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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.06.2021, RV/7104444/2019

Außergewöhnliche Belastungen wegen Behinderung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104444/2019-RS1
Nur Kosten, die durch eine Behinderung im Ausmaß einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 % bedingt sind, können als tatsächliche Kosten aus dem Titel der Behinderung anstelle des Behindertenfreibetrages ohne Abzug des Selbstbehaltes qualifiziert werden. Sofern Krankheitskosten nicht im Zusammenhang mit einer Behinderung im Ausmaß von mindestens 25 % stehen, unterliegen sie den allgemeinen Bestimmungen des § 34 EStG 1988, sodass der vom Steuerpflichtigen zu tragende Selbstbehalt abzuziehen ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***2*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe und dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Laut der Finanzamtsdatenbank machte die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 unter Kennzahl 439 tatsächliche Kosten auf Grund eigener Behinderung von € 15.631,64 geltend. Im Gefolge eines Vorhalteverfahrens wurden von der Bf. mit Eingabe vom nachfolgende Aufgliederung der nunmehr im Ausmaß von € 18.040,43 beantragten außergewöhnlichen Belastungen sowie die dazugehörigen Belege in Kopie übermittelt:


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Aufwendungen/außergewöhnliche Belastung
Euro
1.***3***, Podologie
16.02. Podolog. Untersuchung, Podolog. Sohlen, Therapieschuhe
09.03. Fußpflege
28.03. Therapieschuhe
04.04. 5er Block Fußpflege
Fa. ***4***, Orthopädietechnik
Igelbälle (Training nach Schlaganfall)
Heilbad ***5***, Gymnastikball

530,00
30,00
195,00
145,00

7,12
12,00
2.Psychotherapie
Mag. ***6*** Rechnung über € 900,-- minus Kostenersatz BVA € 400,00


500,00
3.Arztrechnung
Dr. ***7***, 160,-- minus 15,-- € Kostenersatz BVA
Dr. ***8*** 230,--minus € 138,-- Ersatz BVA
Dr. ***9*** € 110,-- minus 68,46 Ersatz BVA

145,00
92,00
41,54
4.Behandlungsbeitrag BVA
22.01.
21.05
25.09

5,12
5,69
16,75
5.Kuraufenthalt inkl. Heilbehandlungen
Kurhaus ***10*** vom 12.03.-
€ 2.863,-- minus 14 mal 5,23=73,22
Fahrtkosten: 662 km zu je 0,42 €


2.789,78
278,04
6.Rehabilitationsaufenthalt ***11***, Selbstbehalt
541,80
7.Heilmassagen
***12*** (02.02 a 50,--, 24.1.,21.02.,02.03.,30.05. und 20.6. a 65,-- € minus € 4,-- Ersatz BVA)
***13*** (28.04.,12.05.,23.05.,02.06., 07.07., 03.08. = 7 mal Euro 50.--) Die Rechnungen lauten auf jeweils 100,--, weil auch mein Mann massiert wurde.
***14*** (2x Cranio Sacral am 29.08., 5.09 a € 54,--)
***15***, 1 x Shiatsu/1h30m


371,00
350,00
108,00
120,00
8.Physiotherpie/Heilgymnastik
***16***
9.2. zwei mal 45 Min Heilgymnastik a 55,--
3.5. € 110,-- minus 66,28 Ersatz BVA


110,00
43,72
Zwischensumme
6.437,56
***17*** € 320,-- minus Ersatz BVA 114,70
***18*** 4mal 80,-- = 320,-- minus Ersatz 4 x 33,14
***18*** 7.2., 14.2., 21.2., 2.3., 4.4., 30.5., 20.6. = 7 x 80,-- ohne Ersatz BVA
205,30
187,44

560,00
9. Gebärmutter - Heilung/Reinigung
144,00
10. CD-Box Harfenklänge für die Seele (Entspannungsmusik zum Einschlafen)
49,50
11. Apothekenrechnungen
Rechnungen
Kassenbelege

3.650,06
916,57
12. Regenerationsplatten. Energieplatten, Nahrungsvitalisierung, Wasserbelebung
4.040,00
950,00
13. Selbstbehalt Krankenzusatzversicherung
900,00

Vorgelegt wurden dazu u.a. die Kopien folgender Rechnungen/Belege:

1)Vom Podologie-Zentrum ***3*** (kurz ***3***) ausgestellte Rechnungsbelege über nachstehende Leistungen


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Datum
Leistungen
Summe samt Mwst.
1Stk. Podo-Untersuchung1 Stk. Podo-Sohle1 Stk. Podo-Sohle1 Paar Damenschuhe
60,00115,00100,00255,00
€ 530,00
Fußpflege
30,00
€ 30,00
1 Paar Podolog. Therapieschuhe
195,00
€ 195,00
1 Stk. 5er Block Fußpflege
145,00
€ 145,00

2)Rechnungen:

a) Rechnungsaussteller: ***19*** (kurz ***4***)


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Datum
Leistungen
Summe samt Mwst.
1Igelball orange
1Igelball gelb
3,40
3,72
€ 7,12

b) Rechnungsaussteller: Heilbad ***20*** (kurz Heilbad ***5***)


