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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.07.2021, RV/7101696/2021

Abänderung eines Einkommensteuerbescheides trotz bereits eingetretener Festsetzungsverjährung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheid des Finanzamtes Österreich Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im streitgegenständlichen Zeitraum war die Bf. neben der Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem auch an der Mitunternehmerschaft ***1*** beteiligt.

Die Bf. wurde zunächst mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 2012 veranlagt, wobei dieser - ob Feststellung von Einkünften betreffend eine weitere Beteiligung an einer anderen Mitunternehmerschaft - wiederum mit Bescheid vom gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert wurde.

In Ansehung der Tatsache, dass das betragsmäßige Ausmaß der Beteiligung der Bf. an der Mitunternehmerschaft ***1*** eine feststellungsmäßige Veränderung erfahren hat, wurde der mit datierte Einkommensteuerbescheid 2012 mit Bescheid vom gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert.

Mit der Begründung, dass auf Grund einer Feststellung vom das Ausmaß der Beteiligung der Bf. an der Mitunternehmerschaft ***1*** wiederum eine Änderung erfahren hat, wurde der Einkommensteuerbescheid 2012 vom mit Bescheid vom gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert.

In der am erhobenen Beschwerde wurde seitens der steuerlichen Vertretung der Bf. mit der Begründung, dass den Bestimmungen der §§ 207 ff BAO zufolge für die Einkommensteuer 2012 am Festsetzungsverjährung eingetreten sei, die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde das Rechtsmittel der Bf. mit nachstehender Begründung abgewiesen:

"Sie sind der der Mitunternehmerschaft ***1*** beteiligt. In den Jahren 2013 ,2014 und 2015 wurden Einkommensteuerbescheide 2012 erlassen. Die Verjährungsfrist wurde daher bis zum verlängert.

Am wurde bei der Mitunternehmerschaft ***1*** eine Außenprüfung begonnen. Im Jänner 2019 wurden von der Außenprüfung die ersten Unterlagen zur Prüfung angefordert. Nach Überprüfung dieser Unterlagen wurden noch div. Unterlagen im April und Juni 2020 angefordert.

Abgabenbehördliche Prüfungen, deren Gegenstand Feststellungsverfahren (Feststellungsbescheide) sind, verlängern die Verjährungsfrist der von den Feststellungsbescheiden jeweils abgeleiteten Abgaben ()."

Im mit datierten Vorlageantrag führte der steuerliche Vertreter der Bf. ins Treffen, dass die Mitunternehmerschaft ***1*** gegen zur Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2012 führenden Feststellungsbescheid Beschwerde erhoben habe, wobei als Ausgang nämliche Verfahrens eine Aufhebung desselben zu erwarten sei und sich diese Gestion wiederum auf den Einkommensteuerbescheid 2012 "durchschlage."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

In der Folge legt das BFG nachstehenden, auf der Aktenlage und auf den Ergebnissen verwaltungsgerichtlicher Erhebungen basierenden Sachverhalt zu Grunde:

Die am erfolgte Abänderung des mit datierten Einkommensteuerbescheides 2012 wurde seitens der belangten Behörde mit - den als Ergebnis einer Außenprüfung bei der Mitunternehmerschaft ***1*** - vermittels Bescheid vom getroffenen Feststellungen begründet.

Auf Anfrage des Richters übermittelte das Prüfungsorgan dem BFG den unter anderem die Feststellungen für das Jahr 2012 umfassenden, den Prüfungsbeginn , 09:05 Uhr ausweisenden Prüfungsauftrag.

Zu den getätigten Prüfungshandlungen der Jahre 2019 und 2020 führte der Prüfer mit Email vom wortwörtlich nachstehendes aus:

"Im Jänner 2019 wurden die zur Prüfung notwendigen Unterlagen telefonisch (leider ohne schriftliche Aufzeichnung) bei Frau ***2*** in Wien angefordert und mit Frau ***3*** wurde vereinbart, dass die Unterlagen im ersten Halbjahr 2019 übermittelt werden.

Diese Unterlagen wurden von Frau ***3*** per Email am übermittelt.

Weitere Prüfungshandlungen haben erst im Kj. 2020 stattgefunden."

