Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.06.2021, RV/3100775/2019

Doppelte Haushaltsführung: Pflegebedürftiger Angehöriger; befristetes Dienstverhältnis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, Deutschland, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr: FA Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 sowie vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 bis 2017, Steuernummer Bf_StNr zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2015, 2016 und 2017 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

I.1. Am reichte der Beschwerdeführer (Bf) Einkommensteuererklärungen (Anträge auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2013 bis 2017 ein und machte darin Werbungskosten für Familienheimfahrten (€ 648,00 pro Jahr) und doppelte Haushaltsführung (€ 5.500,00 für das Jahr 2013, je € 6.000,00 für die Jahre 2014 - 2017) geltend.

I.2. In Beantwortung eines entsprechenden Ergänzungsersuchens des Finanzamtes legte der Bf eine Aufstellung der geltend gemachten Werbungskosten, laut welcher neben den Kosten für die doppelte Haushaltsführung nunmehr Kosten für 40 Familienheimfahrten pro Jahr geltend gemacht wurden, sowie eine Meldebescheinigung der Gemeinde P_D, die Rechnung einer Kfz-Reparaturwerkstätte, den Mietvertrag betreffend die Wohnung in I_Ö vom samt Nachweis eines Dauerauftrages zugunsten der Vermieterin und das Attest des Hausarztes betreffend die Demenzerkrankung des pflegebedürftigen Vaters vor.

In einem Begleitschreiben gab der Bf an, dass ihm iZm den Kosten für die Familienheimfahrten insofern ein Fehler unterlaufen sei, als er nur die Kosten für eine Fahrt pro Monat anstelle einer Fahrt pro Woche geltend gemacht habe. Diese Kosten für Familienheimfahrten habe er deshalb geändert. In seinem Heimatort P_D unterhalte er einen eigenen Haushalt. Die Entfernung zwischen P_D und I_Ö betrage 170 Kilometer; er nutze für die Familienheimfahrten seinen PKW.

Zur doppelten Haushaltsführung sei zu sagen, dass er zu seinen Eltern ein sehr enges Verhältnis habe. Der Vater habe seit langer Zeit an Demenz gelitten, weshalb es in den letzten fünf Jahren nötig gewesen sei, die Familie in P_D wöchentlich zu unterstützen. Der Vater sei am verstorben; die Betreuung des Vaters sei der einzige Grund der ausnahmslosen Heimfahrten an jedem Wochenende gewesen.

I.3. Am (betr. das Jahr 2013) bzw. am ergingen die Einkommensteuerbescheide, in welchen die geltend gemachten Werbungskosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt wurden. Begründend wurde ausgeführt, die Demenzerkrankung des Vaters bedürfe täglicher Pflege, welche nachweislich nicht vom Bf getragen worden sei. Die wöchentlichen Heimfahrten seien daher als Besuche bei den Eltern und somit als gem. § 20 EStG privat veranlasst zu werten.

I.4. In der am eingebrachten Beschwerde wurde vorgebracht, dass es richtig sei, dass eine tägliche Pflege des Vaters nötig gewesen sei. Aufgrund des hohen Pflegeaufwandes sei es notwendig gewesen, die Mutter wenigstens an den Wochenenden und während des Urlaubs zu entlasten. Außerdem sei der Bf als gesetzlicher Vertreter und eingesetzter Betreuer seines Vaters für Behörden-, Bank- und ähnliche Angelegenheiten verantwortlich gewesen.

Mit Schreiben vom ergänzte der Bf seine Beschwerde dahingehend, dass er die Berücksichtigung von Anspruchszinsen beantragte.

I.5. Am (betr. das Jahr 2013) bzw. am (2014 bis 2017) ergingen die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen; soweit der Spruch der Beschwerdevorentscheidung 2015 dahingehend lautet, der Bescheid vom werde geändert, so lässt sich diese Änderung dem Bescheidinhalt nicht entnehmen. In den gesonderten Bescheidbegründungen zu den Beschwerdevorentscheidungen wurde unter Berufung auf den Begriff des "ständigen Pflegebedarfs" iSd Bundespflegegeldgesetzes das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung der Werbungskosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung in Abrede gestellt.

I.6. Im Vorlageantrag vom wurde zunächst beanstandet, dass der Einkommensteuerbescheid 2015 (Anm.: laut Spruch) geändert, eine solche Änderung aber nicht ersichtlich und die im Bescheid erwähnte Begründung bis dato ausständig sei.

