Wiedereinsetzung in den vorigen Stand infolge Krankheit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Karin Pitzer in der Beschwerdesache Bf, ***Bf-Adr***, vertreten durch Wolfgang Balla, Marktgemeindegasse 63, 1230 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vom , Steuernummer ***BFStNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 wurden vom Finanzamt am und am mit der Begründung erlassen, dass wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen die Bemessungsgrundlagen gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt worden seien.
Aus dem über Finanzonline am beim Finanzamt eingelangten Schreiben datiert vom betreff -Wiedereinsetzung in den vorigen Stand -der Beschwerdeführerin (Bf.) geht folgendes hervor:
" Bezugnehmend auf das am Freitag den geführte Telefonat ersuche ich um Aufschiebung und Stundung des per heutigem Datum ausständigen Betrages vom 5.457,55 €.
Aufgrund meines körperlichen und seelischen Zusammenbruches im Oktober 2015 konnte ich keine Erklärungen abgeben, infolge dazu wurden auch keine Berufungen gegen die festgesetzten Beitragsvorschreibungen erstellt. Der Gewerbeschein wurde deshalb auch am ruhend gemeldet. Ab meinem körperlichen Leiden (Diagnose Anämie Psycho vegetatives Erschöpfungssyndroms und Myomerkrankung) sind keine Einnahmen ergangen.
Aus diesem Grund ersuche ich ab dem Jahr 2014 um Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Den Nachweis der Begründung werde ich Nachbringen.
Im August 2017 wurde mein Zustand lebensbedrohend und ich musste einen Arzt aufsuchen. Seit befinde ich mich im Krankenstand -einen Nachweis hierzu werde ich gerne beibringen. Auch meinen körperlichen Zustand kann ich seit 2015 dokumentieren.
Ich ersuche um Fristerstreckung bis zum damit folgende Punkte von mir erstellt werden können:
- Erstellung der Einkommensteuererklärungen 2014, 2015 und 2016
- Rücksetzung bzw. Stundung der Einkommensteuer ab 2014
- Herabsetzung der Vorauszahlung 2017 auf null
- Zahlungsvereinbarung über den dann ausständigen Betrag..".
Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit folgendem Inhalt:
"...gegen die gemäß BAO § 184 ergangenen Bescheide 2014 und 2015 möchte ich Berufung einlegen.
Bezugnehmend auf das am Donnerstag, den geführte Telefonat stelle ich den Antrag um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und ersuche Sie um Rücksetzung der Schätzungsbescheide und um Veranlagung der eingebrachten Einkommensteuer-Erklärungen. Selbstverständlich werde ich auch bemüht sein die Erklärungen 2016, sobald wie möglich dem Finanzamt zu überreichen. Ich denke an die erste Jänner Woche.
Der Antrag auf Verlängerung der Frist, vom wurde leider noch nicht beantwortet.
Begründung des Antrages:
Durch meinen körperlichen und seelischen Zustand, komplette Arbeitsunfähigkeit, sowie meine Wohnungssituation, seit Oktober 2015, war eine Bearbeitung nicht möglich (Originalunterlagen bis dato nicht verfügbar- Est Erklärungen wurden auf Basis Duplikaten erstellt).
Für meinen körperlichen und seelischen Zustand, lege ich im Anhang einige Stellungnahmen diverser Ärzte inkl. meinen aktuellen Medikationsplan des Prim. Dr. St (Psychiater) vor.
Sobald mein zuständiger Facharzt Prim. Dr. St wieder in Wien eingelangt ist, ergeht ebenfalls ein diesbezügliches Gutachten an das Finanzamt...".
Dem Antrag beigelegt waren folgende Unterlagen:
- Klinisch psychologischer Kurzbefund vom ;
- Arztbrief vom ;
- Schreiben vom samt Medikationsplan vom ;
- Berichtigte Einkommensteuererklärung für 2014 und 2015 und berichtigte Beilage zur Einkommensteuererklärung E1 für Einzelunternehmerinnen (betriebliche Einkünfte) für 2014 und 2015 alle vom .
Mit Bescheid vom wurde der Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand vom vom Finanzamt abgewiesen mit folgender Begründung:
"Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom erstmalig eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwecks der Einbringung von Beschwerden gegen die Steuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 und brachte zugleich Fristverlängerungsanträge für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen 2014, 2015 und 2016 bis zum ein. Gleichzeitig mit diesem Antrag wurde um Stundung der Einkommensteuer ab dem Jahr 2014 und um Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 2017 angesucht sowie eine - nicht näher bezeichnete - Zahlungsvereinbarung über den ausständigen Betrag angeboten.
Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung dann abermals eingebracht und etwas näher begründet. Gleichzeitig wurden ärztliche Atteste betreffend den Gesundheitszustand der Antragstellerin vorgelegt.
Diesen Schriftstücken waren umfangreiche Einbringungsmaßnahmen der Abgabensicherung vorausgegangen, welche schließlich nach einer Außendiensthandlung des Vollstreckers am zu einer ersten telefonischen Kontaktaufnahme der Abgabepflichtigen am geführt hatten. Grund für den Wiedereinsetzungsantrag war somit möglicherweise nicht der Wegfall eines Hinderungsgrundes, sondern die nun auch dem neuen Lebenspartner der Abgabepflichtigen bekannten Amtshandlungen zur Einbringung einer Abgabenschuld.
