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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2021, RV/5100707/2016

Nebeneinander von Dienst- und Werkvertrag / Bindungswirkung einer finanzstrafrechtlichen Verurteilung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Senatsvorsitzende***R1***, den Richter***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Zauner & Mühlböck Rechtsanwälte KG, Graben 21, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen die Haftungsbescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Lohnsteuer 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 und gegen die Festsetzungsbescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Dienstgeberbeitrag 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 zu Recht:

  • Der Beschwerde gegen die Haftungsbescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Lohnsteuer 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013, den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Dienstgeberbeitrag 2009 und den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

  • Der Beschwerde gegen die Bescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Dienstgeberbeitrag 2010, 2011, 2012 und 2013 und gegen die Bescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2010, 2011, 2012 und 2013 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist als selbständige Buchhalterin tätig. Im Jahr 2015 wurde bei der Beschwerdeführerin eine Außenprüfung gem § 147 BAO über den Prüfungszeitraum 2009 bis 2013 durchgeführt. Vom Prüfungsorgan wurden dabei unter anderem Honorarnoten, die von Herrn ***AB***, dem Ehegatten der Beschwerdeführerin, gelegt worden waren und die die Beschwerdeführerin unter dem Titel "Fremdleistungen" verbucht hatte, hinterfragt. Herr ***AB*** sei den Ausführungen im Besprechungsprogramm betreffend die Außenprüfung (Tz 7) zufolge im Prüfungszeitraum nichtselbständig bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen und habe darüber hinaus jährlich Honorarnoten an die Beschwerdeführerin gelegt. Allerdings könne der Zahlungsfluss vom Prüfungsorgan nicht nachvollzogen werden. Auf der Honorarnote sei keine Stundenanzahl und kein Stundentarif angeführt. Die Angemessenheit der Leistungsentgelte sei nicht überprüfbar. Herr ***AB*** habe keine Gewerbeberechtigung zur gewerblichen Ausübung einer Buchhaltungstätigkeit. Außerdem seien die Arbeiten in den betrieblichen Räumlichkeiten und mit den Arbeitsmitteln (PC, Software, Geschäftsausstattung) der Beschwerdeführerin ausgeführt worden. Es sei daher festzustellen, dass Herr ***AB*** keinerlei Leistungen für das Buchhaltungsbüro der Beschwerdeführerin erbracht habe, die über seine nichtselbständige Tätigkeit hinausgehen. Den Ausführungen im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung zufolge (Tz 4) sei im Ergebnis festzustellen, dass die werkvertragliche Geschäftsbeziehung zwischen den Ehegatten ***A*** und ***Bf1*** einem Fremdvergleich nicht standhalten würde. Auf der Grundlage eines geschätzten Jahresbruttolohnes von 23.000,- Euro seien nach der vom Prüfungsorgan vertretenen Ansicht somit für den Prüfungszeitraum lohnabhängige Abgaben wie folgt festzusetzen bzw eine Haftungsinanspruchnahme für Lohnsteuer wie folgt zu verfügen:


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2009
2010
2011
2012
2013
Jahresbruttolohn
23.000,00
23.000,00
23.000,00
23.000,00
23.000,00
Lohnsteuer
3.227,28
3.227,28
3.227,28
3.227,28
3.227,28
DB 4,5%
1.035,00
1.035,00
1.035,00
1.035,00
1.035,00
DZ 0,36%
82,80
82,80
82,80
82,80
82,80

Am erließ das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr (im Folgenden bezeichnet als "belangte Behörde") die vorgenannten Feststellungen berücksichtigende Bescheide in Form eines Sammelbescheides, wobei begründend auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung verwiesen wurde.

Mit innerhalb von der belangten Behörde verlängerter Beschwerdefrist bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben vom wurde von der Beschwerdeführerin gegen die im Spruchkopf dieses Erkenntnisses genannten Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Behörde habe vorgelegte Unterlagen nicht gewürdigt. In der Zeit von bis sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin ausschließlich als neuer Selbständiger tätig gewesen und habe dieser weder bei der Beschwerdeführerin noch anderweitig ein Dienstverhältnis gehabt.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde der Beschwerde gegen die Haftungsbescheide Lohnsteuer 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 stattgegeben. In der gesondert ergangenen Bescheidbegründung vom selben Tag wurde dazu zusammengefasst ausgeführt, dass eine Haftung gem § 82 EStG 1988 nur dann gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen sei, wenn hinsichtlich der betreffenden Einkünfte noch keine Einkommensteuer seitens des Arbeitnehmers entrichtet wurde. Bei Herrn ***AB*** seien betreffend die Jahre 2009 bis 2013 bereits Einkommensteuerbescheide erlassen worden und sei daher Herr ***AB*** gem § 83 Abs 2 Z 1 EStG 1988 für die Lohnsteuernachforderungen unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Mit Beschwerdevorentscheidungen der belangten Behörde vom wurde der Beschwerde gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 sowie der Beschwerde gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 teilweise stattgegeben und wurden die angefochtenen Bescheide wie folgt abgeändert:


