Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.06.2021, RV/7103122/2020

Missionstätigkeit als Ausbildung zum Religionslehrer iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Greindl & Köck Rechtsanwälte GmbH, Gußhausstraße 14, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Familienbeihilfe ab Dezember 2019 für den Sohn der Beschwerdeführerin zu Recht erkannt:

I)
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II)
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der im Spruch näher bezeichnete beschwerdegegenständliche Abweisungsbescheid wurde begründet wie folgt:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht.

Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.

Da es sich bei der gegenständlichen Missionars- und Sozialdienst für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage um keine Berufsausbildung im Sinne der Ausführungen zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 handelt, war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Abweisungsbescheid erhob der Beschwerdeführer (Bf) die im Spruch näher bezeichnete Beschwerde wie folgt:

"Der Antrag auf Familienbeihilfe für unseren Sohn wurde mit der Begründung abgelehnt, dass seine derzeitige Tätigkeit nicht als Berufsausbildung anerkannt wird.

Es gibt eine Entscheidung vom Finanzgericht vom ( GZ. RV/6100547/2013 ) in der klar hervorgeht, dass die Vorraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe vorliegen. Im ursprünglichen Antrag habe ich Ihnen das Urteil mitgeschickt. Daher wundern wir uns, dass Sie seine derzeitige Tätigkeit nicht als Berufsausbildung anerkennen.

Bei unserem zweiten Sohn haben Sie diesen Antrag aus den gleichen Gründen abgewiesen. Unsere Beschwerde ging 2019 weiter ans Finanzgericht (Richterin ***1*** ), die in ihrem Urteil vom Nov. 2019 ebenfalls bestätigte, dass die Abweisung der Familienbeihilfe mit dem Argument, der Missions-und Sozialdienst für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sei keine Berufsausbildung, NICHT zulässig ist. Die Familenbeihilfe wurde letzendlich doch abgewiesen, aber weil sich der Sohn in der Ukraine befand und nicht in einem EU/EWR Land.

Der beschwerdegegenständliche Sohn hingegen absolviert seine Ausbildung seit dem in England und Irland, daher ist ihre Abweisung nicht rechtens, da er sich eindeutig in einem EU/EWR Land befindet."

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom begründete das Finanzamt (FA) folgendermaßen:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht. Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.

Da es sich bei d. gegenständlichen Missionars- und Sozialdienst für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage um keine Berufsausbildung im Sinne der Ausführungen zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 handelt, ist kein Anspruch auf die Zuerkennung der Familienbeihilfe gegeben. Auf die Ausführungen der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates; Außenstelle Linz, Senat 2, GZ. RV/0170-L/05 vom darf verwiesen werden.
Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vom wandte die Bf ergänzend Folgendes ein:

"Zur Begründung wird auf die Beschwerde sowie auf Folgendes verwiesen:

Gesetzliche Grundlagen

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist seit 1955 eine staatlich anerkannte Religionsgesellschaft ist (im Folgenden kurz "die Kirche"). Die Kirche steht damit auf demselben rechtlichen Status wie die römisch-katholische Kirche, die Evangelischen Kirchen oder andere Kirchen mit diesem rechtlichen Status.

Als solche genießt die Kirche zahlreiche gesetzliche Rechte wie etwa das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf autonome Festlegung der inneren Angelegenheiten (Art 15 StGG).

Maßgeblichkeit der kircheninternen Normen

Gemäß § 5 Religionsunterrichtsgesetz obliegt es allein der Kirche - als Ausfluss des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf autonome Festlegung der inneren Angelegenheiten - die Befähigung und Ermächtigung für die Erteilung des Religionsunterrichts zu erteilen.

