Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.07.2021, RV/5100431/2019

1) Keine Anwendung der österreichischen Rechtsvorschriften, wenn im beschwerdegegenständlichen Zeitraum sowohl der Kindesvater als auch die Kindesmutter den spanischen Rechtsvorschriften unterliegen. 2) Zeitlicher Geltungsbereich eines Bescheides, mit dem der Beihilfenantrag ab einem bestimmten Kalendermonat - ohne Angabe eines Endzeitpunktes - abgewiesen wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerden vom

1) gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom zu VNR ***1*** betreffend Rückforderung zu Unrecht für das am ***2*** geborene Kind ***A*** für den Zeitraum April 2015 bis Mai 2017 bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 4.406,30 €, und

2) gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom zu VNR ***1***, mit dem der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das am ***3*** geborene Kind ***N*** für den Zeitraum ab Jänner 2017 abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit zwei inhaltsgleichen, über Finanzonline eingebrachten Anträgen vom und beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter ***A*** ab März 2015.

Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens wies das Finanzamt mit Bescheid vom den Antrag für den Zeitraum März 2015 ab und gewährte Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2015 bis März 2016 (Mitteilung vom ).

Anschließend erfolgte eine Überprüfung des Beihilfenanspruches (Überprüfungsschreiben vom samt Beantwortung vom ), welche zu einer Verlängerung des Beihilfenbezuges bis April 2017 führte (Mitteilung vom ).

Am beantragte die Beschwerdeführerin über Finanzonline die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre zweite, am ***3*** geborene Tochter ***N*** ab Jänner 2017.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt dazu von der Beschwerdeführerin diverse Unterlagen (Geburtsurkunde, Formular E 411 betreffend den Anspruch auf Familienleistungen in Spanien) sowie eine schriftliche Erklärung zum Mittelpunkt der Lebensinteressen, dem Lebensunterhalt, der Aufenthaltsdauer in Spanien sowie zur Frage, ob sie in Österreich bleibe, an.

Am erfolgte die diesbezügliche Vorhaltsbeantwortung samt Vorlage der Geburtsurkunde und des vom spanischen Träger bestätigten Formulars E 411.

Am langte beim Finanzamt die Familienstandsbescheinigung (Formblatt E 401) des spanischen Trägers ein.

Das Finanzamt teilte der Beschwerdeführerin am telefonisch mit, dass das Finanzamt von einem Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Spanien ausgehe.

Am reichte die Beschwerdeführerin zur Glaubhaftmachung dafür, dass ihr Lebensmittelpunkt in Österreich liege, eine Fülle von Unterlagen ein (Schreiben der OÖGKK vom , Unfallbericht des UKH Linz vom , Schreiben der OÖGKK betreffend den Antrag auf Kinderbetreuungsgeld vom , Schreiben des Magistrates Linz vom , Kontoauszug der Raiffeisen Bausparkasse vom , Schreiben der ***4*** vom Dezember 2016 betreffend Wohnungseigentum ***5***, Schreiben der ***6***, Einladung der ***4*** zur Eigentümerversammlung vom , Kontoauszug der Bausparkasse Wüstenrot AG vom für 2016, Strom-Jahresabrechnungen 2015 und 2016 (LINZ AG) vom und , Schreiben der Bank Austria vom bezüglich Euro-Hypothekardarlehen, Kontoauszüge der Raiffeisen Landesbank OÖ (ELBA) vom bis , Handykostenabrechnungen von April 2016 bis März 2017, Kopien der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen ihrer beiden Töchter).

Nach Durchführung eines weiteren Vorhalteverfahrens (Vorhalt vom , Stellungnahme vom , eingelangt am ), wurde der Anspruch auf Familienbeihilfe für die Tochter ***A*** vorerst um ein weiteres Monat (bis Mai 2017) verlängert (Mitteilung vom ).

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin zu Unrecht für ihre Tochter ***A*** für den Zeitraum April 2015 bis Mai 2017 bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 4.406,30 € zurück. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass nach der Verordnung (EG) 883/2004 vorrangig jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren müsse, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat (Wohnsitzstaat) höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung 883/2004), wobei hier die innerstaatlichen Vorschriften zur Anwendung kämen. Nach § 2 Abs. 8 FLAG 1967 hätten Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Das sei bei der Beschwerdeführerin aber aufgrund näher dargelegter Erwägungen nicht der Fall.

