Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2021, RV/5101635/2018

Doppelte Haushaltsführung oder Begründung eines neuen Familienwohnsitzes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache Dipl.-Ing. ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid angeführten Abgabe betragen:


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2016
Einkommen
103.750,97 €
Einkommensteuer
40.382,79 €
anrechenbare Lohnsteuer
-46.885,49 €
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift)
-6503 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe sind dem als Anlage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Spruches bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1.) Die Bf mit gemeldetem Hauptwohnsitz in Ort2 (Ort: Ort) ist seit 2015 und daher auch im streitgegenständlichen Jahr 2016 im technischen Management bei einem Unternehmen in Ort3 nichtselbständig tätig und erzielte im Jahr 2016 laut vorliegendem Lohnzettel Einkünfte in Höhe von € 116.948,42.

2.) Anfang November 2015 hat die Bf eine 80 m2 Wohnung und 2 Tiefgaragenplätze in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in Ort1 angemietet.

3.) In der Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 machte die Bf ua Kosten für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von € 24.000,00 geltend.

4.) Mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurde der Abzug der beantragten Kosten vom Finanzamt versagt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Familienwohnsitz der Bf in Ort3 befinden würde bzw. eine Verlegung des Familienwohnsitzes dorthin nicht unzumutbar sei.

5.) In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom brachte die Bf zusammengefasst vor, dass die Aufnahme des Ehepartners in den Mietvertrag der Ort3 Wohnung ein Missverständnis gewesen sei und dieser nur bei der Wohnungssuche geholfen habe. Ihr Ehepartner sei überdies selbstständig und führe seinen Betrieb vom Familienwohnsitz (Str.***1***, Ort 4) aus. Als Nachweis legte die Bf einen Gewerberegisterauszug vor.

6.) In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt ua aus, dass die Aktenlage eindeutig gegen das Vorliegen eines Missverständnisses hinsichtlich des gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrages spreche, da die Wohnung aus 3 Zimmern besteht und darüber hinaus auch 2 Tiefgaragenplätze angemietet wurden. Aus den durch die Bf vorgelegten Belegen für die Wohnungseinrichtung gehe auch hervor, dass die Wohnung für 2 Personen eingerichtet wurde. Weiters begründete das Finanzamt seine Entscheidung damit, dass die unternehmerische Tätigkeit des Ehepartners der Bf als Handelsagent keinen Unzumutbarkeitsgrund für die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Ort1 darstelle. Bei der Tätigkeit als Handelsvermittler bestehe keine Bindung zur Meldeadresse des Gewerbes und die Tätigkeit sei ohnehin mit viel Reisetätigkeit verbunden. Das Finanzamt gibt weiters an, dass der Ehepartner der Bf in seinen Facebook-Profilen als Wohnort "Ort1" angebe, was dafür spreche, dass sich der Familienwohnsitz im Jahr 2016 bereits in Ort3 befunden hat.

7.) In dem am eingebrachten Vorlageantrag brachte die Bf unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung ergänzend vor, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Ort3 keinesfalls zumutbar sei, da mit dem Erlös des Verkaufes des Einfamilienhauses in Ort kein Einfamilienhaus in Ort3 (bzw in der Nähe der nunmehrigen Arbeitsstätte) erworben werden könne. Darüber hinaus müsse ihr Ehegatte den Sitz seines Unternehmens nach Ort3 verlegen und ein neues Geschäftslokal mieten, was wirtschaftlich nicht tragbar sei. Als Nachweis legte die Bf eine Stellungnahme ihres Ehepartners vor.

8.) Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundefinanzgericht zur Entscheidung vor.

