Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 09.06.2021, RV/5100384/2021

Zurückweisung einer verspätet eingebrachten Beschwerde vor Erledigung eines offenen Wiedereinsetzungsantrages; Unwirksamkeit der Zurücknahme eines Vorlageantrages bei Beisetzen einer Bedingung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Ulrich Petrag in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Pölzleithner Wirtschaftstreuhand KG Steuerberatungsgesellschaft, Stadtplatz 22, 4690 Schwanenstadt, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) hat am seine Erklärung zur Einkommensteuer für das Jahr 2018 beim Finanzamt ***1*** (im Folgenden: Finanzamt) eingereicht, wobei ein Verlust aus Gewerbetrieb von - € 1.936,35 erklärt wurde. Dabei wurden Betriebseinnahmen von € 10.200,65 und Betriebsausgaben aus dem Titel Reise- und Fahrtspesen iHv € 12.137,00 erklärt. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hat der Bf. lediglich die berufliche Tätigkeit mit Zeitungszusteller sowie LKW-Fahrer angegeben.

Mit Bescheid vom veranlagte das Finanzamt den Bf. zur Einkommensteuer für das Jahr 2018, wobei Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 5.324,24 (Gewinn) angesetzt wurden. Die Abweichung von der Erklärung wurde damit begründet, dass das betrieblich genutzte KFZ überwiegend für den Betrieb verwendet wurde und deshalb nur die tatsächlichen Kfz-Kosten als Betriebsausgaben abgezogen werden können. Diese Kosten wurden mit 40% der Einnahmen geschätzt. Tagesgelder wurden wegen der regelmäßigen Fahrten nicht berücksichtigt. Schließlich wurde bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb noch der Gewinnfreibetrag (Grundfreibetrag) berücksichtigt. Daneben wurden - nach Abzug des Pauschbetrages für Werbungskosten von € 132 - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 10.262,99 angesetzt (darin waren auch vom AMS bezogene Einnahmen aufgrund der in
§ 3 Abs. 2 EStG 1988 vorgesehenen Kontrollrechnung von € 6.768,40 enthalten).

Dieser Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 wurde dem Bf. am in dessen Databox via Finanzonline wirksam zugestellt. Festgestellt wird, dass der Bf. im Zeitpunkt der Zustellung des Einkommensteuerbescheides für 2018 vom über einen aufrechten Finanzonline-Zugang verfügt und auch nicht gemäß § 5b Abs. 3 2. Satz FOnV 2006 (BGBl II 2006/97) auf die elektronische Zustellung verzichtet hat. Diese Feststellung ergibt sich aus den Datenbanken der Finanzverwaltung und wird auch vom Bf. nicht in Abrede gestellt. Vielmehr führt der Bf. in seinem Vorlageantrag vom dazu lediglich an, dass ihm nicht bekannt gewesen wäre, dass er einen Zugang zu Finanzonline hat.

Mit am abgesendeten Schreiben brachte der Bf. einen "Einspruch" gegen den Steuerbescheid 2018 ein. Dieser Einspruch ist als Beschwerde zu werten und wurde diese Beschwerde wie folgt begründet:

Das vom Bf. in der Einkommensteuererklärung für 2018 vom angesetzte Kilometergeld wäre abgelehnt worden, weil der Bf. angeblich das KFZ überwiegend betrieblich nutzen würde.

Tatsächlich würde sich die Nutzung des Kfz wie folgt darstellen:

Zeitungszustellung an 229 Tagen im Jahr 2018 (betrieblich): 22.900 km

Drei Fahrten in die ***2*** am , und je Fahrt circa 6.000 km: 18.000 km
Fahrt in die ***7*** in ***3*** 3x wöchentlich (46 km x 42 Wochen x 3): 5.796 km
Private Fahrten 2018: 23.796 km

Der Bf. würde daher um Berücksichtigung des ursprünglichen Betrages von € 9.618,00 ersuchen, weil die überwiegende betriebliche Nutzung nicht gegeben wäre. Mit der Streichung der Taggelder wäre der Bf. einverstanden.

In diesem Schreiben ersuchte der Bf. auch um Einsetzung in den vorigen Stand, weil der Bf. den Einkommensteuerbescheid 2018 nicht erhalten hätte.

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom gemäß § 260 BAO zurück und begründete diese Zurückweisung wie folgt:

Der gegenständliche Bescheid wäre am (Anmerkung: richtig ) erlassen und elektronisch (Databox FinanzOnline) zugestellt worden. Die Beschwerdefrist beträgt 1 Monat ab Zustellung des Bescheides. Die Beschwerde war daher als nicht fristgerecht zurückzuweisen.