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Datum
Leistungen
Summe samt Mwst.
1Stk. Gymnastikball
12,00
€ 12,00

3)Rechnungsbelege:

a) Rechnungsaussteller: ***13***


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Datum
Leistungen
Summe samt Mwst.
2x Ganzkörpermassage
2x50,00
€ 100,00
2x Ganzkörpermassage
€ 100,00
2x Ganzkörpermassage
€ 100,00
Ganzkörpermassage
Rückenmassage
Fußmassage
50,00
25,00
25,00
€ 100,00
Ganzkörpermassage
50,00
€ 50,00
Ganzkörpermassage
100,00
€ 100,00
Ganzkörpermassage
50,00
€ 50,00

b) Rechnungsaussteller: ***14***


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Datum
Leistungen
Summe samt Mwst.
1x Cranio Sacral
54,00
€ 54,00
1x Cranio Sacral
54,00
€ 54,00

c) Rechnungsaussteller: ***15***


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Datum
Leistungen
Summe samt Mwst.
Shiatsu
120,00
€ 120,00

4)Von ***21*** ausgestellte und mit datierte Rechnung über die Lieferung einer CD-Box Harfenklänge für die Seele 1-3 samt Porto mit ausgewiesenem Rechnungsbetrag von € 49,50.

5)Eine von der ***22*** (kurz ***23***) ausgestellte Rechnung vom über die Lieferung von "Qi Quant Water Alive S" zum Einzelpreis von € 791,67 zuzüglich MwSt. von € 158,33.

6) Eine von der ***24*** ausgestellte Rechnung vom über die Lieferung folgender Produkte:


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Bezeichnung
Menge
Gesamtpreis in €
Summe samt Mwst.
Qi Quant Regenerationsplatte
1
650,00
Quick Energieplatte Duplex
1
2.066,67
ReVital Tablet Holz
1
650,00
€ 4.040,00

7)Eine von der ***25*** ausgestellte Rechnung vom , mit welcher der Bf. für das von "schamanismus.net" veranstaltete Online-Seminar "Die Gebärmutter - Reinigung/Heilung" von ***26*** eine Teilnahmegebühr von € 144,00 verrechnet worden ist.

Über weiteren Vorhalt gab die Bf. mit Schreiben vom an:

"…Grundsätzlich werden meine ärztlich verordneten Maßnahmen von meiner gesetzlichen Krankenversicherung bzw. meiner Zusatzversicherung getragen und sind somit nicht Gegenstand von außergewöhnlichen Belastungen. Bisher habe ich im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung jene zusätzlichen Leistungen für die Erhaltung meines Gesundheitszustandes bzw. für Schmerzreduktion geltend gemacht die ich selbst getragen habe. Diese wurden Anbetracht der 50%igen Behinderung auch ohne Selbstbehalt berücksichtigt. Somit ist es für mich nicht ganz nachvollziehbar, dass Sie für bestimmte Therapien eine ärztliche Verordnung benötigen. Wie bereits an das Finanzamt mitgeteilt wurde, im Orthopädischen Krankenhaus Speising festgestellt, dass ich aus klassisch ärztlicher Sicht "austherapiert" sei, sodass ich nun in der Folge auch auf komplementäre/alternative Heilmethoden zugreifen muss. Zu den von Ihnen angeführten Therapien:
1.Kuraufehtalt in
***10***-Infusionen, Massagen, fasten, entsäuern, udglm unter ärztlicher Verordnung und Betreuung
2.Massagen, Shiatsu, Cranio Sacral - Da 12-Minuten Massagen, wie sie von der Krankenkasse bezahlt werden, für meinen Gesundheitszustand einfach nicht ausreichen, buche ich zusätzlich effektivere Maßnahmen, die im Übrigen der öffentlichen Hand Kosten sparen, die ich selbst übernehme
3.Fußpflege -Dass nach einem Schlaganfall und 5 Bandscheibenvorfällen das Leben etwas mühsamer wird, glaube ich doch nicht ausführen zu müssen. Dafür gibt es einfach keine ärztliche Verordnung, aber die Hilfe ist notwendig
4.Während meiner Nachbehandlung nach dem Schlaganfall in der Neurologie in
***27*** wurde als Therapie auch Harfenklänge zur Entspannung (Einzeltherapie) eingesetzt und eine Weiterverwendung empfohlen. Um den besseren Blut- und Energiezufluss zu unterstützen und somit eine Wiederholung eines Schlaganfalles so gut man kann zu verhindern, sind alte Operationswunden zu heilen (die eine starke Behinderung darstellen) und der Energiefluss im Körper durch Energie-, Regenerationsplatte sowie durch Nahrungsvitalisierung und Wasserbelebung zu unterstützen."

Mit Bescheid vom wurde die Bf. zur Einkommensteuer für das Jahr 2017 veranlagt und die Einkommensteuer mit einem Betrag von € 1.372,00 festgesetzt. Die geltend gemachten tatsächlichen Kosten aus eigener Behinderung wurden nur im Ausmaß von € 11.359,81 zum Abzug ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes zugelassen und folgende Ausgaben mangels ärztlicher Verordnung nicht anerkannt:

Fußpflege € 919,12
Massagen, Shiatsu, Cranio Sacral € 578,00
Gebärmutter Heilung/Reinigung € 144,00
CD-Box Harfenklänge € 49,50
Regenerationsplatten, Energieplatten, Nahrungsvitalisierung € 4.040,00
Wasserbelebung € 950,00.