9) Mit Beschluss vom wurde seitens der Richterin ausgeführt: "1) Doppelte Haushaltsführung: Hinsichtlich Arbeitnehmerveranlagung 2016 sind die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung strittig. Allgemein wird von einer doppelten Haushaltsführung gesprochen, wenn der Steuerpflichtige neben seinem Familienwohnsitz einen zweiten Wohnsitz am Ort der Erwerbstätigkeit unterhält, dh es werden aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt. Als Familienwohnsitz gilt dabei jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem Lebensgefährten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet. Weiters ist zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung zu unterscheiden. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass von einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung dann gesprochen wird, wenn die nachgewiesene Absicht besteht, nach einem absehbaren Zeitraum der auswärtigen Berufsausübung wieder an den Ort des Familienwohnsitzes zurückzukehren, während eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung die Verlegung des Familienwohnsitzes auf längere Sicht unzumutbar erscheinen lässt. Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung können immer nur so lange vorliegen, bis der Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort verlegt wurde. Im Jahr 2016 wurden Mietaufwendungen für eine Wohnung in Ort1 getätigt. Unstrittig weist die Miete der Wohnung in Ort1 einen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit in Ort3 auf. Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob dort ein gemeinsamer Wohnsitz mit Ihrem Gatten begründet wurde. Wurde kein gemeinsamer Wohnsitz in Ort1 begründet, ist zu prüfen, ob die Verlegung des Wohnsitzes nach Ort1 unzumutbar war.

Als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kommen unvermeidbare Mehraufwendungen in Betracht, die dem Abgabenpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (). Das sind insbesondere: Aufwendungen für eine zweckentsprechende angemietete Wohnung (Hotelzimmer) des Steuerpflichtigen am Dienstort (Mietkosten und Betriebskosten) einschließlich der erforderlichen Einrichtungsgegenstände.

Entscheidungsrelevant sind also folgende Fragen:

1) Wurde in Ort3 ein gemeinsamer Wohnsitz errichtet? (Falls ja - Abweisung; Falls nein - Prüfung ob Verlegung zumutbar)

2) Verlegung zumutbar? Wenn ja, wann?

3) Höhe der bei unzumutbarer Verlegung anzuerkennende Kosten

Für die Richterin ergeben sich noch folgende Fragen zum Sachverhalt:

Sie führen im Schreiben vom an, dass im Februar 2018 eine günstigere Wohnung in Ort3 bezogen wurde. Laut Auskunft im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung haben Sie ab November 2018 bei der NeuerAG zu arbeiten begonnen. Wird die Wohnung in Ort3 noch beibehalten? Besteht dieses Arbeitsverhältnis noch unverändert? Welche betriebliche Infrastruktur ist bei Ihrem Gatten am Wohnsitz vorhanden? Bitte allenfalls Fotos vorlegen. Für das Beschwerdejahr wird von der Amtspartei im Vorlagebericht der unvermeidbare Aufwand für eine Zweitwohnung in Ort3 mit € 10.000 angenommen. Nach Ansicht der Richterin ist der in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung geltend gemachte Aufwand jedenfalls überhöht.

2) Verpflegungsmehraufwand bei Reisen

Zur Wahrung des Parteiengehörs wird ausgeführt: Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit beruflich veranlassten Reisen sind nur dann berücksichtigungsfähig, wenn tatsächlich Mehraufwendungen angefallen sind. Einem Steuerpflichtigen stehen keine Verpflegungsmehraufwendungen zu, wenn er sich nur während des Tages an einer neuen Arbeitsstätte aufhält; allfällige aus der anfänglichen Unkenntnis über die lokale Gastronomie resultierende Verpflegungsmehraufwendungen können in solchen Fällen durch die entsprechende zeitliche Lagerung von Mahlzeiten bzw. die Mitnahme von Lebensmitteln abgefangen werden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/14/0013). Die üblichen (nicht abzugsfähigen) Verpflegungsmehraufwendungen während eines Arbeitstageswerden nur im Falle einer Reise überschritten, wenn diese solange andauert, dass der Steuerpflichtige auch das Frühstück und das Abendessen außerhalb seines Haushaltes einnehmen muss (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2000/15/0151), wenn also eine Nächtigung erforderlich ist.