Daneben enthielt die Beschwerdevorentscheidung noch folgende Ausführungen, die als Hinweis bezeichnet wurden:

Gemäß § 308 BAO ist das Verfahren in den vorigen Stand wiedereinzusetzen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis verhindert war, eine Frist einzuhalten. Die Aussage, den Einkommensteuerbescheid nicht erhalten zu haben wäre nicht haltbar, weil die Zustellung elektronisch via FinanzOnline erfolgte. Sonstige Gründe für eine allfällige Unvorhersehbarkeit oder Unabwendbarkeit wurden im Schreiben nicht angeführt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht möglich.

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt am eingelangt, stellte der Bf. einen Vorlageantrag betreffend seine Beschwerde vom und brachte in diesem vor, dass ihm nicht bekannt gewesen wäre, dass er überhaupt einen Zugang für Finanzonline gehabt habe. Die Steuererklärung für 2018 wäre in Papierform erstellt und auch so in den Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen worden. Der Bf. würde keinen Computer besitzen und wäre auch nicht in der Lage, bei Finanz Online einzusteigen. Der Bf. habe jemanden gebeten, ihm beim Ausfüllen des Formulars zu helfen. Der Bf. hätte auf die Zustellung eines Bescheides gewartet, der nie eingetroffen wäre. Es wäre auch heute bei der Abfrage der Bescheid für 2018 im Postfach nicht gefunden worden. Somit wäre dem Bf. auch nicht bekannt gewesen, dass die Daten seines Formulars nicht in der gewohnten Weise (wie im Jahr 2017) angenommen worden wären. Eine Anfrage beim ***4*** für die Zeitungszusteller hätte ergeben, dass kein einziger Fall bekannt wäre, wo das Km-Geld nicht anerkannt und von Behördenseite vermindert worden wäre.

Durch familiäre Probleme wäre der Bf. im Jahr 2018 gezwungen gewesen, 3 x mit dem Auto in die ***2*** für Behördenerledigungen zu fahren.

Der Bf. wäre seit unselbständig erwerbstätig als LKW-Fahrer. Der Bf. hätte keine Kenntnisse über Steuervorschriften, EDV und würde Deutsch nur sehr eingeschränkt verstehen. Der Bf. wäre seit vielen Jahren Österreicher und hätte bisher nie Probleme gehabt.

Der Bf. ersuche um neuerliche Überprüfung der Angelegenheit. Durch die Reduzierung des Km-Geldes hätte sich sein Einkommen für 2018 rein theoretisch erhöht, und er müsse dem AMS
€ 6.676,21 für 2018 zurückbezahlen. Durch vorübergehende Kurzarbeit könne der Bf. gerade seine laufenden Kosten decken. Der Bf. wäre nicht in der Lage diese Zahlung zu leisten.

Am brachte der Bf. über Finanzonline eine Ergänzung des Vorlageantrages vom ein, in der er folgendes Vorbringen erstattete:

Es wäre eine Databoxabfrage per heute hochgeladen worden: Dort wäre der Einkommensteuerbescheid 2018 nicht ersichtlich. Beim dem mittlerweile ausgedruckten Steuerbescheid 2018 würden die Unterhaltszahlungen für seine 2 Kinder in der ***2*** von monatlich € 130,00 fehlen, somit insgesamt € 1.560,00 an die ***5***. Der Bf. ersuche um Ergänzung dieses Betrages bei den außergewöhnlichen Belastungen. Im Jahr 2018 hätte der Bf. als Zeitungszusteller einen größeren Zustellbereich bedient, deshalb wären auch höhere KM-Geldbeträge angefallen. Bisher wäre das Km-Geld immer anstandslos anerkannt worden. In diesem Jahr hätte der Bf. sehr hohe Reparaturkosten bei einem Auto gehabt, da der Bf. so viele km gefahren wäre. Die Rechnungen hätte der Bf. leider nicht aufgehoben und der Inhaber der KFZ-Werkstatt wäre tödlich verunglückt. Dort könne er auch nicht mehr nachschauen lassen. Für die Zustellung wäre der Bf. insgesamt 22900 km gefahren. Seit arbeite der Bf. bei der Fa. ***6*** als Fahrer. Der Bf. arbeite nicht mehr als Zusteller. Der Bf. ersuche daher um Stornierung aller Einkommensteuervorauszahlung für 2019 und 2020. Die Meldung, dass er seine Zustelltätigkeit aufgegeben habe, hätte er leider nicht durchgeführt. Der Bf. ersuche um Richtigstellung.