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DB
2009
2010
2011
2012
2013
bisher gebucht
1.035,00
1.770,92
2.057,90
2.517,52
2.412,69
laut BVE
-
1.162,52
1.417,10
1.891,12
1.771,17
DZ
2009
2010
2011
2012
2013
bisher gebucht
82,80
141,69
164,36
199,28
193,02
laut BVE
-
93,02
113,10
149,17
141,70

In der gesondert ergangenen Bescheidbegründung vom selben Tag wurde betreffend das Jahr 2009 im Wesentlichen ausgeführt, dass der von Herrn ***AB*** der Beschwerdeführerin im Jahr 2009 in Rechnung gestellte Betrag diesem bereits im Jahr 2008 zugeflossen sei. Betreffend die Jahre 2010 bis 2013 wurde nach einer zusammenfassenden Darstellung der Judikatur betreffend die Voraussetzungen der steuerlichen Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar Werkverträge abgeschlossen worden seien, jedoch hätten diese keinen Niederschlag in den tatsächlichen Verhältnissen gefunden. Besonderes Gewicht komme in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass Herr ***AB*** für die behauptete selbständige Tätigkeit die Arbeitsmittel der Beschwerdeführerin verwendet habe (Büroräume samt darin befindlicher Betriebs- und Geschäftsausstattung, PC samt Software die Buchhaltungsarbeiten, den betrieblichen PKW für Dienstfahrten). Ein von der Beschwerdeführerin zum Nachweis der Anschaffung eines eigenen PCs durch Herrn ***AB*** vorgelegter Kassenbeleg vom , auf dem der Name des Kunden ***AB*** offensichtlich nachträglich eingefügt worden sei, bilde der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht zufolge keinen hinreichenden Nachweis für die (ausschließliche) Verwendung eigener Betriebsmittel durch Herrn ***AB***. Herr ***AB*** habe zudem auch keine eigenen Kunden, sondern er erledige Buchhaltungs- und Jahresabschlussarbeiten ausschließlich für die Beschwerdeführerin. Außerdem verfüge Herr ***AB*** für eine selbständige Ausübung der Tätigkeit nicht über die dafür erforderliche Ausbildung und auch nicht über die erforderliche Gewerbeberechtigung. Herr ***AB*** besitze auch keinen eigenen PKW, er sei daher für seine Dienst- und Privatfahrten auch auf den jeweiligen betrieblichen PKW der Beschwerdeführerin angewiesen, er habe aber auch andere Kfz seiner Familie für Privatfahrten nutzen können. Im Ergebnis sei an der im Rahmen der Außenprüfung erfolgten Feststellung, wonach zwischen der Beschwerdeführerin und Herrn ***AB*** ein einheitliches Dienstverhältnis vorliege, festzuhalten. Lediglich der Höhe nach sei insoweit eine Anpassung erforderlich, als die Höhe der Gehälter mit den Zuflüssen aus den Honorarnoten und den bisherigen (als solche erklärten) Gehältern zu begrenzen sei. Zusätzlich sei ein Sachbezug für die private PKW-Nutzung iHv 0,75% der Listenpreise der beiden von der Beschwerdeführerin geleasten PKW anzusetzen.

