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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2021, RV/2100303/2015

DB und DZ für die Ausbildungsbeihilfe in der überbetrieblichen Lehrausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Braschel & Braunstein Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH, Krenngasse 12, 8010 Graz, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2011 und 2012 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer GPLA stellte der Prüfer fest, dass über Auftrag des AMS von der Beschwerdeführerin (Bf) Migranten als Lehrlinge in Deutsch unterrichtet wurden und auf eine Lehrstelle in einem Betrieb vorbereitet wurden. Auf Grund der vorgelegten Ausbildungsverträge kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die für die in den Kalenderjahren 2011 bis 2012 als Lohnabgeltung für die vertragliche Ausbildung von Arbeitnehmern (Lehrlinge) ausgezahlten Aufwandsentschädigungen im Rahmen von Dienstverhältnissen ausbezahlt wurden. Nach den vorgelegten Ausbildungsverträgen habe die regelmäßige Normalarbeitszeit 38,5 Stunden (wöchentlich) betragen. Die betrieblichen Ordnungsvorschriften (Hausordnung) seien zu beachten (z.B. bezüglich des Verbots des Alkohol- und Drogenkonsums, verpflichtende Teilnahme an der Ausbildung zur Erlangung der vorgesehenen Fertigkeiten und Kenntnisse, unverzügliche Verständigung des Ausbildungsberechtigten bei Erkrankungen oder sonstigen Verhinderungen, verpflichtende Teilnahme an ausbildungsbegleitenden Maßnahmen und verpflichtende Unterziehung der vorgesehenen Leistungskontrollen, Pflicht zum Besuch der Berufsschule und an den Bestrebungen zur Aufnahme eines betrieblichen Lehrverhältnisses mitzuwirken).

Auf Grund dieser Vereinbarungen in den Ausbildungsverträgen sei von einer Unterordnung unter einem fremden Willen (Weisungsgebundenheit) und einer Eingliederung in den Organismus der Ausbildungseinrichtung auszugehen.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ unter Hinweis auf den Bericht als Begründung die angefochtenen Bescheide.

In den dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden brachte die Bf zusammengefasst vor, dass im vorliegenden Fall kein Dienstverhältnis gemäß § 47 EStG vorliegen würde. Zweck sei allein die Ausbildung zum Facharbeiter und nicht die Erbringung von Arbeitsleistungen für einen Dienstgeber. Der ökonomische Zweck der Tätigkeit liege im Interesse der Auszubildenden und nicht im Interesse der Bf. Es werde daher keine Arbeitskraft geschuldet, sondern umgekehrt: Der Betrieb schulde die Ausbildung der Teilnehmer. Die Auszubildenden hätten gegenüber der Bf keinerlei Arbeitsleistungen erbracht, sondern es hätte in ihrem eigenen Interesse gelegen, die Ausbildungsmaßnahmen zu absolvieren.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung kommt das Finanzamt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass bei den Auszubildenden in der überbetrieblichen Ausbildung iSd § 30 ff BAG und den vorliegenden Ausbildungsverträgen von einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 auszugehen sei und daher die Löhne der Auszubildenden den festgesetzten Abgaben unterliegen würden.

In dem dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageantrag, in dem der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gestellt wurde, brachte die Bf im Wege ihrer bevollmächtigten steuerlichen Vertretung ergänzend vor, dass sie im gegenständlichen Fall als Schulungseinrichtung vom Arbeitsmarktservice mit der Durchführung von überbetrieblichen Lehrlingsausbildungen beauftragt worden sei. In § 38d Abs. 4 AMSG sei festgelegt, dass Personen, die eine überbetriebliche Lehrlingsausbildung in einer Ausbildungseinrichtung erhalten würden, nicht als Dienstnehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes gelten würden und die gezahlte Ausbildungsbeihilfen nicht als steuerpflichtiger Lohn und für sonstige Abgaben nicht als Entgelt gelten würden. Durch diese gesetzliche Bestimmung sei eine Pflicht zur Entrichtung des DB und DZ nicht gegeben. Die ausgezahlten Ausbildungsbeihilfen hätten eine Höhe von € 240 pro Person und pro Monat betragen und seien vom AMS in genau derselben Höhe ersetzt worden. Auch das spreche dafür, dass es sich dabei nicht um Arbeitslöhne gehandelt hätte.