Mit weiterem Bescheid vom wurde mit gleichlautender Begründung der Antrag auf Gewährung der Familienbehilfe für die Tochter ***N*** für den Zeitraum ab Jänner 2017 abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die mit wortgleicher Begründung erhobenen Beschwerden vom . Darin verwies die Beschwerdeführerin auf die bisher vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung dafür, dass ihr Lebensmittelpunkt in Österreich liege. Die OÖ Gebietskrankenkasse habe im Zusammenhang mit der Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes mehrmals überprüft, ob der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder tatsächlich in Österreich liege, und diese Frage bejaht. Das Kinderbetreuungsgeld sei immer in voller Höhe gewährt und nie gekürzt worden. Zusätzlich zu den vorgelegten Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen wurde Nachweise über sämtliche (in Österreich durchgeführten) Impfungen beider Kinder vorgelegt.

Mit Eingabe vom , eingelangt am , reichte die Beschwerdeführerin aktualisierte Heirats- und Geburtsurkunden für ihre beiden Kinder nach. Demnach wurde der bis dahin geführte Doppelname ***XX*** durch ***X*** ersetzt.

In Beantwortung eines Vorhaltes vom legte die Beschwerdeführerin am weitere Kontoauszüge, eine Aufstellung der Aufenthaltszeiten in Spanien, Flugtickets zu den Reisen nach Spanien und weitere Telefonrechnungen vor.

Am beantragte die Beschwerdeführerin über Finanzonline erneut die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre beiden Töchter ab November 2017, da der Beihilfenanspruch bis August 2017 in den offenen Beschwerdeverfahren geprüft werde.

Mit Eingabe vom legte die Beschwerdeführer ergänzend zu diesen Anträgen weitere Kontoauszüge, Handyrechnungen, Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, sowie eine Gewerbeanmeldung vom vor. Damit meldete die Beschwerdeführerin das Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation unter dem Namen "***X*** Consulting" an.

Mit weiterer Eingabe vom wurden Flugbestätigungen zu Besuchen des Ehemannes in Österreich sowie neuerlich die Gewerbeanmeldung und die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung vom vorgelegt.

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidungen vom mit gleichlautenden Begründungen sowohl die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom als auch gegen den Abweisungsbescheid vom ab. Aus näher dargestellten Erwägungen liege der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin nicht in Österreich, sondern in Spanien.

Dagegen richten sich die Vorlageanträge vom .

Ergänzend zu diesen legte die Beschwerdeführerin mit Eingaben vom unter anderem einen Gewerberegisterauszug vor, demzufolge die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation am entstanden ist. Weiters wurde ein Meldeblatt über die Mitversicherung beider Kinder bei der Beschwerdeführerin in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vorgelegt. Schließlich wurden Telefonrechnungen und Kontoauszügen übermittelt und weitere Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen beider Kinder nachgewiesen.

Am hatte das Finanzamt Bescheinigungsersuchen betreffend den Anspruch auf Familienleistungen in Spanien (Formular E 411) und den Familienstand (Formular E 401) für den Zeitraum März 2015 bis laufend an den spanischen Träger versendet. Mit Schreiben vom (eingelangt am ) langten diese Bescheinigungen beim Finanzamt ein.

Zu einem neuerlichen Vorhalt des Finanzamtes vom wurde mit Eingabe vom , eingelangt am , Stellung genommen.

Am verschickte das Finanzamt zwei Auskunftsersuchen an die Staatliche Agentur für Steuerverwaltung in Spanien (betreffend die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten), welche am von dieser retourniert wurden.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im neun Seiten umfassenden Vorlagebericht wurden insbesondere die Ergebnisse der Anfragen an den spanischen Träger vom und an die Steuerverwaltung in Spanien vom dargestellt.

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin gab zu diesem Vorlagebericht in einer Eingabe an das Bundesfinanzgericht vom eine ergänzende Stellungnahme ab.

