Zurückweisung der Beschwerde als verspätet bei elektronischer Zustellung der Bescheide
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde von ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Dr. X, Adr. vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg - Stadt (nunmehr FA Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2015 bis 2018 beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit b der Bundesabgabenordnung (BAO) als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.
Begründung
A. Sachverhalt
A/1. Das damals zuständige Finanzamt Salzburg - Stadt erließ gegenüber dem Beschwerdeführer (kurz: Bf.) für die Jahre 2015 bis 2018 am Einkommensteuerbescheide, in denen neben nichtselbständigen Einkünften auch sonstige Einkünfte festgesetzt wurden mit der Begründung, es handle sich um ausländische Einkünfte aus einer Lebensversicherungs AG. Da die angeforderten Unterlagen nicht eingereicht wurden, seien diese Einkünfte in Österreich zur Besteuerung herangezogen geworden.
Diese Bescheide wurden an den Bf. adressiert und an Dr. X als Erwachsenenvertreter des Bf. in dessen Databox zugestellt. Dr. X war vom Bezirksgericht Salzburg im Jahr 2004 als Sachwalter (nunmehr: Erwachsenenvertreter) zur Einkommensverwaltung des Bf. sowie zu dessen Vertretung vor Ämtern und Behörden bestellt worden.
Der Erwachsenenvertreter nimmt an FinanzOnline teil und hat der elektronischen Zustellung von Erledigungen im FinanzOnline System zugestimmt, indem er die dafür vorgesehene Rubrik aktiviert hat. Außerdem hat er von der in FinanzOnline angebotenen Möglichkeit, über elektronische Zustellungen per E-Mail informiert zu werden, Gebrauch gemacht und die Mailadresse seiner Kanzlei angeführt.
A/2. Die angefochtenen Bescheide zeigen in der elektronischen Signatur (jeweils letzte Seite des Bescheides) Datum und Zeit an (, 21:11:22 Uhr). Nach Auskunft der dafür zuständigen IT-Abteilung des BMF wurden die Bescheide am um 21.18 in die Databox des Erwachsenenvertreters zugestellt.
Mit Schriftsatz vom erhob der Bf. durch seinen Erwachsenenvertreter Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide. Diese Beschwerde wurde nachweislich am eingeschrieben zur Post gegeben.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom hat das nunmehr zuständige Finanzamt Österreich die Beschwerde abgewiesen. Aus den Begründungen ist jedoch klar erkennbar, dass es die Beschwerde als verspätet beurteilte. Demgemäß lautet der letzte Satz der BVEs: "Die Beschwerde ist zurückzuweisen."
Die BVEs zeigen in der elektronischen Signatur Datum und Uhrzeit mit , 10:43:51 Uhr an und wurden gemäß Auskunft der zuständigen IT-Abteilung des BMF am um 11.35 Uhr in die Databox des Erwachsenenvertreters zugestellt.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf., vertreten durch seinen Erwachsenenvertreter, die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin führte er aus, dass eine Zustellung der Bescheide am nicht gegeben sei. Die angefochtenen Bescheide trügen den Eingangsstempel vom . Sie seien an diesem Tag zugestellt worden. Zum Beweis werde die jeweils erste Seite der Bescheide beigelegt.
Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom vor. Darin schilderte es den Sachverhalt und beantragte in seiner Stellungnahme die Zurückweisung des Vorlageantrages als verspätet. Mit Schreiben vom gleichen Tag informierte das Finanzamt den Erwachsenenvertreter über die Vorlage der Beschwerde und stellte ihm eine Ausfertigung des Vorlageberichtes zu.
B. Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung
Der vorstehend geschilderte Sachverhalt geht aus den vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Akten hervor und ist unstrittig. Strittig ist (nur), wann die angefochtenen Bescheide rechtswirksam zugestellt wurden.
B/1. Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat (§ 245 BAO).
Gemäß § 260 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist (lit. a) oder nicht fristgerecht eingebracht wurde (lit. b).
Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind (§ 97 Abs 1 BAO). Die Bekanntgabe erfolgt nach § 97 Abs 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung.
Nach Abs 3 leg.cit. kann an Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, dass sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf.
Aufgrund dieser Ermächtigung hat der Bundesminister für Finanzen die FinanzOnline-Verordnung 2006 erlassen, welche die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen und Erledigungen regelt.
B/2. Gemäß § 5b Abs 1 der FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) idF BGBl. II 2018/82, haben die Abgabenbehörden nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.
Gemäß § 5b Abs 3 FOnV 2006 kann ein Teilnehmer in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihm bei seinem ersten nach dem erfolgenden Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten.
Nach § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronische Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabenstelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
B/3. Nach dem vorliegenden gerichtlichen Beschluss ist Dr. X als Erwachsenenvertreter des Bf. zur Vertretung vor Ämtern und Behörden zuständig.
Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es darauf an, ob der Zustellungsempfänger im Zeitpunkt des Zustellvorganges handlungsfähig war. Eigenberechtigte, volljährige Personen verlieren ab Bestellung eines Sachwalters (nunmehr: Erwachsenenvertreters) insoweit ihre Handlungs- und Prozessfähigkeit, als die Vertretungsbefugnis des Sachwalters (Erwachsenenvertreters) reicht (vgl. z.B. Ritz, BAO6, § 79, Tz. 16 f). Die rechtswirksame Zustellung von gegenüber dem Bf. erlassenen Bescheiden kann somit unstrittig nur an den Erwachsenenvertreter erfolgen (vgl. ).
B/4. Die angefochtenen Bescheide wurden am Freitag, dem um 21.18 Uhr elektronisch über FinanzOnline in die Databox des Erwachsenenvertreters zugestellt. Dies entspricht der vom Erwachsenenvertreter in FinanzOnline getroffenen Verfügung. Die von ihm gewünschte Information über elektronische Zustellungen hat lediglich Informationscharakter. Daher war nicht zu überprüfen, ob diese E-Mail tatsächlich versendet wurde bzw. angekommen ist (siehe Ritz, BAO6, § 98 Tz. 4).
Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat (zB RV/0002-F/13; ; ; , RV/5100404/2016; , RV/5100209/2016; , RV/7104423/2014). Dies gilt auch, wenn die Daten am Freitag nach Ende der Kanzleiöffnungszeit des zustellungsbevollmächtigten Parteienvertreters einlangen ().
Es wurde nicht eingewendet, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabenstelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Auch aus der Aktenlage ergeben sich keine derartigen Hinweise.
B/5. Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen, oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (zB ; , RV/0002-F/13; , RV/2100371/2015; , RV/5100404/2016; , RV/7104423/2014). Die auf den Bescheidausdrucken angebrachten Eingangsvermerke in der Kanzlei des Erwachsenenvertreters in Form eines Stempels mit dem Datum sind daher für den Zeitpunkt der Zustellung irrelevant.
Da die Zustellung der angefochtenen Bescheide somit am rechtswirksam erfolgte, ist die mit zur Post gegebene Beschwerde verspätet.
Hingegen ist der am eingebrachte Vorlageantrag rechtzeitig erfolgt, weil das Ende der Frist zur Einbringung des Vorlageantrages (§ 264 Abs 1 BAO) auf einen Sonntag fiel (). In diesem Fall ist gemäß § 108 Abs 3 BAO der nächste Tag als letzter Tag der Frist anzusehen.
Es war daher nicht der Vorlageantrag als verspätet zurückzuweisen, sondern die Beschwerde.
C. Zulässigkeit einer Revision
Gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).
Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und stellt daher keine Rechtsfrage dar, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | RV/0002-F/13 RV/0002-F/13 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100099.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at