Mit Schreiben vom stellte der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin unter anderem einen Antrag auf Vorlage der oa Beschwerde vom an das Bundesfinanzgericht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht keine einheitliche Leistungsbeziehung vorliege. Vielmehr lägen zwei inhaltlich unterschiedliche und auch nach außen hin leicht abgrenzbare Tätigkeitsbereiche vor (einerseits laufende Buchhaltungsarbeiten, andererseits Erstellung von Jahresabschlüssen). Dass Herr ***AB*** keine "eigenen Kunden" betreue, sondern ausschließlich Kunden der Beschwerdeführerin, sei im Hinblick auf insbesondere im Baugewerbe gängige Subunternehmeraufträge nicht ungewöhnlich. Abgesehen von der inhaltlichen Abgrenzbarkeit gebe es auch eine zeitliche Abgrenzung. Dass diese Abgrenzung nicht durchgehend zu den gleichbleibenden Tages- bzw Wochenzeiten unverändert bleibe, sei bei einer familiären Nahebeziehung nicht zu beanstanden. Für die im Rahmen des Dienstverhältnisses erbrachten Leistungen sei eine entsprechende Dokumentation vorgelegt worden; eine zeitliche Dokumentation durch Herrn ***AB*** (auch) jener Leistungen, die außerhalb des Dienstverhältnisses erbracht wurden, würde die Aufzeichnungspflichten der Beschwerdeführerin überspannen. Betreffend die Frage nach eigenen Betriebsmitteln sei zu bedenken, dass für die Erstellung von Jahresabschlüssen gar keine besonderen Betriebsmittel notwendig seien. Dass die von Herrn ***AB*** verrichteten Fahrten zu den Kunden mit einem im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden (bzw von dieser geleasten) Pkw ausgeführt worden wären, sei unzutreffend. Vielmehr habe Herr ***AB*** ausschließlich im Eigentum seiner Söhne stehende PKW verwendet und mit seinen Söhnen diesbezügliche Nutzungsvereinbarungen abgeschlossen.

Am erfolgte durch die belangte Behörde die Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin war in den Streitjahren 2009 bis 2013 als selbständige Buchhalterin tätig. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin, Herr ***AB***, war in den Streitjahren 2009 bis 2013 in folgenden Zeiträumen im Rahmen eines Dienstverhältnisses für die Beschwerdeführerin tätig und erzielte dieser für diese Tätigkeit folgende Bruttobezüge (210) bzw steuerpflichtige Bezüge (245):


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2009
2010
2011
2012
2013
Beschäftigungszeitraum
1.10.-31.12.
1.1.-31.12.
1.1.-31.12.
1.1.-31.12.
1.1.-31.12.
Bruttobezüge
1.329,96
5.320,00
5.600,00
5.658,40
5.904,40
Steuerpflichtige Bezüge
1.012,68
3.862,76
4.066,64
4.111,82
4.292,50

Auf der Grundlage einer am von Herrn ***AB*** mit der Beschwerdeführerin als "Werkvertrag" bezeichneten Vereinbarung stellte Herr ***AB*** der Beschwerdeführerin mittels jeweils am Jahresende gelegter Honorarnoten zudem folgende Beträge in Rechnung, wobei ihm diese Beträge von der Beschwerdeführerin im jeweiligen Jahr in bar ausbezahlt wurden (Anm: die von Herrn ***AB*** im Jahr 2009 gelegte Honorarnote war von der Beschwerdeführerin bereits im Jahr 2008 beglichen worden):


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2009
2010
2011
2012
2013
Honorar
-
8.180,00
6.760,00
6.980,00
6.644,00

Mit Erkenntnis gemäß § 141 Abs 3 FinStrG vor dem Spruchsenat des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde wurde die Beschwerdeführerin am unter anderem schuldig gesprochen, sie habe "vorsätzlich unter Verletzung der Pflicht zur Führung von dem § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung an Dienstgeberbeiträgen zum Lastenausgleichsfonds für Familien samt Zuschlägen für jedes der Monate von Jänner 2010 (DZ ab Jänner 2011) bis Dezember 2013 in Höhe von insgesamt € 1.723,59 (DB: € 1.627,88; DZ: € 95,71) bewirkt, indem sie die nicht selbständige Tätigkeit von Hrn. ***AB*** zum Teil als werkvertragsbasierte Fremdleistung darstellte, wobei sie die Verkürzung nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt" und wurde die Beschwerdeführerin hierfür zu einer Geldstrafe verurteilt. Da die Parteien nach Verkündung des vorgenannten Erkenntnisses samt Begründung und erteilter Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet haben bzw kein Rechtsmittel binnen Wochenfrist angemeldet haben, ist das Erkenntnis rechtskräftig. Im Zuge des Finanzstrafverfahrens war seitens der Beschwerdeführerin eingeräumt worden, "dass der Nachweis einer klaren Trennung von Werkvertrags- und Dienstvertragstätigkeiten gegenständlich nicht erbracht werden konnte und Verschränkungen vorliegen" (Schriftliche Rechtfertigung vom Tz 4).