Die Bf. berief mit Schriftsatz vom gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 und führte aus, es sei in den Vorjahren keinesfalls auf die Notwendigkeit ärztlicher Verordnungen hingewiesen worden. Auch sei nicht angeführt worden, warum die Aufwendungen nicht im Zusammenhang mit einer Behinderung zu sehen seien. Es sei davon auszugehen, dass die Glaubhaftmachung erfolgt sei, zumal in den Vorjahren ein Abzug zugelassen worden sei. Außerdem stellte die Bf. den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Senat.

Nach erneuter Aufforderung zur Vorlage von ärztlichen Verordnungen betreffend die geltend gemachten Aufwendungen übermittelte die Bf. folgenden Unterlagen:

a)von der Naturklinik ***28*** ausgestellter Arztbericht vom , wonach sich die Bf. laut Anamnese in einem ausgeprägten Erschöpfungszustand befinde. Am sei es zu einem rechtsseitigen cerebralen Insult gekommen, der sich als Stammhirninsult herausgestellt habe. Sie habe 10 Tage auf der Intensivstation verbracht, danach sei ein 4-wöchiger Krankenhausaufenthalt und eine ebenso lange Therapie erfolgt. Als Folge des Insultes sei es zu einer Schwäche der ganzen linken Seite gekommen. Im Rahmen des Therapieverlaufes habe die Bf. individuell zusammengesetzte Infusionen zur Substitution der festgestellten Mikronährstoffmängel, ferner physikalische Therapien wie Krankengymnastik, Bewegungsübungen, Lymphdrainagen, Massagen, Bäder, Wickel, Packungen und auch Inhalationen und Sauerstofftherapien, ferner therapiebegleitende Gespräche erhalten. Eine spezielle reizarme Schonkost sowie eine individuelle Ernährungsberatung seien ebenfalls Teil der Behandlung gewesen.

b)Bestätigung von Dr. med. ***29***, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom , wonach die Bf. im Juli 2017 einen cerebralen Insult mit Hemiparese re. erlitten habe. Es seien dringend physikalische Therapien zur Mobilisation auf Verordnung notwendig gewesen und diverse Heilbehelfe zur Rehabilitation angeschafft worden. Wegen Lumbago und Cervikalsyndrom seien zudem Massagen und Therapien sowie wegen Fußfehlstellung Einlagenversorgung und Therapieschuhe erforderlich geworden.

c)Ergebnis der durchgeführten Begutachtung durch das Sozialministeriumservice, aus dem folgende Daten hervorgehen:


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Pos.Nr.
Grad der Behinderung in %
1
Degenerative Veränderung der Wirbelsäule
40
2
Hüftgelenksarthrose beidseits
30
3
Kniegelenksarthrose rechts mehr als links
20
4
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
20
5
Entfernung der Gebärmutter
10
6
Verlust 1 Ovars
10
7
Geringe Beweglichkeitseinschränkung an beiden Schultern
20
Gesamtgrad der Behinderung
50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, wegen relevanter Zusatzbehinderung. Die übrigen Leiden erhöhen wegen fehlender wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter.

d)Begleitschreiben des Sozialministeriumservice zur Übermittlung des Behindertenpasses vom , wo es heißt:"…Der Gesamtgrad der Behinderung liegt seit 2014 vor. Eine rückwirkende Bestätigung über den angeführten Zeitpunkt hinaus ist nicht möglich. Die Notwendigkeit einer Krankendiätverpflegung liegt vor wegen GdB: 20 % ab 2014.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der gesondert ergangenen Begründung vom heißt es dazu im Wesentlichen: "…Sie wurden mit Ersuchen um Ergänzung vom gebeten, die Krankheitskosten…nachzuweisen und bekannt zu geben, ob Sie Kostenersatz für diese Aufwendungen erhalten haben. Mit Beantwortungsschreiben vom wurden sämtliche Belege sowie Kostenersatze an die Abgabenbehörde übermittelt. Mit einem weiteren Schreiben vom wurden Sie ersucht, die entsprechenden ärztlichen Verordnungen vorzulegen…Eine Nachweisführung bzw. Glaubhaftmachung der Außergewöhnlichkeit im Sinne der §§ 34 und 35 EStG 1988 der strittigen Aufwendungen ist Ihnen nicht gelungen. Die Nichtanerkennung der nachfolgenden Aufwendungen erfolgte daher aus Sicht der Abgabenbehörde zu Recht.
-Fußpflege € 919,12
-Massagen, Shiatsu, Cranio Sacral € 578,00
-Gebärmutter Heilung/Reinigung € 144,00
-CD-Box Harfenklänge € 49,50
-Regenerationsplatten, Energieplatten, Nahrungsvitalisierung € 4.040,00
-Wasserbelebung € 950,00
…"

In der Folge beantragte die Bf. mit Faxnachricht vom , die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und verwies auf die bisherige Begründung.

