Keine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses des Verlustabzuges bei Einkünften aus Kapitalvermögen
Rechtssätze
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RV/7101216/2021-RS1 | Verlustverwertungsbeschränkungen bei Einkünften aus Kapitalvermögen im außerbetrieblichen Bereich begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es steht im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterschiedliche Regelungen für den betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich zu normieren( ). |
RV/7101216/2021-RS2 | § 27 Abs. 8 EStG 1988 enthält für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem besonderen Steuersatz unterliegen, in einer Durchschnittsbetrachtung ein hinreichend angepasstes und sohin nicht gleichheitswidriges System der Verlustberücksichtigung, das im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt (). |
RV/7101216/2021-RS3 | Auch wenn die Besteuerung betrieblicher Kapitalanlagen weitgehend jener privater Kapitalanlagen entspricht (vgl § 27a Abs. 6 EStG 1988), gebietet der Gleichheitssatz jedoch nicht, die für betriebliche Kapitalanlagen bestehenden Regelungen der Verlustverrechnung des § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 auch für Kapitalanlagen im Privatvermögen vorzusehen, zumal in der Besteuerung von realisierten Wertsteigerungen und Derivaten auch Unterschiede zwischen betrieblichen Einkünften und Einkünften aus Kapitalvermögen bestehen (§ 1 Abs. 3 Endbesteuerungsgesetz).
Dem Gesetzgeber kann nach VfGH () nicht entgegengetreten werden, wenn er bei der Ausgestaltung der Besteuerung von Kapitalerträgen zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Einkünften differenziert, weshalb darin auch keine Verfassungswidrigkeit erblickt werden kann. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Commendatio Wirtschaftstreuhand GmbH, Hermanngasse 21/10, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde (FA) die Einkommensteuer 2019 des DI ***Bf1*** (Beschwerdeführer, Bf.) mit 47.150,32 € fest. Nach Abzug der bisher entrichteten Kapitalertragsteuer (KESt) von 21.553,60 € ergab sich daraus eine Nachzahlung von 25.597,00 €.
Den vom Bf. beantragten Verlustvortrag von 450.541,00 € für negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus 2018 verweigerte das FA, weil bei negativen Einkünften aus KV im außerbetrieblichen Bereich ist ein Verlustvortrag auf Grund der gesetzlichen Restriktionen nicht zulässig sei. Erlittene negative Einkünfte im Bereich des Privatvermögens könnten - falls überhaupt möglich - nur in jener Periode berücksichtigt werden, in der sie erzielt wurden.
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wird ausgeführt, dass der Bf. im Jahr 2018 einen saldierten Verlust von -543.776,00 € erlitten habe, der durch andere positive Kapitaleinkünfte auf im Jahr 2018 auf -450.541,00 € reduziert worden sei.
Das Erkenntnis des zur Durchbrechung des Zufluss-Abfluss-Prinzips im Bereich der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften und die dort getätigten Aussagen zur Besteuerung von Scheingewinnen sei ab 2012 analog auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen umzulegen.
Wörtlich wird weiter ausgeführt:
Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot
Nach der Rechtsprechung des VfGH ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ein grundlegendes Ordnungsprinzip der Einkommensteuer. Die Besteuerung soll danach an die persönliche Leistungsfähigkeit, die von der Höhe des Einkommens abhänge, anknüpfen. Der Verlustausgleich und der Verlustvortrag sind demnach prinzipiell anzuwenden. Des Weiteren müsse das objektive Nettoprinzip beachtet werden, aus welchem sich ergebe, dass Betriebsausgaben und Werbungskosten zum Abzug zuzulassen sind. Eingriffe in die Prinzipien der Leistungsfähigkeit und des objektiven Nettoprinzips bedürften einer sachlichen Rechtfertigung.
Tatsächlich werden jedoch diese Grundsätze durch das Fehlen von Regelungen gemäß § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 iVm § 18 Abs. 6 EStG 1988 sowie durch das Abzugsverbot in § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 bei privaten Kapitaleinkünften konterkariert; eine sachliche Rechtfertigung fehlt.