Den zugrundeliegenden Abgabenbescheiden ab dem Jahr 2014 waren Schätzungen vorausgegangen, welche aufgrund nicht eingereichter Steuererklärungen erforderlich geworden sind. Diese Steuererklärungen, zumindest das Jahr 2014 betreffend waren zu einem Zeitpunkt fällig, zum dem die Abgabepflichtige nach ihren eigenen Angaben noch nicht so schwer erkrankt war, als dass sie zu diesen Handlungen nicht fähig gewesen wäre.
Neben den Daten des Firmenbuches war die Antragstellerin bei einigen juristischen Personen als Geschäftsführerin bestellt, bei einigen zugleich Gesellschafterin.
Die Daten jener Unternehmen, bei denen sie die Geschäftsführung zumindest ab dem Jahr 2015 innehatte sind nachstehend dargestellt
Tabelle in neuem Fenster öffnen
FN | Unternehmen | Geschäftsführer bis | Letzte Bilanz eingebracht |
… | A Holding GmbH | 2015; | |
…. | A Proj und Entw GmbH | 2014; | |
… | B GmbH | ||
… | P GmbH | ||
… | F GmbH | 2014; | |
… | IR GmbH | lfd | 2015; |
… | J GmbH | 2014; |
Aus diesen Daten ergibt sich, dass die Antragstellerin in Zeiten, in denen sie nach ihren Angaben dispositionsunfähig gewesen sein soll doch in der Lage war, einige Unternehmen zu leiten, Bilanzen zu unterfertigen und Konkursanträge (F GmbH; x.2016 und x.2017) zu stellen. Aus den zumindest im Firmenbuch aufliegenden Bilanzen ergibt sich, dass die Geschäfte der Unternehmen umfangreich gewesen sein mussten.
Aus den Daten des Steueraktes ergibt sich, dass die Antragstellerin als Geschäftsführerin der genannten Gesellschaften bereits vor ihrer angeblichen Dispositionsunfähigkeit höchst sorglos mir ihren Verpflichtungen umgegangen ist und die Besteuerungsgrundlagen der Unternehmen zum Teil bereits ab dem Jahr 2013 geschätzt werden mussten. Gleiches gilt für die Zahlungsmoral dieser Unternehmen. Die Mehrzahl der Abgabenkonten weisen nicht einbringbare Rückstände auf. Auch die Textierung des Antragschreibens lässt auf eine hohe Sorglosigkeit schließen, wenn dort angegeben ist, dass Originalunterlagen bis dato nicht verfügbar sind und die nun vorgelegten Steuererklärungen auf Basis von Duplikaten erstellt werden mussten. In diesem Fall wäre auch die angestrebte Beschwerde gegen die Steuerbescheide abzuweisen, weil der Grund für eine Schätzung mangels steuerlicher Grundaufzeichnungen noch immer vorliegen würde.
Aus den vorgelegten ärztlichen Befunden ist ableitbar, dass im November 2017 eine massive depressive Angst- und Panikstörung bestand. Dieser Zustand liegt zwei Jahre nach dem Zeitraum, in dem die versäumten Handlungen zu setzen gewesen waren. Der Arztbrief vom beschreibt Behandlungen im Dezember 2015 und Jänner 2016, also nahe dem Zeitraum der versäumten Handlungen. In diesem Arztbrief ist von berichteten Durchschlafstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Fieberschüben und vertebragenen Beschwerden die Rede. Solche Krankheitszustände betreffen eine Vielzahl von Menschen und stellen keinen Nachweis einer nahezu vollständigen Handlungsunfähigkeit dar, wie sie im Antragsschreiben behauptet ist.
Der vorgelegte klinisch psychologische Kurzbefund vom beschreibt schon eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung, ein allgemeines Erschöpfungssyndrom sowie eine emotional instabile Persönlichkeitsakzentuierung zu einer Zeit, als sie noch Geschäftsführerin mehrerer Gesellschaften war und diese Gesellschaften ihren Verpflichtungen noch nachgekommen sind.
Aus der Gesamtheit der vorliegenden Daten und Unterlagen ist zu schließen, dass die Antragstellerin durchaus mit der Vielzahl ihrer Aufgaben und auch ihrer persönlichen Verhältnisse überfordert war und den Dingen schließlich ihren Lauf gelassen hat, ohne sich um ihre Verpflichtungen zu kümmern. Das besagt aber nichts darüber aus, dass sie gerade im Zeitraum der Zustellung der gegenständlichen Steuerbescheide durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Beschwerde gegen diese Bescheide einzulegen. Aus den Daten des Firmenbuches ergibt sich, dass sie dort im fraglichen Zeitraum von ihr unterfertigte Bilanzen sehr wohl eingereicht hat, möglicherweise um drohende Strafen durch das Firmenbuchgericht zu verhindern. Somit kann auch nicht von einer leichten Fahrlässigkeit in Bezug auf die steuerlichen Belange ausgegangen werden, weil die Unterfertigung von Bilanzen zur Einreichung beim Firmenbuchgericht wohl ein überlegtes Handeln voraussetzt, wogegen die Nichteinreichung von Steuererklärungen über Jahre hinweg als leichte Fahrlässigkeit gesehen werden sollte.
Nach der gängigen Rechtsprechung kommen Krankheiten als Wiedereinsetzungsgründe nur dann in Betracht, wenn sie so plötzlich und schwer auftreten, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen. Diese für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erforderliche Voraussetzung ist im gegenständlichen Fall weder bewiesen noch konnte sie glaubhaft gemacht werden, sodass der Antrag als unbegründet abzuweisen war.
Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. durch ihren Vertreter Beschwerde datiert vom ein und führte im Wesentlichen wie folgt aus:
" … Vorab möchte ich festhalten, dass die Bfin im Jahr 2012 eine Totgeburt hatte und deren Trauma bis heute nicht verarbeitet wurde.
Danach und auf Grund ihres unbewussten Zustandes - gepaart mit Depressionen und Erschöpfungen - zu Handlungen (durch ihr Unternehmensumfeld und die dazugehörenden Personen wie Anwälte, Steuerberater und Banker) veranlasst wurde. Handlungen die sich im Nachhinein als folgenschwere Fehler herausgestellt haben. Sämtliche gesetzte Handlungen wurden immer von Personen bearbeitet, denen die Bf. sehr vertraut hatte.
Das Schreiben vom (Anhang 1) bestätigt; die Aussage, dass die Bf. zur Zeit der Bescheid Abgabe 2014 und 2015 noch nicht so schwer erkrankt war, unvollständig ist.
Die Bf. war seit 2012 (Totgeburt), und war Ihr offenbar auch schon davor nicht bewusst, dass sie sukzessive handlungsunfähig geworden ist. (Beilage Anhang 2 - Krankheitsverlauf GS).
Dies bezeugen auch, die zum Großteil nicht eingebrachten bzw. verspätet eingebrachten Erklärungen der Unternehmensgruppe. Durch die fiktive Übernahme der Geschäftsführung der "A" Projektierungs & Entwicklungs GmbH durch die Bank im Jahr 2013 (nach der Konkursaufhebung) schlitterte die Unternehmensgruppe immer mehr in finanzielle Mitleidenschaft.
Die Bilanzen 2015 & 2016 und deren Erklärungen wurden von einem Steuerberater erstellt, dem die Bf. sehr vertraute und wurden nach Vorlage an Bf. von Bf. nur mehr unterschrieben. Außerdem wird festgehalten, dass die letzte Bilanz am also 5 Monate vor der Erstellung des Schätzungsbescheides 2014 eingebracht wurde. Die Bf. hat mit der Weiterführung und Aufhebung des Konkurses 2012/2013 nicht sorglos gehandelt - sondern vorsorglich die Firmen weitergeführt, ohne auf Grund ihres Zustandes zu Bedenken, dass durch die indirekte Geschäftsführungsübernahme durch die Bank der "A" GmbH auch alle anderen Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Da die Bank Rechnungen, wie u.a. Steuerberater und Notar nicht mehr zur Zahlung übernommen hat, und auch die Betriebskosten der Immobilien nur zum Teil beglichen wurden, kam es zu schweren finanziellen Problemen, und dass auch in den anderen Unternehmungen.
Bezugnehmend auf den Absatz "Sorgloses Textieren des Antragsschreibens.... "weise ich nochmals auf das Schreiben vom - eingebracht am hin.
Zu der Anmerkung die Erklärung wurde aufgrund von Duplikaten erstellt, möchte ich wie folgt erklären: Die Bf. hat seit Anfang November 2017 keinen Zutritt zu der Liegenschaft, in der sich die Originalunterlagen befinden - es wurden aber sämtliche Originalunterlagen, als Duplikate der jeweiligen Unternehmen angefordert, um die Erklärungen ordnungsgemäß erstellen zu können - aus diesem Grund wurden sie auch nicht mit dem ersten Wiedereinsetzungsantrag abgegeben.
Die Unterlagen können gerne alle vorgelegt werden, es besteht somit ein vollständiges Rechenwerk.
Weiters möchte ich ihnen hiermit mitteilen, das auf Grund der pekuniären Lage, das Büro der "A" Gruppe 5mal! seit 2013 übersiedeln musste.
Die Zustellung der Schätzung des ESt Bescheides 2014 per RSb erfolgte am - anbei übermittle ich Ihnen die Krankenbestätigung (Anhang 3) von der Bf. für diesen Zeitpunkt, der allerdings bereits am begann. Dieser Umstand zeigt bereits die Geschäftsunfähigkeit von der Bf., die sich im Laufe der Zeit nicht verbesserte (durch Einnahme diverser Medikamente), sondern eher verschlechterte.
Die Zustellung der Schätzung des ESt Bescheides 2015 per RSb erfolgte am - anbei die nachweisliche Postabwesenheitsmeldung (Anhang 4) von der Bf. bis - und ihre Dauerkrankmeldung seit (Anhang 5).
Beide RSb Zustellungen sind nicht eingelangt, diese sind folglich falschadressiert worden (Zustelladresse S 9 Top 1 - korrekte Meldeadresse S 9 Top 2) - Siehe Meldezettel (Anhang 6 )…".
Beigelegt waren folgende Unterlagen:
- Einrichtung Urlaubspostfach datiert vom für den Zeitraum bis ;
- Krankmeldung bei Zusatzversicherung auf Krankengeld sowie Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit vom für den Zeitraum ab ;
- Krankmeldung bei Zusatzversicherung auf Krankengeld sowie Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit vom für den Zeitraum - ;
- Fachärztlicher Befund vom Zeitraum ab ;
- Vorfallsverlauf Krankheit-Unternehmen vom ;
- Bestätigung der Klinik Pirawath vom über einen Reha Aufenthalt
- ZMR Abfrage vom .