Gemäß den behördlich genehmigten Statuten der Kirche ist der österreichische Kirchenvorstand das oberste Organ der Kirche in Österreich. Der österreichische Kirchenvorstand hat in seinem Beschluss vom festgelegt, dass "Die Erteilung der Befähigung und Ermächtigung zum Religionslehrer gemäß Religionsunterrichtsgesetz (s. insbesondere § 5 Abs. 1 Religionsunterrichtsgesetz) /.../ die erfolgreiche Absolvierung der Tätigkeit als Vollzeitmissionar voraus [setzt]. [...] Die "erfolgreiche Absolvierung" wird durch den jeweils zuständigen Missionspräsidenten durch die Ausstellung der Entlassungsurkunde schriftlich bestätigt".

Im Rahmen der Missionsausbildung wird die Befähigung zum Religionslehrer gemäß Religionsunterrichtsgesetz zum Erteilen von Unterricht über die Lehren und Schriften der Kirche an öffentlichen Schulen erworben. Dabei sind in puncto Stundenplan, Tätigkeitsbeschreibung, Prüfungen, Zeugnisse und Zeitaufwand für Missionstätigkeit allein die kircheninternen Normen entscheidend für die Frage, welche Voraussetzungen für die Zulassung als Religionslehrer gelten.
Diese kircheninternen Normen sind somit auch ausschlaggebend für die Beurteilung als Berufsausbildung im Sinn des Familienlastenausgleichsgesetzes (siehe ZI. 2009/15/0021), da die Absolvierung der Vollzeitmission die Befähigung zum Religionslehrer nach den Kirchennormen voraussetzt.

Die obersten Gerichte in Abgabenangelegenheiten und Angelegenheiten der Auslegung des Familienlastenausgleichsgesetzes haben mittlerweile mehrfach diesen Kirchendienst als Berufsausbildung im Sinn des FLAG anerkannt (siehe ZI. 99/15/0080; , ZI. 2009/15/0021; , ZI. 2009/16/0232 (s. , ZI. 2009/15/0021) und , ZI. 2010/16/0128 sowie ).

Die belangte Behörde hat sich in keiner Weise mit diesen zahlreichen Entscheidungen auseinandergesetzt, sondern lediglich auf eine vereinzelt gebliebene Entscheidung des /-L/05) verwiesen. Zur Begründung des UFS sei ausdrücklich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom (2009/15/0021) verwiesen, wonach selbst dann, falls eine sachliche Begründung für die Unterschiedlichkeit der Missionsdauer fehlen sollte, dies einer Beurteilung als Berufsausbildung nicht entgegensteht, da nämlich "Entscheidend ist [ 1, welche Voraussetzungen nach den kircheninternen Normen tatsächlich für die Zulassung als Religionslehrer bestehen". Die vom UFS herangezogene Begründung, dass keine den Ansprüchen eines Berufslebens entsprechende umfassende Ausbildung vorliegt, geht daher ins Leere, da einerseits sehr wohl eine im Sinn der Rechtsprechung zu den Anforderungen einer Berufsausbildung zielgerichtete Ausbildung vorliegt und andererseits die Voraussetzungen ganz unabhängig davon allein und entscheidend von den kircheninternen Normen festgelegt werden.2.3. Zielgerichtete Ausbildung

Darüber hinaus liegt in den von der Kirche festgelegten internen Normen auch - wie vom VwGH gefordert - eine zielgerichtete Ausbildung in den vom Religionsunterricht umfassten Bereichen vor:

  • Theoretisches Studium und praktische Anwendung, Lehrplan

Die Ausbildung umfasst einerseits das theoretische Studium der heiligen Schriften und der Evangeliumslehre und zum Anderen die Missionstätigkeit und somit eine praktische Anwendung und Weitervermittlung des erlernten Wissens,

sowie das Belehren von Mitgliedern und interessierten Nicht-Mitgliedern über die Evangeliumsgrundsätze.

