Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.07.2021, RV/7103126/2012

großes oder kleines Pendlerpauschale

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) reichte am die Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2011 ein und beantragte für den Weg zur Arbeitsstelle das große Pendlerpauschale.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid und berücksichtigte nur das kleine Pendlerpauschale. In der Begründung wurde ausgeführt, dass für die Wegstrecke nach Wien die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. am Beschwerde gemäß § 243 BAO ein und führte darin aus, dass bei der Erstellung des Bescheides dem Finanzamt ein Fehler unterlaufen sei. Sie arbeite nicht in Wien sondern in Eisenstadt. Der Arbeitsweg nach Eisenstadt sei unzumutbar. Ihr Arbeitsbeginn sei um 7:00 Uhr in der Früh. Um diese Zeit würden keine öffentlichen Verkehrsmittel von Wr. Neustadt nach Eisenstadt verkehren mit denen sie pünktlich an ihrer Arbeitsstelle erscheinen könnte. Sie ersuchte um Berichtigung des Bescheides.

Am erließ das Finanzamt eine Berufungsvorentscheidung und berechnete nach den Angaben der Bf. das Pendlerpauschale neu. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar ist. Es wurde das kleine Pendlerpauschale ab 20 km berücksichtigt.

Am brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein. Sie führte aus, dass sie nach der ersten Veranlagung 522 € Gutschrift erhalten habe, und in der Begründung ausgeführt wurde, dass die Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrer Arbeitsstelle zumutbar sei. Die Bf. gibt an, dass dies nicht zutreffe und sie deshalb gegen den Bescheid Beschwerde erhoben habe. Laut der Beschwerdevorentscheidung müsse sie nun 241 € zurückzahlen, da laut Finanzamt die Fahrtzeit mit öfentlichen Verkehrsmittel von Wiener Neustadt nach Eisenstadt zumutbar sei. Die Bf. führt weiter aus, dass sie mit einem Mitarbeiter des Finanzamtes ein Gespräch hatte, welche ihr nochmals die, der Entscheidung zugrunde gelegte, Fahrtzeit vorgerechnet habe. Die Bf. ist jedoch der Meinung, dass diese Berechnung nicht stimme und wies nochmals darauf hin, dass Sie bereits um 7:00 Uhr in der Früh zu arbeiten beginne und sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht rechtzeitig ihre Arbeitsstelle erreichen würde. Weiters führte die Bf. folgende Fahrtmöglichkeiten aus:

05:36 - 05:53 von der Wohnort zum Hauptbahnhof Wiener Neustadt

06:08 - 07:07 Hauptbahnhof Wiener Neustadt nach Eisenstadt

Danach wäre noch ein Fußmarsch von 30 - 35 Minuten zum Dienstort erforderlich. Sie würde somit immer zu spät in der Arbeit erscheinen. Weites wies die Bf. darauf hin, dass sie länger als 90 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren würde.

Sie habe für das Jahr 2012 bei ihrem Dienstgeber das Pendlerpauschale beantragt und würde 58 € monatlich erhalten. Sie sehe die Entscheidung des Finanzamtes nicht ein, die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmittel sei unzumutbar. Die Bf. bat um nochmalige Bearbeitung ihres Aktes und ersuchte um Richtigstellung des Pendlerpauschales.

Das Finanzamt ersuchte um Vorlage einer Bestätigung des Arbeitsgebers, in der dieser den Beginn und das Ende der Arbeitszeit bestätigt.

Am langte diese Bestätigung beim Finanzamt ein. Die Bf. ist von Montag bis Samstag von 7:00 bis 18:00 im Turnusdienst am Arbeitsstelle beschäftigt. Die Wochenarbeitszeit beträgt 40 Stunden.