Im Weiteren stellte der Bf erneut die Umstände rund um die Demenzerkrankung seines Vaters und seine eigene Stellung als dessen gesetzlicher Vertreter dar, die seiner Ansicht nach die Unzumutbarkeit der Verlegung seines Hauptwohnsitzes begründeten.

II. Sachverhalt

II.1. Der Bf war seit in I_Ö bei der F GmbH als Studioleiter im Rahmen eines befristeten Dienstverhältnisses nichtselbständig beschäftigt. Die Befristung stellte sich so dar, dass das Dienstverhältnis im Anschluss an eine zunächst dreimonatige Probezeit mit zwölf Monaten befristet wurde. Nach Ablauf der Befristung erfolgte während des Beschwerdezeitraumes jeweils wiederum eine Verlängerung um weitere zwölf Monate. Das Dienstverhältnis wurde mit beendet.

II.2. Mit Überlassungsvertrag vom übertrug seine Mutter dem Bf und dessen Schwester zu gleichen Teilen das Eigentum an der Liegenschaft Bf_Adr, unter Vorbehalt des Wohnungsrechtes in der abgeschlossenen Wohnung im Erdgeschoß. An dieser Adresse befand - und befindet sich nach wie vor - der Hauptwohnsitz des Bf. Ab dem Zeitpunkt der Übergabe oblag es dem Bf und seiner Schwester, die Liegenschaft zu erhalten und sämtliche in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten zu tragen.

Der Bf war vom bis zum in I_Ö mit Nebenwohnsitz polizeilich gemeldet. Er benützte in dieser Zeit eine 30 m2 große Mietwohnung.

II.3. Im März 2015 wurde beim Vater des Bf eine rasch progrediente Alzheimerdemenz diagnostiziert. Infolge dieser Erkrankung benötigte der Vater intensive Pflege, welche ausschließlich durch dessen Ehegattin, die Mutter des Bf, sowie den Bf selbst geleistet wurde. Die Schwester hielt sich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit für einen Anbieter von Cluburlauben in den Beschwerdejahren hauptsächlich im Ausland auf. Die Inanspruchnahme von Pflegediensten scheiterte daran, dass der Vater nicht bereit war, Betreuung durch Fremde anzunehmen.

Der Bf begab sich daher im Beschwerdezeitraum zur Unterstützung seiner Mutter bei der Pflege des Vaters an den Wochenenden und während seiner Urlaube regelmäßig an den Familienwohnsitz in P_D. Die Familienheimfahrten erfolgten während des gesamten Beschwerdezeitraumes wöchentlich, wobei nicht festgestellt werden konnte, dass bereits in den Beschwerdejahren 2013 und 2014 ein so hoher Pflegebedarf bestand, dass eine wöchentliche Familienheimfahrt stattfinden musste.

Nachdem der Vater vermögenslos war und die Mutter über das gemeinsame Bankkonto verfügen konnte, wurden die Belange des Vaters vom Bf formlos wahrgenommen. Erst im Dezember 2017 wurde der Bf, nachdem die Unterbringung des Vaters in einer geschlossenen Einrichtung (vorübergehend) notwendig geworden war, als Betreuer seines Vaters nach dem (deutschen) Betreuungsgesetz eingesetzt.

III. Beweiswürdigung

Der dargelegte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt und dem vom Bundesfinanzgericht geführten Ermittlungsverfahren. Er ist überdies das Ergebnis der im Folgenden dargestellten Beweiswürdigung.

III.1. Zunächst ist anzumerken, dass der - unvertretene - Bf ein befristetes Dienstverhältnis als Grund für eine Unzumutbarkeit der Verlegung seines Familienwohnsitzes von sich aus nicht geltend gemacht hat. Das Bundesfinanzgericht hat aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses des Bf mit der F GmbH zum dem Bf im Vorhalt vom die Frage gestellt, ob es sich um ein befristetes oder unbefristetes Dienstverhältnis gehandelt habe.

Der Bf gab daraufhin mit Schreiben vom an, dass mit dem österreichischen Arbeitgeber F GmbH ein befristeter Dienstvertrag geschlossen worden sei. Zum Nachweis legte der Bf eine Bestätigung des Geschäftsführers der GmbH vom vor, da er den Dienstvertrag nicht mehr habe.

