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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.06.2021, RV/2100352/2020

Implantation von trifokalen Intraokularlinsen in beide Augen als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Bf beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 Krankheitskosten in Höhe von € 10.372,42 als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt zu berücksichtigen. In der in der Folge übermittelten Aufstellung wurden die Aufwendungen wie folgt aufgelistet:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Augen-OP in ***1***
€ 5.220,00
Fahrtkosten, 220 kmx2x0,42
€ 554,20
Voruntersuchung 25.6.
OP 4.8.
Nachuntersuchung 27.8.
Übernachtung OP, ***2*** 4.-6. 8.



€ 267,00
OP ***3***
Achillessehne/Fersensporn
€ 3.572,85
DZG
€ 263,80
Selbstbehalt SVA und Apotheke
€ 494,37
Summe
€ 10.372,42

Das Finanzamt wies das Begehren des Bf im angefochtenen Bescheid mit der Begründung ab, dass Behandlungs- und Operationskosten in einer Privatklinik keine außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG 1988 darstellen würden. Es handle sich dabei um eine freiwillige Entscheidung, die nach der Rechtslage keine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen begründen würde. Behandlungs- und Operationskosten in öffentlichen Krankenhäusern würden von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden. Ebenso würden Kosten für eine Magnetresonanzuntersuchung von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden und würden daher keine außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG 1988 darstellen.

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen (gemeint waren die Aufwendungen des Bf für den Selbstbehalt bei der gesetzlichen Krankenversicherung und die Kosten für Medikamente in Höhe von € 494,37) seien nicht berücksichtigt worden, da die Aufwendungen niedriger seien als der für den Bf gültige Selbstbehalt in Höhe von 2.694,52 Euro.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde führte der Bf aus, dass im Einkommensteuerbescheid 2018 Krankheitskosten in Höhe von € 6.241,40 für eine Operation der Augen "trifokale Intraokularlinsen" nicht berücksichtigt worden sei. Die Kosten für diese Operation seien von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommen worden.

Er ersuche um Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von insgesamt € 6.735,77 (bisher € 494,37 zuzüglich der Kosten für seine Augenoperation von € 6.241,40) als außergewöhnliche Belastung im Jahre 2018.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wiederholte das Finanzamt seine Begründung im angefochtenen Bescheid.

In dem dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageantrag führte der Bf aus, dass er der Argumentation des Finanzamtes nicht folgen könne. Seiner Meinung nach sei es wohl unbestritten, dass im Fall einer Fehlsichtigkeit (bei Implantation von Trifokallinsen) eine Krankheit vorliegen würde und die Operation als Heilbehandlung eine nach § 34 EStG absetzbare außergewöhnliche Belastung darstellen würde (siehe Beilagen 1 und 2). Krankheitskosten würden immer zwangsläufig erwachsen, weil sich der Steuerpflichtige ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen könne (siehe auch Beilage 3, Erkenntnis des ). Die Implantation von Trifokallinsen sei zum Zeitpunkt der Operation in einem öffentlichen Krankenhaus nicht angeboten und von der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht bezahlt worden (siehe Bestätigung ***4***, Beilage 4). Er ersuche um Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von insgesamt € 6.735,77 als außergewöhnliche Belastung im Jahre 2018.

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte in der Stellungnahme aus, es stelle sich die Frage, ob bei pflichtversicherten Steuerpflichtigen höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen würden (, und ). Der VwGH hat diese Frage bejaht, sofern solche Aufwendungen aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (). Die triftigen medizinischen Gründe müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (. Die Beweislast hierfür trifft stets den Steuerpflichtigen (vgl. ). Weder im Zusammenhang mit der festgestellten Fehl- oder Alterssichtigkeit noch mit einem (etwaigen) Grauen Star hätte eine medizinische Notwendigkeit des durchgeführten operativen Eingriffs vorgelegen. Der Beschwerdeführer hätte auch keine triftigen medizinischen Gründe für die Operation nachweisen können. Es werde der Antrag auf Abweisung der Beschwerde gestellt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Laut augenärztlichem Befund vom wurden vom operierenden Arzt Presbyopie (Alterssichtigkeit) und Hyperopie (Weitsichtigkeit) diagnostiziert. Weiters wurden Feststellungen zu Nahvisus ohne Korrektur, Fernvisus ohne Korrektur, subjektive Refraktion, objektive Refraktion, Brille, Augendruck, vorderer Augenabschnitt und hinterer Augenabschnitt getroffen. Als weiteres Procedere wurde "Trifokale IOL möglich" vermerkt. Der Patient sei über Risiken und mögliche Komplikationen wie Halos, Blendung, Kontrastreduktion, Infektion, Entzündung, Lese/PC Brille, Netzhautödem, Netzhautablösung, etc. aufgeklärt worden.

Nach der vorgelegten Honorarnote vom ließ der Bf vom Augenlaserzentrum ***4*** in ***1*** am selben Tag ambulante Operationen von trifokalen IOL (Intraokularlinse) ins rechte und linke Auge durchführen.

Mit Schreiben vom wird vom behandelnden Arzt des ***4*** Augenlaserzentrums informiert, dass die Implantation von Trifokallinsen zur Behandlung eines Grauen Stars beim Bf in einem öffentlichen Spital zum Zeitpunkt der OP 8/2018 nicht möglich gewesen wäre.

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass lediglich die vom Bf als außergewöhnliche Belastung beantragten Aufwendungen für die Augenlaseroperation in Höhe von insgesamt € 6.241,40 und die Aufwendungen für den Selbstbehalt bei seiner Krankenversicherung und die Apothekengebühr in Höhe von insgesamt € 494,37 strittig sind.

