Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 21.06.2021, RV/2100809/2019

1. Telefonisches Anbringen ist kein "mündliches Anbringen" 2. Bekanntgabe abgabenbehördlicher Erledigung per E-Mail ist kein wirksamer Verwaltungsakt

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache der Frau ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BG&P Binder Grossek & Partner Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH, Neufeldweg 93, 8010 Graz, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Oststeiermark vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 12/2017, 5/2018 und 6/2018 beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Am erließ das Finanzamt die angefochtenen Bescheide betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für 12/2017, 5/2018 und 6/2018.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin (Bf.) durch ihre steuerliche Vertretung via FinanzOnline am das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Im Beschwerdeschriftsatz wird auf eine "Bewilligung der Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis zum " verwiesen.

Im - dem BFG elektronisch vorgelegten - Akt war jedoch weder ein schriftlich eingebrachter Verlängerungsantrag noch eine Niederschrift, in der ein allenfalls mündlich gestellter Antrag auf Fristerstreckung protokolliert worden wäre, enthalten. Das BFG ersuchte daher beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit Vorhalt (je) vom um Mitteilung (und Nachweis), wer, wann, in welcher Art und Weise bzw. Form um Fristerstreckung ersucht habe.

Daraufhin übermittelte die steuerliche Vertretung der Bf. dem BFG - ohne näheres Vorbringen - mit Eingabe vom folgende "Unterlagen zum Sachverhalt Fristverlängerung":

- einen über FinanzOnline am eingebrachten Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis ;
- einen Bescheid des Finanzamtes vom , mit dem die Rechtsmittelfrist bis zum verlängert wurde.

Das Finanzamt beantwortete den Vorhalt des BFG mit Stellungnahme vom wie folgt:

"Mit Antrag vom , den die Steuerberatungskanzlei […] über Finanzonline eingebracht hat, wurde ersucht, die laufende Beschwerdefrist gegen die o.a. Bescheide vom bis zum zu verlängern. Dieser Antrag war fristgerecht.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Österreich diesem Antrag (offenbar) teilweise stattgegeben und die Beschwerdefrist bis verlängert. (…)

Dass ein weiterer Antrag auf Fristverlängerung eingebracht wurde, kann dem Akteninhalt nach nicht festgestellt werden. Der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts […] hat jedoch der steuerlichen Vertretung per Mail bestätigt, dass die Beschwerdefrist bis zum verlängert werde und darüber auch am einen elektronischen Aktenvermerk angefertigt. Daher ist davon auszugehen, dass der Steuerberater sich an diesem Tag zumindest telefonisch gemeldet haben dürfte. Jedoch ist dem Akteninhalt nach davon auszugehen, dass weder ein schriftliches Anbringen zur (wiederholten) Verlängerung der Rechtsmittelfrist (von -) eingebracht wurde, noch ein mündlicher Antrag niederschriftlich protokolliert wurde.

Die Frist zur Einbringung der Beschwerde ist somit am abgelaufen und die Beschwerde, die am eingebracht wurde, war verspätet."

Das in der Stellungnahme genannte, direkt an die steuerliche Vertretung gerichtete E-Mail des Finanzamtes vom hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Mag. […]!
Betreffend [die Bf.] wird die Rechtsmittelfrist zur Einbringung einer Beschwerde gegen Festsetzung U 12/2017, U 5/2018, U 6/2018 bis zum verlängert.
MfG
"

Das BFG hat erwogen:

Die für den vorliegenden Beschluss maßgeblichen Bestimmungen der BAO normieren wie folgt:

§ 85 Abs. 1: Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
Abs. 3: Die Abgabenbehörde hat mündliche Anbringen der im Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen, a) wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, oder b) wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist, oder c) wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann. Zur Entgegennahme mündlicher Anbringen ist die Abgabenbehörde nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden verpflichtet, die bei der Abgabenbehörde durch Anschlag kundzumachen sind.

§ 92 Abs. 1: Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben (…).
Abs. 2: Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.

§ 93. Abs. 2: Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Abs. 3: Der Bescheid hat ferner zu enthalten
a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, dass das Rechtsmittel begründet werden muss und dass ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

§ 94: Verfügungen, die nur das Verfahren betreffen, können schriftlich oder mündlich erlassen werden.

§ 97 Abs. 1: Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.
Abs. 3: An Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung kann deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, daß sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf.