Nachdem der für die Erledigung der Beschwerde zuständig gewesen Richter des Bundesfinanzgerichtes in den Ruhestand getreten war, wurde aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes in weiterer Folge die Gerichtsabteilung des erkennenden Richters für die Erledigung (unter anderem) der gegenständlichen Beschwerden zuständig, die aufgrund dieses Zuständigkeitswechsels bedauerlicherweise über einen längeren Zeitraum unerledigt geblieben waren.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt samt Beweiswürdigung

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin (geborene ***BF***) und mit einem spanischen Staatsbürger verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die beiden Töchter ***A*** (geb. ***2***) und ***N*** (geb. ***3***), für welche ab April 2015 bzw. ab Jänner 2017 (Einreise der Kinder nach Österreich) Familienbeihilfe begehrt wird. Beide Kinder sind österreichische Staatsbürger.

Die Beschwerdeführerin war bis Juni 2009 in Österreich beschäftigt. Danach ist sie nach eigenen Angaben ihres spanischen Ehemannes wegen, den sie im Jahr 2005 während ihres Erasmus-Jahres in ***10*** kennengelernt hat, nach Madrid übersiedelt und hat dort von 2009 bis 2014 gearbeitet. Anschließend wurde sie schwanger, und übersiedelte nach der Geburt ihrer Tochter ***A*** in Spanien mit dieser nach Österreich. Sie trennte sich vorübergehend von ihrem Mann, versuchte Ende 2015 einen Neuanfang, und wurde im April 2016 neuerlich schwanger. Aufgrund der Unterstützung durch ihre Mutter in Österreich und der Tatsache, dass ihr Ehemann beruflich sehr viel unterwegs war, hat sie entschieden, weiterhin in Österreich zu bleiben, die Geburt ihrer zweiten Tochter ***N*** aber von einem befreundeten Arzt in einer Privatklinik in Barcelona durchführen zu lassen. Sie reiste deswegen nach Spanien und kehrte nach der Geburt dieser Tochter nach Österreich zurück (Angaben der Beschwerdeführerin in den Vorlageanträgen).

Seit ist die Beschwerdeführerin an der Adresse "***BF1-Adr***" mit Hauptwohnsitz gemeldet, wo sie über eine Eigentumswohnung verfügt. Der Hauptwohnsitz ihrer Kinder befindet sich laut Melderegister seit bzw. ebenfalls dort (Abfragen aus dem ZMR).

Die Beschwerdeführerin hat in dem weit über das übliche Ausmaß hinausgehenden Ermittlungsverfahren des Finanzamtes mehr als ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie diese Wohnung dauerhaft mit ihren beiden Kindern auch bewohnt. Dazu wurden unter anderem die Stromrechnungen der Linz AG samt E-Mailantworten derselben vorgelegt, denen zufolge der (gegenüber dem Jahr 2014 markant gestiegene) Stromverbrauch ab 2015 einem Haushalt wie dem von der Beschwerdeführerin mit ihren Kindern geführten entspricht. Ferner wurden eine Fülle von Telefonrechnungen vorgelegt, die eine weitaus überwiegende Nutzung der "Sprachtelefonie national" belegen. Die OÖ Gebietskrankenkasse ging nach mehrfacher Überprüfung von einem Wohnort der Beschwerdeführerin in Österreich aus und gewährte demzufolge die Leistungen nach dem KBGG. Ferner sprechen für den Wohnort in Österreich die zahlreichen nachweislich hier durchgeführten Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen beider Kinder. Es wurden zusätzlich hier vorgenommene freiwillige Impfungen der Kinder nachgewiesen. Die Aufenthaltszeiten in Spanien wurden detailliert dargestellt und durch Buchungsbestätigungen der Flugunternehmen glaubhaft gemacht. Demnach verbrachte die Beschwerdeführerin im Jahr 2015 insgesamt 30 Tage in Spanien, Jahr 2016 46 Tage sowie die Zeit vom bis . Weiters wurden die Besuche des Ehemannes der Beschwerdeführerin in Österreich durch Vorlage entsprechender Flugbestätigungen nachgewiesen. Schließlich hatte die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen im Vorlageantrag namentlich genannten Sachbearbeitern beim Finanzamt angeboten, Unterlagen bei diesen "persönlich abzugeben, wöchentlich vorbeizukommen, Fragen persönlich zu beantworten", um ihre tatsächliche Anwesenheit in Österreich glaubhaft zu machen. Dieses "Angebot" sei vom Finanzamt aber abgelehnt worden. Die Mutter der Beschwerdeführerin, welche diese unterstützt hat, lebt ebenso wie der Bruder der Beschwerdeführerin in Österreich.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist bei der Firma "***9*** S.L." in Spanien beschäftigt. Aus dieser Erwerbstätigkeit erzielte er in den Jahren 2015 bis 2018 Einkünfte iHv. EUR 176.343,33 (2015), EUR 188.177 (2016), EUR 438.617,36 (2017) und EUR 243.970,39 (2018). Im Jahr 2017 vereinnahmte er zusätzlich Einkünfte aus sonstiger Erwerbstätigkeit iHv. EUR 87.000. Außerdem besitzt er in Spanien fünf Immobilien (Auskünfte der Staatlichen Agentur für Steuerverwaltung vom ).

