Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2021, RV/7200159/2015

Erlöschen eines Gesamtschuldverhältnisses

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/16/0096. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***11*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Wien vom betreffend Eingangsabgaben zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben und der Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zahl: 100000/90.***1*** ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zl. 100000/90.***1*** setzte das Zollamt Wien der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.) die Zoll- und EUSt-Schuld fest (Zoll: 6741,42, EUSt: 46.950,49). Am habe die Bf. durch Anweisungen bewirkt, dass die jeweiligen Warenführer zu 6 Lieferungen (angemeldet zur Abfertigung zum freien Verkehr durch Verzollung mit CRN 12 AT1***2***, CRN 12 AT***3***, CRN 12, AT1***4***, CRN 12 AT1***5***, CRN 12 AT1HHH und 12AT***6***) noch vor ihrer Ankunft an der Bestimmungszollstelle in Wien ihre Ankunftsmeldungen per SMS an den Zolldienstleister abgeschickt zu haben. Dadurch sei nach Art. 203 Abs. Abs. 1 und 3 zweiter Anstrich Zollkodex (ZK) ivm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) für die Bf. als Beteiligte an der Entziehung der Versandwaren aus der zollamtlichen Überwachung die Abgabenschuld festzusetzen. Ausgesprochen wurde, dass mit mehreren Unternehmen ein Gesamtschuldverhältnis begründet werde und zwar mit der Fa. ***7***. in der gesamten Höhe von € 46.950,49; mit ***8*** in Höhe von € 17.669,07 und mit ***9*** in Höhe von € 29.281,42. Die Zollschuld sei bereits im Zuge der Abfertigung entrichtet worden, sodass ein Abgabentrag an EUSt in Höhe von € 46.950,49 aushafte. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Nach § 26 Abs. 1 UStG ist das Zollrecht sinngemäß auch für die EUSt anzuwenden; s Bieber, Der Einfuhrumsatz (2019) 694.

Nach Art 213 ZK (nunmehr Art 84 UZK) greift im Zoll- und EUSt-Recht das Prinzip des Gesamtschuldverhältnisses (s auch § 6 BAO). Eine Abgabenschuld erlischt nach diesem Prinzip durch Entrichtung der Abgabe und zwar gleichgültig, ob sie von einem Abgabepflichtigen allein oder von mehreren Abgabepflichtigen als Gesamtschuldner geschuldet wird (). Wesen der Gesamtschuld ist es nämlich, dass dem Gläubiger steht insgesamt jedoch nur einmal die Befriedigung seiner Ansprüche zu. Ist die gesamte Schuld (zB durch einen der Gesamtschuldner) entrichtet, so erlischt das Gesamtschuldverhältnis (); s Ritz, BAO6 § 6 Rz 2.

Im Ermittlungsverfahren vor dem BFG wurde aktenkundig, dass ein EUSt-Betrag von € 29.281,42 vom Gesamtschuldner ***9*** bereits entrichtet wurde, sodass das Gesamtschuldverhältnis in dieser Höhe erloschen ist; es bleibt ein Restbetrag in Höhe von € 17.669,07. Mit - rechtskräftigem - Erkenntnis des wurde ausgesprochen, dass der mit , Zahl: 100000/90.***10*** geltend gemachte Abgabenbetrag gegen den Gesamtschuldner ***8*** von EUSt in Höhe von € 17.669,07 bereits (von dritter Seite) entrichtet wurde und deswegen der Abgabenanspruch sowie die Gesamtschuldnerschaft untergegangen sei. Überdies hat ***8*** selbst die EUSt von € 17.669,07 in mehreren Raten entrichtet (, , und ). Zwar teilt das BFG (in diesem Verfahren) die Ermittlungsergebnisse bzgl. Begleichung der Abgabenschuld durch einen Dritten nicht, allerdings ist dieses Erkenntnis, in dem ausgesprochen wurde, dass das Gesamtschuldverhältnis in Höhe von € 17.669,07 bereits erloschen ist, in Rechtskraft erwachsen. Zweifelsfrei ist auch belegbar, dass die ***8*** selbst den aushaftenden Betrag entrichtet hat, sodass in Folge der Entrichtung der letzten Rate vom das Gesamtschuldverhältnis auch ohne Berücksichtigung des zit Erkenntnisses mit Verbuchung dieser Restrate mit erloschen ist (Buchungsdatum ). Der Betrag von € 17.669,07 wurde von der Zollbehörde (wegen des E v. , RV/7200164/2015) wieder erstattet, zeitgleich aber (neuerlich) als Abgabenanspruch 2018 buchmäßig erfasst, obwohl das BFG ein Erlöschen dieses Abgabenanspruchs festgestellt hat und dieses Erkenntnis nicht revisioniert wurde. Besteht aber keine Abgabenschuld oder besteht diese nicht mehr und ist deswegen eine solche Abgabenschuld auch nicht oder nicht mehr buchmäßig erfasst, kann eine solche buchmäßige Erfassung für eine im Jahr 2012 zu vertretene Steuerentstehung im Jahr 2018 nicht mehr nachgeholt werden; zur buchmäßigen Erfassung s Bieber, Der Einfuhrumsatz (2019) 394.

Aus den oa Sach- und Rechtsgründen war der Beschwerde ein Erfolg beschieden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Wesen eines Gesamtschuldverhältnisses ist in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ausreichend geschärft.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 213 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
§ 26 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7200159.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at