Aus dem oben dargelegten Akteninhalt, insbesondere den Vorhaltsbeantwortungen der Parteien vom (Bf.) bzw. vom (Finanzamt), ergibt sich, dass innerhalb der bis verlängerten Rechtsmittefrist weder ein weiteres schriftliches Anbringen zur (wiederholten) Verlängerung der Rechtsmittelfrist (bis ) eingebracht wurde, noch ein allenfalls mündlich gestellter Antrag der Bf. niederschriftlich protokolliert wurde. Auch über FinanzOnline wurde keine (weitere) Fristerstreckung beantragt.

Die Bf. (bzw. deren steuerliche Vertretung) äußerte sich gegenüber dem BFG in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom dazu nicht näher, sondern legte lediglich den Verlängerungsantrag vom sowie den Bescheid des Finanzamtes vom , mit dem die Frist bis zum verlängert wurde, vor. Dass ein weiterer (wirksamer) Antrag auf Fristerstreckung eingebracht oder eine nochmalige, über den hinausgehende Verlängerung der Rechtsmittelfrist vom Finanzamt per Bescheid gewährt worden wäre, wird nicht behauptet bzw. nicht einmal angedeutet.

Auf Grund des behördlichen Aktenvermerkes vom bzw. des E-Mails des Sachbearbeiters des Finanzamtes vom liegt die Vermutung nahe, dass die steuerliche Vertretung in einer anderen - jedoch nicht den Erfordernissen der §§ 85, 86a BAO entsprechenden - Form um Fristerstreckung ersucht hat. Es ist - so auch das Finanzamt in seiner Stellungnahme vom - anzunehmen, dass sich der Steuerberater am allenfalls telefonisch gemeldet haben dürfte.

Telefonische Anbringen stellen jedoch keine "mündlichen Anbringen" dar (z.B. ). Auch eine möglicherweise gegebene telefonische Zusage der Behörde zur Verlängerung der Beschwerdefrist ist nicht zulässig (vgl. ).

Innerhalb der bis erstreckten Frist wurde sohin kein den eingangs zitierten Vorschriften entsprechendes Anbringen auf neuerliche Fristverlängerung eingebracht, sodass auch keine Hemmung der (bereits verlängerten) Beschwerdefrist eintreten konnte.

Was nun die "Fristverlängerung" des Finanzamtes per E-Mail vom anlangt, gilt Folgendes:

Verfahrensleitende Verfügungen sind Bescheide (vgl. Ritz, BAO Kommentar6 2017, § 94 Tz 2), wie zB ein Bescheid bezüglich Fristverlängerung (vgl. ). Nach § 94 BAO können verfahrensleitende Verfügungen nur schriftlich oder mündlich erlassen werden. Eine wirksame Verlängerung der Beschwerdefrist kann nur mittels Bescheid erfolgen.

Um wirksam zu werden, muss eine Erledigung gemäß den Voraussetzungen des § 97 BAO bekanntgegeben werden. Nach § 97 Abs. 3 BAO ist auch die Möglichkeit gegeben, anstelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung, den Inhalt der Erledigung telegraphisch oder fernschriftlich mitzuteilen.

Dies trifft jedoch nicht auf eine Erledigung per E-Mail zu. Diese stellt einen absolut nichtigen Verwaltungsakt dar. Eine Zustellung von Bescheiden per E-Mail ist im Anwendungsbereich der BAO nicht vorgesehen (Ritz, aaO, § 97 Tz 14; sowie ).

Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass das E-Mail der belangten Behörde vom überdies keine Bescheidqualität im Sinne der §§ 92 ff. BAO aufweist. Weder spricht der Gebrauch der Höflichkeitsformel "Sehr geehrter Herr…" noch die Verwendung der Grußformel "MfG" für das Vorliegen eines Bescheides (Ritz, aaO, § 93 Tz 5, mwN). Das Mail ist zudem persönlich an die nicht zustellbevollmächtigte steuerliche Vertretung gerichtet. Auch das Fehlen von Rechtsmittelbelehrung und Unterschrift spricht gegen das Vorliegen eines Bescheides (zB ).

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Im Beschwerdefall ist aus den dargelegten Gründen eine bescheidmäßig bewilligte und sohin wirksame (neuerliche) Fristverlängerung über den hinaus nicht erfolgt, weshalb die Beschwerde vom verspätet eingebracht wurde und somit zurückzuweisen war.

Zur Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das BFG konnte sich in der vorliegenden Entscheidung auf die wörtlich wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen und die zitierte Judikatur stützen. Dass Bescheide im Anwendungsbereich der BAO per E-Mail nicht wirksam bekanntgegeben werden können, ergibt sich zwingend daraus, dass weder im Gesetz noch in einer Verordnung des BMF eine Bekanntgabe per E-Mail vorgesehen ist.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt sohin nicht vor und war die Revision folglich nicht zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 94 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100809.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at