Gemäß der "Bekanntmachung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom betreffend den Lehrplan für den Religionsunterricht der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" (BGBl. Nr. 239/1988) ist allgemeines Bildungsziel des Religionsunterrichts, "die Schüler unter jeweiliger Beachtung ihrer persönlichen Befähigung sowie ihrer religiösen Vorbildung in Elternhaus und Kindergarten zu aktiven Christen heranzubilden. Dies geschieht, indem

  • die Grundsätze des Evangeliums Jesu Christi gelehrt werden,

  • Glaube an den Herrn Jesus Christus vermittelt wird,

  • der Schüler dazu bewegt wird, die Grundsätze des Evangeliums im Leben anzuwenden, und indem er

  • ermutigt wird, seine Fähigkeiten in den Dienst der Familie, der Kirche und des Gemeinwesens zu stellen

Im Rahmen der Vollzeitmission werden durch das theoretische Studium eben diese Grundsätze erlernt; bei der praktischen Missionstätigkeit wird die Vermittlung dieser Grundsätze an Dritte praktiziert und angewendet. Eben diese Punkte sind laut Lehrplan auch Inhalt und Gegenstand der Religionslehrertätigkeit. Die Vollzeitmission bereitet also zielgerichtet auf diese Tätigkeit vor.

Zeitaufwand der theoretischen Ausbildung

Darüber hinaus besteht die Ausbildung während der Vollzeitmission nicht in bloß praktischer Arbeit sondern zu einem großen Teil in theoretischer Ausbildung:

Gemäß dem vorgelegten Handbuch für Missionare ("Verkündet mein Evangelium") umfasst der Tagesablauf eines Missionars folgende Tätigkeiten:

Tagesplan für Missionare:

6:00 Uhr Fertigmachen für den Tag.

7:30 Uhr Frühstück.

8:00 Uhr Persönliches Studium: das Buch Mormon, andere heilige Schriften, Lehren aus den Missionarslektionen und andere Kapitel aus Verkündet mein Evangelium.

9:00 Uhr Studium mit dem Mitarbeiter. Tauschen Sie sich darüber aus, was Sie bei Ihrem persönlichen Studium gelernt haben, bereiten Sie sich auf Unterweisungen vor, üben Sie das Unterweisen, nehmen Sie Kapitel aus Verkündet mein Evangelium! durch, legen Sie den Tagesplan verbindlich fest.

10:00 Uhr Beginnen Sie zu missionieren. Missionare, die eine Fremdsprache lernen müssen, verbringen weitere 30 bis 60 Minuten mit dem Studium der Sprache und mit der Planung von Lern-Aktivitäten für den Tag. Missionare dürfen sich täglich eine Stunde Zeit zum Mittagessen und für weiteres Studium sowie eine Stunde Zeit zum Abendessen nehmen - ganz, wie es sich am besten mit der Missionstätigkeit vereinbaren lässt. Normalerweise ist das Abendessen spätestens um 18.00 Uhr abgeschlossen.

21:00 Uhr Kehren Sie in Ihre Wohnung zurück (es sei denn, Sie geben gerade eine Lektion, dann gehen Sie um 21:30 nach Hause) und planen Sie den nächsten Tag (30 Minuten). Schreiben Sie Tagebuch, bereiten Sie sich zum Schlafengehen vor, beten Sie.

22:30 Uhr Gehen Sie zu Bett

Das theoretische Studium Wie umfasst somit täglich 2-3 Stunden. Darüber hinaus finden diverse periodische (meist wöchentliche bzw. monatliche) Studienveranstaltungen in folgendem Ausmaß statt:

Aus dem gewöhnlichen Tagesablauf eines Vollzeitmissionars ergeben sich somit samt den periodischen Lehrveranstaltungen folgende Ausbildungszeiten bzw. Verhältnisse zwischen theoretischen Ausbildungs- und Studienzeit zur praktischen Missionstätigkeit:

Angaben in h

Der wöchentliche Zeitaufwand beträgt somit ca. 70-80 Stunden. Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass der tatsächliche Anteil der theoretischen Ausbildungs- und Studienzeit bei fast einem Drittel des gesamten Zeitaufwandes liegt.