Aus der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom geht hervor:
" Die Abgabenbehörde geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:
Die Bfin wurde für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 bei aufrechtem Bestand einer steuerlichen Vertretung mit Einkommensteuerbescheiden vom und vom im Schätzungswege, das heißt nach mehrfacher Erinnerung an die Pflicht zur Erklärungsabgabe veranlagt.
Der ESt- Bescheid 2014 wurde an die von der Beschwerdeführerin in einem elektronisch eingereichten Anbringen bekannt gegebene Adresse xyP, S 9 Top 1 mit RSb-Brief zugestellt, aber nicht behoben. Die Abholfrist begann am . Zu dieser Zeit war die Beschwerdeführerin krankgemeldet, Ausgangsbeschränkungen oder Ortsabwesenheit während der Abholfrist lagen nicht vor. Es war daher ab möglich, die Postsendung abzuholen, womit die Zustellung als bewirkt galt. Dieser Bescheid ist somit am (Anm Richterin 2016) rechtskräftig geworden.
Der ESt-Bescheid 2015 wurde ebenfalls mit RSb-Brief an die oben angeführte Adresse versendet, wobei der erste Zustellversuch an der Einrichtung eines bis aufrechten Urlaubspostfaches scheiterte. Der zweite Versuch am führte zur Hinterlegung ab und in der Folge zur Behebung der Sendung. Dieser Bescheid ist somit am rechtskräftig geworden.
Am telefonierte die Bfin mit dem damaligen Sachbearbeiter MP wegen der Freischaltung eines KFZ Audi A5 in der Genehmigungsdatenbank, damit dieses KFZ zugelassen werden könne. Am Folgetag übermittelte sie per Mail die dazu notwendigen Dokumente und gab in einem weiteren Telefonat mit dem Sachbearbeiter auf dessen Frage nach ihrer derzeitigen Tätigkeit bekannt, dass sie derzeit keine solche ausübe, sie habe sich von einem Burn Out eben wieder erholt. Um die vom Sachbearbeiter geforderte ESt-Erklärung für 2016 werde sie sich kümmern.
Am wurde die Bfin vom Vollstrecker des Finanzamtes aufgesucht, der sie wohl nicht antraf, jedoch mit ihrem Unterkunftsgeber und Lebensgefährten Kontakt aufnahm. Dies führte am zu einem Anruf der Bf. in der Abgabensicherung, wo sie ein Stundungsansuchen und die Besprechung der offenen Erklärungen sowie eines Abstattungsplans mit dem Steuerberater in Aussicht stellte.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom erstmalig eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwecks der Einbringung von Beschwerden gegen die Steuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 und brachte zugleich Fristverlängerungsanträge für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen 2014, 2015 und 2016 bis zum ein. Gleichzeitig mit diesem Antrag wurde um Stundung der Einkommensteuer ab dem Jahr 2014 und um Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 2017 angesucht sowie eine - nicht näher bezeichnete - Zahlungsvereinbarung über den ausständigen Betrag angeboten. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bfin seit einem körperlichen und seelischen Zusammenbruch im Oktober 2015 keine Steuererklärungen abgeben und keine Einnahmen erzielen konnte. Sie befinde sich seit im Krankenstand, nachdem ihr Zustand lebensbedrohlich geworden sei.
Die Inhaltserfordernisse nach § 309a BAO für einen Wiedereinsetzungsantrag lagen nicht vor, insbesondere fehlten die Bezeichnung der versäumten Frist und die Angaben, die für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig waren. Der Antrag wurde offenbar aufgrund eines Telefonats mit dem den bekämpften Abweisungsbescheid verfassenden Sachbearbeiter am unter Einreichung von Einkommensteuererklärungen für 2014 und 2015 wiederholt, so dass klar war, dass als die versäumten Fristen die Beschwerdefristen für die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 anzusehen sind. Gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags vom wurde nach Einreichung eines Verlängerungsantrags für die Beschwerdefrist bis am Beschwerde erhoben, wobei das Vorbringen sich im Wesentlichen darauf konzentrierte, dass die Beschwerdeführerin wegen ihrer psychischen Beeinträchtigung die vom Wiedereinsetzungsantrag betroffenen Fristen versäumt hatte, weil sie praktisch geschäftsunfähig gewesen sei.