Das Finanzamt legte die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf sucht als überbetriebliche Ausbildungseinrichtung im Auftrag des AMS für die Ausbildungsteilnehmer Partner- und Praxisbetriebe, in denen die Ausbildung absolviert werden kann. Ziel ist es, Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die bisher keine Lehrstelle finden konnten. Der Ausbildungszeitraum beträgt ein Jahr. In diesem Zeitraum soll ein Lehrbetrieb gefunden werden, in dem der Teilnehmer ein reguläres Lehrverhältnis beginnen kann. Ab diesem Zeitpunkt scheidet der Teilnehmer aus der Bildungsmaßnahme aus. Teilnehmer, die nach Ablauf des Ausbildungszeitraumes noch keine Lehrstelle gefunden haben, werden vom AMS weiterbetreut.

Es werden von der Bf Ausbildungsverträge "über die Ausbildung in einer besonderen selbständigen Ausbildungseinrichtung gemäß § 30b Berufsausbildungsgesetz (BAG)" abgeschlossen. Die Bf ist Ausbildungsberechtigte, die Jugendlichen sind Auszubildende. Als Ausbildungsberuf (Lehrberuf) wird "Einzelhandelskaufmann/frau" genannt. Als Ziel der Ausbildung ist die Vermittlung von Lehrinhalten des Lehrberufes "Einzelhandelskaufmann" genannt.

Beweismittel

Als Beweismittel wurden Ausbildungsverträge und eine Stellungnahme des bundesweiten Fachbereiches, wonach die Auszubildenden in einem Dienstverhältnis zur Bf als Ausbildungsberechtigte gestanden sind, vorgelegt.

Rechtliche Grundlagen

§ 30b BAG (Überbetriebliche Lehrausbildung im Auftrag des Arbeitsmarktservice) in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2010 lautet:

"(1) Hat das Arbeitsmarktservice entsprechend den Richtlinien des Verwaltungsrates für die überbetriebliche Lehrausbildung, die den Bestimmungen des § 30 BAG oder des § 8c BAG vergleichbare Qualitätsstandards enthalten, eine Ausbildungseinrichtung mit der überbetrieblichen Lehrausbildung beauftragt, so ist für den Zeitraum der Beauftragung keine Bewilligung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß § 30 Abs. 1 BAG bzw. gemäß § 8c Abs. 1 BAG erforderlich.
(2) Abs. 1 gilt auch, wenn im Auftrag des Arbeitsmarktservice einzelne Personen zusätzlich auf einem Ausbildungsplatz in einer Ausbildungseinrichtung in einem bestimmten Lehrberuf ausgebildet werden und dadurch die Anzahl der für diesen Lehrberuf gemäß
§ 30 BAG bzw. § 8c BAG bewilligten oder ursprünglich vertraglich vereinbarten Ausbildungsplätze überschritten wird.
(3)
§ 30 Abs. 7 und 8 BAG gelten auch für die überbetriebliche Lehrausbildung im Auftrag des Arbeitsmarktservice.
(4) Das Arbeitsmarktservice hat den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend und den Bundes-Berufsausbildungsbeirat über die Beauftragung einer Ausbildungseinrichtung zu informieren."

