenen Wettvertrages (nämlich die sich aus diesem Wettvertrag ergebende Gewinnchance) herausgibt, sondern einen Erfolg anderer Art verschafft. Die Bw handelt somit nicht als mittelbare Stellvertreterin, sie agiert solcherart nicht einmal "auf fremde Rechnung" (vgl ).

Im gegenständlichen Fall steht jedenfalls fest, dass die einheitliche Leistung der ***Bf1*** an ihre Kunden von wesentlich anderer Art ist als die Leistung der Lottogesellschaft an Personen, die bei einer Lotto-Annahmestelle unter Verwendung eines Lottoscheines einen Wettvertrag schließen, was von vornherein der Annahme einer Besorgungsleistung entgegensteht:

Im Gegensatz zu der Leistung, die ein Spieler durch das Einreichen eines Lottoscheins bei einer Lotto-Annahmestelle und somit durch einen Wettvertrag mit der Lottogesellschaft erhält, erhalten die Kunden der ***Bf1*** die Chance auf den Bruchteil eines Gewinnes einer aus vielen Personen, die sich üblicherweise gegenseitig nicht kennen, bestehenden Spielgemeinschaft. Die Leistung der ***Bf1*** enthält auch weitere Komponenten, wie Erstellen der zu spielenden Zahlenkombination, Ausfüllen der Tippscheine, Einreichung der Tippscheine bei der Lottogesellschaft, Kontrolle der Lottoergebnisse, Berechnung und Verteilung der Spielgemeinschaftsgewinne. Erst dieses Gesamtpaket stellt sich als die für die Kunden wirtschaftlich sinnvolle einheitliche Leistung dar (vgl ).

Für jeden Kunden besteht die Leistung prägend darin, dass sie - durch ihre Mitarbeiter (insbesondere Telefonisten in einem Callcenter) - andere Spielteilnehmer ausfindig macht und den betreffenden Kunden mit den anderen zu Spielgemeinschaften zusammenschließt. Dazu kommen noch die erwähnten Leistungen, wie das Auswählen der zu spielenden Zahlenkombination, etc (vgl ).

Der jeweilige Kunde ist bereit, diese Leistungen eigener Art besonders zu honorieren, bezahlt er doch - gerechnet auf die Kosten pro Tipp - in etwa dreimal so viel, wie er bei Einreichung eines Lottoscheines bei einer der Lotto-Annahmestellen (etwa einer Trafik) zu bezahlen hätte. Wie oben dargestellt setzte die ***Bf1*** bloß einen Teil des laufend vom einzelnen Kunden an die ***Bf1*** überwiesenen Betrages für den Erwerb von Lottoscheinen der Lottogesellschaft ein.

Dass bloß ein solcher Anteil der laufenden Zahlungen des Kunden für den Erwerb von Lottoscheinen Verwendung findet, wird dem Kunden zwar nicht klar vorgerechnet, erschließt sich ihm aber im Großen und Ganzen aus der Höhe der monatlichen Zahlung pro Teilnehmer, der Anzahl der Teilnehmer pro Tippgemeinschaft und der Anzahl der pro Tippgemeinschaft jeweils gekauften Tipps. Nur im Hinblick auf die besondere (andere) Art der Leistung ist der Kunde bereit, einen signifikant höheren Preis zu bezahlen als bei der Lotto-Annahmestelle (vgl ).

Die einheitliche Leistung, die der jeweilige Kunde erhält, ist somit von anderer Art als jene Leistung, die er durch Abgabe von Tipps bei einer Lotto-Annahmestelle erhalten würde. Die Leistung stellt deshalb keine Besorgungsleistung dar.

Da die von der GmbH ihren Kunden erbrachte Leistung - wie oben ausgeführt - von anderer Art ist als die Leistung der Lottogesellschaft als Konzessionär an Lottospieler, ergibt sich eine Steuerbefreiung für die Umsätze der GmbH auch nicht aus Art 13 Teil B lit f der Sechsten MwSt-Richtlinie oder dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer (vgl auch das , Leo-Libera GmbH).

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass es sich bei den Leistungen der ***Bf1*** nicht um Besorgungsleistungen handelte und die Vorschreibung der Umsatzsteuer damit zu Recht erfolgte.

Umsatzsteuerfestsetzungen 3-9/2010, 10-12/2010, 1-3/2011, 4/2011 und 8/2011

Hinsichtlich Berufung gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen 2010 und 2011 ist die Sachlage, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Festsetzungsbescheide die Umsatzsteuerjahresbescheide für 2010 und 2011bereits ergangen sind und der zeitliche Geltungsbereich der Festsetzungsbescheide damit außer Kraft gesetzt worden ist. Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide gilt daher gemäß § 253 BAO als Beschwerde gegen die Jahresbescheide 2010 und 2011. Das Bundesfinanzgericht hatte daher über die Umsatzsteuerjahresbescheide 2010 und 2011 abzusprechen.

Umsatzsteuer 2010

Hinsichtlich Umsatzsteuer 2010 ergab die Überprüfung des Gesamtbetrages der Entgelte an Hand der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Jänner bis Februar 2010 und der berichtigten Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate März bis September 2010 und der Berufungsvorentscheidung betreffend die Monate Oktober bis Dezember 2010 einen geringeren als den im Bescheid ausgewiesenen Betrag. Das Finanzamt hegte keine Einwendungen gegen den durch das Bundesfinanzgericht errechneten Betrag. Für die Umsatzsteuer 2010 wird daher der verringerte Betrag der Gesamtbetrag Entgelte zum Ansatz gebracht.

Der Betrag wurde wie folgt ermittelt:

Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen und Leistungen (Beträge in Euro):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
UVA 1/2010
63.210,00
UVA 2/2010
61.388,75
Festsetzung 3-9/2010
Berichtigung § 293 BAO
135.268,65
Festsetzung 10-12/2010
Berufungsvorentscheidung
57.623,57
Summe
317.490,97

5. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Fall aufgeworfenen Rechtsfragen wurden im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere zur Steuerpflicht von Leistungen zur Organisation von Spielgemeinschaften) beantwortet. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor.

Aus diesem Grunde wurde die Revision nicht zugelassen.

Beilage: 1 Berechnungsblatt Umsatzsteuer 2010

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
§ 14 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 33 TP 17 Abs. 1 Z 8 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 3a Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 6 Abs. 1 Z 9 lit. d UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 33 TP 17 Abs. 1 Z 6, 7 und 8 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101300.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at