Laut den aktenkundigen Reiseaufzeichnungen der Bf. war der Beginn der in Rede stehenden Reisen zwischen 06:00 und 07:30 Uhr; die Reise endeten im Ausnahmefall um 14:00 Uhr (2x), um 15:00 Uhr und 15:30 (je 1x) in aller Regel aber zwischen 18:00 Uhr (1x) bzw. 19:00 Uhr (Regelfall) und 20:00 bzw. 20:15 Uhr (je 1x).

Die Reisen der Bf. waren somit laut Reiseaufzeichnungen so gelagert, dass zwei Mahlzeiten - Frühstück und Abendessen - zu Hause eingenommen werden konnten. Lediglich das Mittagessen musste außerhalb des Haushaltes eingenommen werden. Dafür konnte die Bf. - ebenso, wie dies die überwiegende Mehrzahl der berufstätigen Menschen aufgrund ihrer Arbeitszeiten macht bzw. machen muss,- entsprechend vorsorgen. Beispielsweise dadurch, dass er allfällige aus der anfänglichen Unkenntnis über die lokale Gastronomie resultierende Verpflegungsmehraufwendungen durch die entsprechende zeitliche Lagerung der Mahlzeiten bzw. die Mitnahme von Lebensmitteln abfangen konnte.

Die diesbezüglichen günstigeren Regelungen der Einkommensteuerrichtlinien sind zwar für die Finanzämter bindend, nicht aber für das Bundesfinanzgericht. Dieses hat sich ausschließlich an der Gesetzeslage und an der Judikatur der Höchstgerichte zu orientieren. Die bisher als Werbungskosten anerkannten Beträge können demnach nicht anerkannt werden. (Verböserung)"

10.) Mit Schreiben vom wurde seitens der Bf. wie folgt zu den Ausführungen Stellung genommen: "Frage 1: Sie führen im Schreiben vom an, dass Sie im Februar 2018 eine günstigere Wohnung in Ort3 bezogen wurde. Laut Auskunft im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung haben Sie ab November 2018 bei der NeuerAG zu arbeiten bekommen. Wird die Wohnung in Ort3 noch beibehalten? Antwort: Die Miete der Wohnung in Ort3 wurde gleichzeitig mit dem Dienstverhältnis in Ort3 beendet. In der Anlage findet sich die entsprechende Mail.

Frage 2: Besteht dieses Arbeitsverhältnis noch unverändert?

Antwort: Ja, ich bin seit November 2018 bei der NeuerAG in Ort4 als Geschäftsführerin beschäftigt. Mein Hauptwohnsitz und der meines Mannes ist nach wie vor in Ort 4.

Frage 3: Welche betriebliche Infrastruktur ist bei Ihrem Gatten am Wohnsitz vorhanden? Bitte allenfalls Fotos vorlegen.

Antwort: Es besteht ein eingerichtetes Büro (25 m²) mit entsprechender IT-Ausrüstung sowie eine Toilette. Es bestehen keinerlei Mietkosten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wurde die Entscheidung getroffen, das Büro zuhause einzurichten (und das externe Büro zu kündigen)."

Beigelegt war diesem Schreiben ein Mail, in welchem der Rückgabetermin für die Wohnung im Jahr 2018 bestätigt wird.

11.) Mit Schreiben vom nahm die Amtspartei zum Beschluss der Richterin und zur Beantwortung durch die Bf. Stellung und führte aus: "Der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes, dass die im Jahr 2016 streitgegenständliche Wohnung bereits im Februar 2018 aufgegeben wurde, ebenso mit November 2018 die günstigere Wohnung in Ort3 und dies gegen eine Wohnsitzverlegung mit Ehegatten im Jahr 2016 nach Ort3 spricht und demnach zumindest 2 Jahre eine doppelte Haushaltsführung anerkannt werden müsste, kann nicht gefolgt werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Begründungen bzw. Ausführungen in der BVE und des Vorlageberichtes verwiesen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf mit gemeldeten Hauptwohnsitz in Ort 5 war im streitgegenständlichen Jahr 2016 im technischen Management bei einem Ort3 Unternehmen nichtselbständig tätig.