Der in der Hauptsache psychische Krankheitszustand (Erschöpfungsdepression sowie Angst- und Panikstörung) bestand seit 2012 und besteht bis dato fort. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin gegen Ende des Jahres 2016 und im September bzw. Oktober 2017 überraschend in einen Zustand geraten wäre, der es unmöglich gemacht hätte, die Beschwerdefristen gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 zu wahren. Sie hat lediglich Dinge, die aus ihrer Sicht nicht drängten, nicht erledigt.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Firmenbuch, dem Akteninhalt, insbesondere aus den Beilagen zum Wiedereinsetzungsantrag vom und Beschwerde vom . Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass sich die Beschwerdeführerin aufgrund verschiedener sowohl traumatischer als auch wirtschaftlich einschneidender Ereignisse seit 2012 in einem psychisch beeinträchtigten Zustand befand, der bis jetzt andauert. In diesem Zustand war sie aber in der Lage, mehreren Gesellschaften als Geschäftsführerin vorzustehen. Während der offenen Rechtsmittelfrist gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 war sie jedenfalls in der Lage, die Vorkehrungen zur Anmeldung eines PKW zu treffen und bekundete sogar, dass sie sich von Ihrem Burn-Out erholt habe. Was sie unter diesen Umständen gehindert haben sollte, gegen den ESt-Bescheid für 2015 Beschwerde zu führen, ist nicht erkennbar. Sie ist nach wie vor fähig, mit der Abgabenbehörde telefonischen Kontakt nicht nur aufzunehmen und zu halten, sondern auch daraus resultierend zweckdienliches und konsistentes Vorbringen zu erstatten bzw. erstatten zu lassen. Dieses gezeigte Verhalten steht im Widerspruch zum Vorbringen in der Beschwerde, wonach sich das Krankheitsbild verschlimmert hatte und sogar die Geschäftsunfähigkeit in den Raum gestellt wurde. Dieser Widerspruch wird zu Lasten der Beschwerdeführerin dahin gewürdigt, dass ihr Vorbringen taktischen Erwägungen folgt, und sie tatsächlich auch in dem für die Wiedereinsetzung relevanten Zeitraum in der Lage gewesen wäre, die versäumten Verfahrensschritte vorzunehmen.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daher folgendes:
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist dann zu verfügen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, eine Frist einzuhalten. Eine jahrelang andauernde und sich verschlechternde psychische Erkrankung, die u.a. auf Überarbeitung beruht, fällt aus Folgenden Gründen nicht unter diese Kategorie:
Sie kommt zunächst einmal nicht so überraschend, dass sie die Möglichkeit ausschließt die notwendige Vorsorge gegen Fristversäumnisse zu treffen. Darüber hinaus hat sie die Fähigkeiten der im übrigen steuerlich vertretenen Beschwerdeführerin keineswegs so eingeschränkt, dass sie die erforderlichen Schritte nicht hätte unternehmen können. Das zeigte sich schon bei der Anmeldung ihres KFZ Audi A5 während der Rechtsmittelfrist gegen die ESt-Veranlagung 2015, und auch jetzt, unter dem Eindruck der Zwangsvollstreckung, ist sie bei demselben Oder noch schlechteren Krankheitsbild zu allen notwendigen Schritten in der Lage. Diese sind insgesamt sogar komplexer, als diejenigen, welche die Beschwerdeführerin versäumt hat. Es lag somit kein Ereignis vor, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überhaupt ermöglichen würde. Persönliche Überforderung und Überarbeitung, selbst eine solche, die sich zu einem Krankheitszustand steigert, kann daran nichts ändern. Es versteht sich nämlich selbst, dass ein aus der Sicht des Wiedereinsetzungswerbers übervoller Kalender, der dazu führt, dass bestimmte Verfahrenshandlungen versäumt werden, kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist (vgl. dazu Ritz, BAO 6. Auflage, Tz 11 und 12 zu § 308 mit Nachweisen der Judikatur). Das würde nämlich letzten Endes dazu führen, dass nur die Priorisierung durch den Wiedereinsetzungswerber dafür ausschlaggebend wäre, welche Dispositionen noch getroffen werden könnten und welche eben nicht mehr. …".
Aus dem am beim Finanzamt eingelangten Vorlageantrag vom der Bfin geht im Wesentlichen hervor:
"… Antrag
- Vorlage zur Entscheidung der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht
- in eventu eine mündliche Verhandlung durch den Senat
Begründung:
Die Prüfung des Sachverhaltes erfolgt sehr lapidar. In keiner Weise wurde auf den Vorfallsverlauf Krankheit - Unternehmen vom samt Anlagen eingegangen. …
Der langjährige Prozess, und der damit wirtschaftliche Ausfall sowie die dadurch weiter entstandenen enormen Kosten, gekoppelt mit den extremen psychischen Belastungen, denen die Bf. ausgesetzt war, und der Versuch, die Unternehmensgruppe am Leben zu erhalten (auch auf Druck der Bank mit allen Mitteln) -führte letztendlich zur Stilllegung bzw. Liquidierung der Unternehmen. …
Bzgl. der Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt am möchte ich festhalten, dass der Anruf am Finanzamt bzgl. einer Freischaltung eines KFZ keinerlei Stress für die Bf. bedeutet, Gegensatz zu der ständigen Auseinandersetzung mit Altlasten und wühlen in deren Altunterlagen.
Das Auto wurde allerdings von der Bf. zu diesem Zeitpunkt nicht selbst angemeldet, diese Behauptung der Bescheidvorentscheidung ist falsch. Allerdings war der Bf. zu diesem Zeitpunkt auch nicht bewusst bzw. sie konnte es sich nicht eingestehen - in welchem schlechten psychischen bzw. gesundheitlichen Zustand sie sich wirklich befand. Die Diagnose, dass sich ein, nach wie vor (Stand April 2018) trotz vielfacher Untersuchungen, nicht bekannten Entzündungsherdes im Körper befindet, wie auch Blutanämie - die nachweislich seit Oktober 2015 besteht - wurde erst Anfang Oktober 2017 bei einer SVA Untersuchung weiters diagnostiziert. Daraufhin erfolgte eine Überweisung hämatologische Institut in Wien bzw. wurde eine Eigenbluttherapie -unterstützt mit einer lnfusionstherapie begonnen. Auch die Reha im Jänner/Feber 2018 führte zu keinerlei Besserung des körperlichen -bzw. psychischen Zustandes. Die Bf. ist nach wie vor krankgeschrieben. Diverse ärztliche als auch psychiatrische Gutachten diesbzgl. liegen vor.