In Fällen, in denen Regelungen dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderlaufen, ist es dem Gesetzgeber zuzumuten und auch geboten, seine Motivation und die Rechtfertigung der gesetzlichen Grundlage klar und vollständig zu artikulieren. Es ist auch darzulegen, weshalb Differenzierungen zwischen dem betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich vorgenommen werden und die gewählte leistungsfähigkeitswidrige Regelung angemessen im Verhältnis zu den leistungsfähigkeitswidrigen Begünstigungen steht; dies ist insbesondere im Bereich des fehlenden Verlustvortrages im außerbetrieblichen Bereich jedoch nicht erfolgt. Es lägen keine nachvollziehbaren Gründe für die gegenständliche Ungleichbehandlung vor und somit ist von einer offensichtlich willkürlichen Ungleichbehandlung auszugehen, die einen klaren Verstoß gegen verfassungsrechtlich geschützte Rechte darstelle.
Die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, dass dem durchschnittlichen Privatanleger hinsichtlich der gezielten Realisierung von Verlusten und Gewinnen aus Wertpapieren iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 kein ausreichender Gestaltungsspielraum gegeben ist. Es erscheint daher als unangemessen den Großteil der österreichischen Privatanleger hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu bestrafen, weil eine kleine Zahl an steuerpflichtigen Privatanlegem über ausreichend Dispositionsmöglichkeiten verfügt, um auf einen Verlustvortrag verzichten zu können, weil mit nicht realisierten Gewinnen und Verlusten jongliert werden könne.
Der VfGH ist stets davon ausgegangen, dass die Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insofern geboten ist, als es einer sachlichen Rechtfertigung bedarf, wenn in Teilbereichen von dieser abgegangen wird.
Vergleiche man einen Nichtselbstständigen mit Kapitaleinkünften aus Wertsteigerungen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 im Privatvermögen mit einem Selbstständigen mit Wertpapieren iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988, so ist festzuhalten, dass man innerhalb des geschlossenen Systems der Schedulenbesteuerung ohne überzeugende Begründung bei einer Situation wie im Beschwerdefall zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich Verlustausgleich, Verlustvortrag, Berücksichtigung von Anschaffungskosten etc kommt. In Summe ergebe sich jedenfalls eine willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung.
Im außerbetrieblichen Bereich sind die gravierenden Einschränkungen des Verlustausgleichs, das Verlustvortragsverbot, das Abzugsverbot von Anschaffungsnebenkosten gerade nicht als Ausgleich für den niedrigen linearen Steuersatz sowie die nicht progressionserhöhende Wirkung dieser Einkünfte für die Steuerbemessungsgrundlage der nach synthetischen Grundsätzen erhobenen Einkommensteuer zu sehen und ist sei damit keinesfalls ein ausgewogenes System einer "Quasi-Bruttobesteuerung" geschaffen worden.
Verbot unsachlicher Differenzierungen
Auf Grund des Fehlens einer zu § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 vergleichbaren Norm sowie mangels einer vergleichbaren Regelung wie § 18 Abs. 6 EStG 1988 iVm § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 kommt es im Privatvermögen ohne Berücksichtigung eines Verlustausgleiches sowie eines Verlustvortrages zu einer Besteuerung von Kapitalerträgen, die in einer Totalbetrachtung in dieser Höhe nicht erzielt worden sind. Es kommt daher wiederum zu einer Ungleichbehandlung gegenüber dem betrieblichen Bereich, in welchem sowohl ein Verlustausgleich als auch ein Verlustvortrag möglich sind.
Daraus folgt, dass ein Privatinvestor mit gleich hohen Kapitalerträgen wie ein betrieblicher Investor zwar die gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hat, jedoch - ohne stichhaltige Rechtfertigung - höher besteuert wird; dies ist schlicht unsachlich. Der in Art. 7 B-VG normierte Gleichheitsgrundsatz verbietet jedoch willkürliche, unsachliche Differenzierungen auf den Gebieten der Normsetzung und des Normvollzuges (vgl. VfSlg 3197ua). Der Gleichheitsgrundsatz wird vom Gesetzgeber verletzt, wenn er Gleiches ungleich behandle (vgl. VfSlg 5737 ua); dies ist bei den Kapitaleinkünften im Privatvermögen gegenüber solchen im betrieblichen Vermögen der Fall.