§ 38d AMSG (Überbetriebliche Lehrausbildung) in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2014 lautet:

"(1) Soweit berufliche Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche nicht durch Vermittlung auf Lehrstellen oder andere Maßnahmen sichergestellt werden können, hat das Arbeitsmarktservice geeignete Ausbildungseinrichtungen mit der überbetrieblichen Lehrausbildung zu beauftragen.
(2) Der Verwaltungsrat hat Richtlinien für die überbetriebliche Ausbildung, die den berufsausbildungsrechtlichen Vorschriften für Ausbildungseinrichtungen vergleichbare Qualitätsstandards enthalten, zu erlassen. Die Richtlinien haben auf die Verpflichtung zur Setzung gezielter Bemühungen zur Übernahme der auszubildenden Personen in ein betriebliches Lehrverhältnis Bedacht zu nehmen und können daher auch Ausbildungsverträge, die sich nicht über die gesamte Lehrzeit erstrecken, zulassen, soweit dadurch eine umfassende Ausbildung im jeweiligen Lehrberuf mit dem Ziel des Lehrabschlusses nicht gefährdet wird. Die Richtlinien haben Bestimmungen über die während der Ausbildung in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen zu gewährenden Ausbildungsbeihilfen zu enthalten.
(3) Die Einhaltung der Qualitätsstandards ist vertraglich zu vereinbaren. Falls erforderlich, hat das Arbeitsmarktservice die Erfüllung von Auflagen im Sinne des
§ 30 Abs. 3 BAG auszubedingen.
(4) Personen, die eine überbetriebliche Lehrausbildung in einer Ausbildungseinrichtung erhalten, gelten nicht als Dienstnehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988. Ausbildungsbeihilfen gelten für die Lohnsteuer nicht als steuerpflichtiger Lohn und für sonstige Abgaben nicht als Entgelt. Für Ausbildungsbeihilfen ist insbesondere auch keine Kommunalsteuer zu entrichten."

§ 78 Abs. 32 AMSG lautet: "§ 38d Abs. 4 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2014, BGBl I Nr. 40/2014, tritt rückwirkend mit in Kraft."

Erwägungen

Die Bf wurde vom Arbeitsmarktservice entsprechend den Richtlinien des Verwaltungsrates für die überbetriebliche Lehrausbildung, die den Bestimmungen des § 30 BAG oder des § 8c BAG vergleichbare Qualitätsstandards enthalten, als Ausbildungseinrichtung mit der überbetrieblichen Lehrausbildung beauftragt. Das ergibt sich daraus, dass Ausbildungsverträge über die Ausbildung in einer besonderen selbständigen Ausbildungseinrichtung gemäß § 30b BAG sonst nicht abgeschlossen hätten werden können.

Die Bf hat im Vorlageantrag vom auf die Bestimmung des § 38d Abs. 4 AMSG hingewiesen. In § 38d AMSG wurde mit BGBl I Nr. 40/2014 der Absatz 4 angefügt:
"(4) Personen, die eine überbetriebliche Lehrausbildung in einer Ausbildungseinrichtung erhalten, gelten nicht als Dienstnehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988. Ausbildungsbeihilfen gelten für die Lohnsteuer nicht als steuerpflichtiger Lohn und für sonstige Abgaben nicht als Entgelt. Für Ausbildungsbeihilfen ist insbesondere auch keine Kommunalsteuer zu entrichten."

In § 78 AMSG wurde mit Budgetbegleitgesetz 2014, BGBl I Nr. 40/2014 folgender Absatz 32 angefügt:
"§ 38d Abs. 4 AMSG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2014, BGBl I Nr. 40/2014, tritt rückwirkend mit in Kraft."

Den Erläuterungen zu 53 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - ist zum 7. Abschnitt (Soziales) im letzter Absatz diesbezüglich zu entnehmen:
"Darüber hinaus soll die steuerrechtliche Beurteilung von Personen, die in eine überbetriebliche Lehrausbildung einbezogen sind, klargestellt werden und eine Bereinigung der gegenseitigen Forderungen zwischen dem Bund, Gebarung Arbeitsmarktpolitik, und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vorgenommen werden."

Damit wurde eindeutig auf gesetzlicher Ebene klargestellt, dass die gegenständlich Auszubildenden keine Dienstnehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes sind und daher die Festsetzung der strittigen Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag unrechtmäßig erfolgt ist, weswegen den Beschwerden gegen die Bescheide bestreffend die Festsetzung des DB und DZ für die Jahre 2011 und 2012 stattzugeben war und die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde zurückgenommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung des § 38d AMSG die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100303.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at