Im Vergleich dazu liegt im Falle einer traditionellen Lehrberufsausbildung beispielsweise das Verhältnis "theoretische Ausbildung in der Berufsschule - praktische Ausbildung im Betrieb" viel niedriger: Bei einer lehrgangsmäßigen Berufsschule (mit 8 Wochen Berufsschule, 39 Wochen Betrieb jährlich (bei 5 Wochen Urlaub)) beträgt der Anteil der theoretischen Ausbildungszeit in der Berufsschule nur ca. 17%, bei einer ganzjährigen Berufsschule (mit 1 Tag Berufsschule - 4 Tage Betrieb pro Woche) bei nur ca. 20%.

Es liegt somit im gegebenen Fall ein duales Ausbildungssystem aus theoretischen und praktischen Teilen vor, wie es auch bei üblichen Lehrberufsausbildungen der Fall ist. Theoretisch erarbeitetes Wissen wird in der Praxis angewandt und Dritten vermittelt. Gegenständlich übersteigt der Anteil der theoretischen Ausbildung sogar den bei einer herkömmlichen Berufslehre.

Weiters kann auch die Schlussfolgerung des Finanzamts, wonach in der Vollzeitmission Maßnahmen vorlägen, die im Wesentlichen darauf gerichtet sind, den jungen Menschen in seinem Glauben zu bestärken und zu festigen, wodurch jedenfalls keine Berufsausbildung gegeben sei, nicht nachvollzogen werden.

In diesem Zusammenhang hat auch der VwGH ausgesprochen: "Dass die praktische Tätigkeit der "Bekehrung neuer Mitglieder" diene, steht als solches der Ausbildung für einen Beruf (im Rahmen eines dualen Systems), der das Vermitteln des Inhaltes einer Religion zum Gegenstand hat, nicht entgegen" (Erkenntnis vom , ZI. 2009/15/0021). Schon nach Ansicht des VwGH geht es somit bei der Missionstätigkeit nicht um eine Stärkung des eigenen Glaubens, sondern um die Vermittlung der Inhalte an Dritte und praktische Anwendung des erlernten Wissens.

Es ist daher eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG gegeben.

  • Prüfungen und Inhalte der Ausbildung

Zum Absolvieren einer Abschlussprüfung ist auszuführen, dass der Ablauf und Inhalt der Vollzeitmission bzw. der gegenständlichen Ausbildung, welche wiederum Voraussetzung für die Religionslehrertätigkeit ist, aufgrund des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts auf autonome Festlegung der inneren Angelegenheiten der Kirche und des § 5 Religionsunterrichtsgesetz der Kirche selbst obliegt.

Der Ablauf der Überprüfung des Ausbildungsfortgangs wurde kirchenintern autonom so festgelegt, dass sich der Missionspräsident in regelmäßigen Gespräche (in der Regel monatlich) mit dem zugeteilten Vollzeitmissionar vom Fortgang der Vollzeitmission und der Erfüllung der vorgeschriebenen Abläufe, Tätigkeiten und Studien überzeugt. Bei positivem Fortgang der Missionstätigkeit wird deren erfolgreiche Absolvierung durch Ausstellung der sogenannten "Entlassungsurkunde" gemäß den kircheninternen Vorschriften vom zuständigen Missionspräsidenten bestätigt. Diese ist Voraussetzung für die Tätigkeit als Religionslehrer. Nicht maßgeblich kann hingegen sein, ob diese regelmäßigen Gespräche formal als "Prüfung" bezeichnet werden.

