Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2021, RV/6100111/2021

Beschwerdevorentscheidung ohne Vorliegen einer Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache der Bf, über die vermeintliche Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:

Die Beschwerdevorentscheidung vom des Finanzamtes Österreich wird wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufgehoben.

Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom der belangten Behörde wurde einerseits das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2020 wiederaufgenommen, da ein Lohnzettel berichtigt oder neu übermittelt und/ oder eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe berichtigt oder neu übermittelt worden sei, und andererseits wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2020 - neu - mit € 1.086,00 festgesetzt.

Am brachte die Beschwerdeführerin über FinanzOnline folgende Beschwerde ein und führte zur Begründung aus:

"Beschwerde gemäß § 243 BAO gegen den Wiederaufnahmebescheid
vom für den Zeitraum 2020:

Bei dem Wiederaufnahmebescheid vom könne ewas nicht stimmen, ich bin alleinerziehende Mutter mit 50%iger Behinderung und beziehe REHA-Geld und sollte 1.085 € Steuer nachzahlen. Ich bitte Sie das nochmals zu überprüfen, ich habe noch nie eine Nachzahlung beim Steuerausgleich gehabt".

Mit Datum wurde seitens des Finanzamtes eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit welcher die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 vom als unbegründet abgewiesen wurde:

"Der Bescheid über die Wiederaufnahme des Einkommensteuerbescheides 2020 vom wurde nochmals überprüft und als richtig befunden. Bei Auszahlung von Bezügen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung sind vom Versicherungsträger 25 % Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge € 30,- täglich übersteigen. Die Pauschalbesteuerung ist nur eine vorläufige Maßnahme. Die richtige Versteuerung nach Tarif erfolgt bei der Arbeitnehmerveranlagung. Daher liegt beim Zufluss von Bezügen aus der gesetzlichen Krankenversorgung ein Pflichtveranlagungstatbestand vor. Die Nachforderung wurde richtig errechnet. Die Wiederaufnahme gemäß § 303(4) BAO erfolgte aufgrund der nachträglich übermittelten Meldungen (Krankengeld) der Österreichischen Gesundheitskasse. Ihr Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung wurde am elektronisch eingebracht. Der Bescheid dazu erging am . Die Meldungen über den Krankengeldbezug erfolgten zu einem späteren Zeitpunkt, daher wurde eine automatische Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303(4) BAO ausgelöst. Ihre Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."

Gegen die "Ablehnung der Beschwerde für 2020 vom " brachte die Bf eine"Beschwerde gemäß § 243 BAO"ein, die seitens des Finanzamtes als Vorlageantrag gewertet und samt Verwaltungsakt mit Vorlagebericht vom an das Bundesfinanzgericht übermittelt wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

In der gegenständlichen Beschwerdesache steht nach Aktenlage das Folgende fest:

  • Die belangte Behörde hat mit Datum sowohl einen Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuerbescheid 2020 als auch einen (neuen) Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 erlassen.
    Einen konkreten Wiederaufnahmegrund zeigen die Bescheide nicht auf.

  • Die Bf hat mit Datum eine Beschwerde gemäß § 243 BAO gegen den Wiederaufnahmebescheid 2020 vom eingebracht.

  • Das Finanzamt hat mit Datum folgenden Bescheid erlassen:
    "Einkommensteuerbescheid 2020
    Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO

    Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom wird als unbegründet abgewiesen
    ."

  • Die Bf hat daraufhin eine Beschwerde gemäß § 243 BAO gegen den "Bescheid Ablehnung Beschwerde 2020 vom eingebracht, welche von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet wurde.

Beweiswürdigung

Die vom Bundesfinanzgericht getroffenen Feststellungen ergeben sich unbedenklich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt. Dass eine Beschwerdevor-entscheidung über die Beschwerde vom betreffend den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens tatsächlich nicht erlassen wurde, wurde im Zuge eines am geführten Telefonates von der Amtsbeauftragten des Finanzamtes bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 262 BAO lautet:

Abs. 1: Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Abs. 2: Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,

a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und

b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiefür nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. (, ).

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Gegenständlich hat die Bf. einen mit datierten Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2020 erhalten und dagegen mit Schriftsatz vom eine Beschwerde eingebracht.

Das Finanzamt hat mit Beschwerdevorentscheidung vom über eine Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 abgesprochen.

Eine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 liegt jedoch unstrittig nicht vor.

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes ().

Da somit im gegenständlichen Fall keine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 eingebracht wurde, ist die Beschwerdevorentscheidung vom mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Der Vorlageantrag der Bf. vom war jedoch grundsätzlich zulässig, da zwar eine rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorgelegen ist (vgl. , , RV/7103328/2016).

Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom war daher durch das Bundesfinanzgericht zur Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrenszustandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufzuheben.

Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus (§ 264 Abs.1 BAO).

Was die tatsächlich von der Bf am eingebrachte Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2020 anbelangt, ist festzuhalten:

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und der Sachbescheid haben jeweils für sich Bescheidqualität, jeder dieser Bescheide ist für sich einer Beschwerde zugänglich und für sich rechtskraftfähig ().

Die tatsächlich eingebrachte Beschwerde der Bf vom richtet sich gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens und wurde seitens des Finanzamtes bisher keiner Erledigung zugeführt. Das Finanzamt bleibt somit weiterhin gemäß § 262 Abs. 1 BAO für die Entscheidung über den Verfahrensbescheid zuständig und hat über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid gemäß § 303 BAO betreffend Einkommensteuer 2020 verpflichtend mittels Beschwerdevorentscheidung abzusprechen.

Eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes ist (derzeit) nicht gegeben.

4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall war die Revision nicht zuzulassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt, durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist und die Tatfrage, ob eine Beschwerde erhoben wurde, der Revision nicht zugänglich ist ().

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100111.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at