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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2021, RV/2100296/2021

Vorsteuerabzug trotz fehlender UID-Nummer des Leistenden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Deutschland, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 10.2019-12.2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. Nr. II 222/2009 (158/2014) für den Zeitraum 10 - 12/2019 erfolgt mit 46.140,97 Euro.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF) brachte elektronisch einen Antrag auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum 10-12/2019 ein, dem bis auf eine Rechnung entsprochen wurden.
Die Rechnung mit der Sequenznummer 3 wurde zur Erstattung abgelehnt, mit der Begründung, dass die Mehrwertsteuernummer des Lieferers unbekannt oder ungültig sei.

Dagegen wurde laut Finanzamt rechtzeitig Beschwerde eingebracht (da die Aktenvorlage an das BFG dahingehend unvollständig erfolgte, wird der Bewertung der Rechtzeitigkeit durch das Finanzamt gefolgt).
Begründend wurde ausgeführt, dass die angeführte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Rechnung Nr. 3 der Inlandssteuernummer des Lieferanten beim österreichischen Finanzamt entspreche. Dieser habe keine EU-UID für grenzüberschreitende Lieferungen, sondern eine inländische Registrierungsnummer, die er in seiner Umsatzsteuererklärung verwende. Das in Rechnung gestellte Werkzeug habe Österreich nicht verlassen.
Beigefügt wurde die Mitteilung der Abgabenkontonummer (Finanzamtssteuernummer) des Rechnungsausstellers.

Das Finanzamt wies die Beschwerde ab mit der Begründung, dass ohne eine gültige UID-Nummer keine Vorsteuererstattung erfolgen könne. Eine Steuernummer des Rechnungsausstellers alleine führe nicht zur Vorsteuererstattung.
Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag wurde im Wesentlichen das Vorbringen der Beschwerde wiederholt und darauf verwiesen, dass die Lieferung mit einer gültigen lokalen Mehrwertsteuernummer erfolgt sei, die von den österreichischen Steuerbehörden angegeben worden sei. Dies reiche aus, damit die österreichische Mehrwertsteuer korrekt berechnet und daher von der BF abgezogen werden könne.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Strittig ist im Rechtsmittelverfahren, ob der BF die Vorsteuer aus der Rechnung Sequenznummer 3 im Vorsteuerverfahren zusteht, obwohl diese keine gültige UID-Nummer des Leistungserbringers aufweist.
Tatsächlich hat der Leistende mit erst eine gültige UID-Nummer auf Antrag erhalten.
Aus dem Akt und den Finanzamtsdatenbanken ergibt sich aber, dass der Leistende seit mit einer Steuernummer in Österreich erfasst ist, den der Rechnung zugrundeliegenden Umsatz an die BF in seiner Umsatzsteuererklärung 2019 erklärt hat, und das Finanzamtskonto dahingehend keine Umsatzsteuerschuld mehr aufweist.
Dass die in Rechnung gestellte Leistung an die BF nicht erbracht worden wäre oder im Zusammenhang mit Umsatzsteuermalversationen stünde, dafür findet sich im Akt kein Anhaltspunkt.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und der Aktenlage zum leistenden Unternehmer.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 389/2010, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) ausgeführt hat. ...

§ 3 (Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer)
Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Aufforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.

§ 12. (1) UStG 1994: Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. a) Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
(…)

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Die strittige Rechnung weist zwar keine UID-Nummer des Leistenden auf, allerdings besteht an dessen Unternehmereigenschaft nach der Aktenlage kein Zweifel.
Es handelt sich demnach um eine Rechnung über eine Leistung von einem Unternehmer an die BF für deren Unternehmensbereich.
Der Rechnungsaussteller ist auch mit diesem Umsatz zur Umsatzsteuer in Österreich erfasst.

Nach Ansicht des EuGH ist Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass er die nationalen Steuerbehörden daran hindert, das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht die Voraussetzungen von Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Richtlinie erfüllt, obwohl diese Behörden über alle notwendigen Informationen verfügen, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen (, Barlis 06).
In diesem Sinne auch , Y-GmbH, wonach ein Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer, der keine fortlaufende Rechnungsnummer, sondern eine andere Nummer enthält, anhand deren die Rechnung und so der betreffende Gegenstand oder die betreffende Dienstleistung identifiziert werden können, die Steuerverwaltung des Erstattungsmitgliedstaats diesen Antrag als im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG in der durch die Richtlinie 2010/66/EG geänderten Fassung "vorgelegt" betrachten und ihn prüfen muss.

Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Fehlen einzelner Rechnungsmerkmale ein Vorsteuerabzug zustehen kann, hat der EuGH zur Rechtslage vor Ergehen der Rechnungs-RL festgehalten, dass die Anforderungen nicht so weit gehen dürfen, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird ( "Jeunehomme", Slg 4517; vgl. a. "Gabalfrisa", Slg I-1577 sowie , Rs. C-90/02 "Bockemühl", Slg I-3303: die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten erlassen, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen, dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist; sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie systematisch das Recht auf Vorsteuerabzug in Frage stellen).
Im Urteil , Rs C-25/03 "HE", Slg I-3123 kommt der EuGH vor diesem Hintergrund zu dem jedenfalls im Spannungsverhältnis zur bis dahin ergangenen Rechtsprechung stehenden Ergebnis, dass es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar wäre, den Vorsteuerabzug nur deshalb zu verweigern, weil die Rechnung nicht die vom anwendbaren nationalen Recht vorgeschriebenen Angaben enthält.

Im Urteil "Dankowski" () betont der Gerichtshof zur Rechtslage nach Ergehen der Rechnungs-RL, dass Rechnungen insbesondere diejenigen Angaben enthalten müssen, "die notwendig sind, um die Person, die die Rechnungen ausgestellt hat, und die erbrachte Dienstleistung zu identifizieren"; die Angabe der in Art. 22 Abs. 3 lit. b 6. MWSt-RL vorgesehenen UID sei hiezu nicht erforderlich, wenn die Identifizierung durch die dem (nicht für MWSt-Zwecke registrierten) Steuerpflichtigen von Amts wegen für andere Zwecke zugeteilte Steueridentifizierungsnummer sichergestellt ist (EuGH aaO Rn 29 f).
Diese Rechtsprechung ist auf die in der MWSt-RL vorgesehenen Voraussetzungen übertragbar. Hieraus folgt, dass ein Vorsteuerabzug, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen, uU auch bei Vorliegen einer formell nicht ordnungsgemäßen Rechnung zustehen kann (Ruppe/Achatz, UStG5 , § 12 Tz 42/1).

Es besteht daher kein Grund, den Vorsteuerabzug ausschließlich deshalb zu verweigern, weil der Rechnungsaussteller in der Rechnung keine UID-Nummer angegeben hat.
Dies gilt im Besonderen dann, wenn die Behörde dem leistenden Unternehmer (noch) keine UID-Nummer erteilt hat (vgl. und ).

Zudem wäre es der belangten Behörde auf Grund der Angaben in der Rechnung durch einfache Datenbankabfrage möglich gewesen festzustellen, dass der Leistende als Unternehmer geführt wird und die Umsätze erklärt hat.

Die Erstattung aus der strittigen Rechnung ist daher zu gewähren und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ist die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des EuGH hinreichend geklärt weshalb keine Rechtsfrage grundlegender Bedeutung vorliegt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 3 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100296.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at