Schutz des Eigentums
Das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums darf nach Lehre und Rsp nur dann eingeschränkt werden, wenn damit nicht andere Grundrechte verletzt werden. Herr ***Bf1*** wird ohne sachliche Grundlage um 123 TEUR entreichert, während in vergleichbaren Fällen im betrieblichen Bereich dies nicht geschieht. Eine Entreicherung um 123 TEUR ist kein Bagatellbetrag, den ein Staatsbürger so hinnehmen muss, während andere diesen Nachteil nicht haben.
Die Beschwerde wurde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf. erzielte im Veranlagungsjahr 2018 negative Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von -543.776,00 €. Diese negativen Einkünfte wurden im Veranlagungsjahr 2018 mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet und es verblieb ein Negativsaldo von -450.541,00 €, welcher 2018 nicht ausgeglichen wurde. Laut Einkommensteuerbescheid 2018 vom war das Einkommen 2018 "0,00". Der genannte Negativbetrag aus Einkünften aus Kapitalvermögen wurde nicht bescheidmäßig festgesetzt.
Im Jahr 2019 erzielte der Bf. ebenfalls ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen - Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 ebenfalls "0,00".
Beweiswürdigung
Die obigen Feststellungen sind unstrittig und ergeben sich aus den Beschwerdeausführungen samt Beilagen sowie den Einkommensteuerbescheiden 2018 und 2019.
Rechtslage
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist strittig, ob die kumulierte Anwendung der Normen § 18 Abs. 6 EStG 1988, § 20 Abs. 2 EStG 1988, § 27 Abs. 8 EStG 1988 und § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988, im Bereich Einkünfte aus Kapitalvermögen im Privatvermögen verfassungswidrig sei.
Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 idgF sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur, wenn die Verluste durch ordnungsgemäße Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden. Die Höhe des Verlusts ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.
Nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit Einkünften, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist oder Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 angewendet wird, in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
§ 27 Abs. 8 EStG 1988 idgF lautet:
(8) Der Verlustausgleich ist nur nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zulässig:
Verluste aus Einkünften nach Abs. 3 und 4 können nicht mit Zinserträgen aus Geldeinlagen und sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten im Sinne des § 27a Abs. 1 Z 1 sowie mit Zuwendungen gemäß Abs. 5 Z 7 ausgeglichen werden.
Verlustanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters dürfen nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen werden. Sie sind in Folgejahren mit Gewinnanteilen aus derselben Beteiligung zu verrechnen.
Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist, können nicht mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden, für die diese besonderen Steuersätze gemäß § 27a Abs. 2 nicht gelten.
Nicht ausgeglichene Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden.
Die vorstehenden Regelungen über den Verlustausgleich gelten auch im Falle der Regelbesteuerung gemäß § 27a Abs. 5..
§ 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF lautet:
2. Bei Wirtschaftsgütern und Derivaten, auf deren Erträge ein besonderer Steuersatz gemäß Abs. 1 anwendbar ist, sind die Anschaffungskosten ohne Anschaffungsnebenkosten anzusetzen. Dies gilt nicht für in einem Betriebsvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate.
Gemäß Art. 135 Abs. 4 B-VG iVm Art. 89 B-VG steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze den Verwaltungsgerichten nicht zu. Hat ein solches Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Dieser erkennt gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG sodann über deren Verfassungswidrigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass das erkennende Gericht die in Prüfung zu ziehende(n) Norm(en) anwenden muss (Präjudizialität).
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Der Gleichheitsgrundsatz bindet nach ständiger Rechtsprechung des VfGH auch den Gesetzgeber. Gesetze verletzen den Gleichheitsgrundsatz, wenn sie Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandeln. Unterschiede in der rechtlichen Gestaltung müssen ihre Grundlage in Unterschieden der ihnen zu Grunde liegenden Tatsachen haben, weil ansonsten diese den Gleichheitsgrundsatz verletzen. Überdies muss nach dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot die Normierung auch für sich genommen sachlich sein.
