Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.07.2021, RV/3100313/2021

Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde (§ 278 BAO)

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, beschlossen:

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2019 vom und die Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) war im Jahr 2019 als Dienstnehmer in der Gastronomie als Koch beschäftigt. Am reichte der Bf. die Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2019 beim Finanzamt ein. Mit Schreiben des Finanzamtes (Ersuchen um Ergänzung) vom wurde der Bf. darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber den Familienbonus Plus bei der Lohnsteuerberechnung berücksichtigt habe, der Bf. allerdings den Familienbonus Plus in der eingereichten Einkommensteuererklärung 2019 nicht beantragt habe. Der Bf. werde diesbezüglich um Aufklärung ersucht, ob er die Zuerkennung des Familienbonus Plus beantrage oder nicht. Dieses Ergänzungsersuchen wurde vom Bf. nicht beantwortet.

2. Im Einkommensteuerbescheid 2019 vom hat das Finanzamt den Familienbonus Plus nicht berücksichtigt.

3. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom wurde vom Bf. unter Hinweis auf die dem Finanzamt als Beilage zur Beschwerde übermittelten Lohnabrechnungen die Zuerkennung des Familienbonus Plus begehrt.

Am richtete das Finanzamt an den Bf. ein Schreiben (Ergänzungsersuchen zur eingereichten Beschwerde), mit dem der Bf. hinsichtlich geltend gemachter Aufwendungen (Pendlerpauschale, Arbeitsmittel, Familienbonus Plus, Kosten für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes) um Aufklärung bzw. Nachweisführung ersucht wurde. Konkret zu Arbeitsmitteln wurde der Bf. zur "Vorlage von Rechnungen und Zahlungsbelegen der beantragten Arbeitsmittel in Höhe von 400,- € und der beantragten sonstigen Werbungskosten in Höhe von 120,- €" aufgefordert.

Mit Eingabe vom ist der Bf. diesem Ergänzungsersuchen nachgekommen.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Bescheid vom dahingehend abgeändert, als das Pendlerpauschale in Höhe von 294,80 Euro, der Pendlereuro in Höhe von 24,10 Euro, der Familienbonus Plus in Höhe von 1.500 Euro und die Kosten für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes in Höhe von 550 Euro berücksichtigt wurden. Weiters wurden u.a. unverändert wie im Erstbescheid vom in der Beschwerdevorentscheidung "Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte", in Höhe von 300 Euro als abzugsfähig zuerkannt.

5. Dagegen wurde vom Bf. der Vorlageantrag vom eingebracht.

6. Der eingebrachte Vorlageantrag wurde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ).

Im Vorlagebericht wurde seitens des Finanzamtes folgende Stellungnahme angeführt: "Gemäß § 16 EStG 1988 sind Werbungskosten eines Arbeitnehmers Aufwendungen oder Ausgaben, die beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen oder Ausgaben objektiv im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit stehen und subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und nicht unter ein steuerliches Abzugsverbot fallen.

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid des Jahres 2019 wurden 300 € für Arbeitsmittel als Werbungskosten berücksichtigt. Laut Antwortschreiben vom setzt sich dieser Betrag aus Kosten für Kochjacken, Messerset und Handy bzw. Internet zusammen. Der Bf. arbeitete im Jahr 2019 als Koch, weshalb die Kosten für die Kochjacken und das Messerset zu Recht berücksichtigt wurden. Für die Internet- bzw. Handykosten ist keine berufliche Veranlassung gegeben, weshalb diese nicht zu berücksichtigen sind. Insgesamt sind Werbungskosten in der Höhe von 98,10 € zu berücksichtigen.

Es wird sohin beantragt, das Bundesfinanzgericht möge Arbeitsmittel in der Höhe von 98,10 €, das Pendlerpauschale in Höhe von 294,80 €, den Pendlereuro in Höhe von 24,10 €, den Familienbonus Plus in Höhe von 1500 € und die Kosten für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes in Höhe von 550 € berücksichtigen.

Im übrigen möge die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt, Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Der Bf. war im Jahr 2019 als Dienstnehmer in der Gastronomie als Koch tätig.

Im Vorlagentrag vom wird seitens des Bf. der Ansatz bzw. die Höhe der vom Finanzamt angesetzten einkommensteuermindernden Posten nicht beanstandet. Der Bf. bringt vor, dass die im Erstbescheid vom ausgewiesene Nachforderung von 1.368 Euro eine "fehlerhafte Zahlungsverpflichtung" darstelle und "storniert" werden müsse. Im Ergebnis wird vom Bf. eine Zahlung seitens des Finanzamtes in Höhe von 1.493 Euro begehrt, was der Bf. aus der in der Beschwerdevorentscheidung vom (am Ende) ausgewiesenen "Abgabengutschrift" in Höhe von 1.493 Euro abgeleitet wissen will.