Im Zuge der Bearbeitung der Berufung wurden Erhebungen betreffend die Fahrtzeit durchgeführt bzw die im Akt des Finanzamtes enthaltenen Fahrplanausdrucke ausgewertet:

Hinfahrt von Wiener Neustadt Busbahnhof/Hauptbahnhof nach Eisenstadt Domplatz:


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Fahrt laut Fahrplan
Dauer in Minuten
5:35 - 6:15
40
5:43 - 6:39
56
5:48 - 6:40
52

Für die Rückfahrt nach Dienstende um 18:00 von Eisenstadt Merkur Markt nach Wiener Neustadt Busbahnhof/Hauptbahnhof bestanden laut der Fahrpanauskunft der App "A nach B.at", welche sich im Akt des Finanzamtes befand, folgende Verbindung:


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Fahrt laut Fahrplan
Dauer in Minuten
18:14-19:27
73
18:23-19:53
90

Die Wegstrecke vom Dienstort bis zur Buseinstiegstelle beim Merkur Markt beträgt laut der Fahrpanauskunft der App "A nach B.at" 520 m und kann in 8 Minuten zurückgelegt werden.

Für eine optimale Kombination Individualverkehr - öffentliche Verkehrsmittel wurde auch die Fahrtzeit von der Wohnung bis zum Hauptbahnhof in Wiener Neustadt erhoben. Laut ÖAMTC Routenplaner beträgt die Fahrtzeit für die 2,7 km lange Strecke 7 Minuten.

Die Wegstrecke vom Domplatz in Eisenstadt bis zum Dienstort (1,7 km) kann laut Google maps in 20 Minuten zurückgelegt werden.

Weiters wurde die Fahrtzeit bei Verwendung des KFZ für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Laut ÖAMTC Routenplaner beträgt die Fahrtzeit für die 29,6 km lange Strecke 27 Minuten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Uneinigkeit besteht im konkreten Fall allein darüber, ob das sogenannte große Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 oder das kleine Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 zusteht.

Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen und der Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes wird der Entscheidung folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Die Bf. hatte im Jahr 2011 ihren Wohnsitz in Wiener Neustadt, ihre Arbeitsstätte befand sich in Eisenstadt. Sie legte somit eine tägliche Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von rund 30 km zurück. Die Bf. ist von Montag bis Samstag von 7:00 bis 18:00 im Turnusdienst beschäftigt.

Im Beschwerdefall ergeben sich nach den Feststellungen der belangten Behörde folgende Fahrtmöglichkeiten:

a) Laut dem ÖAMTC-Routenplaner zufolge beträgt die Wegstrecke Wohnung - Dienstort 29,6 km und kann mit einem PKW in einer Fahrtdauer von 27 Minuten zurückgelegt werden.

b) Im Zuge der Bearbeitung der Beschwerde wurden die im Akt des Finanzamtes enthaltenen Fahrplanauskünfte nochmals überprüft und zusätzliche Erhebungen durchgeführt (siehe oben). Es ergibt sich folgendes Bild (bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel) unter Berücksichtigung von Wartezeiten und Fußwegen:

Hinfahrt:


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Auto Wohnung - Bahnhof Wiener Neustadt (lt. ÖAMTC-Routenplaner)
2,7 km
7 min
Fußweg und Wartezeit
5 min
Öffentliche Verkehrsmittel (wie oben ausgeführt BUS vom Bahnhof Wiener Neustadt bis Eisenstadt Domplatz) 5:48 - 6:40 (Dienstbeginn lt. Bf. ist um 7:00)
52 min
Fußweg von Eisenstadt Domplatz bis zum Dienstort
20 min
gesamt
84 Minuten

Rückfahrt:


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Dienstende 18:00 Uhr
6 min
Fußweg von Dienstort zur Buseinstiegstelle Eisenstadt Merkur Markt
8 min
Eisenstadt Merkur Markt bis Mattersburg Berufsschule 18:14 - 18:25
11 min
Wartezeit
36 min
Mattersburg Berufsschule bis Mattersburg Bahnhof 19:01 - 19:02
1 min
Wartezeit
11 min
Mattersburg Bahnhof nach Hauptbahnhof Wiener Neustadt 19:13 - 19:27
14 min
Fußweg
3 min
Auto Bahnhof Wiener Neustadt - Wohnung (lt. ÖAMTC-Routenplaner)
2,7 km
7 min
gesamt
97 Minuten

Rechtliche Beurteilung

§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 ist erstmalig bei der Veranlagung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden.