Das sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitende Leistungsfähigkeitsprinzip und das daraus entspringende Nettoprinzip stellen das vom Gesetzgeber geschaffene Ordnungssystem des Ertragssteuerrechts dar. Danach soll im Einkommensteuerrecht der periodisch erzielte Zuwachs an persönlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, ausgedrückt im Wesentlichen durch das am Markt erzielte (Rein)Einkommen, erfasst werden. Daher sind die zur Erzielung des Einkommens getätigten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Dieses Ordnungsprinzip darf vom Gesetzgeber nur dann durchbrochen werden, wenn es eine besondere sachliche Rechtfertigung dafür gibt. Rein fiskalische Gründe können ein solches Abgehen von diesem Ordnungssystem jedenfalls nicht rechtfertigen (VfSlg. 18.783/2009).
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) war schon mehrfach mit den verschieden Verlustausgleichs- und -vortragsbeschränkungen im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich befasst. Im Bereich der außerbetrieblichen Einkünfte - wie im beschwerdegegenständlichen Verfahren - waren die Verlustverwertungsbeschränkungen bei sonstigen Einkünften sowie bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen.
Generell beurteilte der VfGH es als unbedenklich, dass der Verlustvortrag auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränkt bleibt und bei diesen ursprünglich nur bilanzierenden Steuerpflichtigen vorbehalten war (). Verfassungsrechtlich problematisch sei es dem VfGH zufolge dann, wenn hohe laufende Aufwendungen nicht berücksichtigt werden können und daher bei einer periodenübergreifenden Totalbetrachtung der maßgeblichen Einkunftsquelle ein Einkommen zu versteuern ist, das gar nicht erzielt wurde.
Im Lichte dieser Ausführungen hat der VfGH mit Erkenntnis vom , G 35/10, die Wortfolge "wenn die Verluste durch ordnungsgemäße Buchführung ermittelt worden sind und" in § 18 Abs. 6 EStG 1988 als verfassungswidrig beurteilt und aufgehoben. Er stellte fest, dass der Ausschluss des Verlustvortrages bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung deshalb verfassungswidrig sei, weil bei außerordentlichen Wertminderung eines Mietobjektes, die im Rahmen der Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung steuerlich wirksam und als Werbungskosten abzuziehen waren, keine Verteilungsregelung vorgesehen war. Der VfGH hielt in seiner Entscheidung aber auch ausdrücklich fest, dass dieser verfassungswidrige Zustand sowohl durch die Öffnung des Verlustvortrages für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, als auch durch die Einführung einer neuen Verteilungsregelung in § 28 EStG 1988 beseitigt werden könne (; Lachmayer, Verluste sind nicht gleich Verluste ÖStZ 2017/726 mwN).
Aus dieser Judikatur kann aber keineswegs geschlossen werden, dass es eine verfassungsrechtlich vorgeschriebene Verpflichtung des Gesetzgebers gibt, bei allen Einkunftsarten eine dem Verlustvortrag vergleichbare Verlustberücksichtigung vorzusehen ().
Diese Sichtweise hat der VfGH in weiterer Folge bestätigt und die Zulässigkeit des Ausschlusses der Verlustvortragsfähigkeit bei außerbetrieblichen Einkünfte (aus nichtselbstständiger Arbeit) bejaht und die Behandlung einer entsprechenden Beschwerde abgelehnt (). Nach Ansicht des Gerichtshofes ließ das auf die Berücksichtigung eines Verlustvortrages bei dieser Einkunftsart gerichtete Beschwerdebegehren, die Verletzung in einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestanden habe.
Des Weiteren entschied der VfGH in jüngster Zeit, dass gegen das Abzugsverbot von Anschaffungsnebenkosten für Wirtschaftsgüter und Derivate, die dem besonderen Steuersatz unterliegen und im Privatvermögen gehalten werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen ().
Zuletzt sprach der VfGH in seinem Erkenntnis vom , E 1722/2020 aus, dass der Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs sowie des Verlustabzugs gem § 18 Abs. 6 EStG 1988 für dem besonderen Steuersatz unterliegende Einkünfte gem. § 27a Abs. 1 EStG 1988 keine Verletzung im Gleichheitsrecht darstelle.