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die Textierung - der dem BFG ebenfalls übermittelten - Email vom jeglichen Bezug zur telefonischen Unterlagenanforderung vermissen lässt.

2. Streitpunkte

In Streit steht, ob einerseits der gemäß § 295 Abs.1 BAO erfolgten Abänderung des Bescheids betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2012 das Rechtsinstitut der Verjährung entgegensteht, andererseits ob - eventualiter - aus dem abgabenbehördlichen "Nichtzuwarten" auf die Rechtskraft des angefochtenen Feststellungsbescheides 2012 eine Rechtswidrigkeit der Abänderung des in Beschwerde gezogenen abgeleiteten Bescheides zu folgern ist.

2.1. Rechtliche Würdigung des Einwands der bereits eingetretenen Verjährung

2.1.1. Rechtsgrundlagen

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 207 ff BAO der Verjährung. Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist für eine Abgabenfestsetzung "bei allen übrigen Abgaben", sohin auch die beschwerdegegenständliche, fünf Jahre.

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO verlängern nach außen erkennbare, zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, Amtshandlungen die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

2.1.2. Rechtmäßigkeit der Abänderung der Einkommensteuer 2012

Unter Zugrundelegung der 5-jährigen Frist des § 207 Abs. 2 Satz 1 BAO gelangt das BFG - aus nachstehenden Gründen - zur Überzeugung, dass der auf Grundlage des § 295 Abs. 1 BAO der am erfolgten Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2012 das Rechtsinstitut der Festsetzungsverjährung entgegensteht.

Die Erlassung des Einkommensteuerbescheides für 2012 am verlängerte die Verjährungsfrist für 2012 demgemäß bis zum .

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlängern abgabenbehördliche Prüfungen, deren Gegenstand Feststellungsverfahren (Feststellungsbescheide) sind, die Verjährungsfrist der von den Feststellungsbescheiden jeweils abgeleiteten Abgaben (; 98/15/0056).

Dies gilt auch für auf Erlassung solcher Feststellungsbescheide gerichtete Amtshandlungen, wie z. B. Vorhalte () oder Außenprüfungen (Ritz, BAO 4, § 209 Tz 9 mit Verweis auf , 0060, 0061).

Im Jahr 2018 erging am der Prüfungsauftrag betreffend die Mitunternehmerschaft ***1*** mit Prüfungsgegenstand der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, gefolgt von entsprechenden Prüfungshandlungen. Diese nach außen gerichtete Amtshandlung verlängerte sohin den Eintritt der Verjährung für die Einkommensteuer 2012 bis zum .

Betreffend die Qualifikation der im Jänner 2019 mündlich erfolgten Anforderung der Unterlagen als eine die Verlängerung der Verjährung bis zum bewirkende Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches verbleibt seitens des Verwaltungsgerichtes unter Bezugnahme auf das verfahrensrechtliche Schrifttum (Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021), § 209 Rz 3) festzuhalten, dass die bloße Tatsache eines Telefongesprächs und ein Schriftsatz des Abgabepflichtigen (sprich der geprüften Mitunternehmerschaft), der sich auf das Telefongespräch bezieht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verlängerungshandlung darstellt ().

In Ansehung vorstehender Ausführungen und der Tatsache, dass - im Gegensatz zum dem auf dem höchstgerichtlichen Prüfstand stehenden Sachverhalt - das im Zuge der am Unterlagenübermittlung verfasste Email evidenter Maßen nicht einmal Bezug auf den telefonischen Vorhalt des Prüfers nimmt, gelangt das BFG zur Überzeugung, dass die Gestion des Prüfungsorganes - im Bezug auf die Festsetzung der Einkommensteuer 2012 - nicht als eine die Verlängerung der Verjährung bis zum bewirkende Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches zu qualifizieren ist.

Korrespondierend damit stand der am auf Basis des § 295 Abs. 1 BAO verfügten Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2012 das Rechtsinstitut der Verjährung entgegen, und es war daher - ohne weitere Auseinandersetzung mit dem im Vorlageantrag gestellten Eventualbegehren - wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da die Feststellung der einer Abänderung "entgegenstehender Verjährung" einerseits auf den Normen der BAO fußt, andererseits mit der im Erkenntnis dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes korreliert.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101696.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at