Es beeindruckt hier auch das medizinische Fachwissen, das der Behörde vorliegt, über die Beurteilung eines körperlichen Zustandes. Nur weil kein Ausgehverbot durch den Arzt besteht, wie in der Bescheidvorentscheidung bzgl. der Abholung des RSb Briefes angeführt, heißt es noch lange nicht, dass die Person in der Lage war, diese Hinterlegung abzuholen.
Weiters wird nochmals darauf verwiesen das die Bf. seit Jänner 2016 - nicht in xyP - S 9/1 sondern xyP - S 9/2 wohnte. Ob die Hinterlegung an ihrer richtigen Adresse erfolgte - kann nicht bewiesen, bzw. nachvollzogen werden. Dass die Bekanntgabe der Abänderung der Adresse nicht erfolgte - zeigt nur wieder einen Punkt der psychischen Überforderung.
Dass die korrekte Adresse dem Finanzamt allerdings bekannt war, bestätigt ein Einbringungsversuch vom (siehe Anhang). Weiters wurden sämtliche Schriftstücke im Dezember 2017 von meiner Person im Namen der Bf. verfasst…".
Mit Schreiben vom wurden die Krankenunterlagen aufgrund schlechter Kopien und teilweisen Unleserlichkeit von der Bf. nochmals übermittelt. Die mündliche Verhandlung wurde darin von der Bf. zurückgezogen.
Die Bf. zog laut Schreiben vom den Antrag auf Senatsverhandlung zurück und teilte mit, dass die Zustellvollmacht des steuerlichen Vertreters nicht mehr besteht.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgericht vom wurde der Bf. aufgetragen folgende Mängel ihres Wiedereinsetzungsantrages zu beheben, widrigenfalls der Antag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom als zurückgenommen gelte:
Dem Wiedereinsetzungsantrag vom fehlte
- die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (§ 308 Abs. 1 BAO)
- die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind (§ 308 Abs. 3 BAO)
- die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumnis notwendig sind.
In ihrem Schreiben vom konkretisierte die Bf. den Antrag auf Wiedereinsetzung wie folgt:
"Unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis:
Gemäß beiliegender Historie war ich von Oktober 2016 bis Ende 2017 schwer krank, nahm Psychopharmaka und war nicht in der Lage die im Schätzungswege ergangenen Einkommensteuerbescheide 2014 () und 2015 () zu bekämpfen. Die von der belangten Behörde getroffener Einwand, ich hätte bei einigen Gesellschaften Organfunktion (bis Juli bzw. Oktober 2017) ändert nichts daran. Das in den offengelegten Jahresabschlüssen (1-2 Jahre vorher) umfangreiche Geschäfte dieser Unternehmen ersichtlich waren ändert ebenfalls nichts daran.
Rechtzeitigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages vom erfolgte während der weiterhin bestehenden Krankheit, sodass die Dreimonatsfrist des leg cit nicht zu laufen begonnen hat. Die versäumte Handlung (Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 und 2015) wurde gleichzeitig gemäß § 308 Abs. 3 letzter Satz BAO vorgenommen.
Fehlen des groben Verschuldens:
Aufgrund des bereits mehrmals dargelegten schweren und langanhaltenden Krankheitsverlauf (Depression, angehende Blutkrankheit, die bereits seit Frühjahr 2016 vorhanden war) liegt meines Erachtens kein grobes Verschulden meiner Person vor".
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs. 2 haben die Abgabenbehörden und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabeverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Die obigen Sachverhaltsdarstellungen sind allesamt aktenkundig und ergeben sich insbesondere aus den Bescheiden der belangten Behörde bzw. aus den Schreiben und vorgelegten Unterlagen des Vertreters der Bf.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) oder einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 308 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 308 Abs. 3 BAO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhörendes Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245 BAO) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264 BAO) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz BAO sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
Nach dem Gesetzeswortlaut kann ein Ereignis nur dann zu einer Wiedereinsetzung führen, wenn es unvorhersehbar oder unabwendbar ist.
Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte, und wenn es durch gewöhnlich erreichbare Mittel nicht abgewendet werden kann. Ein Ereignis ist auch unvorhergesehen, wenn aufgrund der Erfahrungen eines Durchschnittsmenschen damit nicht gerechnet werden konnte (Erkrankung, Hochwasser, Erdbeben etc.) dh. es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Person es bei Anwendung gehöriger Aufmerksamkeit und auch im Rahmen von Vorausplanungen nicht vorhersehen konnte.
Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (Ritz, BAO, 6. Auflage, § 308 Tz 8 ff mit Judikaturnachweisen).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () erfüllt eine Erkrankung die für die Wiedereinsetzung erforderlichen Kriterien erst dann bzw. kommen Krankheiten nur dann als Wiedereinsetzungsgründe in Betracht, wenn diese einen Zustand der Dispositionsunfähigkeit zur Folge haben bzw. sie zur Dispositionsunfähigkeit führen (, 0069; , 95/20/0659, ZfVB 1997/6/2177) und so plötzlich und schwer auftreten, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage ist, die nach dem Sachverhalt gebotenen Maßnahmen zu treffen (, 0495, ZfVB 1997/4/1250), wie zB bei Gehirnschlag (, ZfVB 1992/4/1634). Eine (bloße) Krankheit an sich genügt nicht zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ( SlgNF 3537).