Beweismittel

An Beweismitteln wurden der augenärztliche Befund vom , die Honorarnote vom und das Schreiben vom vorgelegt.

Im Zuge des Vorlageantrages übermittelte der Bf Unterlagen zur steuerlichen Absetzbarkeit von Aufwendungen für Augenlaseroperationen bei ***5*** und die Korrektur mittels Lasik-Verfahrens.

Rechtliche Grundlage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Die Belastung ist gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 dann zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Als außergewöhnliche Belastungen kommen auch Krankheitskosten, wie beispielsweise Kosten für Arzt und Krankenhaus, in Betracht. Durch Krankheit verursachte Aufwendungen erwachsen aus tatsächlichen Gründen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist die Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, jedoch nur dann gegeben, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen. Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Behandlung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierten medizinischen Betreuung stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe für die Aufwendungen dar (vgl. z.B. ; ; ). Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden ().

Erwägungen

Der Bf vertritt die Ansicht, dass im Fall einer Fehlsichtigkeit (bei Implantation von Trifokallinsen) eine Krankheit vorliegen würde und die Operation als Heilbehandlung eine nach § 34 EStG absetzbare außergewöhnliche Belastung darstellen würde.

Der Bf bringt im Vorlageantrag vor, dass die Implantation von Trifokallinsen zum Zeitpunkt der Operation in einem öffentlichen Krankenhaus nicht angeboten und von der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht bezahlt worden sei.

Dies ist jedoch nicht entscheidungsrelevant, da es für das Vorliegen von außergewöhnlichen Belastungen bei krankheitsbedingten Aufwendungen, die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen werden, viel mehr darauf ankommt, ob die Krankenbehandlungen, im gegenständlichen Fall das Einsetzen von trifokalen Intraokularlinsen in beide Augen, aus triftigen medizinischen Gründen durchgeführt werden mussten. Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wären. Die Beweislast dafür, dass ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung solche triftigen, medizinischen Gründe (zB erwartete medizinische Komplikationen) eingetreten wären, trifft den Steuerpflichtigen (vgl. Renner in: BFGjournal 172/2015).

Den Nachweis, dass solche triftigen medizinischen Gründe (zB bereits bestehende schwerwiegende medizinische Gründe, die die von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlte und vorgesehene Therapieform oder Behandlung unmöglich machen würden oder zu erwartende medizinische Komplikationen, wenn die von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlte Behandlung angewendet wird) ohne die mit höheren vom Bf selbst zu bezahlenden Kosten verbundene im Augenlaserzentrum durchgeführte Augenoperation eingetreten wären, hat der Bf nicht erbracht. Es sind daher für den Entschluss, die laut augenärztlichem Befund vom festgestellten Fehlsichtigkeiten durch die Implantation von trifokalen IOL in beide Augen korrigieren zu lassen, für deren Kosten die allgemeine Krankenkasse nicht aufgekommen ist, keine triftigen medizinischen Gründe erkennbar, weshalb nicht von einer Zwangsläufigkeit auszugehen ist und die vom Bf geltend gemachten Kosten in Höhe der ihm entstandenen Operationskosten nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Hinsichtlich der beim Bf laut Befund vom festgestellten Presbyopie (Alterssichtigkeit) und Hyperopie (Weitsichtigkeit) und der in diesem Zusammenhang durchgeführten ambulanten Operation einer trifokalen IOL (Intraokularlinse) bei beiden Augen ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (vgl. ), wonach bloße Wünsche und Vorstellungen der Betreffenden über eine bestimmte medizinische Betreuung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen darstellen, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen.

Zu dem von ***4*** vorgelegten Schreiben vom , wonach informiert wird, dass die Implantation von Trifokallinsen zur Behandlung eines Grauen Stars beim Bf in einem öffentlichen Spital zum Zeitpunkt der OP 08/2018 nicht möglich gewesen wäre, ist anzumerken, dass laut dem von ***4*** erstellten Befund vom ein Grauer Star beim Bf nicht diagnostiziert wurde. Auch in den Schreiben des Bf selbst ist von einem Grauen Star nicht die Rede. Es ist daher davon auszugehen, dass die Implantation der trifokalen Intraokularlinsen in beide Augen allein zur Behandlung der im Augenärztlichen Befund vom diagnostizierten Fehlsichtigkeit (Presbyopie und Hyperopie) erfolgt ist.

Dem als Beilage zum Vorlageantrag übermittelten Erkenntnis des BFG, RV/5102231/2016 vom (Beilage 3), kommt keine Bedeutung zu, da es dabei um die Beurteilung der Aufwendungen für eine Augenlaseroperation als Werbungskosten gegangen ist und gegenständlich nicht bestritten wird, dass es sich bei der Behandlung von Fehlsichtigkeiten grundsätzlich um eine außergewöhnliche Belastung handeln kann.

Bezüglich der vom Bf gemeinsam mit dem Vorlageantrag eingebrachten Unterlagen von www.eyelaser.at bzw. über das Lasik-Verfahren, wonach zusammengefasst die Kosten für Augen-Laserbehandlungen oder für Linsenimplantate genauso wie die Kosten für eine Brille oder Kontaktlinsen als Krankheitskosten absetzbar seien, ist auszuführen, dass es sich dabei um eine allgemeine nicht den Einzelfall beurteilende Ansicht handelt, die, wie das Finanzamt bereits ausgeführt hat, keine verbindliche Rechtsmeinung darstellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung (z.B. ) die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Renner in BFGjournal 172/2015

ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100352.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at