Anfang 2015 hat die Bf eine Wohnung im Ausmaß von 81 m2 samt 2 Pkw-Stellplätzen angemietet. Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung betrugen im Jahr 2016 € 24.000.

Die Bf ist seit 2015 in 2. Ehe verheiratet und hat keine Kinder. Sie verfügt über ein Einfamilienhaus in Ort 5. Ihr jetziger Ehepartner ist als Handelsvermittler selbständig (gewerblich) tätig.

Die Bf und ihr Ehepartner haben ihren Wohnsitz in Ort 5 gemeldet. Eine tägliche Rückkehr vom Arbeitsort in Ort1 zum Wohnsitz in Ort ist jedenfalls nicht zumutbar. Die Entfernung der beiden Wohnsitze beträgt ca. 200 Straßenkilometer.

Die Bf hat im Jahr 2016 Verpflegungsmehraufwendungen für mehrere eintägige Reisen geltend gemacht. Laut den aktenkundigen Reiseaufzeichnungen der Bf. war der Beginn der in Rede stehenden Reisen zwischen 06:00 und 07:30 Uhr; die Reise endeten im Ausnahmefall um 14:00 Uhr (2x), um 15:00 Uhr und 15:30 (je 1x) in aller Regel aber zwischen 18:00 Uhr (1x) bzw. 19:00 Uhr (Regelfall) und 20:00 bzw. 20:15 Uhr (je 1x).

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt der vorgelegten Akten sowie den elektronischen Steuerakt.

Dass die Entfernung zwischen Hauptwohnsitz und Dienstort bei cirka 200 km liegt ergibt sich aus den im Internet verfügbaren Routenplanern (zB Google Maps), darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden und ist hier auch nicht strittig.

Dass die Bf eine Wohnung in Ort3 angemietet hat, ergibt sich aus dem Mietvertrag und den Angaben der Bf.

Dass der Ehepartner der Bf als Handelsvertreter selbständig tätig ist, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben der Bf.

Die Angaben zu den Verpflegungsmehraufwendungen bei eintägigen Reisen ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

  • Allgemeines

Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden; dies gilt nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann.

  • Doppelte Haushaltsführung

Allgemein wird von einer doppelten Haushaltsführung gesprochen, wenn der Steuerpflichtige neben seinem Familienwohnsitz einen zweiten Wohnsitz am Ort der Erwerbstätigkeit unterhält, dh es werden aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt.

Als Familienwohnsitz gilt dabei jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem Lebensgefährten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet.

Weiters ist zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung zu unterscheiden. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass von einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung dann gesprochen wird, wenn die nachgewiesene Absicht besteht, nach einem absehbaren Zeitraum der auswärtigen Berufsausübung wieder an den Ort des Familienwohnsitzes zurückzukehren, während eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung die Verlegung des Familienwohnsitzes auf längere Sicht unzumutbar erscheinen lässt.

Es ist Aufgabe des Steuerpflichtigen, Gründe darzulegen, weshalb eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar ist (LStR 2002 Rz 341ff).

Vorweg ist festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht nicht an in Richtlinien kundgemachten Meinungen bzw. Ansichten gebunden ist. Die Entscheidungsfindung hat sich ausschließlich an Gesetzen bzw. Verordnungen zu orientieren. Allerdings können Richtlinien sehr wohl als Auslegungsbehelf dienen.

Im vorliegenden Fall geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass sich der Familienwohnsitz im Jahr 2016 nicht in Ort3 befunden hat

Der Familienwohnsitz befand sich im Jahr 2016 in Ort2.

Dies ergibt sich nach Ansicht der Richterin aus folgenden Überlegungen:

Seitens der Amtspartei wurde vorgebracht, dass auch der Ehegatte im Mietvertrag in Ort1 aufscheint. Die Bf. wendete ein, dass dies ein Irrtum war. Die Richterin folgt in diesem Punkt der Bf., da der Ehegatte bereits vor dem Finanzamtsverfahren aus dem Mietvertrag herausgenommen wurde.