Als Grundregel gilt nach lit. a, dass die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten sind.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, stehen - gestaffelt nach der Entfernung - zusätzliche Pauschbeträge zu - kleines Pendlerpauschale (lit. b):

20 km bis 40 km 696 Euro jährlich
40 km bis 60 km 1.356 Euro jährlich
über 60 km 2.016 Euro jährlich

Beträgt die einfache Fahrtstrecke mehr als 2 km und ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, stehen anstelle der Pauschbeträge nach lit. b - wiederum gestaffelt nach der Entfernung - höhere Pauschbeträge zu - großes Pendlerpauschale (lit. c):

2 km bis 20 km 372 Euro jährlich
20 km bis 40 km 1.476 Euro jährlich
40 km bis 60 km 2.568 Euro jährlich
über 60 km 3.672 Euro jährlich

Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach der geltenden Verwaltungspraxis für den Streitzeitraum wird folgende Auslegung vertreten:

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt.

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt.

Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten, aber nicht mehr als 2,5 Stunden, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.

Wie oben bereits ausgeführt wurde die Fahrtzeit mit dem PKW (27 Minuten) für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Die dreifache Fahrtdauer würde 81 Minuten betragen.

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - im öffentlichen Interesse - nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden ().

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XVII. GP, 75) ist die Zumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln auf Grund der Fahrzeiten zu prüfen: Unzumutbar seien im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km sei die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Eine Gesamtwegzeit (in einer Richtung) von eineinhalb Stunden wird aber nicht nur im Nahbereich, sondern allgemein als zumutbar anzusehen sein (-I/12).

Unzumutbarkeit liegt beispielsweise bei tatsächlicher Unmöglichkeit vor, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit (Nachtarbeit) verkehrt. Unzumutbarkeit liegt auch wegen langer Anfahrtszeit vor. Wird bei einer einfachen Wegstrecke ab 40 km eine Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten ist die Unzumutbarkeit gegeben. Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt aber auch dann vor, wenn die Fahrt zur Arbeitsstätte und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als drei Mal so lange dauert wie mit dem privaten Pkw.

Nach steht der Umstand, dass ein Teil der Gesamtwegstrecke nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden und die Benützung eines Individualverkehrsmittels deshalb unerlässlich ist, der Annahme der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel so lange nicht entgegen, als der Anfahrtsweg bis zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrsmittels zuzüglich sonstiger erforderlicher Gehwege bei ansonsten aber gegebener Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz weniger als die Hälfte der Gesamtwegstrecke beträgt. Bei Ermittlung der Gesamtwegzeit ist vom schnellsten verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel auszugehen und eine optimale Kombination von Massen- und Individualverkehrsmittel zu unterstellen ("park and ride"; ; - W/08).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom , 2011/15/0132 auf das Erkenntnis , verwiesen. Darin führt der Verwaltungsgerichtshof zur Zumutbarkeit der Verwendung von öffentlichen Verkehrsmitteln für den täglichen Arbeitsweg aus:

"Eine nähere ausdrückliche Bestimmung, was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG zu verstehen ist, ist dem Gesetz - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - nicht zu entnehmen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0053).

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0001, und vom , 2007/15/0053).

Der Begriff der Unzumutbarkeit in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 handelt dabei - entgegen der offenbaren Annahme der belangten Behörde und der Mitbeteiligten - nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns an sich, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0132).

Dies setzt allerdings grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr voraus.

Die im angefochtenen Bescheid zitierte Spruchpraxis der belangten Behörde, die ab Erreichen einer gewissen Fahrzeitdauer eine absolute Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich mit dem Individualverkehr vornimmt, entspricht damit nicht dem Gesetz. Sie würde dazu führen, dass beispielsweise auf Strecken mit sehr gut ausgebauten Eisenbahnschnellverbindungen die Benützung eines Massenbeförderungsmittels "unzumutbar" wäre, selbst wenn dieses schneller als der Individualverkehr wäre.

Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG herangezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Die Erl RV zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:

"'Unzumutbar' sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten jedenfalls für zumutbar halten. Diese Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.

Im Beschwerdefall ergibt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde an vier von fünf Arbeitstagen der Mitbeteiligten nur eine Differenz der Gesamtfahrtdauer zwischen Massenbeförderungsmittel (3 Stunden 25 oder 22 Minuten) und Individualverkehr (3 Stunden) von 25 oder 22 Minuten. Damit beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel, wie das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht herausstreicht, lediglich das 1,2fache der Wegzeit mit dem Kfz.

Gerade in solchen Fällen geringfügiger Differenz der Fahrzeiten ist nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und seiner vorrangigen Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr der Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs zumutbar. Die Mitbeteiligte räumt im Übrigen auch ein, dass sie tatsächlich nicht mit dem Pkw, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Dass ein tägliches Pendeln von rund 3 Stunden sowohl mit dem Pkw als auch mit dem Massenbeförderungsmittel an sich belastend ist, ist unzweifelhaft. Insoweit finden auch in anderen Rechtsbereichen - wie etwa in dem von der Mitbeteiligten vorgebrachten Arbeitslosenversicherungsrecht oder bei der Berücksichtigung von Aufwendungen berufsbedingter doppelter Haushaltsführung - andere Unzumutbarkeitsbegriffe Anwendung. Nimmt ein Arbeitnehmer das Pendeln dennoch in Kauf, ist allerdings gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zur Bestimmung des zumutbaren Verkehrsmittels ein Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr notwendig.

Indem die belangte Behörde ohne das Anstellen eines solchen Vergleichs allein aufgrund einer absoluten Gesamtfahrzeit von über 3 Stunden schon von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln ausgegangen ist und bereits deshalb eine Relevanz der neu hervorgekommenen öffentlichen Anreisemöglichkeiten ausgeschlossen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr ausschlaggebend ist und eine Fahrzeit von 90 Minuten für die einfache Strecke unter Zugrundelegung einer Kombination von Massenbeförderungsmitteln und PKW jedenfalls zumutbar ist. Die Heranziehung von Unzumutbarkeitsbegriffen aus anderen Rechtsbereichen wie zB dem Arbeitslosenversicherungsrecht hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, ist bei Ermittlung der Wegzeit immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG [Stand ], § 16 Anm 81).

Bei Feststellung der für die Zumutbarkeit maßgeblichen Fahrtdauer mit Massenbeförderungsmitteln ist im gegenständlichen Fall von den vom Bundesfinanzgericht ermittelten Verkehrsverbindung auszugehen. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Bf. Wartenzeiten nach der Ankunft- und vor der Abfahrtszeit des öffentlichen Verkehrsmittels hat und sich der Dienstort nicht im Nahbereich von 25 km des Wohnortes befindet.

Wie oben bereits dargestellt ergibt sich bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel für die Hinfahrt eine Fahrtzeit von 84 Minuten und für die Rückfahrt eine Fahrtzeit von 97 Minuten. Dies ist somit eine Gesamtfahrtzeit pro Tag von 181 Minuten (3 Stunden 1 Minute).

Die Fahrtzeit für die Strecke Wohnung - Dienstort mit dem PKW beträgt, wie bereits ausgeführt, laut ÖAMTC Routenplaner 27 Minuten, somit pro Tag 54 Minuten.

Die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel beträgt somit das 3,35 fache der Wegzeit mit dem PKW.

Nach den obigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes ("Unzumutbar" sind im Vergleich zu einem KFZ jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrtzeiten) steht somit das große Pendlerpauschale zu.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Es wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die Beurteilung der Frage, in welchem Umfang das Pendlerpauschale zusteht, erfolgte im Einklang mit der in der Entscheidung dargestellten Judikatur.

Wien, am

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