Im Vorlagebericht vom stellte das Finanzamt klar, dass die Bf. für 2017 die Berücksichtigung von tatsächlichen Kosten im Zusammenhang mit einer Behinderung beantrage, da aus ihrer Sicht Glaubhaftmachung erfolgt sei. Das Finanzamt habe jene Aufwendungen nicht anerkannt, für die trotz Aufforderung keine ärztlichen Verordnungen vorgelegt worden seien.

Ergänzend wies die Bf. mit Schreiben vom nochmalig darauf hin, dass für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bereits in den Vorjahren ärztliche Befunde, Spitalsberichte sowie er Behindertenpass vorgelegt worden seien. Da sie 2017 nichts von den Anforderungen für die Anerkennung der Aufwendungen wissen habe können, sei Sie davon ausgegangen, dass die bisherige Vorgangsweise des Finanzamtes noch immer Gültigkeit habe. Vorgelegt wurde dazu eine ärztliche Überweisung an die Podologie vom Februar 2019.

Im Rahmen des mit der Bf. am geführten Telefonates wurde der Bf. die dem BFG vorliegende Sach- und Rechtslage betreffend das Beschwerdevorbringen ausführlich nähergebracht. Nach Angaben der Bf. seien die strittigen Kosten für Massagen, Shiatsu und Cranio Sacral sehr wohl in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behinderung der Bf. zu sehen. Wie die Bf. erklärend ausführte, sei es an manchen Tagen aufgrund akuter Beschwerden schlichtweg unmöglich gewesen, die ärztlich verordneten Behandlungen in ***31*** wahrzunehmen, sodass es gewesen sei, Maßnahmen im eigenen Wohnraum durchführen zu lassen. Dies sei dann durch mobile Dienstleister erfolgt. Dazu gebe es daher konkret keine Verordnung eines Arztes.

Die telefonisch bereits getroffenen Ausführungen wurden vom Bundesfinanzgericht im Beschluss vom nochmalig zusammengefasst. Gleichzeitig wurde die rechtliche Auffassung des BFG zu den einzelnen Beschwerdepunkten dargestellt und der Bf. nochmals Gelegenheit eingeräumt, Nachweise und Beweismittel nachzureichen, sofern die Sachverhaltsdarstellung aus Sicht der Bf. nicht zutreffe.

Mit Eingabe vom stimmte die Bf. der im Beschluss vom dargestellten Sichtweise des BFG und der rechtlichen Konsequenz daraus (teilweise Nichtanerkennung der betreffenden Kosten als abzugsfähig im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2017) zu und zog den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die Bf. machte in Summe außergewöhnliche Belastungen in Höhe tatsächlicher Kosten von € 18.040,43 anstelle von Freibeträgen geltend. Vom Finanzamt wurden davon Aufwendungen in Höhe von € 11.359,81 als solche ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes anerkannt. Strittig ist somit die Abzugsfähigkeit der übrigen Aufwendungen von insgesamt € 6.680,62 aus dem Titel der außergewöhnlichen Belastung nach §§ 34 und 35 EStG 1988. Dies betrifft konkret folgende Rechnungen bzw. Belege:

1)***3*** (€ 900.--)
2)***4***; Heilbad ***5*** (€ 19,12)
3)***13*** (€ 350); ***14*** (€ 108); ***15*** (€ 120)
4)***21*** (€ 49,50)
5)***24*** (€ 950)
6) ***24*** (€ 4.040,--)
7)***25*** (€ 144,00)

Die für den Beschwerdefall bedeutsame Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 (hier und im Folgenden sind die Gesetzesstellen jeweils in der für den Beschwerdezeitraum maßgebenden Fassung angegeben), sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen näher geregelten Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von mehr als 36.400,-- Euro 12 %.

Nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 können u.a. Aufwendungen im Sinne des § 35, die anstelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5), sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehalts abgezogen werden.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind (§ 34 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988).

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen u. a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 ein Freibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988) zu.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stellen sind der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente gemäß § 11 Abs. 2 Opferfürsorgegesetz, BGBl Nr. 183/1947, die Sozialversicherungsträgerbei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern bzw. in allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservice); dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach § 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen zu erlassenen Bescheid zu bescheinigen.

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % bis 34 % beträgt dieser Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 EUR 75,-- jährlich.

Anstelle des Freibetrags nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 können nach § 35 Abs. 5 leg. cit. auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6 leg. cit.).

Ergänzend zu § 35 EStG 1988 wurde die Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 (ab der Veranlagung 2011: idF BGBl. II Nr. 430/2010) (im Folgenden: Verordnung), erlassen.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen u.a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat.

Eine Behinderung liegt nach § 1 Abs. 2 der Verordnung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 der Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen (§ 1 Abs. 3 der Verordnung).

§ 2 der Verordnung bestimmt:

"§ 2. (1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei

-Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro

-Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro

-Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro

pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

(2) Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25% sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen."