Nach Ansicht der Richterin hat der Facebook-Eintrag des Ehegatten, wo er angibt in Ort1 zu wohnen, die Ursache darin, dass er lt. Vorbringen der Beschwerdeführerin gelegentlich bei ihr übernachtete. Dies begründet jedoch keinen Wohnsitz in Ort3.

Auch der Umstand, dass nach einiger Zeit eine billigere Wohnung in Ort3 bezogen wurde und in weiterer Folge auch wieder ganz aufgegeben wurde spricht dafür, dass nur vorübergehend eine Wohnmöglichkeit in Ort3 notwendig war.

Es ist jedoch in weiterer Folge zu prüfen, ob eine Wohnsitzverlegung nach Ort3 zumutbar war und wenn ja, wann.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (). Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus ().

Der Amtspartei wird zugestimmt, dass die Tätigkeit als Handelsvermittler naturgemäß mit viel Reisetätigkeit verbunden ist und die Ausübung der Tätigkeit nicht an eine Meldeadresse des Gewerbes gebunden ist. Es ist daher jedenfalls nach einer bestimmten Zeit zumutbar, den Familienwohnsitz an den Ort der Beschäftigung zu verlegen, da die Tätigkeit als Handesvermittler auch von dort ausgeübt werden kann.

Als Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes erblickt die Bf darin, dass mit einem Verkaufserlös aus dem Einfamilienhaus in Ort jedenfalls kein adäquates Einfamilienhaus im näheren Einzugsbereich ihres nunmehrigen Arbeitgebers erworben werden könne.

Abgesehen davon, dass sich die Bf in ihrer Begründung hierzu auf bloß allgemein gehaltene Behauptungen beschränkte, ihr Vorbringen nicht einzelfallbezogen anhand von entsprechender Unterlagen nachwies und daher kein entsprechender Vermögensnachteil als erwiesen anzusehen ist, ist auch zu berücksichtigen, dass die Bf keine weiteren Umstände von erheblichem objektiven Gewicht dargelegt hat, die einer Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahebereich der Arbeitsstätte entgegengestanden wären bzw. auf Grund derer eine Verlegung nur unter schwierigsten Bedingungen erfolgen hätte können.

Nach einer gewissen Zeit, die stets im Einzelfall zu beurteilen ist, wäre der Bf. also jedenfalls die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Ort3 zumutbar gewesen. Die Lohnsteuerrichtlinien nehmen bei verheirateten Steuerpflichtigen dafür einen Zeitraum von zwei Jahren an. Im Beschwerdejahr war die Wohnsitzverlegung also jedenfalls noch nicht zumutbar.

Im Streitjahr liegt demnach eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vor.

Als Kosten einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung kommen jedoch nur die Kosten einer Kleinwohnung () bzw zweckentsprechenden Wohnung in Betracht (); die darüberhinausgehenden Beträge sind gem § 20 Abs 1 Z 1 nicht abzugsfähig. IdS unterliegen die tatsächlich angefallenen Wohnungskosten einer Angemessenheitsprüfung (). Nach LStR 349 können sowohl bei Miet- als auch bei Eigentumswohnungen Miete, Betriebskosten und Einrichtungskosten bezogen auf eine Kleinwohnung von rund 55 m² abgesetzt werden. Einrichtungsgegenstände können nur dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie zur üblichen Wohnungsausstattung zählen. Nach der Judikatur ist allerdings bezüglich der anzuerkennenden Wohnungsgröße auf die Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen (). Im Erkenntnis vom , 2010/13/0148 hat der VwGH die Kürzung auf Basis einer Kleinwohnung von 60 m² bestätigt; der Bf hätte nicht vorgebracht, warum es ihm nicht möglich gewesen wäre, um den vom UFS angesetzten monatlichen Betrag von 800 € eine Wohnung anzumieten. Entscheidend sind die Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort. (vgl. Jakom/Lenneis, EStG 2021, § 16 RZ 56) Es wurde nicht vorgebracht, warum die Wohnung im Stadtteil Ort1 gemietet wurde, der als sehr teuer gilt, gemietet werden musste. Die geltend gemachten Kosten waren demnach im Schätzungswege (§ 184 BAO) auf die angemessenen Kosten zu kürzen.

