Entstehung einer Einfuhrumsatzsteuerschuld ?
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/16/0077. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
Im Namen der republik
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi. in den Beschwerdesachen
1) ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** Tschechien
2) ***1***, ***Bf1-Adr*** Tschechien,
3) ***2***, ***Bf1-Adr*** Tschechien,
alle vertreten durch ALTHUBER SPORNBERGER & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, Doblhoffgasse 9, Top 14, 1010 Wien,
über die Beschwerden vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zahl ***4***, betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Verzugszinsen, zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom , Zahl ***4***, teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt (nunmehr Zollamt Österreich) den unter 1) bis 3) angeführten Beschwerdeführern wegen vorschriftswidrigem Verbringen von 657 Barren Silber zu 1 kg und 500 (richtig: 50) Barren Silber a 100 g gem. Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK eine Einfuhrumsatzsteuerschuld iHv. € 96.713,00 sowie Verzugszinsen iHv. € 317,96 mit.
Mit Eingabe vom wurde Beschwerde erhoben mit der Begründung, es sei nie beabsichtigt gewesen die Edelmetalle in das Gemeinschaftsgebiet zu verbringen, schon gar nicht diese dort zu verwenden oder verbrauchen. Die Edelmetalle seien von der Bank in Liechtenstein abgeholt worden um sie auf direktem Weg zu einer Bank in der Schweiz zu bringen. Im Navigationsgerät sei als Zielort Zürich und damit unbemerkt die Route über Österreich in die Schweiz eingegeben gewesen, so dass sie unvorbereitet zur Zollstelle Nofels gelangt seien. Bis zur Anhaltung hätten die Beschwerdeführer nicht einmal realisiert, dass sie an einer Zollstelle in Österreich angelangt waren. Sie seien von einer Verkehrskontrolle an der Grenze Liechtenstein - Schweiz ausgegangen.
Der Erstbeschwerdeführer spreche kein Deutsch und nur gebrochen Englisch, so dass die Protokollierung anlässlich der Aufnahme der Tatbeschreibung nicht dem tatsächlich gesagten entspreche. Auch sei die Abholung der im Hotel in ***X*** vergessenen Jacke erst bei der Rückreise aus Zürich geplant gewesen.
Darüber hinaus sei Voraussetzung für eine umsatzsteuerrelevante Einfuhr iSd. § 1 Abs. 1 Z 3 UStG, dass der Gegenstand gewollt aus dem Drittland in das Inland verbracht werde. Würden Gegenstände ohne menschlichen Willen über die Grenze gelangen (zB. verlaufene Tiere, irrtümlich mitgenommene Waren), sei eine umsatzsteuerrelevante Einfuhr erst dann gegeben, wenn dieser Gegenstand willentlich im Zollgebiet bleibe. Das Kriterium der "gewollten Einfuhr" sei daher nicht erfüllt.
Aufgrund des , Dansk Transport, gelten Waren iSd. Zoll- und Umsatzsteuerrechts erst dann als in das Zollgebiet der Union eingeführt, nachdem sie die erste innerhalb des Zollgebiets der Union liegende Zollstelle verlassen haben. Folglich liege eine Einfuhr iSd Art 30 Abs. 1 MwSt-SystRL nicht vor, wenn der Gegenstand beschlagnahmt worden sei, bevor er die Zone, innerhalb der sich die erste Zollstelle der Union befinde, physisch verlassen habe.
Selbst wenn man von einer umsatzsteuerrelevanten Einfuhr des Silbers ausgehe, entfalle trotzdem die Verpflichtung zur Entrichtung der vorgesehenen EuSt nach Maßgabe der §§ 19 Abs. 5, 26 Abs. 1 UStG iVm. Art. 124 Abs. 1 lit. k UZK. Auch wenn eine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinn unterstellt werden sollte, sei schon aus der Sachverhaltsdarstellung laut der behördlichen Mitteilung vom klar, dass das Silber nur kurzzeitig in das Zollgebiet gelangt sei ("nur schnell eine vergessene Jacke holen) und umgehend ohne jegliche Verwendung oder Verbrauch wieder ausgeführt worden sei.