Über die oa baren Geldbeträge hinaus sind Herrn ***AB*** im streitgegenständlichen Zeitraum aus dem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin keine geldwerten Vorteile zugekommen.

Von Herrn ***AB*** wurden im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2013 betriebliche Einkünfte, die jeweils den Betrag von 730 Euro übersteigen, erklärt und wurde die Einkommensteuer für diese Jahre vom Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs jeweils mit Bescheid (Einkommensteuerbescheid 2010 vom , Einkommensteuerbescheid 2011 vom , Einkommensteuerbescheid 2012 vom , Einkommensteuerbescheid 2013 vom ) festgesetzt.

Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Abgabenbehörde muss dieser Rechtsprechung zufolge den Bestand einer Tatsache nicht im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn nachweisen (vgl zB ; Ritz, BAO6 § 167 Rz 8 mwN).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist betreffend die Feststellung, Herrn ***AB*** sind im streitgegenständlichen Zeitraum aus dem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin keine geldwerten Vorteile zugekommen, wie folgt auszuführen: Die belangte Behörde hat im Rahmen der Beschwerdevorentscheidungen vom dem Dienstgeberbeitrag sowie dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag erstmalig auch einen geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges zugrunde gelegt. Dabei stützte sich die belangte Behörde im Rahmen der gesondert ergangenen Bescheidbegründung vom allerdings ausschließlich auf die Feststellung, dass Herr ***AB*** keinen eigenen PKW besessen habe. Gestützt auf diese Feststellung zog die belangte Behörde den Schluss, dass "er […] daher für seine Dienst- und Privatfahrten auch auf den jeweiligen betrieblichen PKW seiner Gattin angewiesen [war]". Dass Herr ***AB*** auf eine Nutzung des betrieblichen PKW seiner Ehegattin angewiesen gewesen wäre, steht jedoch in Widerspruch zu der ebenfalls von der belangten Behörde getroffenen Feststellung, er habe "aber auch andere KFZ seiner Familie für Privatfahrten nutzen können". Zudem wurde im Rahmen des Vorlageantrages seitens der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin Herrn ***AB*** keinen PKW zur Nutzung überlassen habe, vielmehr habe dieser ausschließlich im Eigentum seiner Söhne befindliche PKW genutzt, worüber entsprechende Nutzungsvereinbarungen abgeschlossen worden seien. Diesem Vorbringen ist die belangte Behörde nicht entgegengetreten; vielmehr wird im Rahmen der "Stellungnahme zur Beschwerdevorlage" vom , auf die im Vorlagebericht verwiesen wird, hinsichtlich der festgesetzten Lohnabgaben lediglich "auf die Bescheidbegründung vom hingewiesen". Es liegen vor diesem Hintergrund im gegenständlichen Fall aber weder Anhaltspunkte für eine zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten abgeschlossene Vereinbarung über die Nutzung eines sich im Anlagevermögen des Betriebes der Beschwerdeführerin befindlichen Kraftfahrzeuges noch über eine tatsächliche Nutzung eines solchen Kraftfahrzeuges durch den Ehegatten der Beschwerdeführerin vor. Selbst wenn man von einer Nutzungsüberlassung für private Zwecke an den Ehegatten der Beschwerdeführerin ausginge, wären im Übrigen aber auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Nutzungsüberlassung im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stünde und nicht als Unterhaltsleistung zu qualifizieren ist (siehe dazu Büsser in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer [EStG 1988] - Kommentar62 § 15 Rz 97 mwH). Dafür, dass Herrn ***AB*** aus dem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin andere geldwerte Vorteile zugeflossen wären, sind ebenfalls keine Anhaltspunkte erkennbar und wurden dahingehend auch von der belangten Behörde keine Feststellungen getroffen.

Im Übrigen sind die obigen Feststellungen unstrittig und ergeben sich diese aus den aktenkundigen Unterlagen.

Rechtliche Beurteilung

3.1. Vorliegen eines einheitlichen Dienstverhältnisses

Nach § 47 Abs 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Für die Frage nach dem Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es im Einzelfall nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung wie Dienstvertrag oder Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich verwirklichten Vereinbarungen entscheidend. Für die Beurteilung einer Leistungsbeziehung ist dabei stets das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit maßgebend, wobei auch der im Wirtschaftsleben üblichen Gestaltungsweise Gewicht beizumessen ist (vgl , mwN).