Nach § 4 der Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Bereits aus dem Gesetz ergibt sich zusammenfassend folgendes:

Das österreichische EStG unterscheidet zwischen den Begriffen Behinderung und Krankheit und grenzt im Rahmen der Bestimmungen über außergewöhnliche Belastungen geistige und körperliche Behinderungen, für welche eine zumindest 25%ige Minderung der Erwerbsfähigkeit amtlich bescheinigt wurde bzw. aufgrund welcher pflegebedingte Geldleistungen bezogen werden, von den übrigen Behinderungen und von Krankheiten ohne Bezug zu einer Behinderung ab. Nur für die beiden zuerst genannten Gruppen gelten die besonderen Bestimmungen der § 34 Abs. 6 EStG 1988 (Anerkennung der Kosten ohne Anrechnung auf einen Selbstbehalt) und § 35 EStG 1988 über die Berücksichtigung von Kosten einer Behinderung.

Das bedeutet im Konkreten, dass nur Kosten, die durch eine Behinderung im Ausmaß einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 % bedingt sind, als tatsächliche Kosten aus dem Titel der Behinderung anstelle des Behindertenfreibetrages ohne Abzug des Selbstbehaltes zu qualifizieren sind.

Sofern Krankheitskosten nicht im Zusammenhang mit einer Behinderung im Ausmaß von mindestens 25 % stehen, unterliegen sie den allgemeinen Bestimmungen des § 34 EStG 1988, sodass der vom Steuerpflichtigen zu tragende Selbstbehalt abzuziehen ist.

Auch Krankheitskosten, die auf eine Erkrankung zurückgehen, die in keinem Zusammenhang mit einer Behinderung steht, können nur nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 geltend gemacht werden, also durch Kürzung um den Selbstbehalt des § 34 Abs. 4 EStG 19888 (vgl. Zl. 82/13/0111, v. , Zl. 85/13/0119 u.v. , Zl. 93/15/0079).

Die Feststellung der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) ist bindend vom Sozialministeriumservice zu treffen und wird durch eine amtliche Bescheinigung nachgewiesen.

Im Beschwerdefall beträgt der Selbstbehalt gemäß § 34 EStG 1988 12 % vom Einkommen, sohin über 5.000 €. Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, wirken sich daher nur einkünftemindernd aus, soweit sie diesen Selbstbehalt übersteigen.

Gegenständlich steht fest, dass der Bf. vom Sozialministeriumservice eine Gesamtbehinderung von 50% bescheinigt worden ist. Weiters ergibt sich aus den Akten, dass die Bf. kein Pflegegeld bezogen hat. Der festgestellten Behinderung liegen laut dem Ergebnis der durchgeführten Begutachtung Teilbehinderungenzugrunde, deren Behinderungsgrad eigenständig zu werten ist (Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit 40%, Hüftgelenksarthrose beidseits mit 30 %, Kniegelenksarthrose mit 20 %, Nahrungsmittelunverträglichkeiten mit 20 %, Entfernung der Gebärmutter mit 10 %, Verlust 1 Ovars mit 10 % und Geringe Beweglichkeitseinschränkung an beiden Schultern mit 10 %).

Vor dem Hintergrund der im vorigen dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass nur die auf das Leiden in den Bereichen der Wirbelsäule und auf die Hüftgelenksarthrose rückführbaren Kosten bei Vorliegen von Zwangsläufigkeit ohne Anrechnung auf den Selbstbehalt abgezogen werden können, weil nur betreffend diese Gesundheitsbeeinträchtigungen eine über 25 % liegende Minderung der Erwerbsfähigkeit bescheinigt worden ist. Kosten, die der Behandlung anderer Krankheiten dienen, können hingegen nur als zusätzliche außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt Berücksichtigung finden. Dies auch nur, soweit sie zwangsläufig erwachsen sind.

Für die Beurteilung des Rechtscharakters der von der Bf. aufgewendeten Kosten, gilt es daher zu unterscheiden zwischen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Behinderung stehen und Aufwendungen, die nicht durch eine Behinderung verursacht sind. Dabei muss der Zusammenhang zwischen Krankheit/Behinderung und Krankheitskosten eindeutig hervorgehen.

Unabhängig von der Zuordnung der geltend gemachten Kosten zu einer Behinderung bzw. zu allgemeinen Krankheitskosten ist zufolge § 34 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 weitere Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen, dass es sich um solche handelt, die für eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erforderlich sind. Nicht jede auf ärztliches Anraten oder aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt nämlich zu einer außergewöhnlichen Belastung. Nur Maßnahmen, die unmittelbar zur Heilung oder Linderung gesundheitlicher Beeinträchtigungen nachweislich notwendig sind, werden nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als zwangsläufig erachtet (siehe oder ).

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in seiner Judikatur weiters nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig an. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann (vgl. ).

Im Allgemeinen erweist sich eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes (vor Beginn der Anwendung) erstellte ärztliche Verordnung als geeigneter Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme (-G/07, -G/10). Auch wenn die Kosten teilweise von der Sozialversicherung getragen werden, wird von medizinischer Notwendigkeit auszugehen sein.