Dieser Bestätigung zufolge enthielt der Dienstvertrag eine Probezeit von 3 Monaten, welche danach in eine Befristung um weitere 12 Monate übergegangen sei. Nach dieser Befristung habe es sowohl die Möglichkeit einer Beendigung des Dienstverhältnisses als auch die Möglichkeit einer weiteren Befristung für die jeweils nächsten 12 Monate gegeben. Es habe sich tatsächlich jeweils um ein befristetes Dienstverhältnis gehandelt. Der Bf sei seit der Eröffnung des A_Studios (Anm.: Name des Fitnessstudios, in welchem der Bf tätig war) der mit Abstand am längsten tätige Studioleiter gewesen.

Dem Finanzamt wurden Vorhalt und Vorhaltsbeantwortung samt Beilagen im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Das Finanzamt hat sich in seiner Stellungnahme vom zu den Angaben des Bf betreffend die Befristung seines Dienstverhältnisses bzw. der Bestätigung des Geschäftsführers nicht geäußert.

Aufgrund der Angaben des Bf in seinen Schreiben vom und sowie der Bestätigung des Geschäftsführers der F GmbH ist als glaubhaft anzusehen, dass der Bf im Beschwerdezeitraum im Rahmen eines befristeten Dienstverhältnisses beschäftigt war, mit dessen Beendigung durch Zeitablauf er jährlich rechnen musste.

III.2. Insgesamt glaubhaft ist auch, dass der Bf gemeinsam mit seiner Mutter den demenzkranken Vater gepflegt hat. Dass die Diagnose der Demenzerkrankung erst im März 2015 erfolgt ist, schließt nicht aus, dass bereits vor diesem Zeitpunkt ein Pflegebedarf in einem Umfang bestanden hat, der eine zumindest zeitweise Entlastung und Unterstützung der Mutter durch den Bf notwendig machte.

Es stimmt grundsätzlich, dass infolge des progredienten Verlaufs einer Demenzerkrankung Symptome für gewöhnlich schon geraume Zeit vor der eigentlichen Diagnose auftreten. Liegt jedoch wie beschwerdegegenständlich der Fall eines rasch progredienten Verlaufs vor, kann nicht ohne weitere Nachweise angenommen werden, dass der Zustand des Vaters, sei es infolge der Demenzerkrankung oder anderer Beschwerden, bereits ab Februar 2013 so schlecht war, dass der Bf an jedem Wochenende zur Unterstützung der Mutter nach P_D fahren musste: Die Diagnose "rasch progrediente Alzheimerdemenz" bedeutet nämlich, dass sich der Zustand der erkrankten Person nicht schleichend über mehrere Jahre, sondern innerhalb eines kürzeren Zeitraumes von einigen Monaten signifikant verschlechtert (Zerr I. et al: "Rasch progressive Demenzen", Akt Neurol. 2012, S. 138).

Genaue Angaben zum Krankheitsverlauf bzw. gesundheitlichen Zustand des Vaters über den gesamten Beschwerdezeitraum und den daraus resultierenden Pflegebedarf konnte der Bf auf dezidierte Anfrage durch das Bundesfinanzgericht jedoch nicht machen. Er konnte insbesondere nicht nachvollziehbar darlegen, dass die Pflegebedürftigkeit des Vaters bereits ab Februar 2013 wöchentliche Familienheimfahrten zu rechtfertigen vermochte. So gab der Bf zum Krankheitsverlauf des Vaters zwar an, dass der Umbau des Hauses in der P_Straße in P_D (Anm.: ab Ende 2012) durch den gesundheitlichen Zustand des Vaters bedingt war, für den das Erreichen des elterlichen Schlafzimmers im Obergeschoß körperlich beschwerlich geworden sei. Es sei daher eine Umstrukturierung der Wohnsituation sinnvoll erschienen. Dies und das im Weiteren erfolgte Vorbringen, dass sich in der Folgezeit der gesundheitliche Zustand des Vaters langsam aber stetig verschlechtert habe, vermögen aber nicht schlüssig zu begründen, weshalb bereits ab Beginn des Beschwerdezeitraums Anfang 2013 wöchentliche Familienheimfahrten zur gemeinsamen Pflege des Vaters notwendig gewesen sein sollen.