Aus einer Erkrankung als solcher kann noch nicht auf die völlige Dispositionsunfähigkeit geschlossen werden (). Sie zählt nur, wenn sie plötzlich und in einem Maß auftritt, dass die Partei nicht mehr im Stande ist, nach den Umständen des Falles zu handeln. Dies vor allem dann nicht, wenn sie etwa durch einen Telefonanruf das Ereignis abwenden kann (vgl ). Eine die Handlungsfähigkeit (Dispositionsfähigkeit) einer Person nicht ausschließende Krankheit kann nicht als Wiedereinsetzungsgrund gewertet werden (; ). Es reicht aber nicht aus, wenn die Partei gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst zu setzen bzw. sich selbst die notwendigen Informationen zu besorgen. Die Partei muss durch die Erkrankung auch daran gehindert gewesen sein, die Versäumung der Frist durch andere geeignete Dispositionen, insbesondere durch Beauftragung eines Vertreters, abzuwenden (; , 2004/20/0122; , 2007/21/0308).
Selbst krankheitsbedingte Säumnis erfüllt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung nur, wenn diese zu einer Dispositionsunfähigkeit führt, oder die Dispositionsfähigkeit zumindest soweit beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung als minderes Versehen angesehen werden kann (). Bettlägerigkeit und Schonungsbedarf an sich reichen nicht aus ().
Im Allgemeinen wird eine Antwort darauf anhand medizinischer Befunde und hiervon abgeleiteter ärztlicher Schlussfolgerungen zu finden sein ().
Keine Wiedereinsetzungsgründe sind nach der Rechtsprechung mangelnde deutsche Sprachkenntnis, Arbeitsüberlastung und familiäre Probleme ().
Eine Auswechslung des Wiedereinsetzungsgrundes im Rechtsmittelverfahren ist unzulässig (). Das Auswechseln des Wiedereinsetzungsgrundes im Stadium der Berufung (Beschwerde) käme der Stellung eines neuerlichen anders begründeten Antrages auf Wiedereinsetzung gleich, der außerhalb der Wiedereinsetzungsfrist erfolgte und dadurch unbeachtlich wäre ().
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (; , 96/13/0173; , 2006/15/0109), teilweise ergänzt der VwGH durch "Im Wiedereinsetzungsantrag abgesteckt" ().
Da die Frist zur Einbringung der Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 abgelaufen ist, beantragte die Bf. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete diese ua damit, dass sie aufgrund ihres körperlichen und seelischen Zustandes, komplette Arbeitsunfähigkeit, sowie ihrer Wohnungssituation, seit Oktober 2015, eine Bearbeitung nicht vornehmen habe können. Sie sei von Oktober 2016 bis Ende 2017 schwer krank gewesen, habe Psychopharmaka genommen und sei nicht in der Lage gewesen die im Schätzungswege ergangenen Einkommensteuerbescheide 2014 () und 2015 () zu bekämpfen. Der Antrag wurde während der weiterhin bestehenden Krankheit gestellt.
Aus den Vorbringen und den vorliegenden Unterlagen ist bekannt, dass die Erkrankung (Depression, Panik und Angstzustände, Müdigkeit, Schlaflosigkeit etc.) nicht plötzlich aufgetreten ist. Der Umgang mit der Krankheit und ihren Folgen war der Bf. (seit Jahren) vertraut bzw. muss als der Bf. vertraut gelten.
Dass es sich um eine Dispositionsunfähigkeit ausschließende Krankheit handelt ist ua. aus den vorgelegten Krankmeldungen, ärztlichen Befunden und Arztschreiben nicht zu entnehmen, auch wenn die Bf. vorbringt, Psychopharmaka genommen zu haben.
Die Bf. bestreitet trotz vorliegender Krankheit nicht mehr, dass sie im beschwerdegegenständlichen Zeitraum bei anderen Firmen in Organfunktion (Geschäftsführerin) weiter tätig gewesen ist, wenn sie vorbringt "Der von der belangten Behörde getroffene Einwand, ich hätte bei einigen Gesellschaften Organfunktion (bis Juli bzw. Oktober 2017) ändert nichts daran".
Auch aus ihrem Handeln selbst, wie zB durch die telefonische Kontaktaufnahme beim Finanzamt im September 2017 zwecks Anmeldung eines Audi, Eröffnung eines Urlaubspostfaches infolge eines Urlaubes im Juli 2017, Umzug nach Steyr im Oktober 2017, oder die Beauftragung eines steuerlichen Vertreters - lässt sich eine Handlungsunfähigkeit bzw. Dispositionsunfähigkeit nicht erschließen.
Die Bf. war somit sehr wohl dispositionsfähig bzw. hat sich selbst auch als dispositionsfähig eingestuft. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die gegenständlichen schriftlichen Eingaben von einem beauftragten Vertreter abgefasst wurden.
Aus den vorgelegten Schreiben der Ärzte und dem Medikationsplan vom sowie den Krankmeldungen ergibt sich nicht, dass die Dispositionsfähigkeit der Bf so stark beeinträchtigt war, dass sie nicht bzw. in keinster Weise handlungsfähig gewesen ist.
Dass ein sofortiges Handeln aufgrund der Krankheit der Bf. durch den Arzt notwendig war, ergibt auch aus dem Schreiben vom nicht, da vom Arzt darin festgehalten ist "Th siehe Verordnung, Keine AF, KO in drei Wochen". Dass bei einer Handlungsunfähigkeit dringend gehandelt werden sollte und nicht erst in drei Wochen, bedarf wohl keiner Diskussion.