Des Weiteren entstehe die EuSt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGHs -auch bei einem zollrechtlichen Pflichtverstoß- nur dort, wo die Ware verbraucht werde. Im vorliegenden Fall seien die Waren unmittelbar am Amtsplatz der Zollstelle Nofels beschlagnahmt worden. Somit sei ausgeschlossen, dass die Edelmetalle in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt und einem Verbrauch zugeführt worden seien.
Überdies sei der Anforderung einer gesetzmäßigen Begründung nicht entsprochen worden. Der bloße Hinweis auf durchgeführte Erhebungen reiche genauso wenig aus, wie ein bloßer Hinweis auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Darüber hinaus habe die Behörde die willentliche Einfuhr ins Zollgebiet der Union ausschließlich damit begründet, dass ihre Recherchen mittels Routenplaner ergeben hätten, dass der kürzeste Weg von Schaan in die Schweiz über Vaduz geführt hätte, ohne dabei österreichisches Staatsgebiet zu berühren und dass der Rückweg von Zürich nach Tschechien über die Zollstelle Höchst oder Lustenau vorschlagen worden sei.
Abschließend wurde eingewendet, dass den übrigen Zollschuldnerinnen (***1*** sowie ***2***) ohne jedes Beweisergebnis unterstellt worden sei über hinreichende Englischkenntnisse zu verfügen. Diese beiden würden weder Deutsch noch Englisch beherrschen, weshalb die Inanspruchnahme als Zollschuldnerinnen unzulässig sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , ***3***, wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass hinsichtlich des Grenzübertritts mit Waren auf der Zollstraße der Zollstelle Nofels eine Besonderheit bestehe welche auf der VO der ho Behörde vom (GZ. ***/2016) beruhe. An dieser Zollstelle des Zollamtes Feldkirch Wolfurt seien lediglich Waren zugelassen, welche von den Artikeln 138 bis 140 UZK-DA erfasst sind und durch als Zollanmeldung geltende Handlungen angemeldet werden können sowie gemäß Art 142 lit .c keinen Verboten und Beschränkungen unterliegen. Bei den vorliegenden Waren handle es sich allerdings um anmeldepflichtige bzw. eingangsabgabepflichtige Waren, die nicht als zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet gelten. Da sohin die gegenständlichen Waren nicht unter die erwähnten Gesetzesbestimmungen fallen, sei die Zollschuld bereits mit bloßen Passieren der Zollgrenze entstanden.
Die Einwände des Erstbeschuldigten, er habe bei Befragung die Edelmetalle keineswegs verschwiegen und diese davon informiert, dass er die "vergessene Jacke" in Feldkirch erst nach dem Banktermin in Zürich abholen wollte, sowie, dass diese Missverständnisse wahrscheinlich mangels Englischkenntnisse entstanden seien, seien unglaubwürdig. Als Zeugen einvernommen gaben diese an, der Erstbeschwerdeführer habe die Frage nach mitgeführten anmeldepflichtigen Waren und Bargeld mit Erklärung "zirka EUR 4.700,00" beantwortet. Auf die nochmalige Frage, ob er noch weiteres zum Anmelden habe, habe er erwidert, dass er nicht mehr Geld dabeihabe. Erst als er aufgefordert wurde auszusteigen, den Kofferraum zu öffnen und zum Inhalt der Koffer befragt, gab er "Silber" an.
Aus welchen Gründen die fraglichen Edelmetalle ins Zollgebiet der Union verbracht worden seien sei nicht ausschlaggebend für den eingetretenen Tatbestand, dass unzweifelhaft eine Zollschuld nach Art 79 Abs 1 lit a UZK entstanden sei. Er habe die Verpflichtung der Gestellung bzw. Abgabe einer Zollanmeldung für eingangsabgabenpflichtige Waren nach Art 139 ff iVm Art 79 Abs 1 UZK nicht eingehalten. Die Zollschuldentstehung nach Art 79 Abs 1 lit a UZK sei verschuldensunabhängig.
Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer seien nach Art 79 Abs 3 lit b UZK als Zollschuldnerinnen herangezogen worden, da sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ( sowie ) aus dem Wortlaut des Art 202 Abs 3 ZK ergebe, dass der Kreis derjenigen, die im Fall des vorschriftswidrigen Verbringens einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware als Zollschuldner in Frage kommen, weit zu fassen sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe alle Formalitäten mit den betreffenden Banken organisiert und somit sicherlich auch hinsichtlich den Grenzformalitäten Recherchen getätigt. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen seien im Fahrzeug und auch bei der Abholung des Silbers mit anwesend gewesen.
Zur Einfuhr nach § 1 Abs. 1 Z 3 UStG iVm. Art 2 Abs. 1 lit. d und Art 3o ff MwStSystRL
Die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer komme aus folgenden Gründen nicht zur Anwendung:
Im , FedEx, gehe es um die Frage der Doppelbesteuerung in einem weiteren Mitgliedstaat der Europäischen Union, wenn sich die Waren zuvor in einem anderen Land der Europäischen Union befunden haben und hierbei Zollverstöße festgestellt wurden. Verfahrensgegenständlich sei aber die Verbringung der Edelmetalle ins Zollgebiet der Union über das Zollamt Feldkirch Wolfurt, Zollstelle Nofels, erfolgt und auch hier festgestellt, ohne dass eine weitere darauffolgende Beförderung in einen anderen Mitgliedstaat erfolgt sei.
Das , Eurogate könne ebenfalls nicht auf den fraglichen Fall angewendet werden, weil sich vorliegend weder diese Warenin einem der in diesem Urteil erwähnten Verfahren (Zolllager) zum Zeitpunkt ihrer Wiederausfuhr befunden haben noch diese Nichtunionswaren wieder ausgeführt wurden. Die Edelmetalle seien ohne vorherige Bewilligung, Vorverfahren, etc. in das Zollgebiet der Union verbracht worden, ohne dabei eine Anmeldung abgegeben zu haben und bis dato nicht ausgeführt worden. Eine Ausdehnung dieses Urteils auf den fraglichen Sachverhalt wäre zu weit hergeholt und entspreche sicherlich nicht der Intention des Gesetzgebers
, Dansk Transport og Logistik
Dieses Urteil beziehe sich auf Fälle, in denen die betreffenden Waren (Zigaretten) sowohl beschlagnahmt als auch darauffolgend vernichtet worden sind. Dies treffe gegenständlich jedoch nicht zu. Eine Beschlagnahme nach § 89 FinStrG iVm. § 26 ZollR-DG sei zwar angeordnet, eine Einziehung des Silbers nach Art 124 Abs 1 lit e UZK sei jedoch nicht erfolgt.
Die Erlöschenstatbestände des Art 124 Abs 1 lit e und k UZK kommen ebenfalls nicht zur Anwendung, da einerseits die im Art 124 Abs 1 lit e UZK geforderte Einziehung nicht erfolgt ist.
Art. 124 Abs. 1 lit k UZK komme deshalb nicht zur Anwendung, da es zwar nicht erforderlich sei, dass es zuvor zu einer ordnungsgemäßen Überführung in ein Zollverfahren gekommen ist. Entscheidend sei aber das tatsächliche Verlassen des Zollgebiets der Union. Die gegenständlichen Waren seien aber noch im Zollgebiet der Union.
Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Vorlage der Entscheidung an das Bundesfinanzgericht gestellt. Dem Vorlageantrag war ein Gutachten des Univ. Prof. Dr. ***XY*** beigefügt, dass im Wesentlichen zur Ansicht gelangt, dass infolge der Beschlagnahme am Amtsplatz, des damit verbundenen Verfügungsverbots und daher mangels Eingehens in den Wirtschaftskreislauf der Union die Einfuhrumsatzsteuer nicht entstanden ist.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am wurde ein Fahrzeug mit amtlichem tschechischen Kennzeichen von Liechtenstein kommend am Amtsplatz des Zollamtes Feldkirch Wolfurt, Zollstelle Nofels, einer Kontrolle unterzogen. Im Fahrzeug befanden sich der Fahrer,der Erstbeschwerdeführer, dessen Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin. Die (auf Englisch) gestellte Frage nach anmeldepflichtige Waren und/oder Bargeld beantwortete er damit, zirka EUR 4.700,00 bei sich zu haben. Nachdem er angewiesen wurde, sein Fahrzeug an den rechten Straßenrand zu fahren, wurde er befragt, ob er neben dem bereits deklarierten Bargeld noch etwas Anderes anzumelden habe. Er erklärte, dass er kein weiteres Geld mit sich führe. Auf Verlangen händigte er den Beleg über die Auszahlung von genau EUR 4.700,00 aus. Er wurde aufgefordert den Kofferraum zu öffnen, wobei drei Koffer festgestellt wurden. Zum Inhalt befragt erklärte er, dass sich in den Koffern und in einer Tasche Silber befinde. Die Frage nach Gold verneinte er. Insgesamt wurden 657 Stück Silber in Barren zu je 1 kg sowie 50 Stück Silber in Barren zu je 100g, also insgesamt 662 kg Silber in Barren, gefunden.
Das Silber hatten die Beschwerdeführer zuvor bei einer Bank in Liechtenstein abgeholt um es zur einer Bank in Zürich zu bringen.
2. Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten und der Eingaben der Bf.
3. Rechtliche Beurteilung
4. Zu Spruchpunkt I.
Artikel 79 UZK Entstehen der Zollschuld bei Verstößen
(1) Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:
a) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,
b) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Endverwendung von Waren innerhalb des Zollgebiets der Union,
c) eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in ein Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren.
(2) Für das Entstehen der Zollschuld ist folgender Zeitpunkt maßgebend:
a) der Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtung, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht oder nicht mehr erfüllt ist,
b) der Zeitpunkt, zu dem die Zollanmeldung der Waren zum Zollverfahren angenommen worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in das Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren nicht erfüllt war.
(3) In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben a und b ist Zollschuldner,
a) wer die betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen hatte,
b) wer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war, und für Rechnung der Person handelte, die diese Verpflichtung zu erfüllen hatte, oder an der Handlung beteiligt war, die zur Nichterfüllung der Verpflichtung führte,
c) wer die betreffenden Waren erworben oder in Besitz genommen hat und zum Zeitpunkt des Erwerbs oder der Inbesitznahme der Waren wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war.
(4) In den Fällen nach Absatz 1 Buchstabe c ist Zollschuldner, wer die Voraussetzungen für die Überführung der Waren in ein Zollverfahren oder die Pflichten aus der Zollanmeldung der Waren zu diesem Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren zu erfüllen hat.
Werden Zollanmeldungen zu einem der in Absatz 1 Buchstabe c genannten Zollverfahren erstellt und werden den Zollbehörden nach den zollrechtlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Überführung der Waren in dieses Zollverfahren erforderliche Angaben übermittelt, die dazu führen, dass die Einfuhrabgaben nicht oder nur teilweise erhoben werden, so ist Zollschuldner auch, wer die für die Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass sie unrichtig waren.
§ 26 Abs. 1 UStG
Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredlungsverkehr. Eine Erstattung oder ein Erlaß der Einfuhrumsatzsteuer findet in den Fällen der Art. 116 bis 123 des Zollkodex statt, ausgenommen der Antragsteller ist in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt; diese Einschränkung gilt in den Fällen des des Art. 116 Abs. 1 lit. a des Zollkodex nicht, wenn ein ausdrücklicher Antrag auf Erstattung oder Erlaß der Einfuhrumsatzsteuer gestellt wird.
Durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften soll sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein- und derselben Behörde in einem Bescheid nach den gleichen Verfahren auf Grund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben wird.