Die Form und der Ablauf der Überprüfung des Ausbildungsfortgangs wurden kirchenintern autonom so festgelegt, dass sich der Missionspräsident in regelmäßigen Gesprächen (in der Regel monatlich) mit dem zugeteilten Vollzeitmissionar vom Fortgang der Vollzeitmission und der Erfüllung der vorgeschriebenen Abläufe, Tätigkeiten und Studien überzeugt. Bei positivem Fortgang der Missionstätigkeit wird deren erfolgreiche Absolvierung durch Ausstellung der sogenannten "Entlassungsurkunde" gemäß den kircheninternen Vorschriften vom zuständigen Missionspräsidenten bestätigt. Diese ist Voraussetzung für die Befähigung und die Tätigkeit als Religionslehrer. Nicht maßgeblich kann hingegen sein, ob diese regelmäßigen Gespräche formal als "Prüfung" bezeichnet werden.

Diese Gespräche ("Prüfungen") können unter anderem dazu führen, dass Vollzeitmissionare ihre Mission abbrechen (müssen) und damit ihre Ausbildung nicht abschließen können, etwa weil die Betreffenden sich nicht an die Richtlinien für Missionare halten oder ihre Mission nicht erfolgreich absolvieren oder dass sie andere Aufgaben (etwa Führungspositionen oder mehr Verantwortung) in der Missionsorganisation erhalten.

Auch diese Form der Fortschrittsüberprüfung ergibt sich aus den maßgeblichen kircheninternen Normen.

Auch einheitliche verbindliche Ausbildungsabläufe liegen vor: In diesem Zusammenhang wird auf das Handbuch für Missionare ("Verkündet mein Evangelium") verwiesen. Dies legt weltweit gültig einheitliche Rahmenbedingungen für die Ausbildung und Tätigkeit während der Vollzeitmission fest. Darüber hinaus werden Einzelheiten der Ausbildung in diesem Rahmen vom jeweilig zuständigen Missionspräsidenten festgelegt (siehe auch die vorgelegte Bestätigung des Missionspräsidenten der Deutschland-Mission Berlin)

Es liegen somit allgemein gültige Bedingungen für die Absolvierung der Vollzeitmission vor, die von allen Missionaren zu erfüllen sind. Bei Beendigung und erfolgreicher Absolvierung der Vollzeitmission ist gemäß den gesetzlichen Voraussetzungen eine Ausbildung zum Religionslehrer gegeben.

Mängel des Ermittlungsverfahrens

Die belangte Behörde ist ohne jegliches Ermittlungsverfahren zum Schluss gekommen, dass keine Berufsausbildung vorliegt.

Während des ganzen Verfahrens wurde keine einzige Ermittlungshandlung gesetzt. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin wurde überhaupt innerhalb eines Tages ohne jegliche weitere Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde hat es verabsäumt, im gegenständlichen Verfahren die materielle Wahrheit festzustellen. Die belangte Behörde hat es vollständig unterlassen, den wahren Sachverhalt, insbesondere den Ausbildungsinhalt und -ablauf (Unterrichtsdauer, Abschlussprüfung etc.) zu ermitteln und somit eine Entscheidung "ins Blaue" hinein ohne jeglichen festgestellten Sachverhalt getroffen. Wäre sie der Pflicht zur Wahrung des Grundsatzes der materiellen Wahrheit gefolgt, so hätte sie die Beschwerdeführerin befragen müssen und hatte festgestellt, dass der Ausbildungsablauf in Inhalt und Umfang den Voraussetzungen einer Berufsausbildung entsprechen und die zeitlichen und sonstigen Anforderungen auch weit über jene hinausgehen, die in der Berufungsentscheidung des /-L/05) angeführt sind sowie weiters, dass der Zeitaufwand vergleichbar mit herkömmlichen Ausbildungen ist (siehe Punkt 2.3.2.) und Prüfungen abzulegen sind (siehe Punkt 3.) In weiterer Folge hätte die belangte Behörde erkannt, dass die Voraussetzungen für die Berufsausbildung für den Sohn vorliegen und die beantragte Familienbeihilfe zuerkennen müssen.

Mangels gesetzlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde jedoch den Grundsatz der materiellen Wahrheit verletzt und ist somit zu einer unrichtigen Entscheidung gelangt.