Lt. Auskunft der spanischen Sozialversicherung vom hat die Beschwerdeführerin von bis sowie von bis durchgehend in Spanien gearbeitet (Beilage 2 der Beschwerden vom ).

Der Bescheinigung des spanischen Trägers vom zufolge ging die Beschwerdeführerin von bis einer beruflichen Tätigkeit in Spanien nach (Formular E 411 vom ).

Im Einklang damit stehen die Auskünfte der Staatlichen Agentur für Steuerverwaltung vom , derzufolge die Beschwerdeführerin von 2015 bis 2017 bei ***7*** S.L. in Spanien beschäftigt war. Aus dieser Erwerbstätigkeit und den Bezügen des Ministeriums für Arbeit und Soziale Sicherheit erzielte sie in den Jahren 2015 bis 2017 Einkünfte in Höhe von EUR 41.123,14 (2015), EUR 11.444,27 (2016) und EUR 24.256,99 (2017). Im Jahr 2016 bezog sie zudem Einkünfte aus sonstiger Erwerbstätigkeit iHv. EUR 10.070,13 (Auskünfte vom ).

Der Rechtsvertreter gab zu diesen Einkünften in seiner ergänzenden Stellungnahme vom an, dass die Beschwerdeführerin in Spanien im Jahr 2014 ein Beratungsmandat bei der Firma ***7*** angenommen habe und bei Laufen des Projektes eine prozentuelle finanzielle Beteiligung erstanden habe, aus der sich die Zahlungen in den Jahren 2015 bis 2017 ergeben haben; dies stelle jedoch keine berufliche Tätigkeit dar.

Am meldete die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Linz das Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation mit Standort an ihrer Wohnadresse an (Gewerbeanmeldung vom ). Die Gewerbeberechtigung dieses reglementierten Gewerbes entstand - wie sich aus dem am von der Beschwerdeführerin vorgelegter GISA-Auszug vom ergibt - am .

Da die Beschwerdeführerin im Inland ihren Wohnsitz hat, ist sie gemäß § 1 Abs. 2 EStG in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Das Ende 2017 in Österreich angemeldete Gewerbe wurde in weiterer Folge auch ausgeübt und entsprechende Steuererklärungen wurden eingereicht. Die Beschwerdeführerin wird vom Finanzamt Österreich zur Steuernummer ***8*** veranlagt. Im Hinblick auf die Entstehung der Gewerbeberechtigung erst am ist es nicht ungewöhnlich, wenn Leistungen tatsächlich erst ab 2018 erbracht wurden und Umsätze bzw. Erlöse erst ab 2018 erklärt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Die Verordnung gilt daher für die österreichische Beschwerdeführerin, ihren spanischen Ehemann und die beiden österreichischen Kinder, die in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wohnen.

Die Verordnung gilt in sachlicher Hinsicht unter anderem für Rechtsvorschriften, die Familienleistungen betreffen (Art. 3 der Verordnung).

In Artikel 11 Abs. 1 bis 3 der Verordnung wird zur Bestimmung des anwendbaren Rechts normiert:

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;

c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.