Es ist zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass ein und dieselbe Person ein und derselben anderen Person im gleichen Zeitraum sowohl als Arbeitnehmer als auch als selbständig Erwerbstätiger gegenübertritt. Ein Arbeitnehmer erbringt seine Leistungen dem Arbeitgeber aber nicht schon deshalb außerhalb eines Dienstverhältnisses, weil der Arbeitgeber einen "Werkvertrag" behauptet. Es muss sich vielmehr die als selbständig zu beurteilende Tätigkeit des Arbeitnehmers deutlich von seinen gegenüber dem Arbeitgeber sonst erbrachten Leistungen abheben und für sich allein zumindest überwiegend die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit aufweisen (vgl , mwN).

Seitens der Beschwerdeführerin wurde im gegenständlichen Fall im Zuge des Finanzstrafverfahrens eingeräumt, "dass der Nachweis einer klaren Trennung von Werkvertrags- und Dienstvertragstätigkeiten gegenständlich nicht erbracht werden konnte und Verschränkungen vorliegen." Mit rechtskräftigem Erkenntnis vor dem Spruchsenat des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde vom wurde daraufhin festgestellt, dass die in den Jahren 2010 bis 2013 von der Beschwerdeführerin als werkvertragsbasierte Fremdleistung dargestellte Tätigkeit von Herrn ***AB*** für die Beschwerdeführerin eine nicht selbständige Tätigkeit ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt; die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (vgl ; Ritz, BAO6 § 116 Rz 14 mwN). Nichts anderes gilt für die Bindung des Bundesfinanzgerichts an rechtskräftige Strafurteile (vgl ). Diese Bindungswirkung ist Ausfluss der materiellen Rechtskraft der jeweiligen strafrechtlichen Erledigung (vgl dazu ) und geht sowohl von Erledigungen im Rahmen eines gerichtlichen als auch von Erledigungen im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens aus (vgl Kotschnigg, Beweisrecht BAO § 116 Rz 73; , mwN).

In diesem Lichte bedarf es im gegenständlichen Fall aufgrund der bindenden Feststellungen des oa finanzstrafrechtlichen Erkenntnisses vom keiner weitergehenden eigenständigen Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes mehr () und ist in Übereinstimmung mit der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht von einem einheitlichen Dienstverhältnis auszugehen.

3.2. Höhe der Beitragsgrundlage

Der Dienstgeberbeitrag ist gem § 41 Abs 3 FLAG 1967 von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die in § 41 Abs 1 FLAG 1967 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit a und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 EStG 1988 und an freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs 4 ASVG.

Gem § 122 Abs 8 WKG gilt als Bemessungsgrundlage des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG 1967.

Betreffend die Höhe der im gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen Beitragsgrundlagen ist zunächst festzuhalten, dass insoweit eine Bindungswirkung des Bundesfinanzgerichtes an das vorliegende finanzstrafrechtliche Erkenntnis vom nicht besteht. Zwar setzt die Beurteilung der Bewirkung einer Abgabenverkürzung § 33 Abs 1 FinStrG die steuerrechtliche Beurteilung von Bestehen und Höhe der als verkürzt vorgeworfenen Abgabenschuld voraus. An diese steuerlichen Rechtsauffassungen sind die Abgabenbehörden in einem nachfolgenden Abgabenverfahren der Rechtsprechung des VwGH zufolge aber nicht gebunden. Somit darf die Abgabenbehörde in einem nachfolgenden Verwaltungsverfahren zwar von einem in einem (Finanz-)Strafverfahren festgestellten Lebenssachverhalt nicht abweichen; die steuerrechtliche Beurteilung des Lebenssachverhaltes, an dessen Feststellung sie gebunden ist, obliegt dessen ungeachtet weiterhin der mit der Vollziehung der Abgabengesetze betrauten Abgabenbehörde (vgl ).