Beweisanträge

Zum Beweis des hier gemachten Vorbringens wird der Auszug des weltweit einheitlichen Ausbildungsrahmens für Missionare "Verkündet mein Evangelium" sowie eine Beispiel einer Entlassungsurkunde eines Missionars als Dokumentation der erfolgreichen Abschlussprüfung und Absolvierung der Ausbildung vorgelegt.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass im gegenständlichen Beschwerdefall die von der Rechtsprechung festgehaltenen Vorgaben der Qualifikation der Missionstätigkeit als Berufsausbildung im Sinn des Familienlastenausgleichsgesetzes erfüllt sind.

Auf die weitere - mittlerweile wohl als ständig zu bezeichnende - Rechtsprechung des VwGH bzw. Bundesfinanzgerichts, die ebenfalls die Voraussetzungen für die Familienbeihilfegewährung während der Missionstätigkeit behandeln und das zitierte Erkenntnis konkretisieren, wird von der belangten Behörde jedoch kein Bezug genommen ( ZI. 2010/16/0128; vom , ZI. 2009/15/0021 und vom , ZI. 2009/16/0232 bzw. Bundesfinanzgericht zu GZ RV/6100547/2013). Auch aus all diesen Entscheidungen geht jedoch eindeutig hervor, dass ausschließlich die kircheninternen Normen maßgeblich für die Frage sind, ob eine Ausbildung zum Religionslehrer vorliegt, und in weiterer Folge der Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Diese Frage ist mit Verweis auf die obigen Ausführungen zu bejahen."

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vom führte das Finanzamt (FA) im Wesentlichen aus wie folgt:

"Sachverhalt: Mit Antrag vom wurde die Zuerkennung der Familienbeihilfe für das Kind geb. ***2*** beantragt. Der Antrag wurde mittels Abweisungsbescheid vom abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.
Begründung: Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht. Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung. Da es sich bei d. gegenständlichen Missionars- und Sozialdienst für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage um keine Berufsausbildung im Sinne der Ausführungen zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 handelt, ist kein Anspruch auf die Zuerkennung der Familienbeihilfe gegeben.
Auf die Ausführungen der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates; Außenstelle Linz, Senat 2, GZ. RV/0170-L/05 vom darf verwiesen werden.
Stellungnahme: Es wird ersucht, die Beschwerde im Sinne der Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung abzuweisen (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967)."

Die Bf zog den ursprünglich gestellten Antrag auf Anberaumen einer mündlichen Verhandlung mit Eingabe vom zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Das BFG geht im Wesentlichen vom o.a. grundsätzlich unstrittigen Sachverhalt laut Aktenlage aus.

Rechtslage

§ 2Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 id im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung (BGBl. Nr. 376/1967 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 28/2020 )

Gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 id im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Erwägungen

Mit begann der Sohn der Bf seine Missionarstätigkeit in Schottland sowie Irland. Der Sohn der Bf wurde zur Ausbildung als Vollzeitmissionar in die Schottland-Irland-Mission der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage einberufen.
Die Ausbildung dauert 24 Monate. Im Zuge dieser Ausbildung werden täglich 3 Stunden dem Studium der Heiligen Schriften, den Evangelien, den Lehren aus den Missionarslektionen und anderen Kirchenbüchern gewidmet. Weiters finden in wöchentlichen bzw. monatlichen Abständen Pflichtveranstaltungen statt, die sich mit den Inhalten der Religion befassen und an denen der Sohn teilnimmt bzw genommen hat. Darüber hinaus besteht die Ausbildung aus dem Missionieren.

Strittig ist, ob Zeiten der Missionarstätigkeit im Rahmen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage als Zeiten der Berufsausbildung zum Religionslehrer anerkannt werden.

Der VwGH hat sich in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 99/15/0080 und vom , Zl. 2009/15/0021, mit der Ausbildung zum Seelsorger der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auseinandergesetzt.