Laut Medikationsplan vom ist die Dosierung für die Einnahme der Medikamente im unteren Bereich angesiedelt, sodass auf eine Dispositionsfähigkeit ausschließende Krankheit auch diesbezüglich nicht geschlossen werden kann.
Aus dem fachärztlichen Befund vom geht zwar hervor, dass bei der Bf. eine hochgradige Antriebslosigkeit Lustlosigkeit Freudlosigkeit und Müdigkeit bestanden habe und bestehen würde, sodass sie nicht in der Lage gewesen sei, die Einkommensteuer und Bilanz zu verfassen oder gar abzugeben. Sie leide unter gehäuftem Auftreten von Panikattacken die mit Atemnot und Schweißausbrüchen einhergehen würden. Bei ihr bestehe eine permanente Existenzangst und sie leide unter massiven Ein und Durchschlafstörungen und sie könne gedanklich nicht abschalten, doch bedeutet dies wohl keineswegs, dass diese Erkrankung der Bf. einen Zustand der Dispositionsunfähigkeit im Zeitraum nach Zustellung der Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 zur Folge hatte. Irritierend und nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen nicht nur im Hinblick darauf, dass die Bf. erst seit bei dem Arzt in Behandlung gewesen ist.
Die Erkrankung an einem grippalen Infekt stellt noch keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar, sondern nur dann, wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderem Licht, nämlich als bloß minderer Grad des Versehens, zu beurteilen ist. Zum Krankheitsverlauf eines grippalen Infektes, gehört jedenfalls keine Bewusstseinstrübung und wurde von der Bf. eine solche auch nicht vorgetragen.
Auch die vorgelegten Krankmeldungen vom - mit dem Arbeitsunfähigkeitsgrund ab wegen einer Depression - und einer Krankmeldung vom mit einer Arbeitsunfähigkeit vom bis wegen eines grippalen Infekts in Verbindung mit einer Depression - zeigen nicht auf, dass eine die Dispositionsunfähigkeit ausschließende Krankheit und eine Bewusstseinstrübung bzw. -einschränkung der Bf. gegeben war, zumal mit diesem Krankheitsbild nicht einmal Spitalsaufenthalte, verordnete Bettruhen und Ausgangs-beschränkungen verbunden waren.
Weder aus dem Arztbrief vom noch aus dem Schreiben der SVA der gewerblichen Wirtschaft vom ergibt sich eine behauptete Handlungsunfähigkeit.
Wurde doch der Status einerseits mit Durchschlafstörungen Müdigkeit Konzentrationsstörungen bzw. einer Eisenmangelanämie festgestellt, der in einer tageweisen Infusionstherapie am 13.12., , 13.1. und endete, wobei lediglich eine Therapie in Verabreichung Orthomolekularer Substanzen bestand und eine Stressregulation empfohlen wurde.
Andererseits bestand der Status darin, dass die Pat (Bf.) wach und allseits voll orientiert, im Verhalten kooperativ und adäquat sei. Die Stimmungslage sei überwiegend infiff, themenspezifisch auch gedrückt mit Hinweisen auf emotionale Labilität. Ausreichende Resonanz bei überwiegend gut gesteuerten Affekten. Im Allgemeintempo und Eigenantrieb unauffällig. Mnestik und Intellekt eindrucksweise ungestört. Auffassung und Aufmerksamkeit im Dialog ungestört. In der Befindlichkeit herabgesetzt. Keine Hinweise auf Denkstörungen oder produktive Symptomatik, sodass eine Erschöpfung und depressive Reaktion diagnostiziert wurde. Auch, wenn aufgrund von Vorbehandlungen eine stationäre Behandlung laut SVA zB im Rahmen einer drei wöchigen Burnout Behandlung zu unterstützen wäre, so bedeutet dies wohl keineswegs, dass diese Krankheit der Bf. einen Zustand der Dispositionsunfähigkeit im Zeitraum nach Zustellung der Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 zur Folge gehabt hatte.
Anzumerken ist, dass dem Kurzbefund vom keine Relevanz zukommt, da kein Zusammenhang mit dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum erkennbar ist.
Dass an der Handlungsfähigkeit der Bf. kein Zweifel bestand, ergibt sich auch aus den Ausführungen der Bf. selbst, auf die hingewiesen wird.
Dispositionsfähigkeit zeigt sich nämlich auch an rechtlich verfehlten Schritten bzw. auch an nicht getätigten Schritten.
Eine die Dispositionsfähigkeit ausschließende Krankheit bzw. eine Dispositionsunfähigkeit, die so plötzlich und so schwer aufgetreten ist, dass die Erkrankte - Bf. - nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen, konnte demzufolge nicht festgestellt werden. Beim Verschulden an der Versäumung der Frist handelt es sich aufgrund des gegebenen Sachverhalts nicht um einen minderen Grad des Versehens, weshalb die Wiedereinsetzung des Verfahrens auch aus diesem Grund nicht zu bewilligen war.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt daher insgesamt gesehen mangels Vorliegens eines unvorhergesehenen bzw. unabwendbaren Ereignisses sowie mangels geringen Verschuldens - keine Berechtigung zu, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.
Zu Spruchpunkt II. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist im Beschwerdefall von der ständigen Rechtsprechung des VwGHs nicht abgewichen. Eine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig erklären.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100774.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at