Betreffend die den gegenständlich angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegte Schätzung der Beitragsgrundlagen, die von der belangten Behörde damit begründet worden war, dass "keine genauen Arbeitsaufzeichnungen […] vorliegen" (siehe Besprechungsprogramm betreffend die Außenprüfung Tz 7), ist wie folgt auszuführen: Maßgeblich für die Höhe der Beitragsgrundlage ist - insoweit in Übereinstimmung mit den einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen - der dem Arbeitnehmer tatsächlich zugeflossene Arbeitslohn (vgl Kuprian in Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG2 § 43 Rz 46). Ob und in welcher Höhe Herrn ***AB*** im gegenständlichen Fall in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin Bezüge und geldwerte Vorteile zugegangen sind, über die Herr ***AB*** rechtlich und wirtschaftlich verfügen konnte und die diesem somit zugeflossen sind, wurde unter Punkt 1 dieses Erkenntnisses festgestellt. In Übereinstimmung mit der von der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidungen vom vertretenen Ansicht ist eine Schätzungsbefugnis (§ 184 BAO) gegenständlich somit nicht gegeben.

Somit sind im Beschwerdefall auf der Grundlage der unter Punkt 1 getroffenen Feststellungen über die von der Beschwerdeführerin bereits selbstberechneten und entrichteten Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag hinaus ausschließlich die von der Beschwerdeführerin an ihren Ehegatten in den Jahren 2010 bis 2013 bezahlten "Honorare" als Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG 1967 anzusetzen und ergibt sich somit nur insoweit aus der Bestimmung des § 201 BAO dem Grunde nach eine Berechtigung zur Festsetzung mittels Bescheid (insoweit kann auf die Ausführungen unter Tz 4 der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom verwiesen werden). Betreffend die Höhe der vorzunehmenden Festsetzung wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen.

Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Dienstgeberbeitrag 2009 und den Bescheid betreffend Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009 ist aus den oa Gründen Folge zu geben und sind diese Bescheide aufzuheben.

3.3. Lohnsteuerhaftung

Gem § 82 erster Satz EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Gem § 83 Abs 1 EStG 1988 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner. Gem § 83 Abs 2 EStG 1988 wird der Arbeitnehmer unmittelbar in Anspruch genommen, unter anderem wenn die Voraussetzungen des § 41 Abs 1 EStG 1988 vorliegen (Z 1) oder wenn eine Veranlagung auf Antrag (§ 41 Abs 2 EStG 1988) durchgeführt wird (Z4).

Aufgrund der für die Jahre 2010 bis 2013 durchgeführten Veranlagung zur Einkommensteuer des Arbeitnehmers ***AB*** ist somit im gegenständlichen Fall der Arbeitnehmer für die auf seinen Arbeitslohn entfallende Lohnsteuernachforderung unmittelbar in Anspruch zu nehmen.

Betreffend die im gegenständlichen Beschwerdefall von der belangten Behörde erlassenen Lohnsteuerhaftungsbescheide ist zwar zu berücksichtigen, dass gem § 82 zweiter Satz EStG 1988 der Umstand, dass der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird, einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegensteht. Ist der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer bereits veranlagt worden, ist dies jedoch im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen. Soweit die Einkommensteuer beim Arbeitnehmer einbringlich ist, liegt keine am Gesetz orientierte Ermessensübung vor, wenn der Arbeitgeber trotz der Veranlagung des Arbeitnehmers zur Haftung für die Lohnsteuer herangezogen wird (vgl Berger in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], EStG15 Rz 83 Rz 4).

Dass im gegenständlichen Fall eine Einbringlichkeit der Einkommensteuer bei Herrn ***AB*** nicht gegeben wäre, wurde von der belangten Behörde nicht dargetan. In Übereinstimmung mit der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde ist somit der gegen die Lohnsteuerhaftungsbescheide 2010, 2011, 2012 und 2013 eingebrachten Beschwerde Folge zu geben und sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Betreffend den Lohnsteuerhaftungsbescheid 2009 ist darauf zu verweisen, dass Herrn ***AB*** im Jahr 2009 ohnedies keine Arbeitslöhne zugeflossen sind, die über die von der Beschwerdeführerin für Zwecke der Lohnsteuer erfassten und gemeldeten Beträge hinausgingen, sodass insoweit aus den §§ 201 f BAO keine Berechtigung zur Erlassung eines Lohnsteuerhaftungsbescheides abzuleiten ist. Somit ist auch der gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid 2009 eingebrachten Beschwerde Folge zu geben und ist der angefochtene Bescheid aufzuheben.

3.4. Unzulässigkeit der Revision

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen sind, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Erwägungen dieses Erkenntnisses zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 122 Abs. 8 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
§ 41 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 83 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 83 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100707.2016

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