§ 34 EStG 1988 selbst gibt für die Form der Nachweisführung der medizinischen Notwendigkeit keine Beweisregeln vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist auf Ebene der Beweiswürdigung jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sowie auf Basis der vorliegenden Sachlage gelangte das Bundesfinanzgericht zu folgendem Ergebnis:

Ad 1)Kosten für Fußpflege beim Podologen, podologische Untersuchung, Therapieschuhe/Sohlen in Höhe von insgesamt € 900,00:

Die zu den genannten Aufwendungen vorgelegten Rechnungen wurden vom Podologie-Zentrum ***3*** ausgestellt. Auf der homepage des Unternehmens (***30***) wird der Begriff "Podologie" so definiert:

"Podologie (griech: "podos" = Fuß "logos"= Lehre) beschreibt die Lehre vom Fuß. Sie beschäftigt sich mit Fußfehlstellungen und den daraus resultierenden funktionellen Haltungsbeschwerden von Knie- Hüfte und Wirbelsäule…

Wie funktioniert Podologie?

Podologie funktioniert über die Reizung der Fußmuskulatur mittels einer podologischen Bettung, der "Podosohle". Das Beheben von Fußfehlstellungen ist jedoch nur der sekundäre Zweck der Podologie. Primär geht es um den gesamten Bewegungsapparat."

Daraus ergibt sich, dass Fehlstellungen des Fußes kein bloßes Fußproblem darstellen, sondern den gesamten Bewegungsapparat in Mitleidenschaft ziehen können. Es ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass funktionelle Fehlhaltungen am Fuß, wenn sie länger bestehen bleiben, Schäden an anderen Gelenken, etwa an Knien und Wirbelsäule verursachen.

Wie die Bf. im Rahmen des Telefonates vom glaubhaft darzustellen vermochte, lässt sich eine Wechselwirkung zwischen der Erkrankung der Fußgelenke und dem diagnostizierten Wirbelsäulen-/Hüftleiden insofern nicht in Abrede stellen, als sich dieses geradezu verschlimmerte, bliebe die Fehlstellung unbehandelt.

Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes ist deshalb ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vom Podologie-Zentrum erbrachten Leistungen und der mit einem Grad der Behinderung von über 25 % bewerteten Beeinträchtigungen von Wirbelsäule und Hüftgelenk erkennbar.

Sowohl die Behandlungen als auch die verordneten Schuheinlagen und Therapieschuhe sind daher nach Ansicht des BFG als Folgekosten einer ausgewiesenen Behinderung zu erachten und damit ohne Anrechnung auf den Selbstbehalt nach § 35 EStG 1988 abzugsfähig.

Ad 2) Gymnastikball und Igelbälle:

Auch bei diesen Kosten ist davon auszugehen, dass die Verwendung der Bälle zur Linderung der aus den krankhaften Veränderungen von Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenk resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen beigetragen hat. Die Ausgaben dafür sind daher nach Dafürhalten des BFG in diesem Fall einkommensmindernd und als tatsächliche Kosten aus dem Titel der Behinderung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes zu gewähren.

Ad 3)Ausgaben für Cranio Sacral, Shiatsu, Ganzkörpermassage bei ***13***:

Bei den durchgeführten Massagen erscheint es durchaus glaubhaft, dass diese der Behinderung im Bereich des Bewegungsapparates zuordenbar und daher grundsätzlich als behinderungsbedingte Krankheitskosten ohne Anrechnung auf einen Selbstbehalt abzugsfähig sein können. Voraussetzung dafür ist allerdings erneut, dass die Behandlungen zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988 erwachsen sind.

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Therapien wie Massagen ist die Vorlage eines vor deren Inanspruchnahme ausgestellten ärztlichen Zeugnisses, aus dem sich die Notwendigkeit dieser Maßnahmen ergibt, erforderlich, weil derartige Aufwendungen ihrer Natur nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten (siehe ). Dies gilt umso mehr, wenn die Behandlungen - wie hier - von nichtärztlichem Personal durchgeführt worden sind. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleichgehalten werden, wenn zu einer Therapie von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung Zuschüsse geleistet werden.

Von den unter Punkt "Heilmassagen" aufgegliederten Aufwendungen wurden vom Finanzamt nur jene als tatsächliche Kosten aus einer Behinderung zum Abzug zugelassen, für die vom Versicherungsträger ein Kostenzuschuss gewährt worden ist.

Im Rahmen des geführten Telefonates hat die Bf. überzeugend dargelegt, dass es sich auch bei den noch strittigen Massagen um zur Linderung ihrer Gesundheitsbeeinträchtigungen erforderliche Heilbehandlungen gehandelt hat. Demnach sei es der Bf. an Tagen mit besonders heftigen Rückenschmerzen schlichtweg nicht möglich gewesen, nach ***31*** zum Heilmasseur zu fahren, sodass die Bf. Dienstleister in Anspruch genommen habe, die bereit waren, die Massagebehandlungen bei der ihr im Haus durchzuführen.

Aus Sicht des BFG sind daher auch die oben angeführten Aufwendungen als im Zusammenhang mit der bescheinigten Behinderung stehend und daher als außergewöhnliche Belastungen ohne Beachtung des Selbstbehaltes zu qualifizieren.

Ad 4)Kosten für CD "Harfenklänge":

Eine Studie am Salzburger "Ludwig-Boltzmann-Institut für Rehabilitation innerer Krankheiten" hat gezeigt, dass eine begleitende Musiktherapie die Rehabilitation um 40 Prozent verbessert und die Schmerzen um die Hälfte reduziert. Laut dem Salzburger Schmerzforscher und Verfasser der Schmerzstudie seien es vor allem Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die diese Musik mindestens 25 Minuten täglich in Ruhelage im Bett hören. Die entspannende Musik unterbreche einen Teufelskreis: Schmerz führe zu Verspannungen, und die wiederum steigere den Schmerz (siehe https://sciencev1.orf.at).

