Verspätungszuschläge im Vorsteuererstattungsverfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Audit GmbH, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Verspätungszuschlag / USt 07.2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) handelt es sich um ein im Drittland ansässiges Telekommunikationsunternehmen. Im angefochtenen Bescheid wurde für die Festsetzung der Umsatzsteuer für 7/2017 ein Verspätungszuschlag von 10% festgesetzt. Die Umsatzsteuerfestsetzung resultiert aus dem Finanzamt bekanntgegebenen Entgeltsminderungen für gewährte Rabatte auf verrechnete Telekommunikationsleistungen.
In ihrer Beschwerde führte die Bf. aus, österreichische Netzbetreiber hätten für Roaminggebühren Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und sie sei grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Für das Jahr 2015 sei die Vorsteuererstattung mit Bescheid abgewiesen worden. Somit sei es zu keiner Vergütung an Umsatzsteuer für 2015 gekommen. Daher führte auch die Gewährung nachträglicher Rabatte zu keinen umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Folge dessen sei auch der Verspätungszuschlag aufzuheben.
Mit Beschwerdevorentscheidung wurde der Sachbeschwerde in der Weise Folge gegeben als die Rabatte lediglich auf Besteuerungszeitraum 2016 eingeschränkt wurden, weil die Erstattung für diesen Zeitraum positiv entschieden wurde.
Die Verspätung sei jedoch unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut des § 135 Abs. 1 BAO nicht entschuldbar, weil die jahrelang praktizierte, nachträgliche Entgeltminderung in Höhe von 80% des Roamingentgelts im jeweiligen Vorjahr vereinbart bzw. auch die Höhe des Vorsteuerberichtigungsbetrages für 2016 schon wenige Tage nach Einbringung des Erstattungsantrages für 2016 bekannt war.
In ihrem Vorlageantrag ergänzte die Bf. ihre Beschwerde dahingehend, im Juli 2017 sei der Vorsteuererstattungsantrag 2016 noch unerledigt gewesen und sie konnte noch nicht vom Bestehen einer USt-Schuld für 2017 ausgehen. Dies finde ihre Bestätigung dahingehend, dass die ursprünglich abgelehnte Vorsteuererstattung 2016 erst mit Beschwerdevorentscheidung vom gewährt wurde. Erst danach musste sie vom Bestehen einer USt-Schuld auf Grund von Entgeltsminderungen ausgehen. Eine USt-Erklärung für 7/2017 war daher keinesfalls am abzugeben, weil sie ausschließlich im Vorsteuererstattungsverfahren beim Finanzamt geführt werde. Ihres Erachtens sei über die Entgeltsminderung erst im Verfahren über den Vorsteuererstattungsantrag 2017 abzusprechen gewesen. In unzulässiger Weise stünden sich ein Erstattungsbescheid 1-12/2017 und ein Festsetzungsbescheid 7/2017 gegenüber. Es habe daher keine Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen bestanden, da dies im Verfahren zur Erstattung der Vorsteuer für 2017 zu behandeln gewesen wäre. In diese Richtung deuten auch die Ausführungen des BMF auf Seite 2 des amtlichen Vordrucks U5, welcher davon ausgeht, dass Entgeltsminderungen aus früheren Erstattungszeiträumen von drittländischen Unternehmen im Rahmen des Vorsteuererstattungsantrages für den Zeitraum zu melden sei, in dem die Entgeltsminderung eintritt und die für diesen Zeitraum zu erstattenden Vorsteuern kürzen. Da liege kein vorwerfbares Versäumnis vor, weshalb ein Verspätungszuschlag aufzuheben sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. hat es nach Ansicht der belangten Behörde offenbar unterlassen, die Entgeltsminderungen aus Roaminggebühren in entsprechenden Voranmeldungen zu erklären.
2. Beweiswürdigung
Der objektive Sachverhalt kann unbestritten der Aktenlage entnommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
Rechtsquellen:
Bundesabgabenordnung (BAO)
§ 135:
Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 222/2009
Art. 1: § 3a
Erstattungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer
(Anm.: § 3a) (1) Der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.
(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 400 Euro betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 50 Euro betragen.
(3) Der Unternehmer muss dem Finanzamt Graz-Stadt in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.
Formular U 5, Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer (Auszug)
Fußnote 1 lautet:
"1) Minderungen der Umsatzsteuer infolge des Rechnungsbetrags (zum Beispiel durch Skonti, Rabatte, Storni) sind wie folgt zu berücksichtigen:
a) Ist die betreffende Rechnung in dieser Einzelaufstellung aufgeführt, ist der gekürzte Umsatzsteuerbetrag anzugeben.
b) Ist die betreffende Rechnung in der Einzelaufstellung eines früheren Vergütungsantrages enthalten, ist die Minderung der Umsatzsteuer am Schluss der Einzelaufstellung anzugeben. Es ist auf die zugrundeliegende Rechnung Bezug zu nehmen."
4. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Ausländische Unternehmer, ohne Sitz und Betriebstätte im Inland, haben diese im Rahmen des Erstattungsverfahrens zu berücksichtigen. Dies ist auch im amtlichen Vordruck - wie die Bf. zutreffend verweist - so vorgesehen. Daher kann eine entsprechende Verpflichtung zur (zusätzlichen) Abgabe von Voranmeldung in Rahmen des (vereinfachten) Erstattungsverfahrens nicht abgeleitet werden. Daher ist gegenständlich eine weitere Verschuldensprüfung entbehrlich.
5. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Lösung des Beschwerdefalles wird direkt aus dem Gesetzestext und der ergangenen Verordnung abgeleitet.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 135 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100117.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at