Zur Frage, ob Zeiten der Missionstätigkeit im Rahmen der Kirche als Berufsausbildung zum Religionslehrer anzusehen sind, hat er zum Ausdruck gebracht, dass es relevant sei, welche Voraussetzungen nach den innerkirchlichen Normen für die Zulassung als Religionslehrer erforderlich sind. Insbesondere hat er festgestellt, dass dann, wenn sich die Missionstätigkeit als Voraussetzung für die Lehrtätigkeit erweise und die Missionstätigkeit nicht bloß in praktischer Arbeit, sondern auch in zielgerichteter Ausbildung in den vom Religionsunterricht umfassten Bereichen bestehe, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliege.

Die Bf. hat dargelegt, dass der beschwerdegegenständliche Sohn der Bf. entsprechend den durch den Österreichischen Kirchenvorstand mit Beschluss vom festgelegten Regelungen eine Ausbildung als Vollzeitmissionar in der Schottland-Irland-Mission absolviere. Dabei erhalte er sowohl theoretischen (Studium der Heiligen Schriften und Evangelien) als auch praktischen Unterricht (Vermittlung dieser Grundsätze an Dritte - Missionieren). Der wöchentliche Zeitaufwand betrage ca. 70 - 80 Stunden, wobei fast ein Drittel der Ausbildungszeit der theoretischen Ausbildung vorbehalten ist. Der vorgelegte Ausbildungsplan entspricht im Übrigen jenem der den o.a. VwGH Entscheidungen zu Grunde lag.

Entgegen der Ansicht des Finanzamtes liegt daher eine zielgerichtete Ausbildung, die aus theoretischer und praktischer Unterweisung besteht, vor.

Bereits in der Entscheidung vom , 2009/15/0021, hat der VwGH festgestellt, dass selbst dann, wenn es zutreffen sollte, dass die unterschiedliche Dauer der Vollzeitmission bei Männern und Frauen sachlich nicht begründet sei, dies der Anerkennung der Vollzeitmission als Zeiten der Berufsausbildung nicht entgegenstehe, da es allein auf die kircheninternen Normen ankomme, die die Voraussetzungen für die Zulassung als Religionslehrer regeln.

Der Sohn der Bf absolviert die Studiums- und Ausbildungszeiten (geplant im vorgeschriebenen Umfang für 24 Monate) laut seiner aktenkundigen schriftlichen Bestätigung vom die Schottland - Irland-Mission ab bis voraussichtlich .

Da sich die Missionstätigkeit als Voraussetzung für die Lehrtätigkeit erweist, und die Missionstätigkeit nicht bloß in praktischer Arbeit, sondern auch in einer zielgerichteten Ausbildung in den vom Religionsunterricht umfassten Bereichen besteht, liegt eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor. (vgl. Erkenntnis des u.a.).

Im Beschwerdeverfahren wird vorgebracht, die Entscheidung darüber, wer in den Schulen Religion unterrichte, sei den Organen der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften übertragen. Nach den behördlich genehmigten Statuten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage obliege die Entscheidung dem österreichischen Kirchenvorstand. Der österreichische Kirchenvorstand habe festgelegt, dass die erfolgreiche ehrenhafte Erfüllung der Vollzeitmission (24 Monate für Männer) zum Religionslehrer iSd Religionsunterrichtsgesetzes qualifiziere. Gemäß dem Beschluss des Kirchenvorstandes vom sei die erfolgreiche Absolvierung der Tätigkeit als Vollzeitmissionar Voraussetzung für die Erteilung der Befähigung und Ermächtigung zum Religionslehrer. Die erfolgreiche Absolvierung werde durch den jeweils zuständigen Missionspräsidenten mit der Ausstellung einer Entlassungsurkunde bestätigt.