Wörtlich führt der Gerichtshof auszugweise aus:
Mit VfSlg 19412/2011 wurde ausgesprochen, dass dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten ist, wenn er eine Ausweitung der Steuerpflicht im Bereich der Kapitaleinkünfte durch Einbeziehung realisierter Wertsteigerungen, verbunden mit einem niedrigeren proportionalen Steuersatz, und damit eine Abkehr von der synthetischen Einkommensteuer vornimmt und die Favorisierung einer sogenannten dualen Einkommensteuer erkennen lässt. Weiters begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn Verluste aus dem besonderen Steuersatz unterliegenden Einkünften nicht im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 ausgleichsfähig sind (VfSlg 20219/2017):
Das Rechtsinstitut des Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 ist Kennzeichen einer synthetischen Ermittlung des Einkommens und erfordert somit nicht die Einbeziehung von Einkünften, die weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind. Dies gilt selbst für den Fall der Ausübung der Regelbesteuerungsoption, weil mit einem Antrag auf Regelbesteuerung dem Steuerpflichtigen lediglich die Möglichkeit eröffnet wird, die Besteuerung von Einkünften an die progressive Tarifsteuer anzupassen, wenn diese niedriger sein sollte als der von diesen Einkünften erhobene besondere Steuersatz.
§ 27 Abs. 8 EStG 1988 enthält für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem besonderen Steuersatz unterliegen, in einer Durchschnittsbetrachtung ein hinreichend angepasstes und sohin nicht gleichheitswidriges System der Verlustberücksichtigung, das im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt:
Der VfGH hat im Zusammenhang mit § 18 Abs. 6 EStG 1988 den Ausschluss der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Verlustvortrag auf Grund der einkommensteuerrechtlichen Verteilungsvorschriften für verschiedene Aufwandskategorien zunächst als verfassungskonform angesehen (VfSlg 13296/1992), in weiterer Folge jedoch als unsachlich erkannt, weil auf Grund einer Rechtsprechungsänderung des VwGH hervorkam, dass für außerordentliche Wertverluste oder außergewöhnliche Kosten im EStG 1988 keine Verteilungsregeln vorgesehen waren und somit kein hinreichend angepasstes System der Verlustberücksichtigung bestanden hat (VfSlg 19185/2010). Dieses hat der Gesetzgeber in weiterer Folge geschaffen, indem er - anstelle eines Verlustvortrags - in § 28 Abs. 2 EStG 1988 vorgesehen hat, dass solche außerordentlichen Wertverluste und außergewöhnlichen Aufwendungen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf Antrag auf fünfzehn Jahre zu verteilen sind.
Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er für nicht ausgeglichene Verluste aus Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen des § 18 Abs. 6 EStG 1988 keinen Abzug als Sonderausgabe vorsieht, zumal ein solcher Abzug im Rahmen der Ermittlung des Einkommens das in § 27 Abs. 8 Z 4 EStG 1988 vorgesehene Verbot des vertikalen Verlustausgleichs gleichsam unterlaufen würde.
Es ist aber auch nicht zu erkennen, dass der Gleichheitssatz gebieten würde, für nicht ausgeglichene Verluste iSd § 27 Abs. 8 Z 4 EStG 1988 in einem späteren Jahr einen Abzug von positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und damit einen Verlustvortrag innerhalb der Schedule vorzusehen. Vor dem Hintergrund seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er den Ausgleich von Verlusten aus Einkünften, die dem besonderen Steuersatz unterliegen (wie zB jene aus der Veräußerung von Kapitalvermögen), auf positive Einkünfte aus Kapitalvermögen einschränkt, die dem besonderen Steuersatz unterliegen (wozu nicht nur realisierte Wertsteigerungen, sondern abgesehen von Geldeinlagen und Forderungen bei Kreditinstituten auch laufende Einkünfte aus der Überlassung von Kapital wie zB Dividenden und Zinserträge aus öffentlich begebenen Forderungswertpapieren zählen) und diese Verrechnung auf das Kalenderjahr der Verlusterzielung beschränkt.
Der VfGH übersieht dabei nicht, dass der Gesetzgeber für die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen regelt, dass die nach Ausgleich mit Gewinnen aus Grundstücksveräußerungen und Vermietungseinkünften verbleibenden "überhängenden" Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen um 60% zu kürzen und auf das laufende und die folgenden vierzehn Jahre zu verteilen sind (§ 30 Abs. 7 EStG 1988). Wenn der Gesetzgeber demgegenüber im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen einen solchen Vortrag von überhängenden Verlusten innerhalb der Schedule nicht vorsieht, kann ihm nicht entgegengetreten werden, unterscheiden sich doch die Veranlagung von Kapitalvermögen und die Veranlagung in Immobilien in wesentlichen Belangen, wie etwa in der Möglichkeit zur Diversifizierung und auch im Grad der Bindung des Kapitals, die auch eine unterschiedliche Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Verlustberücksichtigung rechtfertigen.
