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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.06.2020, RV/2300006/2020

Beantragte Akteneinsicht des Masseverwalters einer GmbH in das gegen den Geschäftsführer der GmbH geführte Finanzstrafverfahren

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des M als Masseverwalter der X.Gmbh, Adresse, vertreten durch V, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde vom , ***1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Über das Vermögen der X.Gmbh wurde mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom Datum, GZ, das Konkursverfahren eröffnet und M zum Masseverwalter bestellt. Die Gesellschaft wurde infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst.

In der an das Finanzamt Graz-Stadt gerichteten Eingabe vom beantragte M als Masseverwalter der X.Gmbh als Nebenbeteiligter die Übermittlung einer Abschrift der im Finanzstrafverfahren gegen den Geschäftsführer der X.Gmbh wegen der Nichtabfuhr von Lohnabgaben im Zeitraum Mai 2017 bis Juni 2018 von diesem sowie der Prokuristin B und des steuerlichen Vertreters C getätigten Aussagen.
Es sei offenkundig, dass die X.Gmbh zur Haftung für die verkürzten Lohnabgaben herangezogen werden könne, die im Zuge der von der steuerrechtlichen Vertreterin der X.Gmbh eingebrachten Selbstanzeige offengelegt worden seien. Entsprechende Haftungsbescheide für die Lohnsteuern 2017 und 2018 seien dem Antragsteller am zugestellt worden.
Die X.Gmbh, vertreten durch den Masseverwalter, sei daher Nebenbeteiligte im Sinne des § 76 lit. b FinStrG , weshalb ihr gemäß § 79 Abs. 1 FinStrG das Recht auf Akteneinsicht zustehe.

Mit dem an die X.Gmbh adressierten Bescheid vom wies das Finanzamt Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde den Antrag als unbegründet ab.
Die X.Gmbh unterliege als Verband dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz , weshalb die mit BGBl I 2005/161 aufgehobene Haftungsbestimmung des § 28 FinStrG gemäß § 28 FinStrG auf sie nicht mehr anwendbar sei. Da gegen die X.Gmbh keine Ermittlungsmaßnahmen gesetzt bzw. kein Finanzstrafverfahren im Sinne des § 83 FinStrG eingeleitet worden sei, sei diese weder als Verdächtige noch als Beschuldigte anzusehen.

Gegen den Bescheid erhob M als Masseverwalter der X.Gmbh das Rechtsmittel der Beschwerde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, die beantragte Akteneinsicht zu gewähren.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde eine Beschwerde, die gegen einen von ihr erlassenen Bescheid eingebracht worden ist, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Beschwerde nicht zulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Steuerpflichtigen wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 1 Abs. 1 KO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Masseverwalter für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinne des § 80 BAO ( mit Verweisen auf die Vorjudikatur).

Der Antrag auf Akteneinsicht bezieht sich im Hinblick auf das vom Masseverwalter geltend gemachte rechtliche Interesse (Haftung der Gesellschaft für vom Geschäftsführer verkürzte Abgaben bzw. Haftung für Geldstrafen nach § 28 FinStrG) auf deren konkursverfangenes Vermögen, weil eine Haftung wirtschaftlich eine Verminderung der Masse zur Folge hätte. Der Antrag auf Akteneinsicht betrifft daher das zu Insolvenzmasse gehörige Vermögen der X.Gmbh, weshalb der angefochtene Bescheid an den Insolvenzverwalter zu richten gewesen wäre.
Adressat des hier Abweisungsbescheides vom war hingegen die X.Gmbh (die Zustellung erfolgte zu Handen M).

Ungeachtet des Umstandes, dass das Schriftstück dem Vertreter der Gesellschaft zugestellt wurde, erfolgte keine (rechtmäßige) Zustellung des Abweisungsbescheides, weil dieser an die konkursverfangene Gesellschaft und nicht an den Masseverwalter gerichtet war und somit keine Wirksamkeit erlangt hat. Der Mangel der materiellen Falschbezeichnung der Adressatin kann nicht durch die Zustellung der Sendung nach § 13 Abs. 4 ZustG an den Masseverwalter als Zustellbevollmächtigten geheilt werden.

Die Beschwerde gegen einen solchen Nichtbescheid ist unzulässig, weshalb diese gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG zurückzuweisen war.

Zur Information des Antragstellers wird ausgeführt:

Der Arbeitgeber ist bei jeder Lohnzahlung an seine Arbeitnehmer zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer verpflichtet (siehe § 78 ff. EStG 1988 ).
Gemäß § 82 BAO haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.
Die Geltendmachung der Haftung erfolgt mittels Haftungsbescheid.
Nach der Aktenlage (Kontoabfrage vom ) wurden nach der Konkurseröffnung über die X.Gmbh nach einer abgabenbehördlichen Prüfung am Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2016 bis 2018 gegenüber dem Masseverwalter der Gesellschaft erlassen.
Gegen diese Bescheide wurde kein Rechtsmittel eingebracht, weshalb diese in Rechtskraft erwachsen sind.
Dass dem Masseverwalter die Akteneinsicht in Unterlagen der Betriebsprüfung (etwa in den Bericht über die Außenprüfung) verweigert wurde, wird ebenso wenig vorgebracht wie ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht (etwa für eine Wiederaufnahme des Verfahrens).

Gemäß § 76 lit. b FinStrG sind Nebenbeteiligte Personen, die nach § 28 zur Haftung herangezogen werden können (Haftungsbeteiligte).
Der mit BGBl I 2005/161 aufgehobene § 28 FinStrG ermöglichte die Haftungsinanspruchnahme juristischer Personen für das schuldhafte rechtswidrige Handeln ihrer Organe, die wegen Finanzvergehen zu Geldstrafen oder Wertersätzen verurteilt wurden.
Nach der Einführung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG , BGBl I 2005/151) und die Transformierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Verbänden in das Finanzstrafgesetz durch die Schaffung des § 28a FinStrG (Verantwortlichkeit von Verbänden) wurde die Haftungsbestimmung des § 28 Abs. 1 FinStrG aufgehoben.
Die in § 28 noch bestehenden Haftungen in Vertretungsfällen (Abs. 2) und die Dienstgeberhaftung (Abs. 3) sind nur im Verschuldensfall anwendbar und setzen gemäß § 28 Abs. 9 FinStrG voraus ("darf nur in Anspruch genommen werden"), dass über den Haftungspflichtigen nicht bereits eine Verbandsgeldbuße nach § 28a FinStrG zu verhängen ist.

Die X.Gmbh ist ein Verband im Sinne des § 1 Abs. 2 VbVG, weshalb im vorliegenden Fall eine Haftung nach § 28 nicht in Betracht kommt.

Unbestritten ist, dass gegen die X.Gmbh als Verbandsverantwortliche kein Strafverfahren im Sinne des § 83 FinStrG eingeleitet wurde bzw. anhängig ist, weshalb diese weder Beschuldigte noch Nebenbeteiligte eines Finanzstrafverfahrens ist. Anderen Personen als dem Beschuldigten und dem Nebenbeteiligten steht jedoch kein Recht auf Akteneinsicht zu (siehe § 251 FinStrG).

Eine Akteneinsicht nach der StPO ist im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren nicht zu prüfen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2300006.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at