Seitens der Richterin wurden die angemessenen Aufwände wie von der Amtspartei auch im Vorlagebericht ausgeführt mit € 10.000 geschätzt und wurde dies den Parteien mit Beschluss vom vorgehalten.

Dazu wurde weder seitens der Bf. und der Amtspartei ein Vorbringen erstattet.

Es ergeben sich nach Ansicht der Richterin folgende Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung:


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Miete und Betriebskosten in angemessener Höhe
€ 10.000
Einrichtungsgegenstände
€ 2133,87
Versicherung Wohnung
€ 170,16
Summe anerkannte Kosten
12304,03

Die darüber hinausgehend geltend gemachten Kosten können nach Ansicht der Richterin steuerlich nicht berücksichtigt werden.

  • Geltend gemachte Verpflegungsmehraufwendungen für eintägige Reisen

Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit beruflich veranlassten Reisen sind nur dann berücksichtigungsfähig, wenn tatsächlich Mehraufwendungen angefallen sind. Einem Steuerpflichtigen stehen keine Verpflegungsmehraufwendungen zu, wenn er sich nur während des Tages an einer neuen Arbeitsstätte aufhält; allfällige aus der anfänglichen Unkenntnis über die lokale Gastronomie resultierende Verpflegungsmehraufwendungen können in solchen Fällen durch die entsprechende zeitliche Lagerung von Mahlzeiten bzw. die Mitnahme von Lebensmitteln abgefangen werden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/14/0013). Die üblichen (nicht abzugsfähigen) Verpflegungsmehraufwendungen während eines Arbeitstages werden nur im Falle einer Reise überschritten, wenn diese solange andauert, dass der Steuerpflichtige auch das Frühstück und das Abendessen außerhalb seines Haushaltes einnehmen muss (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2000/15/0151), wenn also eine Nächtigung erforderlich ist.

Laut den aktenkundigen Reiseaufzeichnungen der Bf. war der Beginn der in Rede stehenden Reisen zwischen 06:00 und 07:30 Uhr; die Reise endeten im Ausnahmefall um 14:00 Uhr (2x), um 15:00 Uhr und 15:30 (je 1x) in aller Regel aber zwischen 18:00 Uhr (1x) bzw. 19:00 Uhr (Regelfall) und 20:00 bzw. 20:15 Uhr (je 1x).

Die Reisen der Bf. waren somit laut Reiseaufzeichnungen so gelagert, dass zwei Mahlzeiten - Frühstück und Abendessen - zu Hause eingenommen werden konnten. Lediglich das Mittagessen musste außerhalb des Haushaltes eingenommen werden. Dafür konnte die Bf. - ebenso, wie dies die überwiegende Mehrzahl der berufstätigen Menschen aufgrund ihrer Arbeitszeiten macht bzw. machen muss,- entsprechend vorsorgen. Beispielsweise dadurch, dass er allfällige aus der anfänglichen Unkenntnis über die lokale Gastronomie resultierende Verpflegungsmehraufwendungen durch die entsprechende zeitliche Lagerung der Mahlzeiten bzw. die Mitnahme von Lebensmitteln abfangen konnte.

Die diesbezüglichen günstigeren Regelungen der Einkommensteuerrichtlinien sind zwar für die Finanzämter bindend, nicht aber für das Bundesfinanzgericht. Dieses hat sich ausschließlich an der Gesetzeslage und an der Judikatur der Höchstgerichte zu orientieren. Die bisher als Werbungskosten anerkannten Beträge können demnach, wie bereits im Beschluss vom ausgeführt, nicht anerkannt werden.

Es ergeben sich folgende Werbungskosten:


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Kennzahl
Bisher
Neu
Summe
723
0
12304,03
12304,03
721
466,4
0
0
724
231,94
231,94
231,94
Werbungskosten ges.
12535,97

Daraus ergibt sich die im Beiblatt dargestellte Abgabenberechnung.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101635.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at