Sachlichkeit der im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers getroffenen Regelungen des - im Gegensatz zur betrieblichen Einkünfteerzielung - Ausschlusses der Berücksichtigung von Verlusten aus Kapitalvermögen bei außerbetrieblichen Kapitalanlagen und des Verbots des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten:
Verluste, die im Rahmen der betrieblichen Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung und der Teilwertabschreibung von Wirtschaftsgütern und Derivaten iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988, auf deren Erträge der besondere Steuersatz des § 27a EStG 1988 anwendbar ist, anfallen, sind gemäß § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 idF BGBl I 118/2015 vorrangig mit positiven Einkünften aus solchen Wirtschaftsgütern und Derivaten sowie mit Zuschreibungen derartiger Wirtschaftsgüter desselben Betriebes zu verrechnen. Ein verbleibender negativer Überhang darf nur zu 55% ausgeglichen werden. Anders als im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen können realisierte Verluste aus der Veräußerung von Kapitalvermögen im Rahmen der betrieblichen Einkünfte somit in jedem Fall zur Gänze verwertet werden. Auch gilt das Verbot des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten nicht für die im Betriebsvermögen gehaltenen Wirtschaftsgüter und Derivate (§27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988).
Die Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Regelungen zur Verwertung von Verlusten aus Kapitalanlagen liegt grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (VfSlg 16196/2001). Dies gilt auch für die Frage der unterschiedlichen Behandlung der Verrechnung von Verlusten aus der Veräußerung von betrieblichen und außerbetrieblichen Kapitalanlagen.
Im Zusammenhang mit betrieblichen Einkünften ist zu berücksichtigen, dass das Wesen der Ermittlung betrieblicher Einkünfte in der Erfassung von Wertschwankungen im Vermögen besteht, das der betrieblichen Einkünfteerzielung dient. Es ist daher nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber Verluste aus Kapitalanlagen des Betriebsvermögens auf Grund von deren betrieblicher Funktionszuweisung als Betriebsvermögen bei der Ermittlung betrieblicher Einkünfte bzw des Einkommens umfassend berücksichtigt.
Auch wenn die Besteuerung weitgehend jener privater Kapitalanlagen entspricht (vgl § 27a Abs. 6 EStG 1988), gebietet der Gleichheitssatz jedoch nicht, die für betriebliche Kapitalanlagen bestehenden Regelungen der Verlustverrechnung des § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 auch für Kapitalanlagen im Privatvermögen vorzusehen, zumal in der Besteuerung von realisierten Wertsteigerungen und Derivaten auch Unterschiede zwischen betrieblichen Einkünften und Einkünften aus Kapitalvermögen bestehen (§ 1 Abs. 3 Endbesteuerungsgesetz).
……Dem Gesetzgeber kann auch hier nicht entgegengetreten werden, wenn er bei der Ausgestaltung der Besteuerung von Kapitalerträgen zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Einkünften differenziert.
Auch wenn im gegenständlichen Beschwerdefall hohe Beträge vom gesetzlichen Verlustverwertungsverbot getroffen werden, vermag dieser Umstand im Lichte der obigen deutlichen Ausführungen des VfGH nicht die Verfassungskonformität der streitgegenständlichen Bestimmungen und damit den normierten Ausschluss vom Verlustvortrag der negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Zweifel zu ziehen.
Die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens durch das BFG ist sohin nicht geboten.
Inhaltlich wird ergänzend auf die Begründung des rechtskonformen Bescheides der belangten Behörde verwiesen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Beschwerdesache stellt keine Rechtsfrage dar, der grundsätzliche Bedeutung iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu kommt. Der Ausschluss des Verlustabzuges gem. § 18 Abs. 6 EStG für Einkünfte aus Kapitalvermögen ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz. Über die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Rechtsfragen besteht Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Das gegenständliche Erkenntnis folgt dieser Judikatur vollinhaltlich.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 27 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101216.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at