Auch das Vorbringen, der Bf sei als gesetzlicher Vertreter des Vaters für die Besorgung der Behörden- und Bankangelegenheiten verantwortlich gewesen, erwies sich als nicht stichhaltig genug, dass die Werbungskosten für wöchentliche Familienheimfahrten bereits ab Februar 2013 anerkannt werden konnten. In der Vorhaltsbeantwortung vom räumte der Bf ein, dass eine förmliche Einsetzung als Betreuer nach dem Betreuungsgesetz erst Ende 2017 notwendig geworden sei, da der Vater über kein zu verwaltendes Vermögen verfügt habe und die Mutter über das gemeinsame Bankkonto verfügungsberechtigt gewesen sei.

Es wird jedoch als gesichert angenommen, dass jedenfalls ab Jänner 2015, somit drei Monate vor Stellung der genannten Diagnose, die besonderen Umstände am Familienwohnsitz des Bf dessen wöchentliche Heimfahrten erforderten.

III.3. Grundsätzlich glaubhaft ist aufgrund des Vorbringens in der Vorhaltsbeantwortung ans Finanzamt (siehe oben Pt. I.2.), dass der Bf tatsächlich wöchentlich an den Familienwohnsitz gefahren ist.

Dafür liegen jedenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem er ein neues Fahrzeug angeschafft hat, auch Belege vor. Die Anschaffung des Hyundai Tucson erfolgte laut der vorgelegten Rechnung im April 2016 mit einem Tachostand von 5 km. Ebenfalls vorgelegt hat der Bf Rechnungen der Autowerkstatt, in welcher ua Inspektionen und Räderwechsel durchgeführt wurden und auf denen die Kilometerstände zum jeweiligen Zeitpunkt vermerkt sind. Aus diesen Rechnungen ist eine Kilometerleistung von rund 20.000 km pro Jahr ersichtlich. Die beantragten wöchentlichen Fahrten an den Familienwohnsitz sind durch diese Kilometerleistung jedenfalls abgedeckt.

IV. Rechtslage und Erwägungen

IV.1. Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten.

Gemäß § 20 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge ebenso wie Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, da sie für gewöhnlich in den Bereich der privaten Lebensführung fallen.

IV.2. Auch ein alleinstehender Steuerpflichtiger ohne Kind kann einen "Familienwohnsitz" haben, und zwar an jenem Ort, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen, zB Eltern, hat (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 201/6).

Der Familienwohnsitz des Bf befindet sich in P_D; er ist aufgrund des Überlassungsvertrages vom Hälfteeigentümer seines Elternhauses, in welchem er über eine abgeschlossene Wohnung verfügt. Seine Eltern lebten im Beschwerdezeitraum ebenfalls in diesem Haus in der abgeschlossenen Wohnung im Erdgeschoß.

IV.3. Unterhält ein Steuerpflichtiger neben seinem Familienwohnsitz aus beruflichen Gründen einen zweiten Wohnsitz am Beschäftigungsort, so liegt eine doppelte Haushaltsführung vor. Die Kosten einer solchen doppelten Haushaltsführung sind als Werbungskosten nur dann abzugsfähig, wenn weder die tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz noch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zumutbar ist (Zorn/Engelmann in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 4 Tz 346): In einem solchen Fall gelten die Aufwendungen als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 201).

Die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz liegt im Beschwerdefall auf der Hand, zumal die einfache Wegstrecke rund 170 km beträgt ().

IV.4. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (Jakom/Lenneis EStG, 2019, § 16 Rz 56 [S. 877] mwN).

Der Bf wurde von seinem Arbeitgeber F GmbH aufgrund fortgesetzter, auf jeweils 12 Monate befristeter Dienstverträge beschäftigt. Er hatte jederzeit damit zu rechnen, dass keine weitere Verlängerung seines Dienstverhältnisses erfolgte. Unter solchen Umständen ist die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort nicht zumutbar (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 202/1).

Diese Unzumutbarkeit liegt für sämtliche Streitjahre von 2013 bis 2017 vor. Schon aus diesem Grund war der Beschwerde sohin im Umfang der geltend gemachten Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung stattzugeben.

IV.5. Die Verlegung des Familienwohnsitzes ist auch dann unzumutbar, wenn am Familienwohnsitz pflegebedürftige Angehörige leben (zB mwN).