Mit Schreiben vom stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2018.

Am brachte der Bf. folgendes Anbringen via Finanzonline beim Finanzamt ein:

Der Bf. hätte heute einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend seinen Einkommensteuerbescheid 2018 gestellt. Wenn dieser Antrag bearbeitet wird, möchte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde betreffend den Bescheid über die Beschwerdevorentscheidung gem. § 260 BAO vom , eingebracht am zurückziehen.

Am erließ das Finanzamt an den Bf. betreffend den mit Schreiben vom eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einen Mängelbehebungsauftrag mit Fristsetzung bis , in dem der Bf. zur Angabe der Umstände aufgefordert wurde, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung notwendig sind und zur Darstellung wann das Hindernis im Sinn des § 308 Abs. 3 BAO aufgehört hat.

Diesem Mängelbehebungsauftrag ist der Bf. nicht nachgekommen.

Bis dato ist vom Finanzamt über den Wiedereinsetzungsantrag vom nicht bescheidförmig abgesprochen worden.

Betreffend den mit Anbringen vom gestellten Wiederaufnahmeantrag ist am ein Ergänzungsersuchen an den Bf. ergangen, das am vom Bf. beantwortet wurde.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1 Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

Gemäß § 245 Abs. 1 1. Satz BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Da der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2018 am erlassen und die Beschwerde gegen diesen Bescheid erst am eingebracht wurde, ist unzweifelhaft die in § 245 Abs. 1 1. Satz BAO normierte Frist nicht eingehalten worden.

Der Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2018 ist auch an den Bf. - wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt - am wirksam auf elektronischem Weg über dessen Databox zugestellt worden.

Soweit der Bf. im Vorlageantrag vorbringt, dass ihm nicht bekannt gewesen wäre, dass er überhaupt einen Zugang für Finanzonline habe bzw. er keinen Computer besitzen würde und nicht in der Lage wäre bei Finanzonline einzusteigen, ist festzuhalten, dass der Zeitpunkt, an dem Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, bei entsprechender Nutzung von FinanzOnline (Aktivierung der elektronischen Zustellung laut § 5b FOnV 2006) der Zeitpunkt der (erstmaligen) Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat, ist (ErlRV 270 BlgNR XXIII. GP 13; ). Ob der Empfänger, der über einen aufrechten FinanzOnline-Zugang verfügt, tatsächlich in die Databox Einsicht nimmt (z.B. Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (vgl. zB ; ; , RV/5101248/2014 u.a.m.).

Betreffend das Anbringen des Bf. vom , mit dem der Vorlageantrag zurückgezogen wird, wenn der vom Bf. gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2018 bearbeitet wird, ist auszuführen, dass die Zurücknahme des Vorlageantrages unter Beisetzung einer Bedingung (nämlich die Bearbeitung des gestellten Wiederaufnahmeantrages) gestellt wurde. Die bedingte Zurücknahme eines Rechtsmittels ist wirkungslos (vgl. Ritz, BAO6, Tz 7 zu § 256 BAO mwN; zu einem unter einer Bedingung gestellten Vorlageantrag: ; ), sodass der am gestellte Vorlageantrag nach wie vor aufrecht ist.

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist daher die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, weil sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Zum offenen Wiedereinsetzungsantrag vom ist anzumerken, dass dieser der Zurückweisung der Beschwerde nicht entgegenstand. Nach der seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates () bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht ein offener Wiedereinsetzungsantrag der Zurückweisung einer Eingabe als verspätet nicht entgegen (siehe zB ; ; ; ). Der im gegenständlichen Fall offene Wiedereinsetzungsantrag wird nach Ergehen dieses Zurückweisungsbeschlusses vom Finanzamt als der hierfür gemäß § 310 Abs. 1 BAO zuständigen Behörde zu erledigen sein.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dieser Zurückweisungsbeschluss nichts daran ändert, dass das Finanzamt auch verpflichtet ist, über den gestellten Wiederaufnahmeantrag vom zu entscheiden und bei einer Stattgabe einen neuen Sachbescheid betreffend Einkommensteuer 2018 zu erlassen haben wird.

2.2 Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat sich bei der rechtlichen Beurteilung des beschwerdegegenständlichen Sachverhaltes an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehalten, weswegen eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5b FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100384.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at