Der Kindesvater unterlag im gegenständlichen Fall aufgrund seiner in Spanien in den Jahren 2015 bis 2017 durchgehend ausgeübten Erwerbstätigkeiten gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a der Verordnung den spanischen Rechtsvorschriften.

Die Beschwerdeführerin übte laut Bescheinigung des spanischen Trägers vom von bis ebenfalls Erwerbstätigkeit in Spanien aus. Gemäß Art. 11 Abs. 2 erster Satz der Verordnung wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich somit, dass eine Person, die aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung bezieht, die ihren Ursprung in der früheren Ausübung einer Beschäftigung hat, für die Zwecke der Bestimmung der auf diese Person anwendbaren Rechtsvorschriften als diese Beschäftigung ausübend anzusehen ist. Dabei ist nicht Voraussetzung, dass die Person in diesem Mitgliedsstaat (noch) eine Beschäftigung ausübt, sondern es genügt, dass sie aufgrund einer früher ausgeübten Tätigkeit eine Geldleistung bezieht (vgl. , Eugen Bogatu; Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Auflage, § 53 Tz 183 f).

Aufgrund der in den Jahren 2015 bis 2017 vom spanischen Arbeitgeber bezogenen Geldleistungen unterlag die Beschwerdeführerin im Zeitraum bis somit hinsichtlich der Rechtsvorschriften, die Familienleistungen betreffen, ebenfalls den spanischen Rechtsvorschriften.

Da in diesem Zeitraum beide Elternteile den spanischen Rechtsvorschriften unterlagen, gelangten weder die österreichischen Rechtsvorschriften noch die Prioritätsregeln des Art. 68 der Verordnung zur Anwendung. In einem solchen Fall ist daher auch nicht zu prüfen, wo sich in diesem Zeitraum der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin im Sinne des (gar nicht zur Anwendung gelangenden) § 2 Abs. 8 FLAG 1967 befunden hat. Abgesehen davon wird diese Bestimmung in allen Fällen, in denen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Anwendung gelangt, stets durch deren Art. 7 über die Aufhebung der Wohnortklauseln verdrängt (). § 2 Abs. 8 FLAG 1967 ist in diesen Fällen daher nie anzuwenden. Für die - allenfalls notwendige - Bestimmung des Wohnmitgliedsstaates sind die in Art. 11 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 festgelegten Kriterien über die Bestimmung des Wohnortes maßgebend.

Der angefochtene Rückforderungsbescheid vom betreffend das Kind ***A*** umfasst den Zeitraum April 2015 bis Mai 2017. Da im Zeitraum bis ausschließlich spanische Rechtsvorschriften anzuwenden waren, bestand im Rückforderungszeitraum kein Beihilfenanspruch nach dem österreichischen FLAG 1967. Für den Monat Mai 2017 wird auf die Bestimmung des Art. 59 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 betreffend Regelungen für den Fall, dass sich die anzuwendenden Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen ändert, hingewiesen. Demzufolge beginnt eine allfällige Leistungspflicht eines neu zuständig werdenden Mitgliedsstaates erst mit Beginn des Folgemonats.

Der sich auf § 26 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 3 EStG stützende Rückforderungsbescheid vom erweist sich damit als rechtmäßig.

Der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind ***N*** wurde mit Bescheid vom für den Zeitraum "ab Jänner 2017" abgewiesen. Hinsichtlich dieses Bescheides ist zunächst zu klären, wie weit der zeitliche Geltungsbereich dieses Bescheides reicht.

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert ( mit Hinweis auf , und ). Mit dem Ende dieser fortdauernden Wirkung des Bescheides wird auch der zeitliche Umfang der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes begrenzt ().

Der angefochtene Bescheid, mit dem der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind ***N*** ab Jänner 2017 abgewiesen worden ist, wurde am erlassen. Sein zeitlicher Geltungsbereich erstreckt sich daher nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls auf den Zeitraum Jänner bis Mai 2017. Im gegenständlichen Fall endet der zeitliche Geltungsbereich aber auch mit Mai 2017, da ab Juni 2017 aufgrund folgender Umstände von einer Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszugehen ist:

Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Spanien aufgrund des Bezuges der oben aufgezeigten Geldleistungen endete laut der Bestätigung des spanischen Trägers am . Ab diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin bis zur Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich (Entstehung der Gewerbeberechtigung zur Unternehmensberatung am ) weder in Spanien noch in Österreich beschäftigt oder erwerbstätig im Sinne des Art. 11 Abs. 3 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, sodass in diesem Zeitraum die Subsidiarbestimmung des Art. 11 Abs. 2 lit. e der Verordnung zur Anwendung gelangt, wonach die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedsstaates unterlag.