Für das Bundesfinanzgericht erscheint es daher nachvollziehbar, dass die Anschaffung der Musik-CD mit der Behinderung des Bewegungsapparates unmittelbar zusammenhängend zu betrachten ist. Dies steht zudem in Einklang mit dem telefonischen Vorbringen der Bf., wonach die entspannende Musik ihren Leidenszustand derart mindere, dass sie trotz Schmerzen einschlafen könne, weshalb die Erforderlichkeit zur Verbesserung des Leidenszustandes aus der Behinderung als gegeben erachtet wird und die gegenständlichen Aufwendungen ohne Anwendung des Selbstbehaltes abzugsfähig sind.

Ad 5) Ausgaben für Nahrungsvitalisierung/Wasserbelebung:

Anders stellt sich die Beurteilung jener Leistung (Lieferung von "Qi Quant Water Alive S" im Wert von € 950,00) dar, die von der ***24*** mit Rechnung vom fakturiert worden ist. Die Wirkung dieses Produktes auf der Internetseite des Unternehmens wird nämlich so beschrieben: "Mit WATER ALIVE steigt der Lebensenergie-Level im menschlichen Körper an. Dies geschieht beim Trinken und durch die Energieabgabe des mit WATER ALIVE belebten Wassers beim Duschen oder Baden. Die Regenerationsfähigkeit der Zellen erhöht sich! Das spür- und schmeckbar weichere Wasser sorgt zudem für eine sanfte Pflege von Haut und Haar."

Weder mittels der vom Sozialministeriumservice ausgestellten Bescheinigung noch auf Basis eines anderen ärztlichen Gutachtens wurde festgestellt, dass auf Grund der vorliegenden Nahrungsmittelunverträglichkeiten eine derartige Trinkkur medizinisch erforderlich gewesen wäre. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der von der Bf. angeschafften Wasserbelebung und einer bescheinigten Behinderung ist daher für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar.

Zudem ist die für den Abzug der genannten Aufwendungen als allgemeine Krankheitskosten unter Anrechnung eines Selbstbehaltes vom Gesetz geforderte Zwangsläufigkeit nicht als gegeben zu werten. Der Erwerb eines derartigen Produktes wird nämlich in Zeiten eines gesteigerten Gesundheitsbewusstseins ganz allgemein für breite Bevölkerungsschichten als sinnvoll erachtet und daher auch entsprechend beworben.

Wiewohl es der Bf. daher zugestanden werden muss, dass sie zur Verbesserung ihres Gesundheitszustandes auch hohen Aufwand nicht scheut, können die gekauften Mittel dennoch nur anerkannt werden, wenn sie als Teil eines medizinischen Behandlungsplanes ärztlicherseits verordnet worden sind. Eine auf Grundlage einer ärztlichen Sachkunde erfolgte Nachweisführung eines unmittelbaren ursächlichen Zusammenhanges jener Anschaffung mit einer Behinderung oder Krankheit war der Bf. jedoch nicht möglich.

Der einkommensmindernde Abzug der in Rede stehenden Aufwendungen ist somit aus Sicht des BFG nicht zulässig.

Ad 6) Regenerationsplatten/Energieplatten:

Dazu wurde eine ebenfalls von der ***24*** ausgestellte Rechnung vorgelegt. Zur sogenannten "Regenerationsplatte" findet sich auf der diesbezüglichen Internetseite Folgendes:

"Die Wirkung der Regenerationsplatte auf den Anwender ist ausschließlich energetisch zu sehen und schließt alle bekannten Genesungsunterstützungen der Energetik ein wie z.B:

• Tiefer erholsamer Schlaf

• Harmonisierung für Körper, Geist und Seele

• Beseitigung von energetischen Blockaden

• Öffnung des Energieflusses

• Schutz vor Umwelteinflüssen

Nacht für Nacht wird das Energiepotential der Zellen wieder sanft aufgebaut. Ihr Regulationssystem ist dadurch am Morgen wieder voll gestärkt. Sie fühlen sich bestens ausgeruht, erholt und frisch für den neuen Tag."

Bezugnehmend auf den Kauf der Energieplatten führte die Bf. aus, sie benötige nach einem Schlaganfall besondere zusätzliche Therapien, um die Fließfähigkeit des Blutes zu erhöhen. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass das Vorliegen einer auf den erlittenen Insult zurückzuführenden Minderung der Erwerbsfähigkeit bis dato nicht vom Sozialministeriumservice bescheinigt worden ist. Das Bundesfinanzgericht kann daher nur prüfen, ob bzw. inwieweit die im Zusammenhang mit diesem Leiden beantragten Kosten als außergewöhnliche Belastung unter dem Titel "Krankheitskosten mit Selbstbehalt" zu qualifizieren sind.