Die Einreise erfolgte bei der Zollstelle Nofels. Mit der auf § 20 Abs. 5 ZollR-DG gestützten Verordnung ist die Einreise hier nur mit Waren zugelassen, die von den Artikeln 138 bis 140 UZK-DA erfasst sind und durch als Zollanmeldung geltende Handlungen angemeldet werden können. Das mitgeführte Silber entspricht den Voraussetzungen nicht so dass bereits im Zeitpunkt der Einreise die Zollschuld entstanden ist.
Auf Grund der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Einfuhr iSd. Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 MwStSystRL ist in Fällen einer auf einer Pflichtverletzung beruhenden Zollschuldentstehung nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a und b UZK nicht mehr in jedem Fall neben der Zollschuldentstehung auch von der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer auszugehen.
Zusätzlich hat der EuGH in der jüngeren Rechtsprechung ( und C-228/14 darauf verwiesen, dass, auf Grund des Verbrauchsteuercharakters der Einfuhrumsatzsteuer, die Waren auch tatsächlich einem Verbrauch, also einem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang zugeführt werden können.
Grundsätzlich besteht die Vermutung, dass neben der Zollschuld auch die Einfuhrumsatzsteuer bei Pflichtverstößen nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a und b UZK, bei vorschriftswidrigem Verbringen oder Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung entsteht. Wird aber nachgewiesen, dass die Waren trotz des zollrechtlichen Fehlverhaltens auf dem Gebiet eines Mitgliedsstaats in einem anderen Mitgliedsstaat in den Wirtschaftskreislauf gelangt sind, kann diese Vermutung widerlegt werden (, Federal Express Corporation).
Daraus folgt, dass auch nach der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Einfuhr iSd. Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 MwStSystRL in Fällen einer auf einer Pflichtverletzung beruhenden Zollschuldentstehung nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a und b UZK die Akzessorietät zwischen der Entstehung von Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer nicht vollständig aufgehoben ist. Von einem Automatismus der Zollschuld- und Einfuhrumsatzsteuerentstehung kann jedoch nicht mehr ausgegangen werden, wenn die Ware aufgrund besonderer Umstände nachweislich nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist (Jatzke, UR 2020, 585 - 590).
Neben der Zollschuld kann nur dann eine Mehrwertsteuer entstehen, wenn aufgrund des Fehlverhaltens, das zur Entstehung der Zollschuld führte, angenommen werden kann, dass die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt sind und somit einem Verbrauch, d.h. einem mit der Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden konnten (EuGH-Urt. Federal Express, Rn. 44 unter Verweis auf EuGH-Urt. Eurogate/DHL, Rn. 65; EuGH-Urt. Wallenborn, Rn. 54; s. auch FG Hamburg v. , 4 K 64/17, Rn. 27; v. , 4 K 123/15, Rn. 44). (Bender, AW Prax 2021, 241-247).
Von einem Eingehen in den Wirtschaftskreislauf kann aber dann (noch) nicht gesprochen werden, wenn eine Ware (hier: das Silber) zwar physisch über die Zollgrenze verbracht aber bereits unmittelbar am Amtsplatz der Zollstelle beschlagnahmt wurde, ohne das auch nur ansatzweise die Möglichkeit bestanden hat, dass die Ware am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen kann.
Die Beschlagnahme ist ein Eingriff zur Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft durch die zuständigen Behörden, mit dem die Waren sichergestellt werden und ihr Eintritt in den Wirtschaftskreislauf materiell verhindert wird (, RZ 92, 93).
Da im vorliegenden Fall unstrittig die Waren unmittelbar am Amtsplatz der Zollstelle Nofels beschlagnahmt und der Verfügungsgewalt der Besitzer entzogen wurden, sind diese nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen. Ein Verbrauch oder eine Verwendung im Zollgebiet hat und konnte auch nicht stattfinden, sodass die Einfuhrumsatzsteuer nicht entstanden ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Entscheidung auf die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützt, sind die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt und ist eine Revision daher nicht zulässig.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 26 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 89 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.1200008.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at