Für die Bestimmung des Wohnortes und damit des Wohnmitgliedsstaates sind - wie bereits oben erwähnt - die in Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 erwähnten "Fakten" entscheidend, die einer Gesamtbewertung zu unterziehen sind und den "Mittelpunkt der Interessen dieser Person" ausmachen (insofern weist Art. 11 Abs. 1 dieser Verordnung gewisse Ähnlichkeiten mit § 2 Abs. 8 FLAG 1967 auf). Diese Fakten sind:

a) Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats;

b) die Situation der Person, einschließlich

i) der Art und der spezifischen Merkmale jeglicher ausgeübten Tätigkeit, insbesondere des Ortes, an dem eine solche Tätigkeit in der Regel ausgeübt wird, der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit und der Dauer jedes Arbeitsvertrags,

ii) ihrer familiären Verhältnisse und familiären Bindungen,

iii) der Ausübung einer nicht bezahlten Tätigkeit,

iv) im Falle von Studierenden ihrer Einkommensquelle,

v) ihrer Wohnsituation, insbesondere deren dauerhafter Charakter,

vi) des Mitgliedstaats, der als der steuerliche Wohnsitz der Person gilt.

Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über eine Eigentumswohnung in ***BF1-Adr***, an der sie mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, und die sie seit 2015 auch dauerhaft mit beiden ebenfalls dort gemeldeten Kindern bewohnt. Ihre Mutter, die sie unterstützt, wohnen ebenso wie ihr Bruder in Österreich. Die von der Beschwerdeführerin näher dargestellten und durch Vorlage der Flugbestätigungen nachgewiesenen Aufenthalte in Spanien sind hinsichtlich ihrer Dauer und Kontinuität von völlig untergeordneter Bedeutung. Der Ehegatte hat die Beschwerdeführerin und die Kinder wiederholt in Österreich besucht. Da die Beschwerdeführerin im Inland ihren Wohnsitz hat, ist sie gemäß § 1 Abs. 2 EStG in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Das Ende 2017 in Österreich angemeldete Gewerbe wurde in weiterer Folge auch ausgeübt und entsprechende Steuererklärungen eingereicht. Die Beschwerdeführerin wird vom Finanzamt Österreich zur Steuernummer ***8*** veranlagt. Im Hinblick auf die Entstehung der Gewerbeberechtigung erst am ist es nicht ungewöhnlich, wenn Leistungen tatsächlich erst ab 2018 erbracht wurden.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnort im Sinne ihres gewöhnlichen Aufenthaltes gemäß Art. 1 lit. j der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 daher seit 2015 in Österreich. Wohnmitgliedsstaat ist damit Österreich, die subsidiäre Bestimmung des Art. 11 Abs. 3 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelangt aber erst ab Beendigung der Erwerbstätigkeit in Spanien zur Anwendung. Erst ab diesem Zeitpunkt unterliegt die Beschwerdeführerin den österreichischen Rechtsvorschriften. Gleichzeitig liegt damit aber auch eine entscheidungswesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage vor, die zu einem Ende des zeitlichen Geltungsbereiches des angefochtenen Abweisungsbescheides mit Mai 2017 führt. Der Zeitpunkt der Bescheiderlassung und das Ende des zeitlichen Geltungsbereiches fallen damit im gegenständlichen Fall zusammen. Im Ergebnis erstreckt sich somit der zeitliche Geltungsbereich des Abweisungsbescheides vom auf die Monate Jänner bis Mai 2017. Aufgrund der bis in Spanien ausgeübten Erwerbstätigkeit (Bezug von Geldleistungen) erweist sich unter Bedachtnahme auf die bereits zitierte Bestimmung des Art. 59 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 der angefochtene Bescheid als rechtmäßig und war damit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Art. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 1 lit. j VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 Abs. 3 lit. e VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100431.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at