Wie sich bereits aus der obigen Beschreibung ergibt, ist aber der Anwendungsbereich der gegenständlichen Qi-Platten so breit gefächert, dass allgemein gesundheitsfördernde Aspekte wie Steigerung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens hierbei überwiegen. Es wird nicht verkannt, dass die Anwendung geeignet gewesen sein kann, die gesundheitlichen Beschwerden der Bf. zu lindern, doch zeigt die dargestellte Beschreibung klar, dass diese Methode für eine breite Bevölkerungsschicht in Betracht kommt. Darüber hinaus handelt es sich bei den streitgegenständlichen Regenerationsplatten um handelsübliche Gebrauchsgegenstände, die für jedermann nutzbar sind und sich nicht nur für die Bf. im Hinblick auf ihre konkrete Gesundheitsbeeinträchtigung eignen.

Für die mitunter schwierige Abgrenzung von Krankheitskosten von jenen Ausgaben, die ihrer Natur nach sowohl von Kranken als auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten oder ihr Wohlbefinden zu steigern, ist die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens erforderlich, dem sich zweifelsfrei entnehmen lässt, dass die den Aufwendungen zu Grunde liegende Maßnahme medizinisch indiziert ist. Weil dieses jedoch nicht vorgelegt werden konnte, waren die betreffenden Kosten nicht als abzugsfähig im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2017 zu behandeln.

Ad 7)Online-Seminar "Gebärmutter-Reinigung/Heilung":

Der von der Bf. dazu vorgelegten Rechnung zufolge wurde das Seminar von ***26*** bzw. schamanismus.net veranstaltet. Auf der Internetseite von schamanismus.net handelt es sich bei der von der Bf. gebuchten Veranstaltung um ein Leistungsangebot im Rahmen der Naturheiltherapie. Dort heißt es:

"Schamanismus ist das älteste der Menschheit bekannte Heilungssystem. Schamanismus ist der Erfahrungsschatz vieler Generationen die Heilkräfte der Natur, den Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer, die Kräfte der Pflanzen, Tiere und Steinen wahrzunehmen, lenken zu lernen und diese zum Wohle der Menschheit einzusetzen.

Schamanismus entstand aus der Erfahrung, dass Krankheit immer eine Disharmonie zwischen Mensch, Natur und Kosmos ist. Der Schamane/die Schamanin hilft durch seine Kenntnisse wieder ein Gleichgewicht herzustellen."

Für das Bundesfinanzgericht ist durchaus glaubhaft, dass die Motivation der Bf. zum Besuch des Online-Seminars auf Ihren Gesundheitszustand nach Entfernung der Gebärmutter zurückzuführen ist, jedoch entbehrt die Annahme einer Notwendigkeit dieser Therapiemethode zur Heilung der Beschwerden jeder Lebenserfahrung, zumal die Operation mehr als 15 Jahre zurückliegt.

Selbst wenn man aber von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Leiden im Gefolge der Operation ausginge, unterläge der Abzug der strittigen Ausgaben nicht den Sonderbestimmungen für Kosten einer Behinderung, da das vom Sozialministeriumservice festgestellte Ausmaß des bezughabenden Behindertengrades weniger als 25 % beträgt. Ein Abzug kämme deshalb nur dann in Betracht, wenn die Summe der nach diesen Bestimmungen zu behandelnden Aufwendungen den Selbstbehalt gem. § 34 Abs. 4 bzw. Abs. 5 EStG 1988 überstiege.

Dabei gilt es zudem zu beachten, dass Aufwendungen, die rein der Erhaltung der Gesundheit dienen, steuerlich nicht abzugsfähig sind, stellen doch derartige Maßnahmen Aufwendungen zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge dar. Es ist zwar verständlich, dass die Bf. alles unternimmt, um ihre Gesundheit nicht zu gefährden, doch führt diese Bemühung nur bei medizinisch wirklich notwendigen Aufwendungen auch zu einer Absetzbarkeit.

Im Sinne obiger Ausführungen werden jene Ausgaben, welche sich auf die Online-Therapie beziehen, vom BFG nicht als medizinisch notwendig erachtet, zumal keine diesbezügliche ärztliche Verschreibung übermittelt worden ist.

Zusammenfassend sind zusätzlich zu den bisher vom Finanzamt gewährten Ausgaben folgende Leistungen im Gesamtbetrag von € 1.546,62 als mit der Behinderung zusammenhängend und somit als außergewöhnliche Belastungen ohne Anrechnung auf einen Selbstbehalt anzuerkennen:

1)Podologische Fußbehandlung, Schuhe und Sohlen (€ 900.--)
2)Gymnastikball und Igelbälle (€ 19,12)
3)Von ***13*** (€ 350), ***14*** (€ 108); ***15*** (€ 120) durchgeführte Massagen
4)CD-Harfenklänge (€ 49,50)
Die unter Kennzahl 439 anzusetzenden außergewöhnlichen Belastungen berechnen sich demnach wie folgt:


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2017
Tatsächliche Kosten aus eigener Behinderung laut angefochtenem Bescheid
11.359,81 €
Zuzüglich tatsächliche Kosten aus eigener Behinderung lt. BFG
1.546,62 €
Summe der tatsächliche Kosten aus eigener Behinderung lt. Erkenntnis
12.906,43 €

Nichtzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof war daher unzulässig.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



-G/07
-G/10
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104444.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at