Die Pflegebedürftigkeit eines Demenzkranken kann nicht in Abrede gestellt werden. Die Betreuung einer an Alzheimerdemenz erkrankten Person stellt eine erhebliche psychische und physische Belastung dar, welche die Mutter des Bf und Ehefrau des erkrankten Vaters den größten Teil der Zeit über allein zu tragen hatte. Wenn der Bf unter solchen Voraussetzungen die Wochenenden und Urlaube an seinem Familienwohnsitz verbrachte, um gemeinsam mit der Mutter den Vater zu pflegen, kann keinesfalls von lediglich familienhaften Besuchen gesprochen werden. Dem Umstand, dass ein - wie im Fall des Vaters des Bf zweifellos gegebener - täglicher Pflegebedarf unter der Woche nur von der Mutter des Bf abgedeckt wurde, kommt keine Relevanz zu.

Im Recht ist das Finanzamt, soweit es auf die erst im März 2015 gestellte Diagnose einer "rasch progredienten Alzheimer-Demenz" verweist. Die vom Bf geltende gemachte Pflegebedürftigkeit des Vaters wäre somit nicht imstande gewesen, das Beschwerdevorbringen für den gesamten Zeitraum ab 2013 zu stützen, zumal für jedes Beschwerdejahr gesondert zu prüfen war, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung der Werbungskosten aus der doppelten Haushaltsführung vorlagen.

Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes für den gesamten Beschwerdezeitraum ergab sich jedoch bereits aus der Befristung des Dienstverhältnisses des Bf.

IV.6. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung können unvermeidbare Mehraufwendungen als Werbungskosten abgesetzt werden. Darunter fallen Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung des Steuerpflichtigen am Arbeitsort sowie Kosten für Familienheimfahrten (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 202/15ff mwN).

Der Bf machte im Beschwerdezeitraum an Aufwendungen für die Wohnung am Arbeitsort ausschließlich Mietzahlungen iHv € 500,00 monatlich geltend. Die Wohnfläche betrug laut Mietvertrag 30m2. Der geltend gemachte Mietaufwand kann daher nicht als unangemessen hoch erachtet werden und wird in voller Höhe anerkannt.

Aufwendungen für Familienheimfahrten sind bei einem steuerlich anerkannten Doppelwohnsitz abzugsfähig, als sie innerhalb angemessener Zeiträume erfolgen. Grundsätzlich sind bei verheirateten bzw. in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen wöchentliche Familienheimfahrten zu berücksichtigen. Bei einem Alleinstehenden werden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, idR monatliche Heimfahrten als ausreichend angesehen (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 202/25 mwN).

Im Fall des - alleinstehenden - Bf liegen aufgrund der Pflegebedürftigkeit des Vaters mit der im März 2015 erfolgten Diagnose "rasch progrediente Alzheimerdemenz" jedenfalls ab dem Beschwerdejahr 2015 besondere Umstände vor, die nicht bloß monatliche, sondern wie beantragt wöchentliche Familienheimfahrten gerechtfertigt erscheinen lassen.

In den Beschwerdejahren 2015 bis 2017 war der Beschwerde sohin auch hinsichtlich der beantragten Werbungskosten für wöchentlich Familienheimfahrten stattzugeben.

Für die Beschwerdejahre 2013 und 2014 können derartige besondere Umstände nicht angenommen werden (siehe Pt. III.2. dieses Erkenntnisses). Für diese Jahre konnten daher nicht, wie beantragt, die Werbungskosten für wöchentliche, sondern lediglich die für monatliche Familienheimfahrten anerkannt werden. Der Beschwerde in den Jahren 2013 und 2014 war daher iZm den Werbungskosten für Familienheimfahrten teilweise stattzugeben.

IV.7. Die mit Schreiben vom erfolgte "Ergänzung der Beschwerde" gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2017 dahingehend, dass eine Änderung der Steuerbescheide unter Berücksichtigung von Anspruchszinsen gem. § 205 BAO beantragt werde, wertet das Bundesfinanzgericht als Antrag auf Festsetzung von Gutschriftszinsen. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Festsetzung, wenn die Voraussetzungen des § 205 Abs. 1 und 2 BAO erfüllt sind, von Amts erfolgt.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage war im Beschwerdefall, der in Übereinstimmung mit der Lehre und höchstgerichtlichen Rechtsprechung entschieden wurde, nicht zu lösen, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100775.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at