Die Ausbildung in Form der Mission beinhalte einerseits das eingehende Studium der Heiligen Schriften und andererseits die praktische Anwendung in Form der Dienste am Nächsten. Prüfungen seien integrierter Bestandteil der Ausbildung, sie fänden idR mtl. durch den Missionspräsidenten statt.

Im genannten Memorandum ist weiters festgehalten, dass der Vollzeitmissionsdienst u.a. auch das tägliche Studium der heiligen Schriften, das regelmäßige Studium von (im Memorandum beispielhaft aufgezählter) Sekundärliteratur, die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, die Teilnahme an Ausbildungsseminaren, die Unterweisung durch den Missionspräsidenten und andere leitende Kirchenbeamte sowie den Besuch der Priestertumsversammlung und der Sonntagsschule umfasse; insgesamt nehme der Missionsdienst wöchentlich ca. 63 Stunden in Anspruch.

Es liege damit - so die Bf - ein duales Ausbildungssystem vor, wie es auch bei den in Österreich angebotenen Lehrberufen zur Anwendung komme.

Dass die praktische Tätigkeit der "Bekehrung neuer Mitglieder" diene, steht als solches der Ausbildung für einen Beruf (im Rahmen eines dualen Systems), der das Vermitteln des Inhaltes einer Religion zum Gegenstand hat, nicht entgegen.

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass eine sachliche Begründung für die aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen ersichtliche Unterschiedlichkeit der Dauer zw. Missionarinnen und Missionaren nicht bestehen sollte, steht dies als solches der Beurteilung der Missionszeiten als Zeiten der Berufsausbildung nicht entgegen. Entscheidend ist nämlich, welche Voraussetzungen nach den kircheninternen Normen tatsächlich für die Zulassung als Religionslehrer bestehen.

Aus der schriftlichen Bestätigung des Sohnes der Bf datiert mit geht hervor, dass er sich derzeit (nämlich zum Tag der Bestätigung) in der Schottland-Irland Mission befindet.

In den Beschwerdevorbringen wurde offenbar grundsätzlich der Austritt Großbritanniens aus der EU von der Bf übersehen, da sie in der im Spruch näher bezeichneten Beschwerde ausführte, dass ihr hier beschwerdegegenständlicher Sohn seine Missionstätigkeit eindeutig in einem EU- / EWR-Land verbracht hat bzw verbringen würde. Dazu wird Folgendes angemerkt: Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU zum gab es eine Übergangsphase (quasi zum Aufrechterhalten des damaligen status quo) bis zum . Der Sohn der Bf absolviert(e) laut Aktenlage seine gesamte Missionstätigkeit sowohl in England als auch in Irland (Irland ist den gesamten Beschwerdezeitraum hindurch ein EU-Mitgliedstaat).

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass Irland Mitglied der Europäischen Union ist und Großbritannien bis einschließlich Mitglied der Europäischen Union war. Der sogenannte Übergangszeitraum für die künftigen Beziehungen zw. Großbritannien bzw UK und EU dauerte bis . Der Aufenthalt des Sohnes in einem Drittstaat (im Zeitraum nach dem Ende des Übergangszeitraumes per ) geht nicht über einen vorübergehenden Aufenthalt hinaus, zumal der allfällige Aufenthalt in einem Drittstaat (Großbritannien) die Ausbildungsdauer betreffend laut Aktenlage gerechnet ab als nur vorübergehend anzusehen ist, da der Sohn der Bf seine Ausbildung bzw Missionstätigkeit auch in Irland ausgeübt hat. Laut Aktenlage liegt betreffend die Missionstätigkeit des Sohnes auch für den Zeitraum nach der oben angeführten Übergangsphase kein dauernder Aufenthalt in einem Drittland iSd § 5 Abs 3 FLAG 1967 idgF vor.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe ab dem im Spruch angeführten Monat liegen daher vor.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Nichtzulassen der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das gegenständliche Erkenntnis der angeführten Rspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103122.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at