Damit verkennt der Bf., dass die "Abgabengutschrift" von 1.493 Euro in der Beschwerdevorentscheidung vom aber auch aus der "Rückgängigmachung" der aus dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom resultierenden "Nachforderung", die auf dem Abgabenkonto des Bf. als Lastschrift gebucht worden war, resultiert. Die Einkommensteuer 2019 wurde in der Beschwerdevorentscheidung vom auf Grundlage der in der Beschwerdevorentscheidung verarbeiteten Daten (zB Meldung Lohnzettel, Werbungskosten, etc) rechnerisch somit zu Recht mit einem Betrag in Höhe von "- 125,00 €" festgesetzt.

Seitens des Finanzamtes wird in der Stellungnahme des Vorlageberichtes vom beantragt, das Bundesfinanzgericht möge die Werbungskosten für Arbeitsmittel anstatt wie bisher vom Finanzamt in Höhe von 300 Euro mit einem verminderten Betrag in der Höhe von 98,10 Euro berücksichtigen. Seitens des Finanzamtes wird dazu auch vorgebracht, für "die Internet- bzw. Handykosten ist keine berufliche Veranlassung gegeben, weshalb diese nicht zu berücksichtigen sind." Dazu ist darauf hinzuweisen, dass bei Telefonkosten, welche weder in die Gruppe der ausdrücklich abzugsfähigen Werbungskosten noch in die Gruppe der nach § 20 EStG ausdrücklich vom Abzug ausgeschlossenen Aufwendungen fallen, auf die Veranlassung abzustellen ist (vgl. zB , unter Hinweis auf Vorjudikatur; vgl. auch Marschner in Jakom EStG, 14. Aufl. (2021), § 4 Rz 330, unter Hinweis auf Judikatur; ebenso die Finanzverwaltungspraxis iSd Lohnsteuerrichtlinien 2002, Rz 391, unter Hinweis auf VwGH-Judikatur). Insoweit das Finanzamt die Ansicht vertritt, dass im Rahmen des Berufes eines Kochs für sich allein betrachtet bzw. schon im Vorhinein keine beruflich veranlassten Telefonate vorliegen könnten und Kosten für Telefon wie auch Handy oder Internet keinesfalls als Werbungskosten zu berücksichtigen wären, wird dem seitens des Bundesfinanzgerichts nicht zugestimmt und wären diesbezüglich Erkundigungen beim Abgabepflichtigen hinsichtlich einer allfällig beruflichen Veranlassung vorzunehmen.

Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs. 1 BAO).

Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Die aufhebende (die Sache an die Abgabenbehörde zurückverweisende) Beschwerdeerledigung setzt voraus, dass Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderlassung hätte unterbleiben können (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 278 Rz 9).

Hiezu ist seitens des Bundesfinanzgerichts anzumerken, dass das Finanzamt gegen die in § 115 Abs. 1 BAO normierte Ermittlungspflicht verstoßen hat. Dies deshalb, da (zumindest) nach Einlangen der vom Bf. angeforderten Unterlagen bzw. Nachweise zu den geltend gemachten Arbeitsmitteln (angefordert durch das Finanzamt mit Ergänzungsersuchen vom ; Übermittlung durch den Bf. an das Finanzamt mit Eingabe des Bf. vom ) und vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom jedenfalls sachverhaltsmäßige Feststellungen zu treffen gewesen wären. Festzustellen wäre gewesen, inwieweit die vom Bf. geltend gemachten Werbungskosten beruflich veranlasst sind bzw. wären insbesondere Erkundigungen hinsichtlich einer allfällig beruflichen Veranlassung der beantragten Internet- und Handykosten anzustellen und im Rahmen des Beweisverfahrens diesbezügliche Feststellungen zu treffen gewesen.

Dies wurde seitens des Finanzamtes, soweit ersichtlich, unterlassen.

Zudem ist es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch zweifelsfrei nicht ausgeschlossen, dass bei Vornahme der gebotenen Sachverhaltsermittlungen seitens des Finanzamtes ein anders lautender Bescheid erlassen werden hätte können.

Die Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde liegt im Ermessen. Zur Ermessensübung (zu § 66 Abs 2 AVG) weist der VwGH (, 2002/20/0315, ZfV B 2004/234) darauf hin, es würde die Anordnungen des Gesetzgebers (über ein zweitinstanzliches Verfahren) unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es sei nicht im Sinn des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 278 Rz 5).

Das Bundesfinanzgericht müsste im vorliegenden Fall bei Fällung einer Sachentscheidung erstmalig konkrete Sachverhaltsermittlungen durchführen, erstmals daran anschließend den entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen und in der Folge auf dieser Grundlage erstmals eine einkommensteuerliche Beurteilung vornehmen.

Für die Ermessensübung (§ 20 BAO) zu Gunsten einer Bescheidaufhebung spricht für den vorliegenden Fall, dass dem Bf. der volle Instanzenzug erhalten bleiben soll (vgl. Ritz, aaO). Im vorliegenden Fall müsste das Bundesfinanzgericht allerdings erstmals über verschiedene vom Bf. beantragte Aufwendungen und deren Abzugsfähigkeit als Werbungskosten entscheiden.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit der Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100313.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at